4c O 95/13 – Fluidfiltriervorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2256

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. Juni 2014, Az. 4c O 95/13

Rechtsmittelinstanz: 2 U 42/14

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird auf 750.000,00 EUR festgesetzt. Davon entfallen als Teilstreitwerte auf den Unterlassungsantrag (Klageantrag zu I.1.) 500.000,00 EUR, auf den Auskunftsantrag (Klageantrag zu I.2.) und den Rechnungslegungsantrag (Klageantrag zu I.3.) jeweils 37.500,00 EUR und auf den Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageantrag zu II.) 175.000,00 EUR, und zwar in jeweils dieser Höhe hinsichtlich beider insoweit als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch genommener Beklagter.

TATBESTAND

Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am europäischen Patent EP 1 778 XXX (Anlage PBP 1, im Folgenden: Klagepatent), dessen Inhaberin die A GmbH & Co. KG ist. Das Klagepatent, das unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 28. Juli 2004 (DE 102004036XXX) am 7. Juli 2005 angemeldet und am 2. Mai 2007 veröffentlicht wurde und dessen Erteilung am 24. Oktober 2007 bekanntgemacht wurde, betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Filtrieren eines Fluids, insbesondere für Kunststoff verarbeitende Anlagen. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2014 (Anlage BSS 4) hat die Beklagte zu 1) das Klagepatent angegriffen durch Erhebung der Nichtigkeitsklage, über die noch nicht entschieden ist.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„1. Vorrichtung zum Filtrieren eines verflüssigten Kunststoffes mit einem Gehäuse (1), einem Zufuhrkanal (2), einem Abfuhrkanal (3) und Rückspülkanälen (9. 10), wobei im Strömungsweg der Kunststoffschmelze in zwei quer zur Strömungsrichtung verschieblich gelagerten Siebträgern (4, 4a) wenigstens je ein Filterelement (5, 6) in einem entsprechenden Siebraum (7, 8) angeordnet und mit dem Zufuhrkanal (2) und dem Abfuhrkanal (3) in Verbindung bringbar sind, sowie einem Verdrängerkolben (22), der, wenn der Siebträger (4) in der Rückspülstellung steht, die Reinsiebseite mit gereinigter Kunststoffschmelze beaufschlagt, dadurch gekennzeichnet,
a) dass der Verdrängerkolben (22) in einem vom Siebraum (7) zum Abfuhrkanal (3) führenden Teilkanal (20) einführbar ist, der die verschmutzungsfreie Masse aus dem Teilkanal (20) durch das Filterelement (6) dem zugeordneten Rückspülkanal (9) zuführt, wenn der Siebträger (4) in der Rückspülstellung steht,
b) dass mindestens zwei Filterelemente (5, 6) in entsprechenden Siebräumen (7, 8) und mindestens zwei Verdrängerkolben (22,23) vorgesehen sind,
c) dass mindestens zwei Teilkanäle (20, 21) und mindestens zwei Rückspülkanäle (9, 10) vorgesehen sind,
d) dass im Zufuhrkanal (2) ein Druckerzeuger (24) angeordnet ist, der einen konstanten Prozessdruck am Abfuhrkanal (3) und dem nachgeschalteten Arbeitsgerät während der Produktionsphase aufrechterhält.“

Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und illustrieren dessen technische Lehre anhand der Darstellung einer bevorzugten Ausführungsform.

Figur 1 zeigt eine klagepatentgemäße Vorrichtung mit zwei Verdrängerkolben. Figur 2 ist eine Schnittansicht durch den in Figur 1 dargestellten Siebträger.

