4a O 33/13 – Elektronisches Mikrometer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2230

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Juni 2014, Az. 4a O 33/13

Rechtsmittelinstanz: 15 U 109/14

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

TATBESTAND

Die Klägerin ist die im Register eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des in französischer Verfahrenssprache erteilten Europäischen Patents EP 0 973 XXX B1 (im Folgenden kurz: „Klagepatent“). Das Klagepatent wurde am 17.07.1998 angemeldet und die Anmeldung am 19.01.2000 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 19.11.2003 vom Europäischen Patentamt veröffentlicht. Eine deutsche Übersetzung des Klagepatents wurde als DE 698 19 XXX T2 am 02.09.2004 vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.

Das Klagepatent hat ein Einspruchsverfahren durchlaufen. Nachdem die Einspruchsabteilung das Klagepatent widerrufen hatte, wurde es mit Beschluss der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 13.10.2009 in unverändertem Umfang aufrechterhalten.

Das Klagepatent trägt den Titel „Elektronisches Mikrometer“. Der geltend gemachte Anspruch 1 lautet in der deutschen Fassung wie folgt:

„Elektronisches Mikrometer, enthaltend ein Gehäuse (23), das mindestens ein inneres Volumen (230) definiert, in dem angeordnet sind:

eine Hülse (10), die mindestens zum Teil mit Gewinde versehen ist,

eine Schraube (1), die in der genannten Hülse (10) eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben,

ein elektronisches Messsystem (19, 20, 21, 5), das fähig ist, die relative Drehung der Schraube (1) in Bezug auf die Hülse (10) zu messen und aus dieser Messung die Längsposition der Schraube (1) zu bestimmen,

gekennzeichnet durch Dichtungen (30, 32, 34, 38, 46), die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten.“

Im Folgenden wird zur Verdeutlichung Fig. 2 des Klagepatents eingeblendet, die ein patentgemäßes Mikrometer zeigt:

Die Klägerin ist ein Unternehmen aus der Schweiz, das patentgemäße elektronische Mikrometer herstellt und vertreibt.

Die Beklagte ist ein chinesisches Unternehmen, das in der Vergangenheit im Auftrag der Klägerin Mikrometer gefertigt hat. Diese Zusammenarbeit ist beendet; die Beklagte besitzt keine Lizenz unter dem Klagepatent.

Die Norm ISO20653 und ihre Vorgängernorm DIN40050 definieren zweistellige „International Protection Codes“ („IP-Codes“). Hierbei gibt die erste Ziffer den Schutz gegen Fremdkörper und Berührung und die zweite Ziffer den Schutz gegen Feuchtigkeit bzw. Wasser an. Je höher die Ziffern sind, desto größer ist der Schutz.

Auf Antrag der Klägerin wurde vor der Kammer ein selbstständiges Beweisverfahren unter dem Az. 4a O 32/13 geführt, wobei die Besichtigung am 14.05.2013 auf der Messe „B“ in Stuttgart stattfand. Die vom Gericht bestellte Gutachterin, Frau Patentanwältin Dr. Judith C, untersuchte zwei von der Beklagten ausgestellte elektronische Mikrometer hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Klagepatents. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die beigezogene Akte 4a O 32/13 verwiesen.

Die Beklagte stellt verschiedene Modelle elektronischer Mikrometer her, die die Schutzklassen IP54 oder IP65 erfüllen.

Die nachfolgend dargestellten Modelle der Schutzklasse IP 54 (im Folgenden: „angegriffene Ausführungsform A/IP54“) stimmen alle technisch in den hier relevanten Aspekten überein.

Die Beklagte betreibt eine deutschsprachige Internetseite, auf der elektronische Mikrometer beworben werden. Im Folgenden wird ein Bild des dort gezeigten Multianzeige-Mikrometer (Artikelnummer 191-01-XXX) eingeblendet, das über das Schutzniveau IP54 verfügt:

Über diese Internetseite lassen sich die dort beworbenen Produkte nicht unmittelbar für das Inland bestellen. Die Beklagte nahm aber in den Jahren 2011, 2012 und 2013 an der Fachmesse „D“ in Stuttgart teil. Auf der „D 2012“ zeigte sie – ausweislich des Messekataloges (S. B14 der Anlage K6) – auch ein Modell des oben gezeigten Multianzeige-Mikrometer 191-01-XXX.

