4 O 103/97 – Implantate für Osteosynthesearbeiten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 150

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 05. September 2003, Az. 4 O 103/97

Rechtsmittelinstanz: 2 U 92/03

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Mit Vereinbarung vom 9. Februar 1998 ermächtigte der eingetragene Inhaber des deutschen Patents 40 26 777 (Klagepatent 1, Anlage K 1) und des europäischen Patents 0 472 017 (Klagepatent 2, Anlage K 6), Prof. I, die Klägerin – als seine Lizenznehmerin – zur Geltendmachung der ihm ggf. wegen Patentverletzung zustehenden Ansprüche auf Unterlassung und Auskunftserteilung im eigenen Namen und trat ihr die ihm etwaig gegen die Beklagten zustehenden Schadensersatzansprüche ab. Die Anmeldungen des Klagepatents 1 und des Klagepatents 2 wurden am 5. März 1992 bzw. 26. Februar 1992 und die jeweilige Erteilung am 16. Juli 1992 bzw. 21. September 1994 bekannt gemacht. Gegen die Klagepatente wurde von der Beklagten zu 1. Nichtigkeitsklage erhoben, die inzwischen vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. November 2002 (Anlage K 16) abgewiesen wurde. Das Klagepatent 1 betrifft einen Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten und das Klagepatent 2 zylindrische Körper mit an der Außenfläche ausgeformtem Gewinde. Die im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierenden Patentansprüche 1 der Klagepatente haben folgenden Wortlaut:

„Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten, von denen jeder ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Gewinde auch bei unterschiedlichen Außendurchmessern (d) der zylindrischen Körper gleiche Steigung (h) besitzt.“

(Patentanspruch 1 des Klagepatents 1)

„Satz zylindrischer Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern, wobei die Schrauben ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweisen,

dadurch gekennzeichnet,

dass trotz unterschiedlicher Außendurchmesser (d) der Schraube, das Gewinde jeder Schraube gleiche Steigung (h) besitzt, wobei sich die Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden, dass bei Anwenden aufeinanderfolgender Schrauben ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt.“

(Patentanspruch 1 des Klagepatents 2)

Die nachfolgende Abbildung (jeweils einzige Figur der Klagepatentschriften veranschaulicht den Erfindungsgegenstand anhand einer jeweils bevorzugten Ausführungsform.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, stellt her und vertreibt Titanimplantate (WSI) für Osteosynthesearbeiten. In ihrem Katalog gemäß Anlage K 5 bietet sie auf S. 11 in der nachfolgend wiedergegebenen Weise Pedikelschrauben sowie Revisions- und Sacralschrauben an.

Die im Folgenden abgebildeten technischen Zeichnungen der Beklagten zu 1 (Anlage B 5) veranschaulichen die Schraubengestaltung mit einem sich konisch verjüngenden Schraubenkern.

Die Schrauben verfügen über Gewinde mit gleicher Steigung. In einem neueren Katalog der Beklagten zu 1. (Anlage K 19) sind die Pedikelschrauben in der nachfolgend gezeigten Weise dargestellt (S. 14), wobei die Schrauben mit einem Durchmesser von 5 mm goldfarben, von 6 mm silberfarben, von 7 mm grün und von 8 mm rosa sind.

Zur Aufnahme der Schrauben bietet die Beklagte außerdem Sortierkassetten an (Anlage K 5, Seite 15: WSI-Kassette Groß/Klein). Auf Seite 6 des Katalogs gemäß Anlage K 5 heißt es unter der Überschrift „IMPLANTAT-AUSWAHL“ wie folgt:

Die Klägerin sieht durch Herstellung und Vertrieb der vorbezeichneten Schrauben ihre Rechte aus den Klagepatenten verletzt und nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin hat die Beklagten zunächst nur aus dem Klagepatent 1 und sodann auch aus dem Klagepatent 2 in Anspruch genommen. Wegen der Einzelheiten der Antragsfassungen wird auf Bl. 2 – 4, Bl. 37 – 39 und Bl. 52 d. GA Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 1997 hat die Klägerin die Anträge mit der Maßgabe verlesen, dass der Wortlaut des Unterlassungsantrags jeweils Anspruch 1 des Klagepatents 2 folgt mit dem Zusatz „Osteosynthesearbeiten“.