Die Beklagte zu 1) stellt her oder lässt herstellen und beide Beklagte bieten an eine Vorrichtung mit der Typenbezeichnung „Rückspül-Siebwechsler BFX“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform entspricht im Wesentlichen den dargestellten Ausführungsformen im deutschen Patent DE 10 2012 006 XXX (Anlage PBP 10), dessen Inhaberin die Beklagte zu 1) ist. Die angegriffene Ausführungsform weist zwei große Sackbohrungen auf, in denen jeweils ein Kolben verschieblich eingeführt ist. Jeder der beiden Kolben umfasst sämtliche Strömungswege für das Kunststoffmaterial sowie einen Siebträger. Im Produktionsbetrieb ist der Kolben vollständig eingeführt, so dass er mit seiner Stirnseite am unteren Ende der Sackbohrung abschließt. Das Kunststoffmaterial fließt durch den an der Umfangsfläche des Kolbens angeordneten Siebträger in den Kolben ein und in einem ungefähr in der Mitte des Kolbens angeordneten Längskanal in Richtung von dessen Stirnseite weiter. Dort fließt es durch eine offene Nut radial nach außen bis zu einer in der Umfangsfläche des Kolbens angeordneten Längsnut und durch diese hindurch bis zu einer Austrittsöffnung. Die Rückspülung geschieht bei der angegriffenen Ausführungsform dadurch, dass zunächst der Kolben aus der Sackbohrung herausgezogen und sodann radial verdreht wird. Dadurch kann kein weiteres Material durch den Siebträger in den Kolben einströmen und nur noch durch den Siebträger und weiter durch einen Rückspülkanal ausströmen. Sodann wird der Kolben wieder in die Sackbohrung hinein gedrückt. Das zwischen der Stirnseite des Kolbens und dem Boden der Sackbohrung angesammelte Kunststoffmaterial wird in umgekehrter Richtung durch den Siebträger und von dort aus weiter durch einen Rückspülkanal gedrückt, wodurch der Siebträger gespült wird. Zum Betrieb der angegriffenen Ausführungsform muss die eintretende Kunststoffmasse mit Druck eingetrieben werden, wobei dieser Druck beispielsweise von einem vorgeschalteten Extruder stammt.

Die Klägerin ist der Auffassung die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Der Teilkanal im Sinne des Klagepatents sei derjenige Raum, der beim Zurückziehen des Kolbens vor dessen Stirnseite entstehe, denn dieser Raum werde durchströmt. Die Siebträger der angegriffenen Ausführungsform seien deswegen quer zur Strömungsrichtung verschieblich gelagert, weil sie radial verdreht werden können. Schließlich müsse die angegriffene Ausführungsform zwingend über einen Druckerzeuger verfügen, um betrieben zu werden. Ferner meint die Klägerin, das Klagepatent werde sich im parallelen Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,

Vorrichtungen zum Filtrieren eines verflüssigten Kunststoffes mit einem Gehäuse, mit einem Zufuhrkanal, einem Abfuhrkanal und Rückspülkanälen, wobei im Strömungsweg der Kunststoffschmelze in zwei quer zur Strömungsrichtung verschieblich gelagerten Siebträgern wenigstens je ein Filterelement in einem entsprechenden Siebraum angeordnet und mit dem Zufuhrkanal und dem Abfuhrkanal in Verbindung bringbar sind, sowie einem Verdrängerkolben, der, wenn der Siebträger in der Rückspülstellung steht, die Reinsiebseite mit gereinigter Kunststoffschmelze beaufschlagt,

herzustellen oder herstellen zu lassen (nur Beklagte zu 1), anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken zu besitzen,

bei denen der Verdrängerkolben in einen vom Siebraum zum Abfuhrkanal führenden Teilkanal einführbar ist, der die verschmutzungsfreie Masse aus dem Teilkanal durch das Filterelement dem zugeordneten Rückspülkanal zuführt, wenn der Siebträger in der Rückspülstellung steht, mindestens zwei Filterelemente in entsprechenden Siebräumen und mindestens zwei Verdrängerkolben vorgesehen sind, mindestens zwei Teilkanäle und mindestens zwei Rückspülkanäle vorgesehen sind, und im Zufuhrkanal ein Druckerzeuger angeordnet ist, der einen konstanten Prozessdruck am Abfuhrkanal und dem nachgeschalteten Arbeitsgerät während der Produktionsphase aufrechterhält;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. November 2007 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Namen und der Anschriften der Hersteller (nur die Beklagte zu 2.), Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. November 2007 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten (nur die Beklagte zu 1.),

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin gesamtschuldnerisch allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 24. November 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage auszusetzen,

höchst hilfsweise: den Beklagten nachzulassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Form einer Bürgschaft einer in Deutschland zum Geschäftsverkehr zugelassenen Bank abzuwenden.