Auf eine Anfrage hin benannte die Beklagte als deutsche Vertriebspartnerin für die auf ihrer Internetseite gezeigten Mikrometer die E Dr. F Import & Export GmbH (nachfolgend kurz: „E“). Hier ließ die Klägerin in zwei Testkäufen elektronische Mikrometer erwerben, unter anderem ein Produkt mit der E-Artikelnummer 312.XXX („Digital-Dreipunkt-Innen-Meßschraube“), von dem zur Verdeutlichung nun eine Bild eingeblendet wird:

Das Gerät entspricht weitgehend den auf der deutschsprachigen Internetseite und der Messe „D 2012“ gezeigten Geräten mit der Schutzklasse IP54, insbesondere dem Gerät mit der Artikelnummer 335-03-XXX von der Internetseite der Beklagten.

Auf der Messe „B“ in Stuttgart zeigte die Beklagte ein elektronisches Mikrometer mit der Produktnummer 121297XXX, welches die Schutzklasse IP54 erfüllt und technisch ebenfalls der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 entspricht. Dieses Modell wurde im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens (Az. 4a O 32/13) von der gerichtlich bestellten Gutachterin untersucht. Zur Veranschaulichung wird nun ein von der Gutachterin beschriftetes Bild eingeblendet:

Das Gehäuse des Mikrometers enthält bei allen Modellen der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 ein inneres Gehäuse, welches durch zwei Gehäusehalbschalen definiert ist. Im Folgenden werden von der Klägerin beschriftete Bilder eines in China erworbenen Geräts eingeblendet, das ebenfalls die Schutzklasse IP54 erfüllt und mit der entsprechenden angegriffenen Ausführungsform in den für dieses Verfahren relevanten Aspekten identisch ist:

In dem oben gezeigten inneren Gehäuse befinden sich eine Hülse und ein elektronisches Messsystem. Die Hülse ist mit einem Innengewinde versehen, wie auch in der folgenden Abbildung erkennbar ist:

In das Innengewinde ist im betriebsbereiten Zustand eine Schraube mit gegengleichen Gewinde eingesetzt, die durch Drehung in der Hülse axial bewegt wird. Im Folgenden werden Bilder eingeblendet, die die Schraube in und außerhalb der Hülse zeigen:

Zur Bestimmung der Position der Schraube relativ zur Hülse existieren zwei kranzförmige Bauteile, von denen eins fixiert ist und das andere mit einer Reibhülse rotiert, wobei die Reibhülse mechanisch mit der Schraube verbunden ist. An den kranzförmigen Bauteilen sind Elektroden angebracht, mit denen die relative Position der Bauteile zueinander ermittelt werden kann, woraus sich dann die Position der Schraube zur Hülse und letztlich die zu messende Entfernung errechnen lassen. In der folgenden, von der Klägerin beschrifteten Abbildung lassen sich beide kranzförmigen Bauteilen im eingebauten Zustand in der Seitenansicht erkennen:

Die vorderseitige Öffnung des inneren Gehäuses, durch die der an der Schraube befindliche Taststift das Gehäuse verlässt, ist an den Umfang des Taststifts angepasst. Das folgende Bild zeigt den Taststift beim Austritt aus dem Gehäuse:

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob dies eine patentgemäße Dichtung darstellt. Ansonsten ist das innere Gehäuse durch verschiedene Dichtungen unstreitig abgedichtet (vgl. zu den Dichtungen S. 8 f. des Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahren, dort Bl. 79 GA).

Auf der Messe „B“ in Stuttgart stellte die Beklagte darüber hinaus auch ein Mikrometer mit der Bezeichnung „F“ (im Folgenden: „angegriffene Ausführungsform B/IP65“) aus, welches das Schutzniveau IP65 einhält und von der Gutachterin des selbstständigen Beweisverfahrens untersucht wurde. Im Folgenden wird ein von der Gutachterin gemachtes Foto der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 eingeblendet:

Bei der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 existiert – anders als bei der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 – am vorderen Ende des Gehäuses zwischen Taststift und Hülse eine zusätzlich angebrachte Dichtung, die als schwarzer Ring in der obigen Abbildung im Querschnitt erkennbar ist.

Wie bei der anderen angegriffenen Ausführungsform ist bei der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 ein inneres Gehäuse vorhanden. Im inneren Gehäuse befindet sich unter anderem die Messelektronik, die weitgehend entsprechend der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 aufgebaut ist und welche die relative, axiale Position des Taststifts ermitteln kann. Zur Verdeutlichung wird nunmehr Figur II_8 des Gutachtens (dort Bl. 105 GA) eingeblendet:

Am hinteren Ende der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 befindet sich eine Hülse mit einem Gewinde. Hülse und Gewinde befinden sich wiederum in einer Skalierungshülse, wie sich in der folgenden Abbildung von Bl. 101 GA des selbstständigen Beweisverfahrens erkennen lässt:

Am Ende des Taststifts ist eine Messtrommel mit dem Taststift fest verbunden. Der Taststift und die in der vorstehenden Abbildung gezeigte Hülse weisen gegengleiche Gewinde auf. Durch Drehung in Bezug auf die Hülse kann der Taststift axial bewegt werden. Zwischen Taststiftgewinde und Hülsengewinde existiert eine hochgenaue Passung, aber kein weiteres Bauteil, welches eine Abdichtwirkung hat.