Die Klägerin beantragt damit nunmehr,

I.

die Beklagten zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Sätze zylindrischer Schrauben für Osteosynthesearbeiten mit unterschiedlichen Außendurchmessern, wobei die Schrauben ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweisen,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen trotz unterschiedlicher Außendurchmesser der Schraube, das Gewinde jeder Schraube gleiche Steigung besitzt, wobei sich die Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden, dass bei Anwenden aufeinanderfolgender Schrauben ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt;

2.

ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. März 1992 begangen haben, und zwar unter Angabe

a.

der Herstellungsmengen und -zeiten,

b.

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen (Schraubenabmessungen) sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,

c.

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen (Abmessungen der jeweiligen Schrauben) sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,

d.

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e.

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt ist;

vom Beklagten zu 2. sämtliche Angaben und von beiden Beklagten die Angaben zu e. nur für die Zeit seit dem 16. August 1992 zu machen sind;

II.

festzustellen,

1.

dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 26. März 1992 bis zum 15. August 1992 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.

dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, allen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber durch die zu I. 1. bezeichneten und in der Zeit seit dem 16. August 1992 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Außerdem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2003 hilfsweise für den Fall, dass eine unmittelbare Patentverletzung nicht vorliegen sollte, die Verurteilung der Beklagten wegen mittelbarer Patentverletzung beantragt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten den Verletzungsvorwurf und machen geltend; Anders als die Klägerin meine, biete die Beklagte zu 1. keine erfindungsgemäßen Sätze von Schrauben an. Die Schrauben würden keinen zylindrischen Körper aufweisen, da ihr Kern konisch gestaltet sei. Die Betragsänderung im Außendurchmesser sei mit 1 mm nicht hinreichend klein im Sinne des Klagepatents 2. Beispielsweise würde beim Übergang von 5 auf 6 mm die Elastizität des Knochens überfordert, die Bohrung gesprengt und das Gewinde zerstört.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagten haben von der technischen Lehre der Klagepatente weder unmittelbar noch mittelbar Gebrauch gemacht.

I.
Die Klagepatente befassen sich mit einem Satz zylindrischer Schrauben und dazugehörigen Gewindebohrern.

Beide Klagepatentschriften erläutern die den Gegenstand ihrer Patentansprüche bildende Lehre am Beispiel eines Knochenschrauben- oder Gewindebohrersatzes. Wie in beiden Beschreibungen eingangs ausgeführt, werden Knochenschrauben meist in Kombination mit Platten- und Stabsystemen angewendet, um Knochen und Knochenteile in einer bestimmten Stellung und Ausrichtung zueinander zu fixieren. Die Klagepatentschriften beschreiben zunächst die herkömmliche, z.B. aus der US-Patentschrift 4 943 292 bekannte Osteosynthese an Röhrenknochen, bei der eine mit Löchern versehene Platte mittels Knochenschrauben, die durch diese Löcher hindurchgreifen, am Knochen fixiert wird. Die Ruhigstellung der Knochen oder Knochenteile erfolgt durch Anpressen an die Platte mittels der Schraube. Knochenschrauben werden verankert in Bohrkanälen, in die mit Gewindebohrern ein Gewinde eingeschnitten worden ist. Die Schraubenköpfe der Knochenschrauben finden auf der dem Knochen gegenüberliegenden Seite in den angeschrägten Schraubenlöchern ein Widerlager. Den größten Teil des Haltes finden die Knochenschrauben dabei in der kortikalen Knochenrinde, während in der Spongiosa und in der Markhöhle kein wesentlicher Widerhalt zu erreichen ist. Die im Knochen verankerten Knochenschrauben werden in ihrem Verlauf im Knochen praktisch nur auf Zug beansprucht. Findet die verwendete Schraube nicht richtig Halt, so werden – wie die Klagepatentschriften ausführen – herkömmlicherweise Schraubenmuttern an der plattenabseitigen Knochenseite auf eine längere Schraube aufgedreht, um so eine gewisse Stabilität zu gewährleisten.