Die Beklagten sind der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche nicht die technische Lehre des Klagepatents. Der Raum, der sich beim Rückziehen des Kolbens vor dessen Stirnseite eröffnet, und in dem sich das später rückgespülte gereinigte Material sammelt, sei deshalb kein Teilkanal im Sinne des Klagepatents, weil er nicht vollständig durchströmt werde und eine Totzone ausbilde. Das gleiche gelte für die Längsnut auf der Umfangsfläche des Kolbens, welche zum Teil nicht durchströmt wird, wenn der Kolben ganz oder teilweise ausgezogen ist. Solche Totzonen wolle das Klagepatent in Überwindung der aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile gerade vermeiden. Die Siebträger der angegriffenen Ausführungsform seien nicht quer zur Strömungsrichtung verschieblich gelagert. Auch verfüge die angegriffene Ausführungsform nicht über einen Druckerzeuger, der nach der Lehre des Klagepatents nämlich zusätzlich zu einem ohnehin vorhandenen Druckerzeuger und außerdem im Zufuhrkanal ausgeführt sein müsse.

Außerdem meinen die Beklagten, das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig, weil seine technische Lehre durch druckschriftlichen Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls aber nahegelegt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ, §§ 9, 139 Abs. 1 und 2, 140a PatG, §§ 242, 259 BGB nicht zu. Es lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents verletzt.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Filtrieren eines Fluids, insbesondere für Kunststoff verarbeitende Anlagen.

Aus dem Stand der Technik sind Filtriervorrichtungen für verunreinigte Fluide bekannt. Die EP 0 554 237 A (Anlage PBP 3) offenbart eine Einrichtung mit zumindest einem Abstromkanal und einem Vorratsraum für die beim Rückspülvorgang benötigte Fluidmenge. Diese Fluidmenge wird durch einen Kolben aus dem Vorratsraum verdrängt, wobei das Fluid das rückzuspülende Siebnest und den normalen Produktionskanal durchströmt. Hieran kritisiert das Klagepatent es als nachteilig, dass das Fluid beim Austritt aus dem Vorratsraum in den Produktionskanal teilweise gegen die dort herrschende Fließrichtung anströmen muss, und dass außerdem ein Teil dieses Fluids nicht zum Sieb, sondern zum Ausgang des Produktionskanals fließt, so dass aus beiden Gründen praktisch schwer beherrschbare Schwierigkeiten entstehen. Außerdem lässt sich bei dieser vorbekannten Vorrichtung während des Spülvorgangs am kunststoffverarbeitenden Werkzeug kein konstanter Druck aufrecht erhalten.

Auch die WO 98147688 (Anlage PBP 4) offenbart eine Siebeinrichtung für viskose Massen wie verflüssigten Kunststoff, bei der zum Rückspülen ein Verdrängerkolben gereinigte Kunststoffmasse durch das Sieb zurückdrückt. An dieser Vorrichtung kritisiert das Klagepatent, dass sie Ventileinrichtungen aufweisen muss, die den Rückflusskanal außerhalb des Spülvorgangs verschließen, und dass solche Ventileinrichtungen verstopfen können und beheizt werden müssen. Ferner muss die Ventileinrichtung beim Auswechseln der Siebe aufwändig demontiert werden.

Die DE 17 88 037 U1 (Anlage BSS 1) schließlich lehrt eine Vorrichtung zum Trennen von Flüssigkeit und feststoffhaltigen Gemischen, bei der gereinigte Flüssigkeit in den Raum eines Speicherkolbens gelangt. Durch ein Rückschlagventil, das nur bei der Erzeugung von Druck durch den Speicherkolben öffnet, gelangt die gereinigte Flüssigkeit in eine Abfuhrleitung und spült zugleich das Sieb. Indes ist eine derartige Vorrichtung nicht verwendbar für verflüssigten Kunststoff, weil das Rückschlagventil schnell verstopfen und zwischen Rückschlagventil und Speicherkolben Material in einer Totzone stehenbleiben würde, was bei der Verarbeitung flüssigen Kunststoffs aber unbedingt vermieden werden muss.