Im eingebauten Zustand befindet sich das Gewinde des Taststifts (Schraube) außerhalb des inneren Gehäuses. Der Rest des Taststifts befindet sich in oder vor dem inneren Gehäuse der angegriffenen Ausführungsform.

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob am hinteren Ende der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 aufgrund der Anpassung der Gewinde zueinander eine Dichtung im Sinne des Klagepatents vorhanden ist. Abgesehen davon ist unstreitig, dass das innere Gehäuse bei dieser Ausführungsform durch verschiedene Dichtungen abgedichtet ist (zu den Dichtungen vgl. S. 11 des Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahren, dort Bl. 82 GA).

Die Klägerin ging vor dem Landgericht Mannheim aus dem Klagepatent wegen der hier angegriffenen Ausführungsformen auch gegen die E vor. Mit Urteil vom 21.03.2014 (Az. 7 O 83/13) verneinte das Landgericht Mannheim eine Patentverletzung und wies die Klage ab. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil in Anlage B11 verwiesen. Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Der chinesische „2. Volksgerichtshof mittlerer Instanz der Stadt Beijing“ verneinte in einem Urteil vom 20.12.2013 eine Patentverletzung durch eine Ausführungsform der Schutzklasse IP54 (vgl. Anlagen B09/B10). Auch gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent wortsinngemäß.

Die Klägerin ist der Ansicht, patentgemäß müssten nicht alle Teile gleichermaßen vom inneren Volumen geschützt werden. Aus den Abs. [0007] und [0029] des Klagepatents ergebe sich, dass im inneren Volumen zumindest die elektronischen Bestandteile sowie die hauptsächlichen beweglichen und mit Gewinde versehenen Teile des Mikrometers enthalten sein müssen. Ferner könnten nach Abs. [0043] die Komponenten im inneren Volumen auch zusätzlich abgedichtet werden. Das patentgemäße innere Volumen könne damit auch aus Teilen gebildet werden, die nicht fest miteinander verbunden sind. Der Innenraum könne auch durch mehrere innere Volumina ausgestaltet sein.

Das Klagepatent erfordere als Dichtung kein sperrendes Element als zusätzliche Komponente. Dies ergebe sich bereits aus dem Anspruchswortlaut in der maßgeblichen französischen Verfahrenssprache des Klagepatents, in dem es „joint“ heißt. Dies lasse sich auch als Fuge oder abdichtende Verbindungsstelle übersetzen. Auch Abs. [0042] des Klagepatents deute auf andere, dem Fachmann bekannte Dichtungsmittel hin. Dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt seien viele Dichtungen ohne separates Dichtelement („eingebaute Dichtungen“) bekannt gewesen, so etwa Spalt- und Labyrinthdichtungen. Dass dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt berührungslose Dichtungen auch bei Mikrometern bekannt waren, ergebe sich aus der DE 32 16 XXX C2 (dort Sp. 2 Z. 17 -32; Anlage K14). Solche berührungsfreien Dichtungen seien durch einen Spalt gekennzeichnet, der in vordefinierten Grenzen noch durchlässig ist. Diese Art von Dichtung könne auch bei Stellen eingesetzt werden, an denen axiale Verschiebungen stattfinden.

Aus Abs. [0042] des Klagepatents ergebe sich zudem, dass eine vollständige Abdichtung des inneren Volumens erfindungsgemäß nicht erforderlich sei, da hierin auf Schutzklasse IP54 Bezug genommen wird und diese – soweit unstreitig – keine vollständige Abdichtung gegen Wasser und Staub erfordert.

Bei der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 stelle die hochgenaue Passung zwischen Taststift und vorderer Gehäuseöffnung (Durchtrittsöffnung) eine Dichtung im Sinne des Klagepatents dar. Im Zusammenwirken mit den anderen Dichtungselementen sei das innere Volumen gegen das Eindringen von Staub und Spritzwasser hinreichend geschützt, was sich auch in der – unstreitigen – Einstufung in die Schutzklasse IP54 zeige.

Die gerichtlich bestellte Gutachterin habe für die angegriffene Ausführungsform A/IP54 nur deshalb keine Verwirklichung von Anspruch 1 des Klagepatents feststellen können, da sie das entsprechende Mikrometer nicht vollständig zerlegen konnte.