Gegenüber dieser herkömmlichen Osteosynthese an Röhrenknochen bezeichnen die Klagepatentschriften die Verplattungsverfahren an der Wirbelsäule als problematischer. Anders als bei normalen Röhrenknochen lassen die anatomischen Verhältnisse hier die Fixierung eines Knochens an einer Knochenplatte in der Regel nur durch eine einzige Knochenschraube zu. Die für eine knöcherne Konsolidierung erforderliche Ruhigstellung ist dadurch erschwert, dass nahezu das gesamte Körpergewicht auf dieser fixierenden Schraube lastet. Während bei Röhrenknochen die Schraube immer in zwei Knochenrinden verankert wird, werden bei der Wirbelsäulenfixation die Schrauben durch die engen Knochenverbindungen zwischen dem vorn liegenden Wirbelkörper und dem hinten liegenden Wirbelbogen eingedreht. Diese Knochenbrücken-Bogenwurzeln – Pedikel – haben im sagittalen Schnitt die Form einer Zwirnspule, wobei nur im mittleren, d.h. dem engeren Abschnitt eine gute direkte Kraftübertragung auf die zentral verlaufende und nur hier mit der Knochenrinde tangentialen Kontakt aufnehmende Schraube erfolgen kann. Nach den Klagepatentschriften ist die Dimension der zu wählenden Gewindebohrer und Knochenschrauben in jedem Fall unbekannt. Eine stabile Verankerung einer Knochenschraube setzt aber eine auf den gegebenen Durchmesser des Knochenkanals abgestimmte Dimensionierung des Gewindebohrers und vor allem des Gewindepins voraus. Unterdimensionierungen beinhalten die Gefahr der Instabilität der Knochenschraubenverbindung und des Implantatabbruchs. Überdimensionierungen der Implantate können leicht neurologische Komplikationen bis zu Querschnittslähmungen nach sich ziehen, da unmittelbar neben den Pedikeln die Nervenwurzeln und das Rückenmark liegen.

Die so beschriebene Problematik soll gemäß Klagepatent 1 dadurch gelöst werden, dass ein Schrauben- bzw. Gewindebohrersatz geschaffen wird, mit dem es möglich ist, den Querdurchmesser eines Knochenkanals zu bestimmen und trotz mehrmaliger Anwendung das Gewinde nicht zu zerstören. Das Klagepatent 1 schlägt dazu in seinem Patentanspruch 1 einen Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten vor, wobei sich die Merkmale des Anspruchs wie folgt gliedern lassen:

1.

Jeder zylindrische Körper eines Satzes

1.1.

weist in der Außenfläche

1.2

ein Gewinde auf, das

1.2.1.

in Form einer Schraubenlinie ausgeformt ist.

2.

Das Gewinde besitzt

2.1.

auch bei unterschiedlichen Außendurchmessern (d) der zylindrischen Körper

2.2.

die gleiche Steigung (h).

Die Klagepatentschrift 2 beschränkt sich nicht auf Schrauben und Gewindebohrer, die für Osteosynthesearbeiten verwendet werden, sondern beansprucht allgemein einen Satz Schrauben und führt dazu in der Beschreibung aus, dass diese bei Osteosynthesearbeiten und in Holz, Kunststoff oder weichen Metallen einsetzbar sind. Die Klagepatentschrift 2 schildert es als Problem, eine Schraubenkonstruktion zu schaffen, die bei ausgelockertem Gewinde bei gleicher Gewindecharakteristik einen neuen Festsitz schafft und einen Gewindebohrer, der ein neues Gewinde nachschneidet bei optimaler Verankerung der einzusetzenden Schraube. Sie schlägt dazu einen Satz zylindrischer Schrauben vor, die folgende Merkmale aufweisen:

1.

