4 O 157/02 – Enzyme für die Backwarenindustrie

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 154

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Dezember 2003, Az. 4 O 157/02

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde ausweislich der Umschreibungsbestätigung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 1999 (Anlage K 4) als Inhaberin des u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 134 048 (Klagepatent, Anlage K 1; deutsche Übersetzung Anlage K 2) eingetragen, dessen Anmeldung vom 6. Juli 1984 am 12. März 1985 veröffentlicht und dessen Erteilung am 8. November 1989 bekanntgemacht wurde. Aufgrund Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 24. Juni 1992 (Anlage K 3) wurde das Klagepatent in eingeschränkter Form aufrechterhalten. Die Entscheidung wurde am 14. August 1996 veröffentlicht. Die Beklagte hat gegen die Erteilung des Klagepatents Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben. Das Klagepatent betrifft die molekulare Klonierung und Expression in industriellen Mikroorganismen. Die im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierenden Patentansprüche 20 und 22 haben im maßgeblichen englischen Originaltext folgenden Wortlaut:

In der Klagepatentschrift ist folgende deutsche Übersetzung der vorzitierten Patentansprüche aufgenommen:

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland und von der Bundesrepublik Deutschland aus unter der Bezeichnung R1 und R2 Enzyme, nämlich eine bakterielle Xylanase und eine Mischung aus Alpha-Amylase mit einer bakteriellen Xylanase. Die Enzyme werden bei der in Finnland ansässigen Firma P hergestellt. Dazu wird ein Bacillius-subtilis-Produktionsstamm verwendet, der in einem mehrstufigen Verfahren gezüchtet wird. Die letzte Stufe der Produktion findet in einem 150 m³-Bioreaktor unter streng kontrollierten Bedingungen statt. Während dieser Zeit scheiden die Mikroorganismen das Enzym in die Nährlösung aus.

Die Klägerin sieht durch Angebot und Vertrieb der vorbezeichneten Enzyme ihre Rechte aus dem Klagepatent verletzt und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend: Der in Patentanspruch 22 niedergelegte Verwendungsanspruch falle in die Kategorie der Verfahrensansprüche. Bei den angegriffenen Enzymen handele es sich demgemäß im Sinne von § 9 Nr. 3 PatG um unmittelbare Verfahrenserzeugnisse. Ohne die erfindungsgemäßen Resistenzeigenschaften sei eine Verwendung der Mikroorganismen im Fermenter zur Herstellung von Enzymen im industriellen Maßstab, wie ihn die Beklagte unstreitig betreibt, wirtschaftlich sinnvoll nicht möglich. Anderenfalls wären die Produkte der Beklagten nicht konkurrenzfähig. Das Vorliegen von Phagenresistenz und einer im Vergleich zu Laborstämmen geringen Transformationsrate sei insoweit erforderlich. Vom Klagepatent werde keine absolute Resistenz gefordert, sondern nur eine solche, bei der sich die Mehrzahl der Zellen einer Bakterienkultur einer Veränderung widersetze. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Klagepatent nur die Eigenschaften unter Fermentierungsbedingungen anspreche. Die Resistenzeigenschaften würden vor allem auf der Fähigkeit der Mikroorganismen beruhen, DNAsen zu sekretieren. Die zur Herstellung der angegriffenen Enzyme verwendeten Mikroorganismen müssten die erfindungsgemäße Produktionsleistung von 0,5 % (Gewicht/Volumen) aufweisen, da unterhalb dieses Wertes an sekretiertem Protein die Beklagte preislich nicht mit den Wettbewerbern konkurrieren könnte. Die inserierte DNA sei immer dann in erfindungsgemäßer Weise stabil gehalten, wenn die DNA so lange und in dem Umfang vererbt werde, dass über den Fermentationszeitraum ausreichend Protein erzeugt werden könne. Eine zeitliche Mindestvorgabe sei dem Klagepatent insoweit nicht zu entnehmen.