Die angegriffene Ausführungsform B/IP65 verfüge im hinteren Bereich des Mikrometers über ein von der Skalierungshülse und der Messtrommel gebildetes, zweites inneres Volumen. Beide innere Volumina bildeten das patentgemäße innere Volumen. Das erste innere Volumen sei durch eine durch gegengleiche Gewinde von Gewindehülse und Schraube gebildete Labyrinthdichtung abgedichtet. Die Skalierungshülse und die Messtrommel bildeten durch die Überlappung eine Spaltdichtung. Zur Veranschaulichung des Klägervortrags wird ein von der Klägerin beschriftete Foto nun eingeblendet (von Bl. 76 GA):

Die Einordnung in Schutzklasse IP65 verdeutliche, dass auch bei der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 eine ausreichende Abdichtung vorhanden sei.

Der Verweis auf die E als deutsche Vertriebspartnerin zeige, dass die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen in Kenntnis des Bestimmungslandes letztlich nach Deutschland liefere. Sie sei damit für die von der E in Deutschland angebotenen elektronischen Mikrometer mitverantwortlich.

Die Klägerin beantragt:

I. 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR — ersatzweise Ordnungshaft — oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Elektronische Mikrometer,

enthaltend ein Gehäuse, das mindestens ein inneres Volumen definiert, in dem angeordnet sind:

eine Hülse, die mindestens zum Teil mit Gewinde versehen ist,

eine Schraube, die in der genannten Hülse eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben,

ein elektronisches Messsystem, das fähig ist, die relative Drehung der Schraube in Bezug auf die Hülse zu messen und aus dieser Messung die Längsposition der Schraube zu bestimmen,

gekennzeichnet durch,

Dichtungen, die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens abdichten.

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
(EP 0 973 XXX B 1 — Anspruch 1, unmittelbare Verletzung)

I. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Dezember 2003 begangen hat und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen mit

aa) Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummern,

bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung. Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

b) der einzelnen Angebote mit

aa) Angebotsmengen, -zeiten und –preisen,

bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,

d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und der bezahlten Preise,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume,

wobei die unter a)cc) und d) verlangten Angaben zu den Verkaufsstellen und den bezahlten Preisen erst für die Zeit seit dem 30.04.2006 verlangt werden,

wobei die unter a) und d) genannten Angaben durch Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen in Kopie zu belegen sind,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmt bezeichnete Lieferung oder ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder ein bestimmt bezeichneter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

und wobei bei den Belegen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin seit dem 19. Dezember 2003 durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entsteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:

der Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn zugleich zu ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmt bezeichnete Lieferung oder ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder ein bestimmt bezeichnete Empfänger eines Angebots in der Rechnung enthalten ist.

Die Beklagte trägt vor, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

Entgegen den Feststellungen der gerichtlich bestellten Gutachterin im selbstständigen Beweisverfahren fehle es bei den angegriffenen Ausführungsformen an einer ausreichenden Abdichtung.

Bei der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 existiere zwischen Taststift und Hülse keine patentgemäße Dichtung. Das Klagepatent verstehe unter einer Dichtung an dieser Stelle ein physikalisch an der Berührungsstelle von Hülse zur Schraube existierendes Teil. Hierunter falle keine „hochgenaue Passung“. Dies gelte insbesondere, da das Eindringen von Feuchtigkeit etc. dadurch verschlimmert werde, dass der Taststift durch die Öffnung hinein und heraus gedreht werde.

Des Weiteren habe die Gutachterin bei einem Mikrometer mit der Artikelnummer 191-01-XXX zu recht nicht verifizieren können, dass hier eine Schraube vorhanden ist, die in der Hülse eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben.

Bei der angegriffenen Ausführungsform B/IP65 lägen das Gewinde des Taststifts und die Gewindehülse unter einer Messtrommel außerhalb des geschlossenen inneren Volumens. Es sei zudem keine vollständige Abdichtung vorhanden, da sich die Schraube am hinteren Teil des Gehäuses reibungslos durch die Hülse drehen ließe und so ein Spalt bestehe. Es fehle an einem zusätzlichen dichtenden Bauteil. Zur Verdeutlichung wird die von der Beklagten beschriftete Anlage B6 eingeblendet, die eine Ausführungsform B/IP65 zeigt:

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu, da keine der angegriffenen Ausführungsformen Anspruch 1 des Klagepatents verwirklicht.

