4c O 110/13 – Wintergerste u.a. (2) (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2222

Landgericht Düsseldorf
Teilurteil vom 25. April 2014, Az. 4c O 110/13

I. Der Beklagte wird verurteilt,

1. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob er im Wirtschaftsjahr 2009/2010 (Anbau zur Ernte 2010) in seinem Betrieb Erntegut, das er durch Anbau von Vermehrungsmaterial der für die nachfolgend bezeichneten Sortenschutzinhaber bzw. Nutzungsberechtigten jeweils geschützten, ebenfalls nachfolgend bezeichneten Sorten
• EU-Sorte A Wintergerste der B C GmbH,
• EU-Sorte D Wintergerste der E F GmbH & Co. KG und
• EU-Sorte G Winterweizen de B C GmbH
im eigenen Betrieb gewonnen hat, als Vermehrungsmaterial verwendet hat (Nachbau) und bei den Sorten, mit denen er Nachbau betrieben hat, der Klägerin Auskunft über
• die Menge des von ihm verwendeten Saat- und Pflanzenguts und
• im Falle der Fremdaufbereitung Name und Anschrift des Aufbereiters zu erteilen,
sowie die erteilen Auskünfte durch geeignete Nachweise zu belegen;

2. an die Klägerin 130,50 EUR zu zahlen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 750,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

TATBESTAND

Die Klägerin, eine für die Durchsetzung der Ansprüche von Sortenschutzinhabern beauftragte Gesellschaft, ist berechtigt und bevollmächtigt, für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 Ansprüche aus der EU-Sorte A Wintergerste der Nutzungsberechtigten B C GmbH, aus der EU-Sorte D Wintergerste der Nutzungsberechtigten E F GmbH & Co. KG sowie aus der EU-Sorte G Winterweizen der Nutzungsberechtigten B C GmbH geltend zu machen. Der Beklagte, ein Landwirt, betrieb in den vor dem Wirtschaftsjahr 2009/2010 liegenden Wirtschaftsjahren Nachbau mit diesen Sorten oder verfügte in einem Maße über diese Sorten, um damit im Wirtschaftsjahr 2009/2010 Nachbau zu betreiben.

Die Klägerin behauptet, sie habe dem Beklagten im April 2010 ein Aufforderungsschreiben zur Abgabe einer Nachbauerklärung nebst einem die fraglichen Sorten bezeichneten Formblatt (Schreiben nebst Formblatt als Anlage K 1) zugesandt, sowie mit einem Aufforderungsschreiben vom 17. September 2010 nochmals ein die Sorten bezeichnendes Formblatt (weiteres Schreiben nebst Formblatt als Anlage K 2). Auch habe sie den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 14. Dezember 2010 (Anlage K 3) aufgefordert, Auskünfte zum Nachbau der genannten Sorten zu erteilen. Unstreitig ging dem Beklagten jedenfalls das erste der beiden Aufforderungsschreiben der Klägerin zu, und ebenso unstreitig wandte die Klägerin für die Mandatierung eines Rechtsanwaltsbüros mit der Erstellung des anwaltlichen Schreibens 130,50 EUR auf, nämlich eine 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 1.000,00 EUR zuzüglich einer Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR.

Die Klägerin bringt außerdem vor, der Beklagte habe am 2. Januar 2013 gegenüber einem ihrer Mitarbeiter telefonisch behauptet, er habe die Auskünfte durch Übersenden einer Nachbauerklärung bereits erteilt und zugleich angekündigt, die Erklärung noch einmal über das Internet abgeben zu wollen.

Die Klägerin beantragt im Wege der Stufenklage,

den Beklagten zu verurteilen,

1. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob er im Wirtschaftsjahr 2009/2010 (Anbau zur Ernte 2010) in seinem Betrieb Erntegut, das er durch Anbau von Vermehrungsmaterial der für die nachfolgend bezeichneten Sortenschutzinhaber bzw. Nutzungsberechtigten jeweils geschützten, ebenfalls nachfolgend bezeichneten Sorten
• EU-Sorte A Wintergerste der B C GmbH,
• EU-Sorte D Wintergerste der E F GmbH & Co. KG und
• EU-Sorte G Winterweizen de B C GmbH
im eigenen Betrieb gewonnen hat, als Vermehrungsmaterial verwendet hat (Nachbau) und bei den Sorten, mit denen er Nachbau betrieben hat, der Klägerin Auskunft über
• die Menge des von ihm verwendeten Saat- und Pflanzenguts und
• im Falle der Fremdaufbereitung Name und Anschrift des Aufbereiters zu erteilen,
sowie die erteilen Auskünfte durch geeignete Nachweise zu belegen;