Die zylindrischen Schrauben eines Satzes verfügen über unterschiedliche Außendurchmesser.

1.1.

Jede Schraube

1.1.1.

weist in der Außenfläche

1.1.2.

ein Gewinde auf, das

1.1.3.

in Form einer Schraubenlinie ausgeformt ist.

2.

Das Gewinde jeder Schraube besitzt

2.1.

trotz unterschiedlicher Außendurchmesser (d)

2.2.

gleiche Steigung (h).

3.

Die Außendurchmesser der Schrauben unterscheiden sich durch derart kleine Beträge,

3.1.

dass ein Verletzen vorher vorhandener Gewindegänge nicht eintritt,

3.2.

wenn aufeinanderfolgende Schrauben verwendet werden.

Nach Patentanspruch 1 des Klagepatents 1 soll damit ein Satz von Gewindebohrern und dazu passenden Knochenschrauben geschaffen werden, wobei unabhängig von ihrem Außendurchmesser diese so gestaltet sind, dass sie die gleiche Steigung aufweisen. Dies soll verhindern, dass bei Anwendung des nächst größeren Gewindebohrers eine Beschädigung des durch den vorher eingesetzten Gewindebohrer geschnitten Gewindes erfolgt. Dadurch soll es möglich sein, bei Handhabung des Gewindebohrers den Widerstand abzutasten, der sich dem Gewindebohrer stellt, so dass ermittelt werden kann, wann sich die äußeren Gewindegänge in der kortikalen Knochenrinde befinden. Beim Auslockern einer Schraube soll dagegen mit dem Gewindebohrersatz ermöglicht werden, ein neues, einen festen Halt verschaffendes Gewinde nachzuschneiden und eine Durchmesser größere Schraube einzusetzen. Als entscheidend bezeichnet es die Klagepatentschrift 1, dass durch das mehrmalige Anwenden von Gewindebohrern das Gewinde nicht geschädigt wird.

Das Klagepatent 2 entspricht dem, soweit es um den Anwendungsbereich der Osteosynthese geht, nennt aber als weitere Einsatzmöglichkeit die Herstellung von Schraubverbindungen in Holz, Kunststoff und weichen Metallen.

II.
Die angegriffenen Knochenschrauben der Beklagten zu 1. machen von der technischen Lehre der Klagepatente weder unmittelbar (nachfolgend 1) noch mittelbar (nachfolgend 2) Gebrauch.

1.

Das jeweilige Merkmal 1 der Patentansprüche 1 der Klagepatente wird von den angegriffenen Schrauben nicht verwirklicht. Merkmal 1 der Patentansprüche 1, insbesondere des Klagepatents 2, verlangt, dass die zylindrischen Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern in einem Satz vorliegen müssen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Wie der Bundesgerichtshof in seinem das Nichtigkeitsverfahren abschließenden Urteil vom 12. November 2001 (Anlage B 16, Seite 13) ausführt, versteht der Fachmann unter dem Begriff „Satz“

eine Zusammenfassung unter technischen Gesichtspunkten, bei der gleichartige Gegenstände unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Ausmaßes zu einem Zweck funktionsbestimmt zusammengefügt werden, wobei in der funktionellen Abstimmung das entscheidende Kriterium zu sehen ist.

Die genormte Reihe einer Mehrzahl oder eines Sortiments von gleichartigen Schrauben unterschiedlicher Größe, die funktional jedoch nicht aufeinander abgestimmt sind, um einen bestimmten Zweck zu erreichen, stellt keinen erfindungsgemäßen Satz dar.