Vor diesem technischen Hintergrund formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe (Absatz [0008]), eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Rückspülen flüssigen Kunststoffs zu schaffen, bei denen Störungen des Werkstoffes und Masseverluste beim Rückspülen vermieden werden und eine Materialansammlung im Bereich des Verdrängerkolbens, die vercracken könnte, ausgeschlossen wird.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung zum Filtrieren eines verflüssigten Kunststoffes, mit
a) einem Gehäuse (1),
b) einem Zufuhrkanal (2),
c) einem Abfuhrkanal (3) und
d) Rückspülkanälen (9, 10);
2. mindestens zwei quer zur Strömungsrichtung verschieblich gelagerten Siebträgern (4, 4a) mit
a) wenigstens je einem Filterelement im entsprechenden Siebraum (7, 8), die
b) im Strömungsweg der Kunststoffschmelze angeordnet und
c) mit dem Zufuhrkanal (2) und dem Abfuhrkanal (3) in Verbindung bringbar sind;
3. einem Verdrängerkolben (22), der,
a) wenn der Siebträger (4) in der Rückspülstellung steht,
b) die Reinsiebseite mit gereinigter Kunststoffschmelze beaufschlagt,
4. wobei der Verdrängerkolben (22)
a) in einen vom Siebraum (7) zum Abfuhrkanal (3) führenden Teilkanal (20) einführbar ist,
b) der die verschmutzungsfreie Masse aus dem Teilkanal (20) durch das Filterelement (6) dem zugeordneten Rückspülkanal (9) zuführt, wenn der Siebträger (4) in der Rückspülstellung steht,
5. mindestens zwei Filterelemente (5, 6) in entsprechenden Siebräumen (7, 8) und mindestens zwei Verdrängerkolben (22, 23) vorgesehen sind,
6. mindestens zwei Teilkanäle (20, 21) und mindestens zwei Rückspülkanäle (9, 10) vorgesehen sind;
7. im Zufuhrkanal (2) ist ein Druckerzeuger (24) angeordnet, der einen konstanten Prozessdruck am Abfuhrkanal (3) und dem nachgeschalteten Arbeitsgerät während der Produktionsphase aufrechterhält.

II.

Zwischen den Parteien steht – zu Recht – alleine die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 4 sowie der Merkmale 2 und 7 im Streit. Eine Verwirklichung aller dieser streitigen Merkmale lässt sich nicht feststellen.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht jedenfalls die technische Lehre des Klagepatents gemäß Merkmalsgruppe 4 nicht. Die Verdrängerkolben der angegriffenen Ausführungsform sind jeweils nicht in einen Teilkanal einführbar und führen die verschmutzungsfreie Masse daher auch nicht aus einem Teilkanal dem Rückspülkanal zu.

1.
Ein Teilkanal im Sinne des Klagepatents ist ein Abschnitt des im Produktionsbetrieb der Vorrichtung von der verflüssigten Kunststoffmasse durchströmten Raumes, der sich in Strömungsrichtung erstreckt. Demgegenüber sind bloße räumliche Bereiche, in die die Kunststoffmasse auf dem Weg zwischen Filterelement und Ende des Abfuhrkanals zwar eindringt, diese aber nicht in ihrer räumlichen Erstreckung durchströmt, sondern in diesen in einer von der hauptsächlichen Strömungsrichtung verschiedenen Richtung bewegt wird oder gar zum Stillstand kommen kann, nicht Bestandteil eines klagepatentgemäßen Teilkanals.

Zu diesem Verständnis von der technischen Lehre gelangt der Fachmann zunächst durch Würdigung des Patentanspruchs, der gemäß Art. 69 Satz 1 EPÜ den Schutzbereich des Patents bestimmt. Der Raum, in den der Verdrängerkolben eindringt, wird im Anspruchswortlaut als „Kanal“ bestimmt. Schon nach dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff des Kanals einen Raum, der aufgrund seiner räumlichen Erstreckung eine Richtung vorgibt, in welcher er von einer Flüssigkeit oder einem Gas durchströmt werden kann.

