4c O 69 /13 – Steckverbinder für mehradrige Kabel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2216

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. März 2014, Az. 4c O 69 /13

Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft bei der Beklagten zu 1) an deren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Steckverbinder für mehradrige Daten- und/oder Telekommunikations-Kabel, mit einem Gehäuse und mit einem in dem Gehäuse aufgenommenen Kontaktträger, der Verbinderkontakte für die Steckverbindung und mit diesen Verbinderkontakten leitend verbundene Schneidklemmkontakte für die Adern des Kabels aufweist, wobei das Gehäuse aus einer oberen Gehäuseschale und einer unteren Gehäuseschale zusammengefügt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kontaktträger in der unteren Gehäuseschale befestigbar ist, dass ein Ladestück in der oberen Gehäuseschale befestigbar ist und dass das Ladestück Aufnahmen für die Adern des Kabels und Eintrittsschlitze aufweist, die die Aufnahmen senkrecht zu den in diesen Aufnahmen angeordneten Adern queren und in die die Schneidklemmkontakte des Kontaktträgers beim Zusammenfügen der Gehäuseschalen eindringen,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. April 2011 begangen haben und zwar unter Angabe:
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. Juni 2002 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
– von den Beklagten zu 2) und 3) sämtliche Angaben und von der Beklagten zu 1) die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 20. Mai 2011 zu machen sind,
– es den Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

4. Die Beklagte zu 1) wird ferner verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben.

5. Die Beklagte zu 1) wird ferner verurteilt, die unter I.1 . bezeichneten, seit dem 20. April 2011 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in I.1. bezeichneten und seit dem 20. Mai 2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

2. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 30. Juni 2002 bis zum 20. Mai 2011 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu leisten.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR. Hinsichtlich der Vollstreckung der Anspruches auf Auskunft (I.2.) und Rechnungslegung (I.3). sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR.

V. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt. Davon entfallen als Teil-Streitwert auf den Anspruch auf Unterlassung (I.1.) 333.335,00 EUR, auf die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (I.2. und I.3) insgesamt 18.518,00 EUR, auf die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf (I.4. und I.5.) jeweils 18.518,00 EUR und auf die Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung (III.1. und III.2.) insgesamt 111.111,00 EUR.

TATBESTAND

Die Klägerin ist eingetragene und alleinberechtigte Inhaberin des europäischen Patents EP 1 336 XXX B 1 (Anlage HL 1, im Folgenden: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 21. November 2000 (DE 10057XXX) am 30. Mai 2002 als internationale Anmeldung (WO 2002/043187) und am 20. August 2003 als europäische Anmeldung veröffentlicht wurde, und für das am 20. April 2011 die Erteilung bekanntgemacht wurde. Das Klagepatent betrifft einen Steckverbinder für mehradrige Daten- und/oder Telekommunikationskabel. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2013 (in Anlagenkonvolut Ni) hat die Beklagte zu 1) den deutschen Teil des Klagepatents angegriffen durch Erhebung einer Nichtigkeitsklage, über welche noch nicht entschieden ist.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„Steckverbinder für mehradrige Daten- und/oder Telekommunikations-Kabel, mit einem Gehäuse und mit einem in dem Gehäuse aufgenommenen Kontaktträger, der Verbinderkontakte für die Steckverbindung und mit diesen Verbinderkontakten leitend verbundene Schneidklemmkontakte für die Adern des Kabels aufweist, wobei das Gehäuse aus einer oberen Gehäuseschale (20) und einer unteren Gehäuseschale (48) zusammengefügt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kontaktträger (58) in der unteren Gehäuseschale (48) befestigbar ist, dass ein Ladestück (26) in der oberen Gehäuseschale (20) befestigbar ist und dass das Ladestück Aufnahmen (34, 36) für die Adern (12) des Kabels und Eintrittsschlitze (38, 40) aufweist, die die Aufnahmen (34, 36) senkrecht zu den in diesen Aufnahmen (34, 36) angeordneten Adern (12) queren und in die die Schneidklemmkontakte (62) des Kontaktträgers (58) beim Zusammenfügen der Gehäuseschalen (20, 48) eindringen.“

Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand eines Ausführungsbeispiels:
Figur 1 zeigt perspektivisch das Oberteil des Steckverbinders. Die Figuren 4 bis 7 zeigen die Montage des Unterteils des Steckverbinders in aufeinanderfolgenden Schritten.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, bietet unter anderem über ihren Internetshop unter der Adresse www.A.de Steckverbinder unter den Bezeichnungen „XXXX-Buchse C KS ICS 500“, „XXXX-Buchse C KS IPS 500“, „XXXX-Buchse C KS TPS 500“, „XXXX-Buchse C KS ICS 250“ und „XXXX-Buchse C KS IPS 250“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) zum Kauf an.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatents wortsinngemäß. Ferner meint die Klägerin, das Klagepatent werde sich im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen, wobei sie im Rahmen von „insbesondere“-Anträgen die Verletzung der Unteransprüche 2, 3, 4, 6, 7 und 11 des Klagepatents geltend macht.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: die Entscheidung des Rechtsstreits bis zur rechtkräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) gegen den deutschen Teil des EP 1 336 XXX B1 (DE 5011XXX.0) vom 15. Oktober 2013 auszusetzen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Zum einen sei es nach dem Klagepatent erforderlich, dass die Adern des Kabels zunächst mit dem Ladestück verbunden werden und sodann das Kabel in der oberen Gehäuseschale montiert werden kann. Das sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht möglich, weil dort das Ladestück endgültig und fest in der oberen Gehäuseschale befestigt sei. Zum anderen verliefen bei der angegriffenen Ausführungsform die Eintrittsschlitze nicht senkrecht zu den darin aufgenommenen und angeordneten Adern, weil die von diesen Schlitzen gebildete Fläche nicht senkrecht zum Verlauf der Adern stehe.

Außerdem meinen die Beklagten, das Klagepatent werde sich bei der Entscheidung über die von der Beklagten zu 1) erhobenen Nichtigkeitsklage als nicht rechtsbeständig erweisen. Im Hinblick auf die EP 0 700 XXX A1 (Anlage K 4 im Nichtigkeitsverfahren; im Folgenden: EP ‘XXX) sei die technische Lehre des Klagepatents nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt. Ebenso werde die technische Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls aber nahegelegt durch die EP 0 735 XXXA1 (Anlage K 5 im Nichtigkeitsverfahren, in deutscher Übersetzung als DE 696 10 XXX T2 vorgelegt, Anlage K 6 im Nichtigkeitsverfahren; im Folgenden: EP ‘XXX).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9, 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB, Art. II § 1 IntPatÜbkG. Zur Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung über die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage besteht kein Anlass.

I.
Das Klagepatent betrifft einen Steckverbinder für mehradrige Daten- und/oder Telekommunikations-Kabel.

Wie das Klagepatent in seinen einleitenden Bemerkungen ausführt, müssen Daten- und/oder Telekommunikationskabel geschirmt werden, damit sie nicht Hochfrequenzsignale abstrahlen oder ihrerseits hochfrequente Störsignale empfangen. Aus demselben Grunde müssen diese Kabel auch im Bereich ihrer Steckverbindungen geschirmt sein.

Aus dem Stand der Technik ist es bekannt, Steckverbinder für solche Kabel mit einem schirmenden Gehäuse auszuführen, welches die Verbinderkontakte der Steckverbindung und den Anschluss der Adern des Kabels an die Verbinderkontakte umschließt. Ferner ist es bekannt, bei solchen Steckverbindern Schneid-Klemm-Kontakte zu verwenden, mit denen die Adern bei der Montage einfach und zuverlässig an die Verbinderkontakte angeschlossen werden können.

Als druckschriftlichen Stand der Technik nennt das Klagepatent die WO 97/44862 A und die US 6,109,959 A, ohne die Lehren dieser Druckschriften näher zu würdigen. Auch an den vorbekannten technischen Lehren im Übrigen übt das Klagepatent keine Kritik.

