4a O 207/12 – Mobile Anzeigevorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2153

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Januar 2014, Az. 4a O 207/12

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des europäischen Patents 1 659 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 21.09.1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 197 41 XXX vom 19.09.1997 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 24.05.2006. Der deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft. Die Beklagte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 30.01.2013 vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben (Anlagenkonvolut B1).

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Anzeigevorrichtung mit einer Schnittstelle im Drehgelenk“. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet:

„Anzeigevorrichtung, insbesondere zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend ein Gehäuse mit einem Hauptteil (1) und zumindest einem Nebenteil (2), wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet sind, dass das Gehäuse buchartig um eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist, eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4), dadurch gekennzeichnet, dass im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung und/oder zur Übertragung von Datensignalen von oder zu anderen Informationsverarbeitungssystemen angeordnet ist, wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist.“

Hinsichtlich der Formulierung der lediglich „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 4, 5, 6, 8, 9, 12, 14, 15 und 16 wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12.09.2013 sowie die Klagepatentschrift Bezug genommen.

Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung. Figur 1 zeigt eine schematische Draufsicht eines anzeigenteilekoppelbaren Ausführungsbeispiels mit zwei Anzeigenteilen der erfindungsgemäßen mobilen Anzeigevorrichtung im aufgeklappten Zustand des Buchgehäuses mit schematisch angedeuteten Einbauten und Zusatzelementen für das digitale Buch einschließlich der Trennungs- und Verbindungsmöglichkeiten der wesentlichen Teile desselben:

Fig. 12 zeigt die Darstellung unterschiedlicher Erscheinungsformen der erfindungsgemäßen mobilen digitalen Anzeigevorrichtung, jedoch nicht darauf beschränkt, als ein- oder mehrteilige, festverbundene oder anzeigenteilekoppelbare Ausführung.

Fig. 13 zeigt die der erfindungsgemäßen mobilen digitalen Anzeigevorrichtung zu Grunde liegenden Teilaspekte zur Optimierung, d.h. zur Vereinfachung der Bedienung bei gleichzeitiger Reduzierung von irritierenden Informationen und/oder technischen Ausbildungen:

Fig. 26 zeigt beispielhaft eine Hardware Kopplungs- und Entkopplungsmöglichkeit mittels Auf- oder Abstecken unterschiedlicher Hardwareteile über das Drehgelenk eines zweiteiligen Digitalen Buches, welche beim Abstecken eines Teiles, der Haltegriff eines einteiligen digitalen Buches ist, in der Elektronik untergebracht ist:

Fig. 26a zeigt am Beispiel einer einteiligen Ausgangsbasis die in Fig. 26 beschriebene Ankopplung eines beispielhaften Haltegriffs oder eines Buchdeckels aus irgendeinem Material, welches beispielsweise flexibel gezeigt ist, oder die Ankopplung einer Laptoptastatur.

Die Beklagte zu 2) stellt Notebooks her, die die Beklagte zu 1) in Deutschland vertreibt. Bis zum 01.01.2010 erfolgte der Vertrieb der Notebooks in Europa über die A Europe Belgium N.V., die an diesem Tag auf die Beklagte zu 1) verschmolzen wurde.

Bei den von der Klägerin angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um die Notebooks der Modellserie A B, nämlich die FW-, SR-,TZ-, BZ-, AW-, Z- und TT-Serie. Diese weisen in ihrem Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung auf, die in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist.

Beispielhaft ist nachfolgend ein Bild eines aufgeklappten Notebooks der TT-Serie eingeblendet, das der Klageschrift entnommen ist:

Nach Auffassung der Klägerin machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, was sie – im Hinblick auf den Hauptanspruch – anhand der nachstehend eingeblendeten Fotografien aus der Klageschrift darlegt:

Die Klägerin behauptet, sie sei hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Ansprüche, insbesondere auch hinsichtlich der Ansprüche auf Feststellung einer Entschädigungspflicht und der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, sowie der Anspruchs auf Rechnungslegung und Rückruf aktivlegitimiert und beruft sich zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation auf die von ihr in den Anlagen K 5, K 6, K 12 bis K 23, K 47 bis K 57, K 58 bis K 64 in Kopie vorgelegten Dokumente sowie die Zeugen Glenn Rolus Borgward, der im Klagepatent als Erfinder benannt ist und bis zum 09.02.2010 als Alleininhaber des Klagepatents in das Patentregister des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragen war (Anlage K 3, K 12), Harald C, Michael C, Yvonne D-E, Manfred F, Fuat G, Michael E, Reinhold H, Gerhard I, Jan J, Ivan K, Andreas L, Markus M, Michael N, Markus O, Peter P, Michael Q, Beate R, Bernd S und Claus T.

