4a O 134/03 – Cholesterin-Synthesehemmer II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 169

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Mai 2003, Az. 4a O 134/03

I.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 7. April 2003 – 4a 0 134/03 – wird bestätigt.

II.

Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des am 2. Februar 1981 unter Inanspruchnahme von 4 US-amerikanischen Prioritäten vom 4. Februar und 5. August 1980 unter anderem für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland angemeldeten europäischen Patents 0 033 538 (Anlage EVK1, nachfolgend: Ursprungspatent), dessen Anmeldung am 12. August 1981 und dessen Erteilung am 27. November 1985 veröffentlicht wurde.

Das Ursprungspatent betrifft bestimmte chemische Stoffe und Verfahren zu deren Herstellung. In seinem Anspruch 10 ist ein mit dem internationalen Freinamen DD bekannter Arzeimittelwirkstoff unter Schutz gestellt, durch den die körpereigene Synthese von Cholesterin gehemmt wird und sich der Cholesterinspiegel senken lässt.

Zu dem Ursprungspatent wurde der Antragstellerin mit Beschluss vom 1. Februar 1995 vom Deutschen Patentamt unter der Registernummer 193 75 002 für den Wirkstoff DD ein auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränktes, am 6. Mai 2003 endendes ergänzendes Schutzzertifikat (Anlage EVK3, nachfolgend: Streitschutzrecht) erteilt.

Wegen Verletzung des in Kraft stehenden Streitschutzrechtes nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch.

Der Cholesterin-Synthesehemmer DD wird von der Antragstellerin und deren Tochtergesellschaften unter der Marke Y und von einer Lizenznehmerin der Antragstellerin unter der Marke E2 weltweit vertrieben.

Nach einem Bericht der 1-Zeitung vom 26. März 2003 (Anlage EVK10) beträgt der weltweite Jahresumsatz an Y 6 Milliarden US $. Nach dem unter der Marke T3 angebotenen Arzneimittelwirkstoff AS, dessen Schutzrechtsablauf nicht bevorsteht, handelt es sich um das im Jahr 2001 am zweithäufigsten verkaufte lipidsenkende Mittel.

Zur Einführung nachahmender Fertigarzneimittel (sog. Generika) bewilligte die Antragstellerin der I AG und der r0 GmbH an dem Streitschutzrecht seit dem Februar 2003 bestehende „early-entry“-Lizenzen.

Über den Ablauf des Streitschutzrechtes sind die angesprochenen Fachkreise spätestens seit dem 13. März 2003 informiert.

So heißt es in einem Beitrag der am 14. März 2003 veröffentlichten März-Ausgabe der Fachzeitschrift 2-Zeitung (Anlage EVK5) unter anderem:

„DD (Y u.a.) generisch- Kosten sparen, Therapie verbessern

Im Mai läuft auch in Deutschland das Patent des Cholesterin-Synthese (CSE)-Hemmers DD (Y u.a.) ab, im Juni das von O (P2). Bei einem Gesamtvolumen von mehr als 1,4 Milliarden Euro (Apothekenabgabepreise) für CSE-Hemmer gerät ein beträchtliches Marktsegment in Bewegung. DD ist mit 415 Millionen (Mio.) Euro Jahresumsatz bezogen auf die Marktbedeutung hinter AS (T3) der zweitwichtigste CSE-Hemmer, was die Absicherung des klinischen Nutzens betrifft jedoch der wichtigste.