Die Klägerin beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Enzyme für die Backwarenindustrie, insbesondere Xylanase einzeln oder in Kombination mit Alpha-Amylase, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

deren Herstellung die Verwendung von genetisch modifizierten industriellen Mikroorganismen der Gattung Bacillus umfasst,

welche unter industriellen Fermentierungsbedingungen prototroph und resistent gegen genetischen Austausch und Phageninfektion oder Transformation sind und DNAsen sekretieren und eine Produktionsleistung von mindestens 0,5 % (Gewicht/Volumen) sekretiertem Protein haben, die inserierte DNA in Form eines konstruierten Plasmids oder von Fragmenten davon aufweisen, in welchen die DNA stabil gehalten wird und das konstruierte Plasmid ein Gen, das für ein gewünschtes Protein oder Polypeptid kodiert, einen Selektionsmarker enthält, und welche ein erhöhtes Vermögen zur Erzeugung des gewünschten Proteins oder Polypeptids haben, verglichen mit dem industriellen Elternmikroorganismus;

2.

ihr unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, bzw. ihre Rechtsvorgängerin die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 4. Dezember 1996 begangen haben, und zwar unter Angabe

a.

der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b.

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c.

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d.

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e.

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

3.

die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der der Alt N.V. als früherer Patentinhaberin durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 4. Dezember 1996 bis zum 25. August 1998 bzw. der Klägerin durch die seit dem 26. August 1998 von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Unter Hinweis darauf, dass ihr der bei der finnischen Firma P zur Enzymproduktion verwendete Mikroorganismus zu Untersuchungszwecken nicht zur Verfügung steht, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung außerdem beantragt,

der Beklagten aufzugeben, den in Finnland zur Produktion von RXV Special und/oder RXV SX verwendeten genetisch modifizierten Mikroorganismus der Gattung Bacillus einem vom Gericht zu bestimmenden, unabhängigen Sachverständigen zur Verfügung zu stellen, zur Prüfung der Frage, ob der Mikroorganismus die von der Klägerin behaupteten Merkmale gemäß Anspruch 20 des Klagepatents aufweist.

Die Beklagte widerspricht dem Vorlagebegehren der Klägerin und beantragt,

1.

die Klage abzuweisen;

2.

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte stellt den Verletzungsvorwurf in Abrede. Patentanspruch 22 sei ebenso wie Patentanspruch 20, auf den er sich zurückbeziehe, als Stoffanspruch anzusehen. Der von der Herstellerfirma in Finnland verwendete Bacillus-subtilis-Stamm sei kein industrieller Mikroorganismus im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents. Er weise nicht die erfindungsgemäßen Resistenzeigenschaften auf, da er weder gegen Phagen – etwa solche aus einem typischen Phagenkitt – noch gegen die aus dem Stand der Technik bekannten, herkömmlichen Transformationsverfahren resistent sei. Dass die bei der Enzymherstellung verwendeten Mikroorganismen DNAsen sekretieren würden, bestreite sie, die Beklagte, mit Nichtwissen, da sie in das Herstellungsverfahren der P keinen Einblick habe und sie mit dieser nur über eine Staffelbeteiligung an einer gemeinsamen Muttergesellschaft verbunden sei. Der bei der Enzymherstellung verwendete Produktionsstamm weise eine Produktionsleistung auf, die weit unterhalb des beanspruchten Wertes von 0,5 % (Gewicht/Volumen) liege. Auch könne keine Rede davon sein, dass die inserierte DNA in den Mikroorganismen stabil gehalten werde. Erfindungsgemäß sei nur eine Stabilität von mehreren Wochen. Soweit die Klägerin vortrage, der verwendete Bacillus-subtilis-Stamm sei prototroph, verkenne sie zudem, dass es auch Ausbildungen dieser Gattung gebe, die nicht prototroph seien.