Nachdem sie ihr Klagebegehren zunächst nur auf den Hauptanspruch des Klagepatents gestützt hat, beantragt die Klägerin zuletzt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Direktoren der Beklagten zu 1) bzw. dem Präsidenten der Beklagten zu 2) zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Anzeigevorrichtungen, insbesondere zur Wiedergabe von Text-
und/oder Bildinformationen,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

umfassend ein Gehäuse mit einem Hauptteil und zumindest einem Nebenteil, wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet ist, dass das Gehäuse buchartig um eine Klappachse eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist, sowie eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm und mit im Drehgelenk angeordneter Schnittstelle zur Stromversorgung, wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist;
EP 1 659 XXX B1 (Anspruch 1)

insbesondere wenn,

die Schnittstelle eine Führungs- und Versorgungsöffnung
aufweist;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 4)
und/oder
die Schnittstelle eine Führungs- und Versorgungsöffnung aufweist, wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte für die Stromzuführung und/oder Gegenkontakte für die Zu- und Abführung von Informationen aufweist;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 5)
und/oder
die Führungs- und Versorgungsöffnung zylindrisch derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Führungs- und Versorgungsöffnung koaxial zu der Klappachse liegt;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 6)
und/oder
die Anzeigevorrichtung eine Steuereinheit mit Mitteln zur Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Wiedergabe von Informationen umfasst;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 8)
und/oder
die Anzeigeeinheit zumindest eine Bedienungseinheit mit Bedienungselementen zur Benutzung der Anzeigevorrichtung als Informationsaufnahme-/-bearbeitungs-/-wiedergabeeinrichtung umfasst;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 9)
und/oder
der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil fest miteinander verbunden sind, ohne dass vorgesehen ist, die Teile voneinander trennen zu können;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 12)
und/oder
der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil einen Buchrückenteil bilden, der zur Aufnahme einer, insbesondere wiederaufladbaren, Batterie zur Stromversorgung ausgebildet ist;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 14)
und/oder
der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil ein Buchrückenteil bilden, der zur Aufnahme einer, insbesondere wiederaufladbaren Batterie zur Stromversorgung ausgebildet ist, wobei der Buchrückenteil das Drehgelenk umfasst und das Drehgelenk zur Aufnahme der Batterie ausgebildet ist;
EP 1 659 XXX 81 (Unteranspruch 15)
und/oder
der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil ein Buchrückenteil bilden, der zur Aufnahme einer, insbesondere wiederaufladbaren Batterie zur Stromversorgung ausgebildet ist, wobei der Buchrückenteil das Drehgelenk umfasst und das Drehgelenk zur Aufnahme der Batterie ausgebildet ist und wobei das Drehgelenk zur Aufnahme einer zylinderförmigen Batterie derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Batterie koaxial zur Klappachse liegt;
EP 1 659 XXX B1 (Unteranspruch 16);

2. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24.06.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe

a. der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
b. der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
d. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie im Falle von lnternetwerbung der Domain, der Zugriffzahlen und der Schaltungszeiträume,
f. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Rechnungslegung zu l.2.f. nur für die Zeit ab dem 22.09.2007 zu machen ist und
– den Beklagten hier vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents EP 1 659 XXX B1 erkannt hat, ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versandkosten für die Rückgabe zugesagt wird, sowie die zurückgerufenen und an sie zurückgegebenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen,

– wobei diese Verpflichtung nur für ab dem 23.08.2007 vertriebene Erzeugnisse gilt;

4. nur die Beklagte zu 1: die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen vorstehend zu Ziffer 1. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind,

1. der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen einen Betrag zu zahlen, der dem Anspruch auf Entschädigung der U & V GbR lntellectual Property Management für die Zeit vom 24.06.2006 bis zum 22.08.2007 entspricht;

2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der

a) der U & V GbR lntellectual Property Management vom 22.09.2007 bis zum 12.09.2009,
b) der W X Y GmbH am 13.09.2009,
c) der U & V Z Holding GmbH & Co. KG vom 13.09.2009 bis zum 27.12.2012 und
d) der Klägerin seit dem 28.12.2012

durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage mit dem Az. 2 Ni 14/13 (EP) auszusetzen.

Sie meinen, die angegriffenen Ausführungsform würden von der technischen Lehre des Klagepatents bereits deshalb keinen Gebrauch machen, weil es sich bei ihnen um Labtops handele und damit um eine Gerätekategorie, die ausweislich der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich aus dessen Schutzbereich ausgenommen sei. Dementsprechend handele es sich bei ihnen weder um digitale Bücher, d.h. Anzeigevorrichtungen, noch hätten sie patentgemäße Haupt- und Nebenteile.

Im Übrigen sei das Klagepatent unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung schutzunfähig, bzw. werde im Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen, zumindest aber nahegelegt.

Dabei spiele auch eine Rolle, dass die durch das Klagepatent beanspruchte Priorität der DE 19741XXX nicht wirksam in Anspruch genommen werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn man den Begriff der „Anzeigevorrichtung“ nicht mit dem des „digitalen Buchs“ gleichsetzen und stattdessen ein breiteres Verständnis zugrunde legen wolle. Denn das vermeintliche Prioritätsdokument verwende den Begriff „Anzeigevorrichtung“ nicht und spreche stattdessen ausschließlich von einem „digitalen Buch“. Auch offenbare das Prioritätsdokument nicht eine Schnittstelle, die zur Stromversorgung und/oder zur Übertragung von Datensignalen von oder zu anderen Informationsverarbeitungssystemen angeordnet sei, sondern – enger – eine Schnittstellen-Einheit zur Zu- und Abführung von Information und zur Zuführung von Energie.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs, 1 EPÜ i. V. mit §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs.1, 140b PatG, Art. II § 1 Abs.1 IntPatÜbkG i. V. m. §§ 242, 259 BGB nicht zu, weil die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob die Klägerin nicht nur zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, sondern auch der von ihr verfolgten streitgegenständlichen Folgeansprüche aktivlegitimiert ist.