Dieser Sprachgebrauch ist auch der Formulierung des Klagepatents zugrundegelegt, welches durch seine spezifische Diktion nach Art eines „eigenen Lexikons“ die Bestimmung einzelner Begriffe vornimmt (BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; BGH Mitt. 2000, 105, 106 – Extrusionskopf; Schulte/Rinken/Kühnen, Komm. z. PatG, 9. Aufl., § 14 Rdn. 29). Das Klagepatent differenziert den Begriff des Kanals von anderen Begrifflichkeiten, mit denen es Räume bezeichnet, in denen sich das zu verarbeitende verflüssigte Kunststoffmaterial befindet: Als Kanal, nämlich Zufuhrkanal (Merkmal 1.a)), Abfuhrkanal (Merkmal 1.b)) oder Rückspülkanal (Merkmal 1.c)) werden solche Räume bezeichnet, in denen das Material in einer bestimmten und die Funktion des jeweiligen Raumes bestimmenden Richtung strömt, nämlich beispielsweise zum filternden Siebträger hin im Zufuhrkanal, vom filternden Siebträger weg im Abfuhrkanal und zum Abtransport des rückgespülten Filterkuchens aus der Vorrichtung hinaus im Rückspülkanal. Hingegen bezeichnet das Klagepatent solche Räume, in die das Kunststoffmaterial zwar eindringt, ohne sich aber in ihnen in einer Längsrichtung zu bewegen, begrifflich anders, nämlich als „Vorratsraum“ (Spalte 1 des Klagepatents, Zeilen 23, 25, 26, 30) oder „Speicherraum“ (Spalte 1 des Klagepatents, Zeilen 30, 38, 42) oder auch als ein „Raum des Speicherkolbens“ (Spalte 2 des Klagepatents, Zeile 21).

Der technische Sinn dieser begrifflichen Differenzierung wird belegt und verdeutlicht durch die näheren Erläuterungen in der Beschreibung, die gemäß Art. 69 Satz 2 EPÜ bei der Auslegung des den Schutzbereich bestimmenden Anspruchs zu berücksichtigen ist. In der allgemeinen Darstellung der technischen Lehre führt das Klagepatent aus (Absatz [0010]), dass den Teilkanälen Verdrängerkolben zugeordnet, und dass diese Teilkanäle geradlinig und relativ lang ausgebildet sind, so dass der Verdrängerkolben in diese Teilkanäle münden kann. Worin die technische Bedeutung einer länglichen, der Form des dort einführbaren Verdrängerkolbens entsprechenden räumlichen Gestaltung des Teilkanals liegt, ergibt sich aus der durch das Klagepatent formulierten Aufgabenstellung, die nämlich auch die Teilaufgabe umfasst (Absatz [0008]), durch die Gestaltung des Teilkanals sicherzustellen, dass sich im Bereich des Verdrängerkolbens kein Material ansammeln kann. Wenn der Teilkanal, gemäß Merkmal 4.a) ein vom Siebraum zum Abfuhrkanal führender Abschnitt des Strömungswegs, eine längliche Form hat, kann sich in ihm weder im Produktionsbetrieb noch im Rückspülbetrieb Material ansammeln. Im Produktionsbetrieb wird dann nämlich das Material kontinuierlich ein- und ausgeströmt und im Rückspülbetrieb drückt der Verdrängerkolben das Material vor sich her aus dem Teilkanal hinaus.