Da sich das Klagepatent im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde, sei der Rechtsstreit zumindest auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag und dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz nicht zu, da ihr Vorbringen nicht die tatrichterliche Feststellung erlaubt, dass die zur Herstellung der angegriffenen Enzyme verwendeten Mikroorganismen von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen.

I.

Gemäß den einleitenden Ausführungen der Klagepatentschrift besteht ein Interesse daran, industrielle Mikroorganismenstämme als Wirte mit rekombinanter DNA für die Herstellung von Proteinen und Polypeptiden in hoher Ausbeute zu verwenden. Mikroorganismen der Gattung Bacillus dienen insoweit zur Herstellung von Enzymen, für die in industriellem Maßstab besonderer Bedarf besteht.

Die zur industriellen Produktion in einem Fermenter verwendeten Mikroorganismenstämme sind sehr robust und stabil. Sie sind resistent gegen Phageninfektion und zusätzlich gegen genetischen Austausch, d.h. die Einführung von DNA durch herkömmliche Transformationsverfahren. Ferner sind die verwendeten industriellen Stämme prototroph, um den Zusatz von teuren Aminosäuren zu dem Nährmedium zu vermeiden. Die industriellen Stämme weisen eine hohe Produktivität, gewöhnlich ca. 0,5 % Gewicht/Volumen sekretiertes Protein, bis zum Ende der Fermentation auf, die eine Woche dauern kann. Außerdem sekretieren die Mikroorganismen häufig in nicht nur unerheblichem Umfang DNAsen, welche zum Abbau von DNA in dem Medium betragen.

Infolge der vorbezeichneten Resistenzeigenschaften erweist es sich jedoch als problematisch, unter Anwendung gentechnologischer Transformationsverfahren die industriellen Mikroorganismen genetisch so zu modifizieren, dass sie ein erhöhtes Vermögen zur Erzeugung eines bestimmten Proteins oder Polypeptids vergleichen mit dem industriellen Elternmikroorganismus aufweisen.

Vor diesem Hintergrund sieht es die Klagepatentschrift als Ziel der Erfindung an, ein effizientes Verfahren zur Einführung von DNA in industrielle Stämme zur Verfügung zu stellen, wobei die DNA in dem industriellen Stamm stabil vererbt wird, kein Verlust oder im Wesentlichen kein Verlust von Lebensfähigkeit und Aktivität des industriellen Stammes eintritt und hohe Ausbeuten an endogenen und exogenen Polypeptid- oder Proteinprodukten erhalten werden können. Patentanspruch 20 hat einen entsprechend modifizierten industriellen Mikroorganismus der Gattung Bacillus zum Gegenstand. Der auf Patentanspruch 20 rückbezogene Patentanspruch 22 betrifft die Verwendung eines solchen Mikroorganismus. Ausgehend von der maßgeblichen englischen Orginalfassung lassen sich die Merkmale der beiden Patentansprüche wie folgt gliedern:

A.

Verwendung eines genetisch modifizierten industriellen Bacillus-Mikroorganismus gemäß der nachfolgenden Merkmale für die Erzeugung eines Proteins oder Polypeptids.

B.

Genetisch modifizierter industrieller Mikroorganismus der Gattung Bacillus:

C

Der genetisch modifizierte industrielle Mikroorganismus der Gattung Bacillus

1.

ist prototroph,

2.

ist resistent gegen

genetischen Austausch und

Phageninfektion oder

Transformation

3.

sekretiert DNAsen,

4.

hat unter industriellen Fermentationsbedingungen eine Produktionsleistung von mindestens 0,5 % (Gewicht/Volumen) sekretiertem Protein,

5.

weist inserierte DNA in Form eines Plasmid-Konstrukts oder eines chromosomal integrierten Plasmid-Konstrukts oder Fragmenten davon auf;

a.

die inserierte DNA wird in dem Mikroorganismus stabil gehalten;

b.

das Konstrukt enthält

aa.

ein Gen, das für ein gewünschtes Protein oder Polypeptid kodiert, und

bb.

einen Selektionsmarker;

6.

hat ein erhöhtes Vermögen zur Erzeugung des gewünschten Proteins oder Polypeptids, vergleichen mit dem industriellen Elternmikroorganismus.

