4 O 246/02 – Automatisierte DNA-Amplifizierung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 158

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. April 2003, Az. 4 O 246/02

I.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

II.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 10.000 € vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

III.

Der Streitwert wird auf 250.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 236 069, welches eine Vorrichtung zur Durchführung einer automatisierten Amplifizierung von Nukleinsäuresequenzen (DNA) betrifft. Zur Amplifizierung wird eine Kettenreaktion genutzt, die durch ein thermostabiles Enzym erfolgt und durch Hochheizen und Herunterkühlen der DNA-Proben erreicht wird.

Für den hierzu erforderlichen automatisierten und raschen Temperaturwechsel nach einer programmierten Abfolge werden Vorrichtungen benötigt, die als Thermocycler bezeichnet werden.

Die Beklagte stellt her und vertreibt unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland solche Thermocycler unter der Bezeichnung „Primus“.

Die Parteien schlossen im Juli 1999 einen Lizenzvertrag, mit dem der Beklagten u.a. das Recht eingeräumt wurde, die von ihr hergestellten Thermocycler mit dem Zusatz „Authorized Thermal Cycler“ zu bewerben. Der Lizenzvertrag wurde mit Wirkung zum 30.07.2000 gekündigt.

In der Folgezeit bewarb die Beklagte die von ihr hergestellten Thermocycler jedenfalls bis einschließlich August 2002 weiterhin mit besagtem Zusatz. Die Klägerin hat die Beklagte schriftlich aufgefordert, diese Werbung zu unterlassen.

Die Beklagte hat die gegen sie klageweise geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.12.2002 (früher erster Termin) unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt und ist ihrem Anerkenntnis gemäß durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 03.12.2002 verurteilt worden.

Die Parteien stellen wechselseitige Kostenanträge.

Die Beklagte macht hierzu geltend, dass sie zur Klageerhebung keinen Anlass gegeben habe, insbesondere sei sie nicht von der Klägerin abgemahnt worden. Eine solche Abmahnung sei auch nicht entbehrlich gewesen. Dass sie die Werbung aufgrund einer Abmahnung umgehend eingestellt hätte, folge bereits aus dem Umstand, dass sie vor Klagezustellung am 19.09.2002 den streitgegenständlichen Zusatz aus ihrem Internetauftritt entfernt habe und zudem auf die Schutzrechte der Firma I hinweise. Für die Beibehaltung des Werbezusatzes auf der Internetseite ihres Vertriebspartners für Belgien und die Niederlande –die zwischen den Parteien insoweit unstreitig ist- treffe sie keine Verantwortung, auch wenn ein „Link“ von ihrer Internetseite zu dessen Internetseite führe.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und ist der Ansicht, dass eine Abmahnung aufgrund des außergerichtlichen Schriftverkehrs entbehrlich gewesen sei. Die Beklagte müsse sich die Werbung ihres Vertriebspartners zurechnen lassen, da sie aufgrund des „Links“ auch für den dortigen Inhalt die Haftung übernehme, solange sie sich nicht ausdrücklich auf ihrer Internetseite von diesem Inhalt distanziere.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Nachdem der Rechtsstreit infolge der auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten ausgesprochenen Verurteilung in der Hauptsache erledigt ist, ist über die Kosten durch Schlußurteil zu entscheiden.

Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen, da die Beklagte die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sofort anerkannt hat und nicht durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.

Anlass zur Klage auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen unzulässiger Patentlizenzberühmung ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die im Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen mussten, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Benkard, PatG, 9.Aufl. § 139 RN 163). Die Lizenzberühmung als solche ist eine solche Tatsache nicht, auch wenn sie sich aus der Sicht des Klägers als vorsätzlich begangen darstellt (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237,238 –Turbolader II). Der Verletzte wird deshalb in der Regel den Verletzer vor Erhebung der Klage abmahnen müssen, wenn er für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses der Kostenfolge des § 93 ZPO entgehen will (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Benkard, a.a.O., jeweils mit weiteren Nachweisen).