Hiervon ausgehend müsste sich also zur Bejahung des Merkmals die tatrichterliche Feststellung treffen lassen, dass die angegriffenen Pedikel- und Revisions- bzw. Sacralschrauben mit 5 bis 8 mm Durchmesser im erfindungsgemäßen Sinne von der Beklagten zu 1. als Satz angeboten oder vertrieben werden, d.h. nicht lediglich als Schraubensortiment, aus dem man nach Bedarf auswählen kann, sondern als funktionell aufeinander abgestimmte Einheit von Schrauben zur Erzielung des in den Klagepatenten – insbesondere auch in der Merkmalsgruppe 3 des Klagepatents 2 – niedergelegten technischen Ziels. Dies besteht darin, einen Satz von Schrauben zu schaffen, bereitzustellen bzw. mit einem Satz von Schrauben arbeiten zu können, die sich durch kleine Beträge des Außendurchmessers unterschieden und solch eine Gewindegestaltung aufweisen, dass es bei der Verwendung der (des) nächst größeren Schraube (Werkzeugs) zu einer Beschädigung des auf die vorher eingesetzte Schraube passenden, bereits vorhandenen Gewindes nicht kommt (vgl. Anlage K 6, Spalte 3, Zeilen 32 bis 39; Anlage K 1, Spalte 2, Zeilen 49 bis 55). Derartiges lässt sich den von der Klägerin beanstandeten Angebotskatalogen (Anlagen K 5 und K 19) nicht entnehmen.

Auf Seite 11 des Katalogs nach Anlage K 5 sind die Pedikelschrauben von 5 bis 7 mm Durchmesser und Längen von 30 bis 50 mm zwar in einem Kasten gezeigt, jedoch ist jeder Pedikelschraube eine eigenständige Artikel- bzw. Bestellnummer zugeordnet. Jede Schraube stellt mithin einen eigenen Verkaufsgegenstand dar. Der Angebotsempfänger muss – nicht anders als bei einem Sortiment – selbst die Auswahl treffen, welche Schrauben er in welcher Stückzahl und ggf. Zusammenstellung erwerben will. Dass besonderer Angebotsgegenstand bzw. eine eigenständige Verkaufseinheit Sätze von Pedikelschrauben von 5 bis 7 oder gar 8 mm sein sollen, gerade durch deren Zusammenstellung bzw. -fassung der vorbezeichnete erfindungsgemäße Zweck erreicht wird, ist nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für das Angebot der Pedikelschrauben auf Seite 14 des Prospekts gemäß Anlage K 19. Auch dort sind sämtliche Schrauben mit Einzelartikelnummern versehen und lässt sich im Hinblick auf die optische Gruppierung und unterschiedliche Farbkennzeichnung der Schrauben allenfalls eine Zusammenfassung von Schrauben gleichen Durchmessers unterschiedlicher Längen (30 bis 60 mm) erkennen (5 mm gold; 6 mm silber; 7 mm grün; 8 mm rosa).

Dass die Beklagte zu 1. zu den Schrauben die auf Seite 15 des Katalogs gemäß Anlage K 5 ersichtlichen Sortierkassetten (WSI) anbietet, führt zu keiner anderen Beurteilung, da dies nichts daran ändert, dass der Angebotsempfänger zu den Kassetten die Schrauben selbst aussuchen muss und ihm insoweit kein Satz mit der erfindungsgemäßen Zweckbestimmung vorgegeben wird. Dass die Kassetten den Kliniken voll bestückt und darin dann enthalten erfindungsgemäße Sätze von Schrauben unterschiedlichen Durchmessers angeboten werden, lässt sich dem Katalog entgegen der Ansicht der Klägerin nicht entnehmen.