Nach den weiteren Darlegungen der Klagepatentschrift behalten die modifizierten industriellen Stämme die erwünschten Eigenschaften von industriellen Stämmen, wobei sie jedoch eine erhöhte Ausbeute der erwünschten Expressionsprodukte endogener oder exogener Gene zur Verfügung stellen.

II.

Zwar ist Patentanspruch 22 als Verfahrensanspruch zu qualifizieren (nachfolgend unter 1.) mit der Folge, dass die bei der Verwendung erzeugten Proteine oder Polypeptide als unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 Nr. 3 PatG anzusehen sind; das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt jedoch nicht die tatrichterliche Feststellung, dass die bei der Enzymherstellung von der P in Finnland verwendeten Mikroorganismen von der technischen Lehre des Klagepatent Gebrauch machen.

1.

Verwendungsansprüche fallen ohne weiteres in die Kategorie der Verfahrensansprüche, wenn sie – wie vorliegend – auf den zweckgebundenen Einsatz einer Sache zu der geschützten Verwendung gerichtet sind (vgl. BGH GRUR 1990, 508, 510 – Spreizdübel; GRUR 1982, 162, 163 – Zahnpasta). Demgemäß ist Patentanspruch 22, anders als die Beklagte meint, auch kein Unteranspruch zu Patentanspruch 20, sondern ein diesem Stoffanspruch nebengeordneter Verfahrensanspruch. Auch steht dem Verfahrenscharakter des Verwendungsanspruchs nicht entgegen, dass die zu einem bestimmten Zweck eingesetzte Sache ihrerseits neu ist. Vielmehr hat die Neuheit der Sache zwangsläufig zur Konsequenz, dass die Verwendung dieser Sache zu einer bestimmten Handlung ebenfalls neu ist.

Vorliegend wird ferner durch die verfahrensmäßige Verwendung des genetisch modifizierten industriellen Bacillus-Mikroorganismus zielgerichtet ein bestimmter Gegenstand erzeugt, nämlich Proteine oder Polypeptide. Verwendungsverfahren, die ein Erzeugnis hervorbringen, fallen unter die Regelung des § 9 Nr. 3 PatG (vgl. BGH a.a.O. – Zahnpasta; Benkard/Melullis, EPÜ, Art. 52, Rdnr. 139; Schulte, PatG, 6. Aufl., § 9 Rdnr. 65), so dass dem Patentinhaber das Recht zusteht, Angebot und Vertrieb der unmittelbaren Verfahrens-(= Verwendungs)erzeugnisse zu unterbinden. Schließlich ist auch anerkannt, dass der Patentschutz nach § 9 Nr. 3 PatG auch für solche Erzeugnisse gilt, die im patentfreien Ausland hergestellt worden sind (vgl. Benkard, PatG, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 52 m.w.N.).

2.