I.
Das Klagepatent betrifft ein digitales Buch, d.h. eine mobile Anzeigevorrichtung, insbesondere zur Wiedergabe von Buch-, Zeitungs-, und Zeitschrifteninformationen und anderen Dokumentationen bzw. Publikationen in elektronischer bzw. digitaler Form mittels Text-, Grafik-, Foto- und/oder Video- und Audioinformationen zur Bedienung durch Laienanwender.

Wie das Klagepatent einleitend ausführt, wächst der Papierverbrauch und die damit verbundene Nachfrage an Rohstoffen Jahr für Jahr an. Die stets wachsende Zahl der Bevölkerung und der immer größer werdende Informationsbedarf, aber auch der selbstauferlegte konkurrenzbedingte Kommunikationszwang verursachten eine sich explosionsartig ausbreitende Informationsflut, welche in immer kürzeren Abständen einen immensen Verbrauch an Papier bedinge, somit nicht nur die Umwelt belaste, sondern auch in Bezug auf Transport-, Lagerhaltungs- und Recyclingkosten sowie in Bezug auf die Bereitstellungsgeschwindigkeit von Publikationen einen wirtschaftlichen Nachteil mit sich bringe. Dank moderner Informationstechnologien sei es zwar möglich geworden, einen großen Teil der Informationen über Computer zu produzieren, diese über beispielsweise Internet, Online-Dienste oder Datenbanken anzubieten oder in Form von CDs zu vermarkten; jedoch können diese nur über PCs, Laptops und Notebooks vom Verbraucher konsumiert werden, was voraussetze, dass zumindest einer der vorgenannten Computer angeschafft, notwendige Applikationen installiert, und ihre Anwendung beherrscht werden müsse, bevor eine erste Publikation gelesen werden könne.

Vorgenannte Gründe und die damit verbunden Investitionskosten, der notwendige Zeitaufwand und das aus Sicht eines technischen Laien erforderliche Spezialwissen zur Installation und Bedienung von Hard- und Software machten es einem großem Teil der Bevölkerung schwer, den Vorteil elektronischer Publikationen zu nutzen. Aber auch ältere oder behinderte Menschen fänden oft keinen Zugang zu Computern, da ohne Grundkenntnisse die Bedienung und Handhabung für einen Laien nicht oder nur schwer möglich sei oder die Komplexität der Benutzerschnittstellen diese Menschen überfordere.

Zudem wiesen Laptops und Notebooks durch ihre diversen Laufwerke und Vielzahl von Ein- und Ausgabeschnittstellen für bestimmte Benutzungsfälle große Volumina und Gewichte auf und seien mit einer Tastatur für den gesamten jeweils betreffenden Zeichensatz sowie mit einem einzigen Bildschirm oder Display ausgestattet. Es gäbe jedoch Anwendungsfälle, in denen einerseits die relativ aufwendige und flächenverbrauchende Tastatur unnötig und andererseits die nur durch einen einzigen Bildschirm zur Verfügung stehende Anzeige- oder Anzeige-/Bearbeitungsfläche zu klein sei.

Laptops und Notebooks seien durch ihre Bestimmung als Arbeitswerkzeug und die damit verbundenen konstruktionsbedingten bzw. baulichen Merkmale primär kein ergonomisches, d.h. handliches und reduziert zu bedienendes Informationsmittel zur Aufnahme z.B. von schöngeistiger Literatur oder zum Lesen von Berichten, Artikeln, Reportagen und Nachrichten aus Zeitschriften und Zeitungen oder zum Studieren von Publikationen in entspannter Haltung oder in Situationen, wo keine Auflagefläche vorhanden sei. Aufwand und Zeit zur Bedienung ständen oft in keiner Relation zu den häufig spontanen Anforderungen, die vielfach auch noch kurzfristig zu erledigen seien, z.B. das Nachschlagen von Informationen aus einem Lexikon, einem Telefonbuch oder einer Fernsehzeitschrift.