Soweit im Katalog nach Anlage K 5 auf Seite 11 Revisionsschrauben mit einem Durchmesser von 8 mm für die Reinstrumentation angeboten werden (vgl. auch Anlage K 5, Seite 6), stellt dies in Verbindung mit einer Pedikelschraube kleineren Durchmessers (7 mm) schon deshalb keinen erfindungsgemäßen Satz dar, weil nach dem Verständnis des Fachmanns zu einem Satz – die Kammer folgt insoweit den Darlegungen des Bundesgerichtshofs auf Seite 13 (letzter Satz zu Ziffer 3.) des Nichtigkeitsurteils – nicht nur ein Paar von zwei Einzelteilen, sondern mindestens drei Einzelteile gehören, die für das Erfindungsziel einer mehrmaligen (= zumindest dreimaligen) Anwendung bei der Gewindeerweiterung ohne Zerstörung des jeweils kleineren Gewindes zusammengestellt sind (vgl. auch Anlage K 1, Spalte 1, Zeilen 35 bis 40; Anlage K 6, Spalte 3, Zeilen 54 bis 57). Ferner werden die Revisionsschrauben abgesetzt in einem eigenen Kasten angeboten, so dass bei verständiger Würdigung auch nicht davon gesprochen werden kann, die Revisionsschrauben würden mit den schlankeren Pedikelschrauben als technische Einheit zusammengefasst angeboten werden. Vielmehr bleibt auch hier die Auswahl allein dem Kunden vorbehalten, der nach seinen eigenen Bedürfnissen zu entscheiden hat, welche Schrauben er erwerben will. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin bietet die Beklagte in ihrem Katalog neben den 8 mm-Schrauben nicht auch Schrauben mit 7 mm Durchmesser als Revisionsschrauben an bzw. legt eine solche Verwendung nahe, so dass auch hieraus nicht das Vorliegen bzw. Anbieten eines Satzes hergeleitet werden kann. Der von der Klägerin als Beleg zitierten Seite 13 des Katalogs lässt sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen zur Implantatauswahl auf Seite 6 und dem Angebot auf Seite 11 nur entnehmen, dass für den Sacralbereich Pedikelschrauben mit 7 bis 8 mm Durchmesser vorgesehen sind. Allein die 8 mm-Schraube wird jedoch als Revisionsschraube beworben. Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob die angebotenen Revisionsschrauben zum Austausch einer bereits eingesetzten Schraube kleineren Durchmessers bestimmt sind oder ob – wie es die Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben – eine Revisionsschraube nur dazu dient, bei zusätzlichen Abstützmaßnahmen, die eine erstmalige Implantation der Revisionsschraube im sacralen Bereich erforderlich machen, verwendet zu werden.