Auf der Basis von Lizenzverträgen ist DD schon jetzt vor Patentablauf („early-entry“) von I/R0 (7U7) -je nach Packungsgröße – 27% bis 43% unter den Preisen von GF/E2 eingeführt worden. DD-Präparate anderer Hersteller werden ab Mai zusätzlich für Wettbewerb sorgen…

Nur drei der fünf angebotenen CSE-Hemmer (DD, J3 und O) sind in randomisierten kontrollierten Langzeitstudien mit „harten“ klinischen Endpunkten wie Herzinfarkte geprüft. DD und J3 wirken bei Patienten mit manifesten atherosklerotischen Erkrankungen nachweislich lebensverlängernd…

DD kommt eine Sonderstellung zu, da es in der größten randomisierten Interventionsstudie, der 2002 veröffentlichten Heart Protection Study (HPS), nicht nur das Risiko koronarer Ereignisse verringert, sondern auch die Gefahr ischämischer Schlaganfälle und peripherer revaskularisierender Eingriffe …

Durch komplette Umstellung von GF/E2 auf die neuen Nachfolgeprodukte lassen sich die Behandlungskosten um jährlich 155 Mio. Euro senken.

…“

In einem bereits am 13. März 2003 in der 3-Zeitung veröffentlichten Interview (Anlage EVK6) wies der Vortstand der I AG darauf hin, ein DD-Generikum bereits vor dem in einigen Wochen ablaufenden Streitschutzrecht anbieten zu können.

In dem bereits genannten Beitrag der 1-Zeitung vom 26. März 2003 (Anlage EVK10) wird berichtet:

„Deutschlands Ärzte können sich auf etwas gefasst machen. …

Es geht um zwölf Millionen Rezepte, auf denen bislang immer „Y“ stand – das macht 400 Mio. € Umsatz jährlich. Y ist ein Cholesterinsenker, der am 15. März in Deutschland Konkurrenz bekommen hat von billigen Nachahmerprodukten – so genannte Generika. Ab dem 6. Mai werden 20 Generikahersteller eine Kopie des erfolgreichen Medikaments anbieten.

…“

Die Antragsgegnerin, ein in Deutschland an dritter Stelle führender Anbieter von Generika (vgl. Anlage EVK10), beabsichtigt ein Präparat mit dem Arzneimittelwirkstoff DD nach Ablauf des Streitschutzrechtes auf dem deutschen Markt in den Verkehr zu bringen.

Am 31. Juli 2002 meldete sie die am 18. Dezember 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Register-Nummer 30237767.0 eingetragene eindimensionale Wortmarke Ux an, dessen Eintragung am 24. Januar 2003 veröffentlicht worden ist (Anlage EVK15).

Am 10. und17. März 2003 ließ sie in dem Fachblatt 3-Zeitung folgende Anzeige (Anlage EVK14) veröffentlichen:

Unter Hinweis auf ihr bis zum 6. Mai 2003 in Kraft stehendes Streitschutzrecht und einer ihr im Hinblick auf den Arzneimittelwirkstoff O zustehenden Lizenz forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 10. März 2003 wegen den in der 3-Zeitung veröffentlichten Anzeigen (Anlage EVK14) zur Abgabe einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Diese Aufforderung wies die Antragsgegnerin zurück.

Die Antragstellerin sieht in den zuvor dargelegten Anzeigen eine unberechtigte Benutzung des Streitschutzrechtes.

Sie macht geltend, aufgrund der einschlägigen Presseberichterstattung und der von ihren „early-entry“-Lizenznehmern geschalteten Werbung stehe es für die angesprochenen Verkehrskreise außer Zweifel, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin angekündigten Lösung in Sachen Cholesterin um ein Generikum zum Arzneimittelwirkstoff DD handele.

Auf einen am 4. April 2003 bei Gericht eingegangenen Antrag ist es der Antragsgegnerin durch Beschluss der Kammer vom 7. April 2003 untersagt worden, ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff DD anzubieten mit dem Hinweis, die „schottische Lösung in Sachen Cholesterin“ komme „schneller als Sie denken“ und: „ Schon bald können Sie bei Cholesterin-Patienten so richtig durchsparen“.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 14. April 2003 Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

den Widerspruch der Antragsgegnerin zurückzuweisen

und

die einstweilige Verfügung vom 7. April 2003 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 7. April 2003 aufzuheben

und

den Antrag der Antragstellerin vom 4. April 2003 zurückzuweisen.