Aus der Druckschrift US 5,534,888 A1 sei ein elektronisches Buch bekannt, welches zwei in der Art eines Buches aufklappbare Anzeigenteile sowie einen diese beiden Anzeigenteile verbindendes Mittelteil aufweise. Eine einfache ergonomische und kompakte elektronische Vorrichtung als tatsächlicher Buch-, Zeitschrift- oder Zeitungsersatz für einen universellen Einsatz in unterschiedlichen Lebenssituationen, welche für technische Laien unkompliziert und komfortabel zu halten und zu bedienen sei und die gleichzeitig wenig optische Irritationen zum störungsfreien Lesen und Manipulieren unterschiedlichster Publikationen aufweise, sei bislang nicht bekannt. Das aus der Druckschrift US 5,534,888 bekannte elektronische Buch erfordere bei dem Gebrauch durch den Benutzer vielfach umständliche und zeitraubende komplizierte Bedienungsoperationen, da eine Vielzahl von ergonomisch unzweckmäßig angeordneten Tasten zu betätigen sei, deren Funktionalität vorgegeben sei und die den für die Anzeige zur Verfügung stehenden Raum beschnitten. Bei einem aus der Druckschrift US 5,534,888 bekannten elektronischen Buch erfolge die Bedienung unter Zuhilfenahme eines Hilfsdisplays auf der Außenseite der Buchdeckel (Anzeigeelemente), was dazu führe, dass der Benutzer das elektronische Buch zuklappen müsse, um bestimmte Einstellungen vornehmen zu können. Desweiteren seien die Tasten nur einzeln zu bedienen. Auf der Rückseite des Mittelteils sei eine Vielzahl von elektrischen Verbindern angeordnet, die hinter Schutzklappen verborgen seien und die gegebenenfalls vom Benutzer mit technischen Kenntnissen identifiziert und durch Hochklappen der Schutzabdeckungen zugänglich gemacht werden müssten. Wenn an die Steckverbinder elektrische Leitungen angeschlossen seien, könne das elektronische Buch aus dem Stand der Technik nicht mehr am Buchrücken nach der Art eines Buches gehalten oder auf eine Unterlage gelegt werden.

Dem Klagepatent liegt die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, ein digitales Buch der eingangs genannten Art zu schaffen, das gegenüber dem Stand der Technik trotz kompakter Bauweise zum einen eine wesentlich vergrößerte Anzeigefläche und zum anderen eine für den Computerlaien leicht verständliche, benutzerfreundliche und einfache Handhabungsmöglichkeit bietet, um ihn in die Lage zu versetzen, umfangreiche Literatur, z. B. wissenschaftliche Werke, Enzyklopädien oder auch schöngeistige Literatur lesen zu können, und um dem Benutzer somit auch gegenüber einem herkömmlichen voluminöseren und schwereren Buch den Vorteil zu bieten, beliebig viele Seiten über beispielsweise nur zwei digitale Buchseiten in handlicher Form zumindest lesen und/oder gegebenenfalls bearbeiten zu können. Dabei seien die Lese- und Sehgewohnheiten der konventionellen Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsleser zu berücksichtigen, die die möglichst irritationsfreie Betrachtung der angezeigten Publikationen bzw. Dokumenteninformationen erwarten und die sich durch einen zu sehr an der Computertechnik orientierenden Eindruck abstoßen ließen, z.B. hinsichtlich bestimmter Formen von Bedienelementen oder aufgrund sonstiger Überforderung, wie es oft bei älteren Menschen oder technischen Laien vorkomme, die die Nutzung eines elektronischen bzw. digitalen Buches (einer mobilen digitalen Anzeigevorrichtung) ablehnten. Sicherzustellen sei dabei ein sicheres und ergonomisches Halten und Bedienen in unterschiedlichen Situationen, z.B. beim Gehen, beim Liegen oder wenn sonst keine Auflagefläche vorhanden sei, sowie eine einfache und verständliche Handhabung bei minimalen oder fehlenden Vorkenntnissen oder beispielsweise bei einer Behinderung. Dabei solle eine unkomplizierte und gleichbleibende Bedienung trotz unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten und vielfältiger Aufgaben erzielt werden. Es werde bezweckt, eine schnelle und reduzierte Bedienung mit minimalen Haltungsänderungen beim Lesen zu ermöglichen.

Diese Aufgabe soll nach dem streitgegenständlichen Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale gelöst werden:

1. Anzeigevorrichtung,

1.1 insbesondere zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend ein Gehäuse

1.1.1 mit einem Hauptteil (1)

1.1.2 zumindest einem Nebenteil (2),

1.1.3 wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet sind, dass das Gehäuse buchartig um eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist;

1.2 eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4);

1.3 im Drehgelenk ist eine Schnittstelle

1.3.1 zur Stromversorgung und/oder zur Übertragung von Datensignalen von oder zu anderen Informationsverarbeitungssystemen angeordnet,

1.3.2 wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist.

II.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich mit Blick auf die angegriffenen Ausführungsformen bereits nicht feststellen, dass es sich bei diesen gattungsgemäß um Anzeigevorrichtungen, insbesondere zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen im Sinne des Klagepatentanspruchs handelt (Merkmale 1., 1.1).

1.
Wie der Fachmann der Fassung des Patentanspruchs entnimmt, beansprucht das Klagepatent Schutz für eine Anzeigevorrichtung, die insbesondere der Wiedergabe von Text- oder Bildinformationen dient, Merkmal 1.1 Diese soll über ein Gehäuse mit einem Hauptteil und zumindest einem Nebenteil verfügen (Merkmale 1.1.1, 1.1.2).

Zwar scheint der reine Wortlaut des Patentanspruchs zunächst die Möglichkeit zu eröffnen, ein Notebook bzw. einen Labtop-Computer, wie die Klägerin meint, als eine Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen zu betrachten. Denn diese Geräte können dazu verwendet werden, um auf ihren Bildschirmen Text- oder Bildinformationen wiederzugeben bzw. anzuzeigen.