Das Klagepatent formuliert es vor dem genannten technischen Hintergrund als Aufgabe (Abschnitt [0004]), gattungsgemäße Steckverbinder so auszubilden, dass sie sich bei einfachem konstruktiven Aufwand einfach und zuverlässig montieren lassen.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Steckverbinder für mehradrige Daten- und/oder Telekommunikations-Kabel,
2. mit einem Gehäuse und
3. mit einem in dem Gehäuse aufgenommenen Kontaktträger,
3.1 der Verbinderkontakte für die Steckverbindung und
3.2 mit diesen Verbinderkontakten leitend verbundene Schneidklemmkontakte für die Adern des Kabels aufweist,
4. wobei das Gehäuse aus einer oberen Gehäuseschale (20) und einer unteren Gehäuseschale (48) zusammengefügt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
5. der Kontaktträger (58) in der unteren Gehäuseschale (48) befestigbar ist,
6. dass ein Ladestück (26) in der oberen Gehäuseschale (20) befestigbar ist und
7. dass das Ladestück
7.1 Aufnahmen (34, 36) für die Adern (12) des Kabels und
7.2 Eintrittsschlitze (38, 40) aufweist,
7.2.1 die die Aufnahmen (34, 36) senkrecht zu den in diesen Aufnahmen (34, 36) angeordneten Adern (12) queren
und
7.2.2 in die die Schneidklemmkontakte (62) des Kontaktträgers (58) beim Zusammenfügen der Gehäuseschalen (20, 48) eindringen.

II.
Zwischen den Parteien steht die Verwirklichung aller Merkmale mit Ausnahme der Merkmale 6 und 7.2.1 – zu Recht – außer Streit. Aber auch die Verwirklichung dieser Merkmale lässt sich feststellen.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 6 des Klagepatents.

a)
Merkmal 6 ist in der Weise auszulegen, dass das Ladestück und die obere Gehäuseschale eines patentgemäßen Steckverbinders in der Weise miteinander verbunden werden können, dass diese Verbindung zwar fest ist, aber durch geeignete Maßnahmen wieder gelöst werden kann. Eine zeitliche Reihenfolge danach, ob das Ladestück zunächst mit den Leitungen des Kabels beladen und/oder verbunden und sodann an der oberen Gehäuseschale befestigt wird oder umgekehrt, schreibt die technische Lehre des Klagepatents nicht vor.

Dieses Verständnis ergibt sich daraus, dass die technische Lehre des Klagepatents darauf abzielt, eine einfache Konfektionierung der Steckverbindung mit den Leitungen eines Kabels sowie eine einfache Montage der Steckverbindung zu ermöglichen. Hierzu trägt die gemäß Merkmal 6 befestigbare Ausführung des Ladestücks insofern bei, als diese Ausgestaltung es ermöglicht, die am Ladestück befestigten Leitungen so in Position zu halten, dass sie gemäß Merkmalsgruppe 7.2 beim Zusammenfügen von Ladestück und Kontaktträger von den Schneidkontakten einfach und zuverlässig kontaktiert werden können. Andererseits ermöglicht es eine zwar feste aber immer noch lösbare Verbindung zwischen Ladestück und Gehäuseschale, die Konfektionierung des Ladestücks mit den einzelnen Leitungen noch nachträglich zu ändern.

Ferner folgt die dargelegte Auslegung des Merkmals 6 aus der Beschreibung des Klagepatents, welche gemäß Art. 69 Satz 2 EPÜ für die Bestimmung des Schutzbereichs zu berücksichtigen ist. So wird die allgemeine technische Lehre in der Weise beschrieben (Absatz [0007]], dass in das Ladestück zunächst die Leitungen eingebracht werden, bevor dann das Ladestück am Oberteil befestigt wird, so dass die Schneidkontakte des am Unterteil befestigten Kontaktträgers in die Schlitze des Ladestücks eintreten und die Leitungen des Kabels kontaktieren können. Ebenso wird anhand eines Ausführungsbeispiels dieser Ablauf erläutert (Absatz [0020]), bei dem das zuvor mit den Leitungen des Kabels versehende Ladestück sodann in der oberen Gehäuseschale befestigt wird, ehe schließlich durch die Verbindung von Kontaktträger im Unterteil und Ladestück im Oberteil die Schneidkontakte in die Schlitze des Ladestücks eingeführt werden, wo sie die Leitungen kontaktieren.