Sie wendet ein, bei den angegriffenen Zeitungsanzeigen handele es sich um eine allgemeine Vorankündigung, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt ein cholesterinsenkendes Präparat zur Verfügung stellen wolle. Aus den Anzeigen seien Informationen zur Produktbezeichnung, Wirkstoffzusammensetzung, Packungsgröße und zum Verkaufspreis nicht zu ersehen. Für eine Bestellung des Cholesterinsenkers vor Ablauf des Streitschutzrechtes seien die in den Anzeigen enthaltenen Informationen nicht ausreichend.

Hilfsweise macht die Antragsgegnerin geltend, das in der einstweiligen Verfügung vom 7. April 2003 angeordnete Verbot sei in jedem Fall auf die Zeit bis zum 6. Mai 2003 zu beschränken.

Die Antragstellerin tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der nach den §§ 936, 940, 924 Abs. 1 ZPO statthafte Widerspruch hat keinen Erfolg.

Das Widerspruchsvorbringen der Antragsgegnerin gibt keinen Anlass, die Beschlussverfügung vom 7. April 2003 aufzuheben.

Der Antragsgegnerin ist es zu Recht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes untersagt worden, Anzeigen mit dem dort beschriebenen Inhalt zu veröffentlichen.

Nach dem § 940 ZPO kann eine einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn sie unter anderem zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

I.

Die Antragsgegnerin ist nach den §§ 9 Nr. 1, 14, 16a, 139 Abs. 1 PatG gegenüber der Antragstellerin dazu verpflichtet, eine Veröffentlichung von Anzeigen mit dem angegriffenen Inhalt zu unterlassen. Ungeachtet dessen, dass der dort angekündigte cholesterinsenkende Präparat den angesprochenen Verkehrskreisen erst nach Ablauf des Streitschutzrechtes zur Verfügung gestellt werden soll, stellen die Anzeigen einen widerrechtlichen Eingriff in das der Antragstellerin zustehende Ausschließlichkeitsrecht dar.

Nach dem § 9 Nr. 1 PatG, der gemäß § 16a Abs. 2 PatG auch für ergänzende Schutzzertifikate gilt, haben entsprechende Schutzrechte die Wirkung, dass es einem Dritten ohne die Zustimmung des Schutzrechtsinhabers unter anderem verboten ist, ein Erzeugnis, das Gegenstand des Schutzrechtes ist, anzubieten.

Die Benutzungshandlung des Anbietens im Sinne von § 9 Nr. 1 PatG ist nicht auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches beschränkt (BGH, GRUR 1962, 86 -Fischereifahrzeug). Als patentverletzendes Anbieten ist vielmehr jede Handlung anzusehen, die Dritte dazu anregen soll, ein Erzeugnis oder ein Verfahren zum Eigentum oder zur Benutzung zu erwerben (Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 PatG, Rz. 42). Dies setzt nicht voraus, dass der angebotene Gegenstand bereits fertig vorhanden ist (BGH, GRUR 1960, 423, 425 -Kreuzbodenventilsäcke; BGH, GRUR 1969, 35 -Europareise).

Wie das Landgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 5. Juni 2001 (InstGE 1, 19, 21f. -Antihistamine) ausgeführt hat, stellt auch das Anbieten eines Gegenstandes, der erst nach Ablauf eines Schutzrechtes hergestellt und/oder geliefert werden soll, eine Verletzungshandlung im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG dar. Nach der Gesetzesfassung ist das Anbieten nicht als bloße Vorbereitungshandlung für eine Schutzrechtsverletzung durch Herstellen oder Vertreiben ausgestaltet, sondern als selbstständige, gleichwertig neben die anderen Handlungsformen tretende Benutzungsart konzipiert. Darauf, ob der Gegenstand im Anschluss auf das Angebot tatsächlich hergestellt oder vertrieben wird, kommt es daher für die Frage, ob ein Angebot vorliegt, nicht an. Hiervon ausgehend kann es erst recht keine Rolle spielen, ob die Herstellung oder Lieferung , wenn sie gleichwohl erfolgt, ihrerseits schutzrechtsverletzend ist oder schutzrechtsfrei geschieht. Selbst wenn dem Angebot keine Lieferung nachfolgt, ändert dies nichts an dem bereits verwirklichten Tatbestand, dass das Erzeugnis schutzrechtsverletzend angeboten worden ist.