Insoweit kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich § 14 PatG eine Auslegungsregel entnehmen lässt, nach der der Schutz der Erfindung nicht am reinen Wortlaut der Patentansprüche zu messen ist. Vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnung einer Patentschrift stets zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Hierdurch wird sichergestellt, dass der tatsächliche Sprachgebrauch des Patents hinreichende Beachtung findet. Eine Patentschrift stellt im Hinblick auf die in ihr gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (BGH GRUR 99, 909, 912 – Spannschraube). Weichen Begriffe in den Schutzansprüchen vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch ab, was jedenfalls bei entsprechenden Hinweisen in der Patentschrift zu prüfen ist, ist der sich aus den Patentansprüchen und der Beschreibung ergebende Begriffsinhalt maßgebend (BGH X ZR 198/01 vom 7.6.2005 – Knickschutz; GRUR 99, 909, 911 – Spannschraube; BGHZ 150,149, 153 – Schneidmesser I; 113, 1, 9f. – Autowaschvorrichtung; 105, 1, 10 – Ionenanalyse). Die Beschreibung ist dabei nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen heranzuziehen (Auslegungsprotokoll S. 2). Sie dient auch bei klar gefassten Patentansprüchen als Richtlinie zu deren Auslegung. Aus der Zusammenschau von Anspruch und Beschreibung kann sich dabei im Einzelfall ein Schutzbereich ergeben, der hinter dem reinen Wortlaut der Ansprüche zurückbleibt (vgl. Benkard/Scharen, PatG, 10. Auflage, § 14 Rn. 22). Eine Auslegung des Patentanspruchs „unter seinen Wortlaut“ bedeutet nicht notwendig eine inhaltliche Ergänzung in Form einer sachlichen Einschränkung. Zwar verleiht § 14 dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung (vgl. BGH GRUR 2004, 1023, 1025 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Maßgeblich ist aber nicht der „Wortlaut“, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde „Sinngehalt der verwendeten Worte im Gesamtzusammenhang“, also der technische Wortsinn (vergleiche BGHZ 159, 221 – Drehzahlermittlung). Aus dem Verbot einer sachlichen Einschränkung folgt deshalb nur ein Verbot, einen Patentanspruch unter seinen Sinngehalt auszulegen (vgl. BGH GRUR 2004, 579 – Imprägnierung von Tintenabsorbierungsmitteln). Beschreibung oder Zeichnungen können daher den Offenbarungsgehalt so begrenzen, dass dem Patentanspruch eine engere Lehre zu entnehmen ist als die, welche der Anspruchswortlaut zu vermitteln scheint (BGH Mitt. 2000,105 – Extrusionskopf). Derartige Erkenntnis zu berücksichtigen, beeinträchtigt nicht die Rechtssicherheit, wenn die vom Sprachgebrauch des Patentanspruchs abweichende Bedeutung nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift eindeutig ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze lassen sich klassische Computer, das heißt PC’s, Labtops und Notebooks (vgl. Klagepatentschrift, Anlage K 3 Abs. [0002]) (Zitate ohne Quellenangabe beziehen sich im Folgenden auf dieses Dokument), nicht als digitales Buch, also eine mobile Anzeigevorrichtung begreifen, denn das Klagepatent grenzt sie als gattungsfremd und nachteilig hiervon ab.

a)
Insoweit kann der Fachmann der Klagepatentschrift zunächst ein durchgängig enges Verständnis von einer Anzeigevorrichtung entnehmen, denn diese setzt den Begriff einer (mobilen) Anzeigevorrichtung mit dem eines digitalen Buches gleich. Dieses wie jene soll der Wiedergabe von Buch-, Zeitungs-, und Zeitschrifteninformationen in elektronischer bzw. digitaler Form mittels Text-, Grafik-, Foto- oder Video- und Autoinformationen durch Laienanwender dienen (vgl. Abs. [0001]). Dabei ergibt sich aus der Klagepatentschrift nicht, dass mit dem Begriff des digitalen Buches lediglich eine besondere Ausführungsform einer Anzeigevorrichtung (als allgemeinerer Begriff) gemeint ist. Die vollständig synonyme Verwendung der beiden Begriffe in der Beschreibung des Klagepatents findet – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – auch eine Entsprechung in dem Umstand, dass in der zum Klagepatent veröffentlichten Anmelde- und Offenlegungsschrift ursprünglich nur der Begriff des digitalen Buchs verwendet wurde, nicht aber der der Anzeigevorrichtung (vgl. Anlage NK 3 zum Anlagenkonvolut B1).

b)
Der Darstellung des Standes der Technik in der Klagepatentschrift entnimmt der Fachmann weiter, dass herkömmliche Labtops und Notebooks nicht das Ergebnis der dem Klagepatent zugrunde liegenden erfinderischen Tätigkeit sind, sondern an deren Ausgangspunkt stehen. Denn das Klagepatent beschreibt herkömmliche Notebooks in besonderer Ausführlichkeit als nachteilig im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Anschaffungskosten, die für die Installation und die Bedienung der Hard- und Software erforderliche Zeit und das erforderliche Spezialwissen, eine zu hohe Komplexität der Benutzerschnittstellen, das durch diverse Laufwerke und eine Vielzahl von Ein- und Ausgabeschnittstellen für bestimmte Benutzungsfälle bedingte große Volumen und Gewicht, das Vorhandensein einer Tastatur für den gesamten jeweils betreffenden Zeichensatz, das Vorhandensein nur eines einzigen Bildschirms, bzw. Displays, und eine aufgrund der Bestimmung als Arbeitswerkzeug nicht vorhandene Ergonomität bzw. Eignung als handliches und reduziert zu bedienendes Informationsmittel zum Lesen oder Studieren in entspannter Haltung auch in Situationen, in denen keine Auflagefläche vorhanden ist (vgl. Abs. [0002] bis [0005]).