Voraussetzung für eine Verletzung des Klagepatents ist, dass zur Erzeugung bzw. Herstellung der angegriffenen Enzyme der in Patentanspruch 20 näher charakterisierte genetisch modifizierte industrielle Mikroorganismus der Gattung Bacillus verwendet wird. Der bei der Produktion der angegriffenen Enzyme verwendete Bacillus-subtilis-Produktionsstamm (vgl. Anlage K 8, Seite 5) müsste also die in Patentanspruch 20 niedergelegen Merkmale zur Kennzeichnung eines erfindungsgemäßen industriellen Mikroorganismus aufweisen (Merkmalsgruppe C). Mangels Möglichkeit, den streitgegenständlichen Mikroorganismus näher untersuchen zu können, argumentiert die Klägerin insoweit, die in Patentanspruch 20 zur Kennzeichnung eines industriellen Mikroorganismus angeführten Merkmale seien bei dem streitgegenständlichen Mikroorganismus verwirklicht, weil diese Eigenschaften für die industrielle Produktion von Enzymen zwingend notwendig seien, um wirtschaftlich arbeiten und ein konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt bringen zu können. Vor diesem Hintergrund könnte von einer Patentverletzung allenfalls dann ausgegangen werden, wenn sich auf Grundlage des Klägervorbringens für jedes Merkmal die tatrichterliche Feststellungen treffen lässt, dass sein Vorliegen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zwingend notwendig für eine industrielle Produktion von Enzymen der streitgegenständlichen Art ist. Mit Blick auf den streitgegenständlichen Mikroorganismus lässt sich dies jedoch zumindest nicht für die Eigenschaften bejahen, resistent gegen genetischen Austausch bzw. Transformation zu sein (Merkmal C 2) und eine Produktionsleistung von mindestens 0,5 % (Gewicht/Volumen) sekretiertem Protein aufzuweisen (Merkmal C 4).

a.

Wie der Durchschnittsfachmann der Klagepatentschrift entnimmt, sind die Merkmale der Resistenz gegen genetischen Austausch und gegen Transformation in funktionellem Zusammenhang zu sehen. In der Patentbeschreibung (Anlage K 2, Seite 1, 1. Abs.) heißt es zur Resistenz der industriellen Stämme von Mikroorganismen, dass die Stämme resistent gegen Phageninfektion und zusätzlich gegen genetischen Austausch sind, d.h. die Einführung von DNA durch herkömmliche Transformationsverfahren. In der Patentbeschreibung (Anlage K 2, Seite 3 übergreifend auf Seite 4) wird außerdem ausgeführt, dass die erfindungsgemäß modifizierten industriellen Stämme die Eigenschaften der vorbezeichneten Stämme beibehalten. Dementsprechend wird der Fachmann den in Patentanspruch 20 verwendeten Begriff des genetischen Austauschs dahingehend verstehen, dass die verwendeten Mikroorganismen sich einer Einführung von DNA widersetzen, die auf herkömmlichem Wege stattfindet, sei es durch spontanen Genaustausch zwischen den in einer Kultur befindlichen Zellen oder durch Anwendung aus dem Stand der Technik bekannter Transformationsverfahren. Dass entgegen dem Vorbringen der Beklagten der von der P in Finnland verwendete Produktionsstamm resistent gegen herkömmliche Transformationsverfahren ist, lässt sich dem Klagevorbringen nicht entnehmen. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb man Mikroorganismen, die den aus dem Stand der Technik bekannten Transformationsverfahren nicht widerstehen, nicht im Rahmen einer industriellen Produktion verwenden können sollte, bei der solche Transformationsverfahren keine Anwendung finden. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn mit dem Merkmal der Resistenz gegen genetischen Austausch bzw. Transformation allein der spontane Genaustausch im Fermenter angesprochen wäre. Dies ist ausweislich der vorgenannten Stellen der Patentbeschreibung jedoch zu verneinen, nach welchen es eine von dem erfindungsgemäßen industriellen Mikroorganismus beibehaltene Eigenschaft ist, resistent gegen die Einführung von DNA durch herkömmliche Transformationsverfahren zu sein.