2. an die Klägerin 130,50 EUR zu zahlen;

3. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemäß Ziffer 1. des Antrags gemachten Angaben an Eides Statt zu versichern;

4. gegebenenfalls an die Klägerin Nachbaugebühren und/oder Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziffer 1 des Antrags noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die geforderten Auskünfte bereits auf das erste Aufforderungsschreiben der Klägerin erteilt zu haben. Das weitere Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 17. September 2010 (Anlage K 2) habe er lediglich ohne ein die Sorten bezeichnendes Formblatt erhalten, so dass er gar nicht habe wissen können, zu welchen Sorten er (weitere) Auskunft hätte erteilen müssen. Bei zwei nachfolgenden Anrufen der Klägerin habe er vergeblich um die Übersendung eines geeigneten Formschreibens gebeten, um die (weiteren) Auskünfte erteilen zu können und habe die Klägerin dabei auch darauf hingewiesen, dass er auf das erste Aufforderungsschreiben hin bereits alle Auskünfte erteilt habe.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Ansprüche der Klägerin seien verjährt, jedenfalls aber verwirkt. Mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme habe er wegen des Zeitablaufs nicht mehr rechnen müssen.

Die Klageschrift ist am 3. Dezember 2013 bei Gericht eingegangen. Am 16. Dezember 2013 hat die Klägerin die auf den 11. Dezember 2013 datierte Gerichtskostenrechnung (Bl. Ia GA) erhalten und die in Rechnung gestellten Gerichtskosten am 20. Dezember 2013 eingezahlt. Die Klage nebst prozessleitender Verfügung ist dem Beklagten am 8. Januar 2014 (siehe Bl. 9R GA) zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist in ihrem auf Auskunft gerichteten Klageantrag zu 1. und in ihrem bezifferten Zahlungsantrag zu 2., welche allein Gegenstand der Entscheidung durch Teilurteil sind, als Teil einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO zulässig und begründet.

1.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung der geltend gemachten Auskünfte aus Art. 14 Abs. 3 GemSortVO i.V.m. Art. 8 GemNachbVO (VO (EG) Nr. 1768/95 vom 24. Juli 1995).

Unstreitig betrieb der Beklagte mit den streitgegenständlichen Sorten in früheren Wirtschaftsjahren Nachbau, jedenfalls verfügte er über diese Sorten, um mit ihnen im Wirtschaftsjahr 2009/2010 Nachbau zu betreiben. Demnach ist er, wogegen er sich auch nicht wendet, verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob er mit diesen Sorten tatsächlich Nachbau betrieben hat, oder ob nicht („Null-Auskunft“).

Dass der Beklagte eine solche Auskunft habe und dadurch der Auskunftsanspruch durch Erfüllung erloschen sei, lässt sich nicht feststellen. Für die eine Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB begründenden Tatsachen ist der Beklagte beweisbelastet. Gleichwohl hat er, obwohl die Klägerin den Erhalt der Auskünfte, also die Erfüllung, bestritten hat, hierfür keinen Beweis angeboten.

Dem Auskunftsanspruch der Klägerin steht – ebenso wenig wie den weiteren Ansprüchen der Klägerin aus den streitgegenständlichen Sorten für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 – nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung entgegen. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Sortenschutz beträgt gemäß § 37 f SortSchG i.V.m. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB drei Jahre beginnend mit den Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Vorliegend sind die Ansprüche aus den streitgegenständlichen Sorten im Jahre 2010 entstanden, so dass die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2010 begann und am 31. Dezember 2013 endete. Diese Verjährungsfrist wurde gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig durch Erhebung der vorliegenden Klage wirksam gehemmt. Zwar ist die Klage durch Zustellung i.S.v. § 253 Abs. 1 ZPO erst am 8. Januar 2014 erhoben worden. Indes ist die verjährungshemmende Wirkung gemäß § 167 ZPO bereits durch die Anhängigkeit der Klage, also durch Eingang der Klageschrift bei Gericht am 3. Dezember 2013 eingetreten. Die Zustellung der Klage erfolgte im Sinne dieser Vorschrift „demnächst“ nach Anhängigkeit, so dass die Zustellung auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurückwirt.