Entsprechend geht das Klagepatent bei der Offenbarung der ihm zugrunde liegenden Erfindung bereits nicht von einem herkömmlichen PC, Labtop oder Notebook der eingangs geschilderten Art aus, sondern bezeichnet als nächsten Stand der Technik ein bereits dem äußeren Aufbau nach einem herkömmlichen Buch angenähertes elektronisches Buch, wie es in der US 5,534,888 offenbart ist. Dieses wird aber insofern als nachteilig beschrieben, weil es im Gebrauch von einem Benutzer vielfach umständliche und zeitraubende komplizierte Bedienungsoperationen verlange, bei denen unter anderem eine Vielzahl von ergonomisch unzweckmäßig angeordneten Tasten zu betätigen sei, die den für die Anzeige zur Verfügung stehenden Raum beschneiden (vgl. Abs. [0006], [0007]).

Schließlich findet der Fachmann eine weitere Bestätigung für eine gattungsmäßige Verschiedenheit der offenbarten Anzeigevorrichtung von herkömmlichen, auch mobilen Computern, betrachtet er die Aufgabe, die mit der dem Klagepatent zugrunde liegenden Erfindung gelöst werden soll: die Schaffung eines digitalen Buchs zur Wiedergabe von Buch-, Zeitungs- und Zeitschrifteninformationen und anderen Dokumentationen bzw. Publikationen in elektronischer Form zur Bedienung durch Laienanwender, das gegenüber dem Stand der Technik (also insbesondere auch herkömmlichen mobilen Computern) trotz kompakter Bauweise zum einen eine wesentlich vergrößerte Anzeigenfläche und zum anderen eine für den Computerlaien leicht verständliche, benutzerfreundliche und einfache Handhabungsmöglichkeit bietet. Der Fachmann kann der Klagepatentschrift in diesem Zusammenhang entnehmen, dass dabei die Lese- und Sehgewohnheiten konventioneller Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsleser als Maßstab zu berücksichtigen sind. Diese erwarten danach eine irritationsfreie Betrachtung der angezeigten Publikationen und lassen sich durch einen zu sehr an der Computertechnik orientierten Eindruck abstoßen, beispielsweise, was die Form von Bedienelementen betrifft oder weil sie in sonstiger Weise überfordert werden, wie etwa alte Menschen oder technische Laien (vgl. Abs. [0007]). Sichergestellt werden soll demnach auch ein sicheres und ergonomisches Halten und Bedienen in unterschiedlichen Situationen, etwa beim Gehen, Liegen oder wenn sonst keine Auflagefläche vorhanden sei.

Im diesem Sinne verweist das Klagepatent auch auf die Vorteile der erfindungsgemäßen Anzeigevorrichtung: So führt es in Abs. [0011] aus, dass die offenbarte digitale mobile Anzeigevorrichtung auch deshalb vorteilhaft sei, weil sie eine reale Alternative zu einem herkömmlichen Buch darstelle, für die besondere technische (Computer-) Vorkenntnisse nicht erforderlich seien. Dem Fachmann ist insoweit aber bewusst, dass solche bei der Einrichtung und der Handhabung eines Labtops oder Notebooks stets jedenfalls zu einem gewissen Grad und jedenfalls nicht „nicht“ erforderlich sind. Zudem soll das erfindungsgemäße digitale Buch sich insbesondere auch als Nachschlagewerk an Orten eignen, die keine große Bewegungsfreiheit bieten (vgl. Abs. [0016]): Hier sei insbesondere das Cockpit eines großen Verkehrsflugzeuges zu erwähnen, in dem üblicherweise eine Vielzahl von Ordnern mit Prüf- und Bedienvorschriften mitzuführen sei. Besonders in Notsituationen sei es wichtig, betreffende Hinweise schnell und ohne zeitaufwendiges Blättern auffinden zu können. Ein herkömmliches Notebook o.ä. sei wegen dessen zu komplizierter Handhabung und der Anfälligkeit seines Diskettenlaufwerks z.B. bei Turbulenzen hierfür nur bedingt geeignet. Auch insoweit bekräftigt das Klagepatent demnach, dass es sich bei dem beanspruchten Erfindungsgegenstand um etwas anderes als ein Notebook handeln soll.

c)
Ein weiterer Hinweis, dass es sich bei einer Anzeigevorrichtung im Sinne des Klagepatents um ein von einem herkömmlichen Computer gattungsverschiedenes Erzeugnis handelt, ergibt sich für den Fachmann aus den räumlich-körperlichen Merkmalen, die Anspruch 1 offenbart. Denn ein patentgemäßes Gehäuse mit Haupt- und Nebenteilen lässt sich bei einem Notebook oder Labtop in dieser konkreten Aufteilung nicht sinnvoll identifizieren.