Die genannten Beschreibungspassagen geben keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine nachträgliche Loslösung des Ladestücks aus dem Oberteil zum Zwecke der nochmaligen Verbindung und/oder eine andere Reihenfolge beim Aufbau der Steckverbindung nachteilig oder gar vom Bereich der in Anspruch genommenen technischen Lehre ausgenommen sein sollte. Zudem beansprucht das Klagepatent kein Verfahren zur Herstellung einer Steckverbindung, bei welchem bestimmte Verfahrensschritte in einer bestimmten Reihenfolge vorzunehmen sind, sondern die Steckverbindung als Vorrichtung, ohne zwingende Vorgaben zur Herstellung der Vorrichtung zu machen.

Das Argument der Beklagten, eine Reihenfolge der Montage sei durch den Wortlaut in der Weise vorgegeben, dass der Vorrichtungsbestandteil der Gehäuseschale erst durch die Montage entweder des Kontaktträgers (Merkmal 5) oder des Ladestücks (Merkmal 6) an diesem Bestandteil als solche entstehe, greift nicht durch. Der Fachmann entnimmt dem Klagepatent keinen Anhaltspunkt dafür, dass durch die Montage des Kontaktträgers oder des Ladestücks derjenige Bestandteil, an dem die Montage stattfindet, eine strukturelle oder konstruktive Veränderung erführe. Der Bestandteil Gehäuseschale ist damit vor und nach der Montage jeweils derselbe und für die Verwirklichung der Anspruchsmerkmale bleibt es daher ohne Belang, in welcher Reihenfolge die Montage stattfindet.

b)
Demnach lässt sich eine Verwirklichung des Merkmals 6 durch die angegriffene Ausführungsform feststellen.

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar zwar in Abrede gestellt, dass das von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichte Muster (Anlage HL 12) der angegriffenen Ausführungsform in ihrem Auslieferungszustand entspreche. Das Muster der angegriffenen Ausführungsform, welches die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegt haben, unterschied sich bei anfänglicher Überprüfung tatsächlich darin, dass sich beim Muster der Beklagten das Ladestück nicht mit bloßen Händen von der oberen Gehäuseschale lösen ließ. Andere, insbesondere strukturell-konstruktive Unterschiede waren aber nicht erkennbar, insbesondere wiesen beide Ladestücke erkennbare Rastnasen auf, mit denen sie in der oberen Gehäuseschale gehalten wurden. Indes ließ sich auch bei dem von den Beklagten vorgelegten Muster der angegriffenen Ausführungsform das Ladestück mittels einer einfachen werkzeugähnlichen Maßnahme, nämlich mithilfe eines normalen Schlüsselbarts, von der oberen Gehäuseschale lösen, weil auf diese Weise die von den Rastnasen ausgeübte Haltekraft überwunden werden konnte.

Demnach ist das Ladestück der angegriffenen Ausführungsform zwar fest, aber in nachträglich wieder lösbarer Weise an der oberen Gehäuseschale befestigt. Das die Loslösung nicht mit bloßer Hand möglich ist, sondern einen simplen Werkzeugeinsatz erfordert, steht dem nicht entgegen, weil jedenfalls keine unüblichen Maßnahmen notwendig sind. Anders als die Beklagten meinen, wird durch das erneute Lösen des Ladestücks von der oberen Gehäuseschale das Ladestück auch nicht zerstört. Seine konstruktive Struktur bleibt unverändert, wenngleich die Laschen mit den Rastnasen nach mehrmaligem Auslösen des Ladestücks ein wenig Spannkraft verlieren, allerdings immer noch die Rastung zuverlässig bewirken.

Der Einwand der Beklagten, die angegriffene Ausführungsform werde mit bereits befestigtem Ladestück ausgeliefert, steht der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, weil das Ladestück auch wieder gelöst werden kann und das Merkmal überdies auch dann verwirklicht wäre, wenn Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform diese Befestigung vor dem Konfektionieren der angegriffenen Ausführungsform mit Leitungen nicht lösen würden.

2.
Auch die Verwirklichung des weiteren streitigen Merkmals 7.2.1 durch die angegriffene Ausführungsform lässt sich feststellen.

a)
Merkmal 7.2.1 ist in der Weise auszulegen, dass die Achse, entlang derer die Schneidklemmkontakte nach Merkmal 7.2.2 in die Eintrittsschlitze des Ladestücks eindringen, orthogonal zu der Achse stehen muss, entlang derer die Adern der zu kontaktierenden Leitungen im Ladestück angeordnet sind, dass also diese beiden Achsen einen rechten Winkel, mithin einen Winkel von etwa 90 Grad einschließen.