Die Bestimmung des Rechtsbegriffs „demnächst“ im konkreten Fall umfasst neben einem zeitlichen auch einen wertenden Aspekt, durch die Prüfung, ob der die Zustellung Betreibende alles Erforderliche getan hat, um Verzögerungen der Zustellung zu vermeiden (Zöller / Greger, Komm. z. ZPO, 30. Aufl., § 167 Rdn. 10). Für die Wahrung einer Verjährungsfrist durch Klageerhebung ist anerkannt, dass der Kläger den Gerichtskostenvorschuss nicht sicherheitshalber vorab einzahlen muss, sondern die Gerichtskostenrechnung abwarten darf, und auch erst nach einer angemessenen Zeit von etwa drei Wochen Nachforschungen anstellen muss, falls die Gerichtskostenrechnung ausbleibt (Zöller / Greger, a.a.O., Rdn. 15 m.w.N.).

Demnach ist vorliegend die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Nach Anhängigkeit der auf den 28. November 2013 datierten Klageschrift am 3. Dezember 2013 erhielt die Klägerin die Gerichtskostenrechnung am 16. Dezember 2013 und zahlte die Gerichtskosten mit Wirkung zum 20. Dezember 2013 ein. Selbst der Zeitraum vom Datum der Klage bis zur Einzahlung der Gerichtskosten war noch nicht so lang, dass es der Klägerin oblegen hätte, innerhalb dieses Zeitraums nach der Gerichtskostenrechnung zu fragen. Nach Eingang der Zahlungsanzeige wurde die Vorschusszahlung am Montag, 30. Dezember 2013 vermerkt (siehe Bl. 1 GA) und die Akte dem Richter vorgelegt, der durch Verfügung vom Donnerstag, 2. Januar 2014 (Bl. 7 GA) die Zustellung anordnete. Diese Verfügung wurde am Montag, 6. Januar 2014 ausgeführt (siehe Bl. 7R GA), woraufhin die Zustellung am 8. Januar 2014 erfolgte. Auch nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses ist es somit zu keiner Verzögerung der Zustellung gekommen, die über die gewöhnlichen Verzögerungen aufgrund der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels hinausgegangen wären.

Dem Beklagten steht auch nicht die Einrede der Verwirkung zu. Weder das hierfür erforderlich Zeit- noch das Umstandsmoment sind gegeben. Der Bejahung des Zeitmoments steht entgegen, dass die Klageerhebung knapp drei Jahre nach dem unstreitigen Zugang des Anwaltsschreibens vom 14. Dezember 2010 (Analge K 3) und ein wenig mehr als drei Jahre nach dem letzten unstreitig stattgehabten telefonischen Kontakt zwischen Klägerin und Beklagtem in dieser Angelegenheit erfolgte. Ein solcher Zeitraum mag über die für die weitere Prüfung und Vorbereitung einer gerichtlichen Durchsetzung erforderliche Zeit hinausgehen, er ist aber auch nicht ungewöhnlich lange im Hinblick darauf, dass die Klägerin gerichtsbekannt eine Vielzahl von Gerichtsverfahren zur Durchsetzung sortenschutzrechtlicher Ansprüche einleitet und wegen der Vielzahl der einzelnen Vorgänge zwischen der vorgerichtlichen Geltendmachung und der Klageerhebung deswegen eine längere Zeit vergehen kann. Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist vom Beklagten nicht dargetan. Aus seiner Behauptung, im Oktober oder November 2010 habe ihn ein Mitarbeiter der Klägerin angerufen und ihm mitgeteilt, die Sache gehe „eben vor Gericht“ in Verbindung mit dem Anwaltsschreiben vom 14. Dezember 2010 musste der Beklagte vielmehr davon ausgehen, dass eine gerichtliche Geltendmachung droht. Dass der Beklagte erwarten durfte, diese Geltendmachung geschehe entweder alsbald oder gar nicht mehr, ist nicht ersichtlich.

2.
Der Beklagte schuldet der Klägerin außerdem Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 130,50 EUR als Ersatz eines Verzugsschadens gemäß §§ 280 Abs. 3, 286 BGB. Mit dem Erhalt des ersten Aufforderungsschreibens geriet der Beklagte in Schuldnerverzug mit seiner Pflicht, der Klägerin die geforderten Auskünfte zu erteilen und auf dieser Grundlage Nachbaugebühren und/oder Schadensersatz zu leisten. Die Klägerin durfte sich herausgefordert fühlen, zur Durchsetzung dieser Ansprüche rechtsanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so dass ihr jedenfalls in Höhe der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ein kausaler und damit ersatzfähiger Verzugsschaden entstanden ist.

3.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 711, 708 Nr. 11 ZPO. Der Kostenausspruch ist, weil über die Auskunftsstufe durch Teilurteil zu entscheiden war, dem Schlussurteil vorzubehalten (Zöller / Vollkommer, a.a.O., § 301 Rdn. 11).