Dies gilt unbeschadet der Rechtsprechung, wonach ein Angebot im Sinne von § 9 Nr. 1 PatG die alsbaldige Herstellung und Lieferung des Erzeugnisses durch einen hierauf eingerichteten Betrieb des Anbietenden zum Gegenstand haben muss (BGH, GRUR 1960, 423, 425 -Kreuzbodenventil-säcke). Gefordert wird hiernach lediglich die allgemeine Fähigkeit des Anbietenden zur Herstellung und Lieferung, nicht aber, dass nach dem Angebot der angebotene Gegenstand tatsächlich in jedem Einzelfall hergestellt und/oder geliefert wird. Mit dem Erfordernis einer generellen Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft sollen lediglich solche Angebote als schutzrechtsverletzend ausgeschlossen werden, die von vornherein nicht ernst gemeint sein können, weil dem Anbietenden die Voraussetzungen dafür fehlen, sein mit dem Angebot zum Ausdruck gebrachtes Erbieten in die Tat umzusetzen. Wollte man das Anbieten weiter einschränkend immer nur dann als schutzrechtsverletzend ansehen, wenn es auch zur Herstellung oder Lieferung des angebotenen Gegenstandes führt, würde die Verletzungsform des Anbietens entgegen der gesetzgeberischen Absicht zu einer bloßen Vorbereitungshandlung für die Benutzungsarten des Herstellens und Vertreibens herabgesetzt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die angegriffenen Anzeigen einen unberechtigten Eigriff in das der Antragstellerin nach den §§ 9 Nr. 1, 16a PatG zustehende Ausschließlichkeitsrecht dar.

Für die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich um Ärzte, Apotheker und Pharmahändler bzw. -vertreter handelt, steht es außer Zweifel, dass es sich bei dem dort angekündigten cholesterinsenkenden Präparat um ein Generikum handelt, das von dem Streitschutzrecht wortlautgemäßen Gebrauch macht. Neben der von den „early-entry“-Lizenznehmern für deren Produkte geschalteten werbung ergibt sich dies entgegen dem Bestreiten der Antragsgegnerin aus der einschlägigen Fachpresse, in der den Verkehrskreisen ein Ablauf des Streitschutzrechtes zum 6. Mai 2003 und ein hieran zwischen den Herstellern entsprechender Generika anschließender Wettbewerb angekündigt worden ist. Wenn die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund dieser Presseberichterstattung ankündigt, in Kürze einen Cholesterinsenker in den Verkehr bringen zu wollen, so ist es den angesprochenen Verkehrskreisen klar, dass es sich hierbei um ein Generikum zu dem Streitschutzrecht handeln wird. Bestätigt werden die Verkehrskreise hierin durch die Aufmachung der von der Antragsgegnerin geschalteten Anzeige, in welcher der große Zeiger einer Stopuhr auf die Ziffer 6 und folgerichtig auf das Datum gerichtet ist, an welchem das Streitschutzrecht im Mai 2003 ablaufen wird.

Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin hiergegen ein, die von der Antragsgegnerin vorgelegten Presseartikel würden überwiegend aus einer Zeit stammen, zu der die angegriffenen Anzeigen bereits veröffentlicht gewesen seien. Jedenfalls das in der 3-Zeitung vom 13. März 2003 wiedergegebene Interview mit dem Vorstand der I AG (Anlage EVK6) und der Beitrag im 2-Zeitung vom 14. März 2003 (Anlage EVK5) sind den angesprochenen Verkehrskreisen zu einem Zeitpunkt zugänglich gemacht worden, bevor es am 17. März 2003 zu einer Veröffentlichung der zweiten angegriffenen Anzeige gekommen ist. In den genannten Publikationen wird der bevorstehende Ablauf des Streitschutzrechtes und ein sich hieran zwischen den Anbietern von Generika anschließender Wettkampf eingehend hervorgehoben. Ungeachtet dessen beschränkt sich die Medienwirksamkeit eines Presseartikels nicht auf das Datum seiner Veröffentlichung. Ob und warum eine solche Beschränkung im Hinblick auf die von der Antragstellerin vorgelegten Publikationen eingetreten sein soll, hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Dies ist auch im Übrigen nicht zu erkennen.