Diese Auslegung ergibt sich wiederum aus der Zielrichtung der technischen Lehre des Klagepatents, eine einfache Montage des Steckverbinders zusammen mit den im Steckverbinder konfektionierten Leitungen zu ermöglichen. Der Verlauf der Eintrittsschlitze senkrecht zum Verlauf der Leitungsadern gewährleistet, dass das mit dem Kontaktträger versehene Unterteil (Merkmal 5.) in einfacher Weise mit dem mit dem Ladestück versehenen Oberteil (Merkmal 6.) verbunden werden kann, indem die beiden Teile einfach zusammengedrückt werden. Ein anderer Verlauf der Eintrittsschlitze als derjenige orthogonal zum Verlauf der Leitungsadern würde das Zusammenfügen von Ober- und Unterteil erschweren, weil die beiden Teile dann nicht einfach aufeinander zubewegt werden könnten, sonder schräg aneinander schiebend verbunden werden müssten.

Entsprechend der Vorgabe zum gleichzeitigen Zusammenfügen von Ober- und Unterteil einerseits und dem Eindringen der Schneidklemmkontakte in die Eintrittsschlitze zum Zwecke der Kontaktierung der Leitungsadern andererseits wird in der Beschreibung des Klagepatents mehrfach ausgeführt (Absätze [0018], [0023] und [0030]), dass gerade der räumliche Verlauf der Eintrittsschlitze und damit die Bewegungsrichtung der Schneidklemmkontakte innerhalb des Ladestücks so gewählt sein muss, dass das Eindringen der Schneidklemmkontakte in das Ladestück gleichzeitig und in einer einzigen Bewegung gemeinsam mit dem Zusammenfügen von Ober- und Unterteil geschehen kann.

Indes ergibt sich weder aus dem Anspruchswortlaut noch aus der Beschreibung des Klagepatents, dass die orthogonale Beziehung ebenfalls bestehen müsste zwischen dem Verlauf der Adern und der Ebene, innerhalb derer sich die Schneidklemmkontakte flächig erstrecken. Der Winkel zwischen dieser Fläche und dem Verlauf der Adern muss nicht rechtwinklig sein, weil dieser Winkel keinen Einfluss darauf hat, ob die Schneidklemmkontakte in derselben Bewegung wie das Zusammenfügen von Ober- und Unterteil in die Eintrittsschlitze eindringen können. Allerdings darf der Winkel nicht zu spitz sein, andernfalls eine zuverlässige Kontaktierung mit den Adern erschwert oder gar verhindert würde.

Anders als die Beklagten, meinen ergibt sich aus dem Begriffspaar „senkrecht queren“ in Merkmal 7.2.1 nicht die Notwendigkeit einer doppelten orthogonalen Beziehung, nämlich des Verlaufs der Adern zur Eindringrichtung der Schneidklemmkontakte einerseits und zugleich zur Ebene, innerhalb derer sich die Kontakte erstrecken, andererseits. Zum einen enthält der Begriff „queren“ anders als der Begriff „senkrecht“ keine hinreichend deutliche Angabe zu einem Winkelverhältnis, denn er beschränkt sich auf die Bedeutung eines „Schneidens“ zweier Richtungen im Gegensatz zu einer parallelen oder windschiefen räumlichen Beziehung. Zum anderen enthält das Klagepatent keinen Anhaltspunkt dafür, wie sich die Ebene bestimmen lassen soll, in der sich die Schneidklemmkontakte erstrecken. Eine verlässliche Bestimmung dieses Winkelverhältnisses ist daher auf Grundlage des Klagepatents ohnehin nicht möglich.

b)
Demnach verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 7.2.1. Unstreitig schließt bei ihr die Achse, entlang derer die Adern im Ladestück verlaufen, mit derjenigen, entlang derer die Eintrittsschlitze für die Schneidklemmkontakte im Ladestück verlaufen, einen rechten Winkel von näherungsweise 90 Grad ein. Dass andererseits die Ebene, innerhalb derer die Schneidklemmkontakte und mit ihnen die passenden Eintrittsschlitze verlaufen, und die Verlaufsrichtung der Adern einen Winkel von etwa 45 Grad einschließen, steht der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen. Dieser Winkel ist zwar spitzer als ein rechter Winkel, aber doch nicht ein so spitzer Winkel, dass die Schneidklemmkontakte nicht mehr sicher kontaktiert werden könnten.