I.
1.
Das Klagepatent betrifft insbesondere ein elektronisches, dichtes Mikrometer (Abs. [0001] des Klagepatents, im Folgenden entstammen Zitate ohne Quellenangabe dem Klagepatent).

In seiner Einleitung beschreibt das Klagepatent im Stand der Technik bekannte elektronische Mikrometer, bei denen die gemessene Distanz durch ein elektronisches Messsystem bestimmt und auf einer elektronischen Anzeige angezeigt wird (Abs. [0002]). Solche elektronische Mikrometer hätten gegenüber konventionellen mechanischen Mikrometern den Vorteil eines wesentlich verbesserten Ablesekomforts. Zudem bestehe die Möglichkeit, die gemessenen Werte zu speichern und zu übermitteln (Abs. [0002]).

Allerdings müssten elektronische Mikrometer recht sorgfältig unterhalten werden und hätten in Umgebungen, die Feuchtigkeit, Staub, Schmiermitteln oder Schneidöl ausgesetzt sind, Schwierigkeiten zu funktionieren. Es müsse darauf geachtet werden, dass insbesondere die kapazitiven Elektroden des Messsystems frei von jeder Feuchtigkeit bleiben (Abs. [0003]).

Im Stand der Technik US 5,433,XXX sei ein Mikrometer bekannt, das verschiedene Mittel zum Verhindern des Eindringens von Wasser in gewisse Teile des Mikrometers enthalte. Insbesondere seien Ringdichtungen vorgesehen, um das Eindringen von Wasser entlang der Schraube zu verhindern. Jedoch sei in der beschriebenen Vorrichtung nichts vorgesehen, um die kapazitiven Elektroden, den elektronischen Mess- und Anzeigeschaltkreis oder das Gewindeteil der Mikrometerschraube und der Hülse gegen das Eindringen von Wasser zu schützen.

Vor diesem Hintergrund bezeichnet es das Klagepatent in Abs. [0006] als sein Ziel, ein im Vergleich zu den Mikrometern im Stand der Technik verbessertes elektronisches Mikrometer bereitzustellen. Dabei soll das erfindungsgemäße Mikrometer besser an ein Funktionieren in einer schmutzigen, feuchten oder Staubablagerungen, Schmiermitteln oder Schneidöl ausgesetzten Umgebung angepasst sein.

2.
Diese Aufgabe löst das Klagepatent mit Hilfe von Anspruch 1, der in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden kann:

1. Elektronisches Mikrometer,

2. enthaltend ein Gehäuse (23), das mindestens ein inneres Volumen (230) definiert, in dem angeordnet sind:

3. eine Hülse (10), die mindestens zum Teil mit Gewinde versehen ist,

4. eine Schraube (1), die in der genannten Hülse (10) eingesetzt und fähig ist, in Bezug auf die genannte Hülse in Drehung versetzt zu werden, um sich entlang der longitudinalen Messachse des Mikrometers zu verschieben,

5. ein elektronisches Messsystem (19,20,21,5), das fähig ist, die relative Drehung der Schraube (1) in Bezug auf die Hülse (10) zu messen und aus dieser Messung die Längsposition der Schraube (1) zu bestimmen,

gekennzeichnet durch

6. Dichtungen (30, 32, 34, 38, 46), die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten.

3.
Der Schutzbereich eines Patents wird durch die Ansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind (vgl. § 14 S. 1 PatG bzw. Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ). Die Auslegung hat aus Sicht eines Durchschnittsfachmanns im Prioritäts- bzw. Anmeldezeitpunkt zu erfolgen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 64). Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH, GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube; GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Hierbei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Der Fachmann orientiert sich also an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck eines Merkmals, womit der technische Sinn der in der Patentschrift benutzten Worte und Begriffe – nicht die philologische oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung – entscheidend ist. Die Patentschrift stellt dabei gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; GRUR 1999, 909 – Spannschraube).

Die Ausführungsbeispiele sowie die darauf bezogenen Beschreibungsteile schränken dabei einen weiter zu verstehenden Sinngehalt der Patentansprüche nicht auf diese Ausführungsformen ein. Auch eine Auslegung unterhalb des Sinngehalts des Wortlauts der Patentansprüche ist nicht zulässig. Die Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf also nicht zu einer sachlichen Einengung oder inhaltlichen Erweiterung des durch seinen Anspruchswortlaut festgelegten Gegenstands führen (BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit).

Der Fachmann ist hier ein Maschinenbau-Ingenieur mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung bei der Konstruktion von elektronischen Mikrometern.