Ein anderes Verständnis, wonach die angegriffenen Anzeigen nicht auf ein mit dem Streitschutzrecht korrespondierendes Generikum gerichtet sind, erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen nicht daraus, dass in dem in der Zeitschrift arzneimittel-telegramm vom 14. März 2003 veröffentlichten Beitrag (Anlage EVK5) nicht nur vom Ablauf des Streitschutzrechtes sondern auch davon berichtet wird, dass der Patentschutz für das lipidsenkende Mittel O (P2) im Juni 2003 enden wird. Einen Ablauf der Schutzzeit für O werden die angesprochenen Verkehrskreise schon deshalb nicht mit den angegriffenen Anzeigen in Verbindung bringen, weil es weniger zeitnah zu den am 10. und 17. März 2003 veröffentlichten Anzeigen (Anlage EVK14) erfolgen wird, als das Ende des Streitschutzrechtes. Wie die Antragstellerin durch mehrere zur Gerichtsakte gereichte Publikationen nachgewiesen hat, handelt es sich bei O im Übrigen um einen Arzneimittelwirkstoff, dessen wirtschaftliche und pharmazeutische Bedeutung weit hinter dem Streitschutzrecht zurücksteht. Nach dem Arzneimittelverordnungsreport 2002 (Anlage EVK13) lagen die deutlich rückläufigen Umsätze mit P2 etwa 75% unter denjenigen, die mit dem Streitschutzrecht erwirtschaftet worden sind. Folgerichtig ist die Presseberichterstattung zur Einführung entsprechender Generika nahezu ausnahmslos auf das Streitschutzrecht gerichtet. O (P2) wird lediglich beiläufig erwähnt. Zu diesem Arzeimittelwirkstoff heißt es in einem Bericht der 3-Zeitung vom 19. März 2003 (Anlage EVK7), es habe sich um den ersten Treffer zur Hemmung der Cholesterin-Biosynthese. Wie in dem Bericht weiter ausgeführt wird, ist mit dem Streitschutzrecht erstmals nachgewiesen worden, das ein CSE-Hemmer Leben rettet. Nach der Einführung von dem Streitschutzrecht entsprechenden Generika würden Experten einen weiteren Schub für die kardiovaskuläre Prävention erwarten.

Diese in dem Bericht vom 19. März 2003 wiedergegebene Erwartungshaltung bestätigt, dass die der betreffenden Erwartungsbildung zugrunde liegenden Tatsachen, nämlich der Ablauf der Schutzzeit für DD, den Fachkreisen bereits zu einem deutlich früheren, vor den angegriffenen Anzeigen gelegenen Zeitpunkt bekannt waren.

Einem Eingriff in das der Antragstellerin zustehende Ausschließlichkeitsrecht steht nicht entgegen, dass der in den angegriffenen Anzeigen beworbene Cholesterinsenker nicht näher hinsichtlich seiner Produktbezeichnung, Wirkstoffzusammensetzung, Packungsgröße und seines Verkaufspreises individualisiert wird. Abgesehen davon, dass sie den angesprochenen Verkehrskreisen solche Angaben zwischenzeitlich durch ihre Mitteilungen zu der am 1. Mai 2003 für den Pharmabereich veröffentlichten Lauer-Taxe (Anlage EVK21) vor Ablauf des Streitschutzrechtes zugänglich gemacht hat, rechtfertigt bereits die Ankündigung der auf dem Gebiet des Vertriebs von Generika hinter der WW GmbH und der I AG in einer Marktführungsposition tätigen Antragsgegnerin (vgl. Anlage EVK10), sie wolle mit dem Ablauf des Streitschutzrechtes ein cholesterinsenkendes Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff DD in den Verkehr bringen, die Annahme, dass Apotheken und Pharmagroßhändler zumindest davon absehen werden, größere Bestellungen bei der Antragstellerin und deren Lizenznehmern aufzugeben. Sie werden statt dessen dazu neigen, ihre Vorräte nur noch in dem Maße zu ergänzen, wie dies voraussichtlich erforderlich ist, um bis zum Ablauf des Streitschutzrechtes und der sodann bestehenden Verfügbarkeit des angekündigten preiswerten Generika-Produktes lieferbereit zu bleiben.