III.
Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Beklagten trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Die Beklagte zu 1) als Fachunternehmen und die Beklagten zu 2) und 3) als dessen Geschäftsführer hätten bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schulden die Beklagten daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Ferner schuldet die Beklagte zu 1) der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜbkG für die von ihr in der Zeit zwischen Offenlegung der Anmeldung des Klagepatents und seiner Erteilung verübten Benutzungshandlung eine angemessene Entschädigung. Da die genaue Schadensersatzhöhe sowie die Höhe der angemessenen Entschädigung derzeit noch nicht feststehen, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz und die ihr zustehende angemessene Entschädigung zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht haben die Beklagten außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg). Schließlich ist die Beklagte zu 1) nach § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet.

IV.
Nach dem Sach- und Streitstand besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des europäischen Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

1.
Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die Entscheidung des für die Entscheidung über den Verletzungsvorwurfs zuständigen Gerichts über eine (hilfsweise) beantragte Aussetzung des Verletzungsverfahrens bis zu einer Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren ist deshalb eine Prognoseentscheidung. Das zur Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung berufene Organ, das im Gegensatz zum Verletzungsgericht technisch fachkundig besetzt ist, ist nicht an eine Einschätzung des Verletzungsgerichts zum Rechtsbestand des Klagepatents gebunden. Indes muss, soll die Aussetzung dem vor dem oder parallel zum Verletzungsprozess erhobenen Einspruch bzw. der entsprechenden Nichtigkeitsklage nicht regelmäßig eine hemmende Wirkung zukommen, das Verletzungsgericht die gegen den Rechtsbestand des Klagepatents vorgebrachten Entgegenhaltungen darauf prüfen, ob sie – allein aus der Perspektive des Verletzungsgerichts – einen Widerruf bzw. eine Vernichtung des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (sofern nicht das das prozessuale Verhalten der Klägerin in anderer Hinsicht ihre Interessen eindeutig hinter diejenigen der Beklagten zurücktreten lässt). Für die Prüfung einer als neuheitsschädlich eingewandten druckschriftlichen Entgegenhaltung bedeutet dies, dass das Verletzungsgericht aus diesem Grunde nur dann zu einer Aussetzung des Rechtsstreits gelangen kann, wenn es die Vorwegnahme sämtlicher Merkmale deshalb für wahrscheinlich hält, weil es selber imstande ist, eine Vorwegnahme bejahen zu können, ohne dass dem erhebliche Zweifel entgegenstünden. Sofern neuer, im Erteilungsverfahren oder in einem früheren, erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigter Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist eine Aussetzung bereits dann nicht gerechtfertigt, sofern sich für eine Bejahung der Erfindungshöhe zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen, welche sodann durch das technisch und wissenschaftlich fachkundig besetzte Entscheidungsorgan im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren möglicherweise validiert werden.

2.
Hiernach bieten die von den Beklagten gegen das Klagepatent angeführten Nichtigkeitsgründe und Entgegenhaltungen keinen Anlass zur Aussetzung des Rechtsstreits.

a)
Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das Klagepatent wegen einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme oder ein Nahelegen seiner technischen Lehre durch das europäische Patent EP 0 700 XXX A1 (Anlage K4 im Nichtigkeitsverfahren; im Folgenden: EP ‘XXX) für nichtig erklärt werden wird.

aa)
Es ist nicht ersichtlich, dass die EP ‘XXX die technische Lehre des Klagepatents vollständig und damit neuheitsschädlich vorwegnimmt.