Im übrigen lässt sich auch nicht feststellen, dass die Angebotsempfänger und Abnehmer der Beklagten aufgrund ihrer Fachkunde davon ausgehen, dass es sich bei den angebotenen Schrauben unterschiedlichen Durchmessers – trotz der Einzelartikelbezeichnungen – jeweils um Sätze, also zusammengefasste technische Einheiten zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe handelt. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil im Nichtigkeitsverfahren (Anlage K 16, Seite 15) dargelegt hat, wird ein Chirurg oder Orthopäde durch Auswahl der richtigen Schraubengröße von vornherein die aus seiner Sicht optimal passende Schraube wählen. Selbst für den Durchschnittsfachmann auf dem Gebiet der Erfindungen erscheint es nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zweifelhaft, ob dieser von sich aus überhaupt das zum Gegenstand der Klagepatente gemachte Problem erkennt, dass beim Einsatz einer Knochenschraube mit größerem Durchmesser nur dann eine stabile Verbindung entstehen kann, wenn diese Knochenschraube ein Gewinde mit gleicher Steigung besitzt, und dass bei Verwendung einer Schraube mit abweichender Gewindesteigung das vorgeschrittene Gewinde zerstört wird. Vor diesem Hintergrund hätte es schon eines ausdrücklichen Hinweises in den Katalogen der Beklagten zu 1. bedurft, dass die (in Anlage K 19 farbunterschiedenen) Schrauben unterschiedlichen Durchmessers und gleicher Länge zur Erreichung des Erfindungsziels aufeinander abgestimmt sind. Denn nur dann wäre aus Sicht der Angebotsempfänger klar, dass die Schrauben nicht nur als Sortiment für den ermittelten bzw. vermuteten Größenbedarf bei der operativen Verwendung, sondern darüber hinaus (auch) als Sätze angeboten werden, mit denen erfindungsgemäß gearbeitet werden kann. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil: Wie aus der Beschreibung zur Implantatauswahl auf Seite 6 des Katalogs nach Anlage K 5 hervorgeht, sind die Schrauben unterschiedlichen Durchmessers (5 bis 7 mm) verschiedenen Verwendungs- bzw. Bedarfsbereichen zugeordnet (torakal, lumbal, sacral) und ist allein die 8 mm-Schraube für die Reinstrumentation vorgesehen. Dem kann nicht mehr entnommen werden, als dass der Operateur je nach Einsatzort und dem damit zusammenhängenden Größenbedarf eine bestimmte Schraube für die endgültige Implantation auswählen soll. Die Schrauben als Satz zu verwenden und zur Ermittlung der richtigen Schraubengröße gegebenenfalls nacheinander zu implantieren, wird nicht gelehrt. Soweit die Beklagte zum Fachwissen des Operateurs aus Seite 6, linke Spalte, vorletzter Absatz der von ihr in der mündlichen Verhandlung überreichten Druckschrift „VSP Wirbelsäulenverplattungssystem n. Steffee, Operationsanleitung“ etwas anderes herleiten will, ist schon nicht ersichtlich, ob es sich nicht nur um eine vereinzelte Veröffentlichung handelt, die den Feststellungen des Bundesgerichtshofs im Nichtigkeitsverfahren zum Fachwissen des Operateurs nicht entgegenzustehen vermag. Aber auch inhaltlich kann der Stelle lediglich entnommen werden, dass es sich für den Operateur anbieten kann, mit einem Gewindebohrer mit einer kleineren Größe zu beginnen und sich dann eines Gewindebohrers mit einer größeren Größe zu bedienen, wenn der Gewindebohrer zu eng sitzt. Die Verwendung eines erfindungsgemäß aufeinander abgestimmten Satzes von Schrauben wird damit nicht offenbart. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Aussage auf Seite 4, 2. Spiegel des Katalogs nach Anlage K 19, wonach die angegriffenen Schrauben im Gegensatz zu Schrauben mit konischem Außendurchmesser beim Einsetzen eine individuelle Anpassung ohne unnötigen Verlust von Knochensubstanz erlauben. Die Vorteilsangabe bezieht sich ersichtlich nur auf die Schraubengestaltung im Allgemeinen und lässt gerade nicht eine erfindungsgemäße Abstimmung der Schrauben zueinander erkennen.

2.

Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise geltend gemachte mittelbare Patentverletzung liegt gleichfalls nicht vor. Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt nicht die Feststellung, dass das angegriffene Schraubensortiment der Beklagten zu 1. im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG von den Abnehmern und Angebotsempfängern dazu bestimmt wird, in erfindungsgemäßen Sätzen verwendet zu werden, und dies den Beklagten bekannt oder für sie aufgrund der Umstände offensichtlich ist. Denn wie bereits zum Tatbestand der unmittelbaren Patentverletzung ausgeführt wurde, ist dem Angebot der Beklagten zu 1. nicht zu entnehmen, dass die angegriffenen Schrauben zu einem erfindungsgemäßen Satz zusammengestellt werden sollen bzw. zusammenstellbar sind. Es lässt sich gleichfalls nicht feststellen, dass die Angebotsempfänger und Abnehmer von sich aus aufgrund ihres Fachwissens dazu gelangen, aus dem Schraubensortiment der Beklagten zu 1. bestimmungsgemäß erfindungsgemäße Schraubensätze zusammenzustellen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.