Durch die bereits während der Schutzrechtslaufzeit von der Antragsgegnerin veröffentlichten Angebotsanzeigen wird daher spürbar in die ausschließlichen Verwertungsrechte der Antragstellerin eingegriffen, und zwar unbeschadet der Ankündigung, das cholesterinsenkende Mittel erst nach Ablauf des Streitschutzrechtes in den Verkehr bringen zu wollen. Derartiges ist mit der Belohnungsfunktion des Patents und des ergänzenden Schutzzertifikates für den Erfinder nicht zu vereinbaren.

Dies gilt unbeschadet der von der Antragstellerin zugunsten der I AG und der r0 GmbH an dem Streitpatent bewilligten „early-entry“-Lizenzen. Durch die Vergabe dieser Lizenzen hat die Antragstellerin die ihr aus dem Streitpatent zustehenden Rechte nicht aufgegeben. Es gehört zu dem Wesen gewerblicher Schutzrechte, dass es allein Sache des Schutzrechtsinhabers ist, zu bestimmen, ob und in welchem Umfang es Dritten erlaubt ist, von dem Gegenstand des Schutzrechtes Gebrauch zu machen.

II.

Den ihr nach den §§ 9 Nr. 1, 16a, 139 Abs. 1 PatG zustehenden Anspruch kann die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen, § 940 ZPO. Die bei der Prüfung des Eilbedürfnisses vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den Belangen der Antragstellerin als Schutzrechtsinhaberin und denen der Antragsgegnerin, die sich im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einem ihre wirtschaftliche Betätigung nachhaltig beeinträchtigenden Unterlassungsverlangen gegenüber sieht, hat schon deshalb zugunsten der Antragstellerin auszufallen, weil der Rechtsbestand des Streitschutzrechtes unstreitig ist, der Verletzungstatbestand von der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede gestellt wird, die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen hinreichend sicher zu beurteilen sind und das Streitschutzrecht kurz vor seinem Erlöschen durch Zeitablauf steht. In einer solchen Situation kann der bestehende Unterlassungsanspruch gerichtlich sinnvoll nur noch in einem Eilverfahren geltend gemacht werden, wohingegen eine Verweisung der Antragstellerin auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens einer dem Art. 19 Abs. 4 GG widersprechenden Verweigerung effektiven Rechtsschutzes gleichkommen würde.

III.

Für einen ausdrücklichen Hinweis, wonach das in der angegriffenen Beschlussverfügung angeordnete Verbot auf die Zeit bis zum Ablaufen des Streitschutzrechtes beschränkt ist, besteht keine Veranlassung.

Mit dem Ende von gewerblichen Schutzrechten wird die einem unberechtigten Benutzer nach den §§ 9 Nr. 1, 139 Abs. 1 PatG obliegende Verpflichtung, von dem Gegenstand des Schutzrechtes keinen weiteren Gebrauch zu machen, gegenstandslos, so dass es einer ausdrücklichen Beschränkung dieses Verbotes auf die Zeit bis zum Ablaufen des Schutzrechtes nicht bedarf (LG Düsseldorf, InstGE 1, 19, 22 -Antihistamine).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

V.

Der Streitwert beträgt 2 Mio. Euro.

N3 L O