(a)
Die EP ‘XXX offenbart nicht Merkmal 5 des Klagepatents, gemäß dem ein Kontaktträger in einer unteren Gehäuseschale befestigbar sein muss. Insoweit offenbart die EP ‘XXX indes lediglich – und auch nur auf diese Offenbarung berufen sich die Beklagten –, dass bei der dort gelehrten Vorrichtung ein Teil mit Schneid-Klemm-Anschlussfahnen in das Basisteil des Steckverbinder-Gehäuses eingelegt wird (EP ‘XXX, Spalte 5, Zeilen 17 bis 20). Merkmal 5 ist hinsichtlich der Eigenschaft „befestigbar“ des Kontaktträgers aber in entsprechender Weise wie Merkmal 6. auszulegen, also – wie oben unter II.1.a) ausgeführt – in der Weise, dass zwischen Kontaktträger und unterer Gehäuseschale eine mechanisch feste, aber wieder lösbare Verbindung zustande kommen muss. Für eine derartige Verbindung zwischen Kontaktträger („Teil 8“) und unterer Gehäuseschale („Basisteil 5“) offenbart die EP ‘XXX nichts. Im Gegenteil deutet diese Offenbarung mit der Wortwahl „eingelegt“ darauf hin, dass der Kontaktträger lediglich so beschaffen ist, dass er in die untere Gehäuseschale passt, also ohne Widerstand dort eingefügt werden kann. Das steht der Annahme einer klemmenden oder rastenden Verbindung zwischen beiden Teilen entgegen.

Auch kommt es nach dem Offenbarungsgehalt der EP ‘XXX gar nicht darauf an, eine in diesem Sinne feste, aber wieder lösbare Verbindung zwischen dem Kontaktträger und der unteren Gehäuseschale herzustellen. Eine solche Verbindung wird vielmehr nur zwischen den beiden Teilen des Gehäuses hergestellt, nämlich dem Basisteil und der Abdeckung, welche beim Ineinandersetzen miteinander einrasten (EP ‘XXX, Spalte 4, Zeilen 50 bis 53). Diese Rastverbindung alleine zwischen den beiden Gehäuseteilen ist nach dem technischen Konzept der EP ‘XXX ausreichend, weil das so herstellbare Gehäuse die beiden Elemente der Steckverbindung umschließt, welche mit dem anzuschließenden Kabel und den Steckverbindungskontakten elektrisch verbunden ist, so dass der fertig montierte Stecker auch ohne die Gehäuseteile bereits vollständig montiert (EP ‘XXX, Spalte 8, Zeilen 21 bis 23) und das Gehäuse unabhängig von der Herstellung der Steckverbindung durch das Ineinanderfügen der beiden zugehörigen Teile nachträglich angebracht werden kann. Das Klagepatent lehrt hingegen ein anderes Konzept, nämlich das der Vorbereitung von Kontaktträger und Ladestück, welche schon vor der endgültigen Montage an den Gehäuseschalen befestigt werden können, und sodann die Fertigstellung sowohl des Steckverbinders als auch des Gehäuses in einem einzigen Schritt, indem nämlich beim Zusammenfügen er Gehäuseschale zugleich gemäß Merkmal 7.2.2 die Schneideklemmkontakte des Kontaktträgers in das Ladestück eindringen und der Steckverbinder hierdurch komplettiert wird.

Dass, worauf die Beklagten hinweist, dem Fachmann allgemein die Möglichkeit bekannt sei, zwei Bauteile wie der Kontaktträger und eine Gehäuseschale durch Reib- oder Klemmschluss miteinander zu verbinden, spricht ebenfalls nicht für eine Voroffenbarung dieses Merkmals. Der Fachmann kann der EP ‘XXX nämlich keinen Hinweis darauf entnehmen, gerade in der dort offenbarten Gestaltung einen Reib- oder Klemmschluss vorzusehen.

(b)
Dementsprechend ist auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die EP ‘XXX Merkmal 6 des Klagepatents voroffenbart. Der EP ‘XXX ist – wie die Beklagten selber vorbringen – lediglich aus deren Figur 1 die zeichnerische Offenbarung zu entnehmen, dass das oberen Teil des Steckverbinders („Teil 7“) so geformt ist, dass das obere Gehäuseteil es umschließen kann. Auch das obere Teil des Steckverbinders kann demnach lediglich in das obere Gehäuseteil eingepasst werden. Für die Möglichkeit, hierbei eine mechanisch feste, aber wiederum lösbare Verbindung zwischen diesen beiden Bauteilen herzustellen, offenbart die EP ‘XXX keine Anhaltspunkte.