Ob eine Abmahnung entbehrlich ist, beurteilt sich danach, ob aus der Sicht des Klägers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er im betreffenden Einzelfall abmahnt oder dies unterlässt, eine Verwarnung des Verletzers bei Anlegung eines objektiven Maßstabes für ihn unzumutbar ist. Unzumutbarkeit ist gegeben, wenn entweder die mit einer vorherigen Abmahnung verbundene zeitliche Verzögerung unter Berücksichtigung der im konkreten Fall gebotenen Eilbedürftigkeit nicht hinnehmbar ist, oder sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck aufdrängen musste, der Verletzer baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen, um mindestens eine Zeitlang ungestört die Verletzungshandlungen begehen zu können und sich gegebenenfalls nach damit erzieltem wirtschaftlichen Erfolg unter Übernahme vergleichsweise niedriger Abmahnkosten zu unterwerfen (vgl. OLG Düsselorf, a.a.O., 238).

Für eine aus Zeitgründen nicht hinnehmbare Verzögerung durch die Durchführung eines Abmahnverfahrens ist nichts ersichtlich.

Dass sich der Klägerin der Eindruck aufdrängen musste, die Beklagte baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Aus dem von der Klägerin vorgelegten außerprozessualen Schriftverkehr (Anlage K 5, Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 22.09.2000, 17.04.2001 und 14.03.2002) folgt, dass die Beklagte zwar jeweils darauf hingewiesen wurde, dass es ihr nach Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Lizenzvertrages untersagt sei, den streitgegenständlichen Werbezusatz zu verwenden. Es wurde aber nicht darauf hingewiesen, welche konkreten Folgen eine weitere Verwendung dieses Zusatzes zeigen würde. In diesen Schreiben wird weiterhin die Abwicklung des Vertrages behandelt. Darüber hinaus ist in dem Schreiben vom 17.04.2001 aber auch von einem neu zwischen den Parteien zu schließenden Lizenzvertrag, die Thermo Cycler betreffend, die Rede. Auch in dem zeitlich letzten, von der Klägerin vorgelegten Schreiben wird dem Adressaten erneut ein Gesprächstermin angeboten. Auch wenn für diesen Termin lediglich die Besprechung und Lösungssuche für die ausstehenden Lizenzgebühren benannt wird, so standen die Parteien doch in ständigem Kontakt. Es mag zwar zutreffend sein, dass die Beklagte des öfteren darauf hingewiesen wurde, dass sie die streitgegenständliche Werbung nicht mehr verwenden durfte. Aufgrund der schwebenden Vertragsverhandlungen für einen neuen Lizenzvertrag durfte die Beklagte aber davon ausgehen, dass –solange sie nicht konkret abgemahnt wurde- die Klägerin ihre Werbung dulden würde. Hierin ist aber kein Ausnutzen der Beklagten zu sehen, dass die Klägerin sie nicht formell abgemahnt hat.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung konnte die Klägerin bei Anlegung des erforderlichen objektiven Maßstabes nicht davon ausgehen, dass eine vorherige Abmahnung der Beklagten für sie –die Klägerin- unzumutbar sei.

Soweit die Parteien darüber streiten, ob beziehungsweise zu welchem Zeitpunkt die Beklagte die streitgegenständliche Werbung eingestellt hat, oder ob sie die Verantwortung für die Werbung ihres niederländisch / belgischen Vertriebspartners zu tragen hat, kann in Ermangelung einer vor Klageerhebung ausgesprochenen Abmahnung dahingestellt bleiben.

Es ist für die Anwendung des § 93 ZPO und die Frage, ob die Beklagte zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat, nicht erforderlich, dass sie den klageweise geltend gemachten Anspruch bereits vor dem rechtzeitigen Anerkenntnis der Klageforderung im frühen ersten Termin erfüllt. Zwischen den Parteien steht es außer Streit, dass die Beklagte jedenfalls ihren Internetauf-

tritt vor der mündlichen Verhandlung bereits dem Klagebegehren entsprechend abänderte. Auch die Werbung des ausländischen Vertriebspartners ist nach dem Vortrag der Beklagten, der von der Klägerin nicht bestritten wurde, zeitnah zu dem Anerkenntnis abgeändert worden. Auch dieses Verhalten läßt nicht den Schluss zu, dass die Beklagte zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hätte.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 108 ZPO.

Dr. L Dr. D2 M