Aber auch unabhängig davon rechtfertigt allein der Umstand, dass die beanstandeten Mikroorganismen in industriellem Maßstab zur Erzeugung von Enzymen eingesetzt und dabei Fermentationsbedingungen ausgesetzt werden, nicht den Schluss auf eine Resistenz gegen einen Genaustausch in Form einer Transformation. Selbst wenn man mit der Klägerin von einer Resistenz auch dann noch ausgeht, wenn sich lediglich die Mehrzahl der Zellen einer Bakterienkultur einer Veränderung widersetzt, hat die Klägerin in Bezug auf den streitgegenständlichen Produktionsstamm keinerlei konkrete, für die Beklagte einlassungsfähige Angaben dazu gemacht, zu welchem Prozentsatz sich die Zellen dieser Kultur einem genetischen Austausch durch Transformation widersetzen. Allein der Hinweis, ohne Resistenz sei eine industrielle Produktion im Fermenter sinnvoll nicht möglich, reicht insoweit nicht aus, um eine Verwirklichung des Merkmals zu bejahen. Denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Bedingungen einer industriellen Produktion derart ausgestaltet sind, dass Bacillus-Stämme eingesetzt werden können, die sich in ihrer Mehrzahl einem genetischen Austausch nicht widersetzen. Mangels näherer Darlegungen der Klägerin erscheint es insoweit nicht zwingend, von den industriellen Verwendungsbedingungen und vom Produktionsergebnis auf Eigenschaften des Mikroorganismus zu schließen, die diesem – wie die Resistenz – immanent sind. Ob wegen mangelnder Resistenzeigenschaften das Risiko des Verlustes des Fermentationsansatzes droht, beschreibt im übrigen auch nur ein unternehmerisches Risiko bei der Enzymherstellung, welches der Hersteller eingeht oder nicht. Auch danach verbietet es sich, allein aus der Tatsache der industriellen Produktion auf das Vorliegen erfindungsgemäß resistenter Mikroorganismen zu schließen.

b.

Merkmal C 4 besagt, dass der erfindungsgemäße Mikroorganismus unter industriellen Fermentationsbedingungen eine Produktionsleistung von mindestens 0,5 % (Gewicht/Volumen) sekretiertem Protein hat. Auch hier lässt sich auf Grundlage des Klägervortrags nicht feststellen, dass der streitgegenständliche Mikroorganismus entgegen dem Beklagtenvorbringen die vorbezeichnete Mindestproduktionsleistung aufweist.

Die Argumentation der Klägerin, bei einer Produktionsleistung unterhalb des beanspruchten Bereichs könnten die angegriffenen Enzyme nicht zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden, erschiene – worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – nur dann schlüssig, wenn sich gerade für den Grenzfall von knapp unterhalb 0,5 % (Gewicht/Volumen) sekretiertem Protein (kalkulatorisch) belegen oder doch zumindest eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ermitteln ließe, dass unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine industrielle Produktion auf Dauer in sinnvoller Weise nicht möglich ist. Derartiges lässt sich dem Klägervortrag jedoch nicht entnehmen. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommene Berechnung, die von einer Produktionsleistung von 0,1 % (Gewicht/Volumen) sekretiertem Protein ausgeht, betrifft den vorbezeichneten Grenzfall nicht und ist daher nicht aussagekräftig. Im übrigen trägt die Berechnung der Klägerin nicht in hinreichendem Maße dem Umstand Rechnung, dass bei der Preisgestaltung eines Produkts neben den Herstellungskosten noch andere Faktoren eine maßgebliche Rolle spielen können (Verpackungs- und Transportkosten, Vertriebskosten, Entwicklungskosten, Kundenbindung, Marktmacht, Preispolitik u.a.). Auch insoweit verbietet sich ein monokausaler Rückschluss vom Verkaufspreis auf das Herstellungsverfahren bzw. auf konkrete technische Eigenschaften des zur Produktion verwendeten Mikroorganismus.