4.
Aus dem Zusammenspiel von Merkmal 2 und Merkmal 6,

„2. enthaltend ein Gehäuse (23), das mindestens ein inneres Volumen (230) definiert, in dem angeordnet sind:“

„6. Dichtungen (30, 32, 34, 38, 46), die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten.“

ergibt sich, dass das Klagepatent die oben genannte Aufgabe durch ein abgedichtetes, inneres Volumen des Mikrometers löst. In diesem sind die in den Merkmalen 3, 4 und 5 aufgezählten Bauteile angeordnet. Hierbei handelt es sich konkret um eine Hülse (Merkmal 3), eine sich in dieser Hülse axial bewegende Schraube (Merkmal 4) und ein Messsystem zur Bestimmung der Längsposition der Schraube (Merkmal 5).

Das Klagepatent verbessert die Einsetzbarkeit von bekannten elektronischen Mikrometern in schmutzigen, feuchten oder staubigen Umgebungen, indem bestimmte Bauteile des Mikrometers in einem abgedichteten, inneren Volumen angeordnet werden. Hierzu stellt das Klagepatent ausweislich Abs. [0008] verschiedene Typen von Dichtungen vor. Damit ermöglicht die patentgemäße Lehre „die Gesamtheit der Elektronik und des Aufnehmers des Mikrometers, wie auch den mit Gewinde versehenen Teil der Schraube und der Hülse zu schützen“ (Abs. [0009]).

Im Folgenden wird zur Verdeutlichung eine von der Klägerin bearbeitete Fassung der Fig. 2 des Klagepatents eingeblendet, bei der das innere Volumen (230) hinterlegt ist:

5.
Merkmal 6,

„Dichtungen (30, 32, 34, 38, 46), die so angeordnet sind, dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten“,

erfordert als Dichtungen zusätzliche Komponenten, die für eine Abdichtung des inneren Volumens sorgen. Die hochgenaue Anpassung verschiedener, bestehender Bauteile stellt dagegen keine patentgemäße Dichtung dar.

a)
Der Wortlaut von Merkmal 6 lässt sich in eine technisch-funktionale und eine räumlich-körperliche Komponente aufteilen.

In funktionaler Hinsicht verlangt Merkmal 6 eine Abdichtung der Gesamtheit des inneren Volumens, wie sich aus dem zweiten Teil des Merkmals „dass sie die Gesamtheit des genannten inneren Volumens (230) abdichten“ ergibt. „Abdichten“ ist dabei als Verhindern des Eindringens von fremden Stoffen zu verstehen, was patentgemäß bei einer Abdichtung mit dem Schutzniveau IP54 oder höher erreicht wird.

Das ergibt sich für den Fachmann bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und wird gestützt durch die vom Klagepatent geübte Kritik am Stand der Technik (Abs. [0004]) und die geschilderten Ausführungsbeispiele. In der Beschreibung wird durchgehend als Zweck der vorgestellten Dichtungen das Verhindern eines Eindringens (von Wasser) geschildert, so in den Abs. [0013], [0015], [0XXX], [0018], [0031], [0033], [0035], [0038] und [0041]. Dieses Verhindern des Eindringens wird durch Abs. [0042] konkretisiert:

„Die verschiedenen, oben beschriebenen Dichtungen erlauben es, einen Mikrometer mit einem Schutzindex nach der Norm DIN40050 von mindestens gleich IP54 zu erhalten (…)“

Abs. [0042] erlaubt jedoch nicht den Schluss, Merkmal 6 sei ohne weitere Voraussetzungen ab der Einhaltung des Schutzniveaus IP54 verwirklicht. Denn eine solche Auslegung würde die räumlich-körperlichen Anforderungen dieses Merkmals ignorieren (hierzu sogleich). Verdeutlicht wird dies durch die Bezugnahme in Abs. [0042] auf die in der Patentbeschreibung genannten Dichtungen, welche durchgängig durch zusätzliche Elemente ausgestaltet sind.

b)
Über die funktionale Komponente hinaus enthält Merkmal 6 die zusätzliche, räumlich-körperliche Vorgabe „Dichtungen, die so angeordnet sind“ erfindungsgemäß zu verwenden, um die Abdichtungs-Funktion zu erreichen. Die Erfüllung der Abdichtfunktion alleine ist damit für die Verwirklichung von Merkmal 6 nicht ausreichend. Vielmehr ist erforderlich, dass bei einer patentgemäßen Ausführungsform Bauteile oder Elemente von Bauteilen vorhanden sind, die sich als Dichtungen identifizieren lassen, und die so angeordnet sind, dass sie die Abdichtungsfunktion ausüben.