Nach Anspruch 1 verfügt eine patentgemäße Anzeigevorrichtung über ein Gehäuse mit einem Hauptteil (Merkmal 1.1.1) und zumindest einem Nebenteil (Merkmal 1.1.2). Auch wenn das Klagepatent nicht detailliert beschreibt, über welche Eigenschaften ein Haupt- im Gegensatz zu einem Nebenteil verfügen soll, lässt sich ihm jedenfalls entnehmen, dass es Ausführungsformen beansprucht, bei denen der Hauptteil unabhängig vom Vorhandensein des Nebenteils in der Lage sein muss, seine bestimmungsgemäße Funktionalität zu erfüllen, das heißt Text- und/oder Bildinformationen wiederzugeben. Nachweise hierfür finden sich an zahlreichen Stellen der Patentbeschreibung, an denen in Unterscheidung zu einer „festverbundenen“ Ausführungsform ausgeführt oder vorausgesetzt wird, dass sich Haupt- und Nebenteile koppeln bzw. entkoppeln lassen (vgl. Abs. [0020], [0022], [0023], [0024], [0025], [0026], [0027], [0030], [0031], [0042], [0065], [0066], [0067]). Auch führt die Klagepatentschrift im Zusammenhang mit der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels ausdrücklich aus, dass das Nebenteil 2 oder die Nebenteile 2a, 2b derart ausgebildet sein können, dass sie von dem Hauptteil 1 elektrisch und/oder mechanisch trennbar sind, so dass der Hauptteil 1 für sich allein benutzbar ist (vgl. Abs. [0072]). Entsprechend beansprucht das Klagepatent in Unteranspruch 11 Schutz für eine Anzeigevorrichtung, bei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil mechanisch und/oder elektrisch trennbar miteinander verbunden sind.

Bei Zugrundelegung dieses Verständnisses von einem Haupt- bzw. Nebenteil lässt sich nicht begründen, dass es sich bei einem herkömmlichen Notebook oder Labtop um eine Anzeigevorrichtung im Sinne des Klagepatents handelt. Anders als dies die Klägerin in ihrer Klageschrift unter Einblendung und Beschriftung von Fotografien ohne nähere Begründung für die angegriffenen Ausführungsformen dazulegen versucht (vgl. Schriftsatz vom 28.12.2012, S. 20), lässt sich bei einem herkömmlichen PC, Notebook oder Labtop technisch nicht sinnvoll der Bildschirm als Hauptteil im Sinne des Klagepatents begreifen und die Tastatur als ein Nebenteil. Denn der Bildschirm eines Notebooks ist nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in keinem Fall in der Lage, unabhängig von der den Prozessor und die Festplatte oder andere Speichermedien enthaltenden „Tastatur“ eine Anzeigefunktion auszuüben, weil wesentliche Hardwareelemente, die für diese Funktionalität erforderlich sind, nicht in dem den Bildschirm bildenden Teil, sondern im Tastaturblock untergebracht sind.

Auch aus dem Verweis der Klägerin auf die Figur 26a des Klagepatents ergibt sich insoweit keine abweichende Beurteilung. Wie den Erläuterungen des Klagepatents zu den Figuren 26 und 26a entnommen werden kann, handelt es sich bei der gezeigten Ausführungsform um einen für sich alleine benutzbaren Hauptteil bzw. die „einteilige Ausgangsbasis“ eines zweiteiligen digitalen Buches, an den nach Abstecken des Nebenteils eine Labtoptastatur als fakultative, allerdings nicht beanspruchte Hardware, angekoppelt werden kann (vgl. Abs. [0065], [0066]). Der Fachmann wird in der so gekoppelten Vorrichtung demnach kein Notebook oder Labtop erkennen. Dem steht, wie soeben ausgeführt, entgegen, dass jedenfalls im Prioritätszeitpunkt Notebooks nicht bekannt waren, bei denen der Bildschirm für sich alleine betrachtet nach Abtrennung der Tastatur in der Lage gewesen wäre, als Anzeigevorrichtung bzw. einteiliges digitales Buch zu dienen.

d)
Die in der Klagepatentschrift getroffene Unterscheidung zwischen herkömmlichen Notebooks und Labtops einerseits und Anzeigevorrichtungen beziehungsweise digitalen Büchern andererseits, widersprach, wie die Beklagten unwidersprochen vorgetragen haben, zum Prioritätsdatum auch nicht den Marktgegebenheiten. So gab es für den Fachmann erkennbar neben als Labtop oder Notebook bezeichneten, in ihrem Funktionsumfang als universelle Arbeitsgeräte dienenden, mobilen Computern bereits einfachere Anzeigevorrichtungen wie den im Schriftsatz der Beklagten vom 14.11.2013 abgebildeten “data discman“. Bei diesem handelte es sich um ein verhältnismäßig einfaches Gerät, mit dem sich auf einem Datenträger gespeicherte Daten lediglich auf einem Bildschirm darstellen ließen und der sich insofern als ein digitales Buch bzw. eine mobile Anzeigevorrichtung insbesondere zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen begreifen lässt.

e)
Soweit die Klägerin unter Berufung auf die Absätze [0002] bis [0005], [0008], [0011] und [0016] der Patentbeschreibung herzuleiten versucht, die Beschreibung des Klagepatents schließe Labtops und Notebooks aus dem Schutzbereich nicht aus sondern ausdrücklich ein, sind ihre Ausführungen nicht nachvollziehbar. Es ist nicht möglich, aus der bloßen Erwähnung des Begriffes oder Wortbestandteils „Computer“ oder „Notebook“ unabhängig von dem jeweiligen Sinnzusammenhang, in dem diese Begriffe in der Klagepatentschrift verwendet werden, zu schließen, dass ein erfindungsgemäßes digitales Buch auch die körperliche Gestaltung eines vorbekannten Labtops oder Notebooks haben könne.