Die Kammer verkennt nicht die von Mitarbeitern der Beklagten im Jahr 1991 in dem von der Klägerin als Anlage K 13 vorgelegten Aufsatz (dort Seite 71 oben) gemachten Angaben zur Produktionsleistung von Mikroorganismen, wonach einige Stämme Proteinausbeuten bis zu 50 g pro Liter Fermentationsbrühe liefern sollen und auch für Spezialenzyme, die in kleinerem Umfang hergestellt werden, die Ausbeute bei mehreren Gramm pro Liter liegen müsse, um eine wirtschaftliche Produktion sicherzustellen. Dies mag das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Produktionleistung in Bezug auf den streitgegenständlichen Mikroorganismus zwar als wahrscheinlich erscheinen lassen, jedoch tragen die Ausführungen keine dahingehende tatrichterliche Feststellung, da nach dem unwiderlegten Vorbringen der Beklagten die Angabe zu einer Produktionsmenge von bis zu 50 g pro Liter nicht den angegriffenen Stamm betrifft und die übrigen Angaben eine Produktionsmenge von weniger als 0,5 % (Gewicht/Volumen) an sekretiertem Protein nicht ausschließt, insbesondere nicht in dem für die Beurteilung der Patentverletzung maßgeblichen Grenzbereich von knapp unterhalb 0,5 %.

3.

Dem sich allein gegen die Beklagte als Vertreiber der angegriffenen Enzyme richtenden Antrag der Klägerin war nicht stattzugeben, der Beklagten aufzugeben, den in Finnland zur Produktion verwendete Mikroorganismus einem vom Gericht zu bestimmenden Sachverständigen zur Verfügung zu stellen.

§ 809 BGB bietet für eine derartige Maßnahme bereits deshalb keine Grundlage, weil sich der dort niedergelegte Besichtigungsanspruch allein gegen den Besitzer des Besichtigungsgegenstandes richtet. Verpflichtet wird der unmittelbare Besitzer sowie der mittelbare Besitzer, soweit er vom unmittelbaren Besitzer jederzeit die Herausgabe des Besichtigungsgegenstandes verlangen kann oder gegen ihn einen entsprechenden Vorlageanspruch hat (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 809 Rdnr. 8). Vorliegend ist unmittelbare Besitzerin der bei der Enzymproduktion verwendeten Mikroorganismen die in Finnland ansässige P. Dass diese der Beklagten den Besitz vermittelt und die Beklagte gegen sie einen sofort durchsetzbaren Herausgabe- oder Vorlageanspruch hat, lässt sich nicht feststellen. Bei der Beklagten und der finnischen Herstellerfirma handelt es sich um verschiedene juristische Personen, von denen nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte auf die Herstellerfirma – etwa aufgrund einer konzernrechtlichen Verbindung – maßgeblichen Einfluss nehmen kann mit der Folge, dass sie die Herausgabe der streitgegenständlichen Mikroorganismen verlangen könnte. Die Staffelbeteiligung an einer gemeinsamen Muttergesellschaft ist insoweit nicht ausreichend. Auch dass in dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreichten Auszug des „Enzyme-Report“ vom Mai 2002 die „AB-F“ als Produzentin von Enzmen bezeichnet wird, lässt keine rechtliche Grundlage dafür erkennen, dass die Beklagte gegen die in derselben Unterlage ebenfalls als Produktionsunternehmen bezeichnete Firma P einen Herausgabe- bzw. Vorlageanspruch hat.

Die Beklagte kann ebenfalls nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Vorlage der streitgegenständlichen Mikroorganismen verpflichtet werden. Nicht anders als beim Besichtigungsanspruch gemäß § 809 BGB ist nämlich Voraussetzung für eine derartige Maßnahme, dass sich der Vorlagegegenstand im Besitz desjenigen befindet, von dem die Vorlage verlangt wird.

Anders als es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, kann § 142 Abs. 1 ZPO von vornherein nicht Grundlage für die beantragte Vorlagemaßnahme sein, da jene Vorschrift nur die Vorlage von Urkunden und sonstigen Unterlagen zum Gegenstand hat und sich nicht auf sonstige körperliche Gegenstände bezieht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 2.000.000,00 EUR.

Dr. L2 Dr. D M