Der Wortlaut „angeordnet“ enthält die Anweisung, dass die Dichtungen anderen Teilen hinzugefügt werden müssen. Das genaue Anpassen zweier bestehender Bauteile, die aufgrund ihrer Eigenschaften für sich betrachtet nicht als Dichtungen verstanden werden können, lässt sich nicht als Anordnen einer Dichtung bezeichnen. Dies zeigt sich auch darin, dass Merkmal 6 mit „Dichtungen“ ein in den anderen Merkmalen nicht verwendeten Begriff gebraucht – „Dichtungen“ also auf diese Weise von den anderen genannten Bauteilen abgrenzt. Nach der technischen Lehre des Klagepatents müssen also Bauteile bzw. -elemente vorhanden sein, die als Dichtung bewertet werden können und die in räumlich-körperliche Hinsicht eine derartige Anordnung in Bezug auf das Gehäuse und sein inneres Volumen aufweisen, dass sie die patentgemäße Abdichtwirkung erzielen.

Soweit die Klägerin demgegenüber in der Sache geltend macht, allein die möglichst passgenaue Gestaltung der das innere Volumen bildenden Gehäusekomponenten und der mit ihnen zusammenwirkenden Funktionsbauteile könne ausreichend sein, kann dem nicht beigetreten werden. Konsequenz dieser Sichtweise wäre nämlich, dass Merkmal 6 in unzulässiger Weise allein auf seine Abdichtfunktion reduziert würde. Denn dann ließen sich ohne Weiteres auch ohne den Einsatz von Dichtungen, die in bestimmter Weise angeordnet sind, hergestellte Abdichtungen der Gesamtheit des inneren Volumens unter Merkmal 6 fassen. Das ist mit der räumlich-körperlichen Vorgabe des Merkmals („Dichtungen, die so angeordnet sind, dass …“) jedoch unvereinbar.

aa)
Im Ansatz ist der Klägerin allerdings darin recht zu geben, dass unter dem Begriff „joint“ in der gemäß Art. 70 EPÜ maßgeblichen französischen Verfahrenssprache nach dem allgemeinen Wortsinn auch solche Konstruktionen erfasst werden könnten, bei denen eine berührungslose Dichtung ohne zusätzliche Bauteile vorhanden ist. Wie sich aus dem Französisch-Wörterbuch nach Anlage K9 ergibt, kann „joint“ mit „Zwischenraum, Fuge, Naht, Stoß, Verbindungsstelle, Dichtungsmaterial, Dichtung, Packung, Trennfuge, Ablösungsfläche, Absonderung, Dichtung, Formteilung“ oder „Trennfuge“ übersetzt werden. Jedoch ist nicht das allgemeine Begriffsverständnis, sondern das oben erläuterte Verständnis des Klagepatents ausschlaggebend. Insofern führt es nicht zu einer unzulässigen Auslegung unter dem Wortsinn des Anspruchs, wenn einem Begriff im Klagepatent ein engeres Verständnis als im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Dies muss schon deshalb gelten, da einige der oben aufgeführten Übersetzungsmöglichkeiten offenkundig fernliegend sind und sich diese auch nicht zur Abdichtung „anordnen“ lassen, wie es Merkmal 6 verlangt.

bb)
Das Verständnis einer Dichtung als zusätzlich anzuordnende räumlich-körperliche Komponente wird belegt von der Kritik des Klagepatents am Stand der Technik US 5,433,XXX in Abs. [0004]. Das Klagepatent schildert, bei dem dort beschriebenen Mikrometer seien „Ringdichtungen vorgesehen, um das Eindringen von Wasser entlang der Schraube zu verhindern“. Das Klagepatent kritisiert aber an der genannten US-Patentschrift, dass hierin weitere Bauteile des Mikrometers nicht geschützt seien. Aus Sicht des Fachmanns genügt für die Lehre des Klagepatents die Abdichtung der Schraube mittels einer Ringdichtung an dieser Stelle aus, es fehlt aber im Stand der Technik die Abdichtung weiterer Teile. Die patentgemäße Lösung nach Anspruch 1 stellt sich damit für den Fachmann als Ausweitung der im Stand der Technik geschilderten Abdichtung in Form eines zusätzlichen Bauelements auf andere Bauteile bzw. auf andere Öffnungen dar.

cc)
Zwar begrenzen Ausführungsbeispiele und Unteransprüche grundsätzlich einen weiter zu verstehenden Wortsinn des Anspruchs nicht; jedoch lassen sich im vorliegenden Fall aufgrund der durchgängig in Form von zusätzlichen Bauteilen beschriebenen Dichtungen Rückschlüsse auf den vom Klagepatent zugrundegelegten Wortsinn von „Dichtungen“ ziehen.