Darüber hinaus sind die Überlegungen der Klägerin, aus der technischen Entwicklung und einer damit einhergehenden, angeblichen Verkleinerung, Verbilligung und leichteren Bedienbarkeit von tragbaren Computern und Notebooks könne geschlossen werden, dass diese wenigstens seit einigen Jahren, jedenfalls aber seit Veröffentlichung der Patentanmeldung unter den Schutzbereich des Klagepatentes fielen und als digitales Buch zu begreifen seien, nicht überzeugend. Eine solche, spätere Entwicklung muss für die Bestimmung des Schutzumfanges des Klagepatents schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil das Klagepatent nicht über einen sich verändernden Schutzbereich verfügt. Der Schutzbereich eines Patents besteht von der Erteilung an unverändert so lange fort, wie der betreffende Patentanspruch nicht wenigstens teilweise wirksam beschränkt, widerrufen oder auf Klage eines Dritten für nichtig erklärt ist (vgl. Benkard/Scharen, PatG, 10. Aufl., § 14 Rn. 11). Maßgeblich für das Verständnis dessen, was durch das Klagepatent beansprucht ist und was nicht, ist dabei allein der Kenntnisstand eines Durchschnittsfachmanns am Anmelde- bzw. Prioritätstag des Klagepatents (vgl. Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 64). Das Klagepatent grenzt seinen Schutzbereich auf ein digitales Buch, d.h. eine mobile Anzeigevorrichtung ein und von herkömmlichen PC’s, Notebooks und Labtops ab. Dass zum Anmeldetag des Klagepatents, das heißt im Jahr 1997, herkömmliche Notebooks über die im Klagepatent benannten Anwendungsnachteile verfügten, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Auf die Frage, ob sie sich in der Zwischenzeit jedenfalls im Sinne einer besseren Erschwinglichkeit, Ergonomie und Benutzerfreundlichkeit fortentwickelt haben, kommt es für die Beurteilung des Schutzbereiches des Klagepatents vor diesem Hintergrund nicht an.

Schließlich verfängt auch nicht die von der Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung) erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung, der Schutzbereich des Klagepatents bestimme sich für den Fachmann ganz wesentlich nur aus dem, was er als objektiven Beitrag eines Schutzrechts zum Stand der Technik begreife. Zwar mag der Fachmann durchaus die in der Merkmalsgruppe 1.3 offenbarte Schnittstelle im Drehgelenk zwischen Haupt- und Nebenteil als entscheidende Maßnahme für die Lösung eines objektiv dem Patent zu Grunde liegenden technischen Problems begreifen, die Schnittstelle möglichst platzsparend unterzubringen. Der so identifizierte Beitrag, den das Klagepatent zum Stand der Technik objektiv leistet, erlaubt aber in keiner Weise einen Rückschluss darauf, was das Klagepatent unter einer Anzeigevorrichtung im Sinne des Oberbegriffs von Anspruch 1 versteht. Denn die in den Merkmalen 1.3 bis 1.3.2 offenbarte Anordnung und Form der Schnittstelle ermöglicht eine platzsparende Unterbringung sowohl bei Notebooks wie auch bei digitalen Büchern und damit unabhängig von der konkreten Gerätekategorie, für die Schutz beansprucht wird.

III.
Dies vorausgeschickt stellen die angegriffenen Ausführungsformen keine die Merkmale des Klagepatents verwirklichenden Vorrichtungen dar.

Dies ist bereits deshalb nicht der Fall, weil es sich bei ihnen um Notebooks bzw. Labtops handelt, die von der Beklagten auch als solche angeboten und beworben werden und von Anspruch 1, der sich auf eine Anzeigevorrichtung bzw. ein digitales Buch bezieht, nicht beansprucht werden.

Da bereits Anspruch 1 nicht verwirklicht ist, wenden auch die sämtlich auf Anspruch 1 zurückbezogenen Nebenansprüche 4, 5, 6, 8, 9, 12, 14, 15 und 16 durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht.

Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sich durch die fortschreitende Entwicklung seit dem Prioritätsdatum des Klagepatents Unterschiede etwa bei den Preisen, der äußeren Beschaffenheit und der Bedienbarkeit von Notebooks ergeben hätten, kommt es hierauf nicht an, weil Notebooks bzw. Labptops als solche einer andere Gerätegattung angehören als digitale Bücher bzw. Anzeigevorrichtungen und somit für sie unabhängig von einer unterstellten technischen Entwicklung kein Schutz beansprucht wird.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Hs) ZPO i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 709 S. 1 und 2, 108 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.