bb)
Die technische Lehre des Klagepatents wird durch die EP ‘XXX auch nicht in einer Weise nahegelegt, dass das Durchgreifen dieses Nichtigkeitsgrundes im Nichtigkeitsverfahren hinreichend wahrscheinlich erscheint. Wie oben unter aa)(a) ausgeführt, verfolgt die EP ‘XXX ein von der technischen Lehre des Klagepatents abweichendes Konzept, nämlich zunächst die Fertigstellung des Steckverbinders ohne Gehäuse und daran anschließend die Montage des Gehäuses, weswegen es nicht erforderlich erscheint, Kontaktträger und Ladestück so auszugestalten, dass sie im Sinne der Merkmale 5 und 6 an dem jeweiligen Gehäuseteil fest, aber wieder lösbar befestigt werden können. Anhaltspunkte dafür, warum der Fachmann ausgehend von der EP ‘XXX Anlass haben sollte, sich von diesem Konzept abzuwenden und deshalb Maßnahmen für eine befestigbare Ausführung von Kontaktträger und Ladestück zu treffen, sind nicht ersichtlich und von den Beklagten auch nicht behauptet.

b) Auch ein Erfolg der gegen das Klagepatent gerichteten Nichtigkeitsklage auf Grundlage der europäischen Patentanmeldung EP 0 735 XXX(Anlage K5 im Nichtigkeitsverfahren, in deutscher Übersetzung DE 696 10 XXX T2 als Anlage K 6 im Nichtigkeitsverfahren; im Folgenden: EP ‘XXX) lässt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostizieren.

aa)
Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der technischen Lehre des Klagepatents durch die EP ‘XXXlässt sich nicht so deutlich erkennen, dass ein Erfolg dieses Nichtigkeitsgrundes hinreichend wahrscheinlich erschiene.

Wiederum werden auch durch die EP ‘XXXdie Merkmale 5 und 6 des Klagepatents nicht hinreichend deutlich voroffenbart. Zur mechanischen Wechselwirkung des Kontaktträgers einerseits und des Ladestücks andererseits mit der jeweils zugehörigen Gehäuseschale enthält die EP ‘XXXlediglich in ihrer Figur 1 die zeichnerische Offenbarung – und nur hierauf berufen sich die Beklagten –, dass der Kontaktträger mit einer Nut an einem Vorsprung gleitend in die untere Gehäuseschale eingesetzt werden kann und das Ladestück ebenfalls mit einer Nut an einem Vorsprung gleitend in die obere Gehäuseschale eingesetzt werden kann. Diese zeichnerische Offenbarung enthält ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass Kontaktträger oder Ladestück in ihrer endgültigen Position, also eingesetzt in die jeweilige Kontaktschale, dort eine mechanisch feste, aber wieder lösbare Verbindung mit der jeweiligen Gehäuseschale eingehen.

Vielmehr lehrt auch die EP ‘XXXein von der technischen Lehre des Klagepatents abweichendes Konzept: In der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels wird – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – ausgeführt (Anlage K6, Seite 12, unterer Absatz), dass das Ladestück („Halteblock 28“) zunächst – etwa mit einem geeigneten Werkzeug – auf den Kontaktträger („kontaktaufnehmendes Ende 26“) aufgeschoben und mit diesem fest verbunden wird, so dass diese beiden Bauteile sodann eine an das Kabel angeschlossene „Abschlussuntereinheit 22“ bilden. Erst diese fertige Abschlussuntereinheit, also der eigentliche Steckverbinder wird sodann zwischen den beiden Gehäuseteilen („Basis 30“ und „Deckel 32“) eingesetzt, welche schließlich zum vollständigen, den Steckverbinder umhüllenden Gehäuse zusammengesetzt werden.

bb)
Demnach lässt sich auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten, die Nichtigkeitsklage werde gestützt auf die EP ‘XXXwegen des Nichtigkeitsgrundes mangelnder erfinderischer Tätigkeit Erfolg haben. Wie schon bei der EP ‘XXX machen die Beklagten keine Anhaltspunkte geltend, welche dem Fachmann Veranlassung geben könnten, ausgehend von der EP ‘XXXzur technischen Lehre des Klagepatents zu gelangen.

V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.