Dies gilt insbesondere, da nach Abs. [0008] die patentgemäße Erfindung außerdem „verschiedene Typen von Dichtungen, die gewählt und angeordnet sind, um diese Dichtigkeit zu erreichen“, betrifft. Ausdrücklich beschrieben sind aber ausschließlich Dichtungen, die sich durch zusätzliche Bauteile auszeichnen. So wird in den Abs. [0013], [0015] und [0031] eine Fadendichtung, in den Abs. [0016] und [0033] eine vorzugsweise V-förmige Dichtung und in den Abs. [0018] und [0035] eine Taststiftdichtung beschrieben.

Entsprechendes gilt für die Unteransprüche, in denen Dichtungen ebenfalls konsequent als zusätzliche Elemente ausgeführt sind. So wird in Unteranspruch 2 als Dichtung eine Fadendichtung und in Unteranspruch 3 eine ringförmige Dichtung beansprucht, wobei letztere nach Unteranspruch 4 eine axiale Dichtung in Form eines V sein kann. In Unteranspruch 9 wird eine Taststiftdichtung beansprucht, die gemäß Unteranspruch 10 insbesondere als radiale Lippendichtung ausgestaltet sein kann. Schließlich wird in Unteranspruch 17 die Abdichtung eines seriellen Interface durch einen Stopfen vorgenommen. Eine Abdichtung des seriellen Interfaces wäre durch eine hochgenaue Passung auch nicht möglich, da eine ausreichend große Öffnung vorhanden sein muss, um ein Anschluss etwa über ein Kabel oder einen Stecker mit dem seriellen Interface zu ermöglichen.

dd)
Eine angeordnete Dichtung durch Anpassung bestehender Bauteile zeigt das Klagepatent dagegen an keiner Stelle. Auch in Abs. [0041] wird keine Dichtung mittels einer bestimmten Anpassung bestehender Bauteile ohne zusätzliche Komponenten offenbart. An dieser Stelle wird eine elektronische Anzeige (etwa ein Flüssigkristallbildschirm) beschrieben, die im abgedichteten inneren Volumen angeordnet ist und durch ein dicht eingeschweißtes oder geklebtes Glas im Gehäuse abgelesen werden kann. Die Abdichtung des Glases erfolgt also hier entweder über einen Stoffschluss mittels Schweißens, so dass keine abzudichtende Öffnung vorhanden ist, oder durch eine zusätzliche Komponente in Form eines Klebers.

ee)
Soweit die Klägerin auf im Stand der Technik bekannten Spalt- und Labyrinthdichtungen verweist, stellt dies ein abweichendes (ggf. engeres) Begriffsverständnis des Klagepatents von Dichtungen grundsätzlich nicht in Frage. Darüber hinaus hat die Klägerin bereits nicht aufzeigen können, dass solche Spalt- oder Labyrinthdichtungen im Prioritätszeitpunkt dem Fachmann als Dichtungen für elektronische Mikrometer geläufig waren. Dies ergibt sich nicht aus den Werken nach den Anlagen K10 oder K11. Auch in der zitierten Stelle auf Sp. 2 Z. 17 – 32 der DE 32 16 XXX ist keine Dichtung für ein elektronisches Mikrometer, sondern nur ein „im wesentlichen dicht abgeschlossener“ Gewindegang beschrieben. Diese Abdichtung gilt zudem nur dem Schutz vor Staub, nicht aber auch gegen Flüssigkeit, so dass eine solche Abdichtung schon in funktionaler Hinsicht den erfindungsgemäßen Anforderungen an eine „Dichtung“ nicht gerecht werden würde.

c)
Die vorstehenden Auslegung stimmt im Ergebnis mit der Auslegung im Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21.03.2014 (Az. 7 O 83/13) überein. Damit ist eine weitergehende Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung nicht angezeigt.

Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des chinesischen Gerichts stützt, muss von vornherein hierauf nicht eingegangen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, dass im chinesischen Recht dieselben Auslegungsgrundsätze wie im deutschen Recht gelten.

6.
Vor dem Hintergrund des erläuterten Verständnisses von Merkmal 6 machen die angegriffenen Ausführungsformen von der patentgemäßen Lehre keinen Gebrauch. Es fehlt insofern an einer patentgemäßen angeordneten Dichtung zwischen Taststift und Hülse bei der angegriffenen Ausführungsform A/IP54 bzw. zwischen Skalierungshülse und Messtrommel bei der angegriffenen Ausführungsform B/IP65. Bei den angegriffenen Ausführungsformen ist jeweils keine zusätzliche, abdichtende Komponente vorhanden.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

III.
Der Streitwert wird auf EUR 250.000,00 festgesetzt.