Mit einer solchen Gestaltung wird, was bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung des streitigen Merkmals zu berücksichtigen ist, der vom Klagepatent im Zuge der allgemeinen Erfindungsbeschreibung (Absatz [0017]) herausgestellte Vorteil erreicht, dass eine Rückspülung unverzüglich erfolgen kann, nämlich ohne zeitliche Verzögerung immer dann, sobald aufgrund des Zustandes des Filters eine Rückspülung erforderlich wird. Denn nur wenn der Teilkanal einen sich in Strömungsrichtung erstreckenden räumlichen Abschnitt bildet, ist er stets mit gereinigter Kunststoffmasse gefüllt, die durch den Verdrängerkolben bei Bedarf unverzüglich durch den Siebträger zurückgespült werden kann. Sobald der Teilkanal vollständig vom Verdrängerkolben ausgefüllt, also von der für die Rückspülung zur Verfügung stehenden Kunststoffmasse entleert ist, muss er zwar wieder aufgefüllt werden, aber weil sich diese Phase unmittelbar an die Rückspülung anschließt, schadet es nicht, wenn während der Wiederauffüllung die Rückspülung nicht sofort nochmals unverzüglich begonnen werden kann.

Ebenso belegt die vom Klagepatent als Stand der Technik gewürdigte EP 0 554 237 A1 (Anlage PBP 3; im Folgenden: EP ‘237) die Begriffsbestimmung, wonach der Teilkanal im Sinne des Klagepatents von einem bloßen Vorratsraum für das bei der Rückspülung zu verwendende gereinigte Material dadurch zu unterscheiden ist, dass sich der Teilkanal räumlich in Strömungsrichtung erstreckt, während der Vorratsraum zu der Strömungsrichtung hin zwar geöffnet ist, aber nicht in der Richtung durchströmt wird, in der das Material im Produktionsbetrieb fließt. Die Zurverfügungstellung des Materials für die Rückspülung in einem solchen aus dem Stand der Technik vorbekannten Vorratsraum geschieht genau anders herum als in einem Teilkanal im Sinne des Klagepatents: Ein solcher Vorratsraum– wie beispielsweise mit Bezugsziffer 15 in den Figuren 1 und 3 der EP ‘237 bezeichnet – muss erst durch ein Zurückziehen eine Kolbens eröffnet und aufgefüllt werden, ehe das Material für die Rückspülung zur Verfügung steht. Der Vorrat muss im Vorratsraum also erst gebildet werden, während er im Teilkanal immer zur Verfügung steht. Der so verstandene Vorratsraum kann auch nicht ständig gefüllt bleiben, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Kunststoffmasse im nicht durchströmten Teil des Vorratsraums stehenbleibt und sich in unerwünschter Weise verändert oder gar zerfällt. Dafür ist der Rückspülvorgang aus dem Vorratsraum heraus abgeschlossen, sobald der Vorratsraum entleert ist, erst mit Beginn eines neuen Rückspülvorgangs wird ein neuer Vorrat gebildet.

Das oben dargelegte Verständnis vom Begriff des „Teilkanals“ entspricht auch dem Aspekt, durch den die technische Lehre des Klagepatents sich vom Stand der Technik abgrenzen will: Die in der DE 17 88 037 U1 (Anlage BSS 6) als Stand der Technik offenbarte Vorrichtung kritisiert das Klagepatent (Absatz [0007]) unter anderem aus dem Grunde, weil diese vorbekannte Vorrichtung zu viele Totzonen eröffnet, in denen das Material stehen bleibt, und weil Kunststoffmaterial sich in solchen Totzonen abzubauen, mithin chemisch nachhaltig zu verändern droht. Die Vermeidung solcher Totzonen macht demnach genau einen derjenigen technischen Aspekte aus, durch die sich die Lehre des Klagepatents vom Stand der Technik abzugrenzen versucht.

2.
Ausgehend von dieser Auslegung der Merkmalsgruppe 4 verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents nicht. Bei ihr sind der Filterträger und alle Strömungskanäle für das Kunststoffmaterial innerhalb eines in einer Sackbohrung verschiebbaren Kolbens angeordnet.

Durch das Zurückziehen des Kolbens entsteht ein Raum, in dem sich gereinigtes Kunststoffmaterial ansammeln und von dort aus durch Verdrehen des Kolbens und dessen Wiedereinführung rückwärts durch den Siebträger in einen Rückspülkanal hinaus gedrückt werden kann. Dieser Raum ist kein Teilkanal im Sinne des Klagepatents. Er erstreckt sich nicht in der Fließrichtung des Kunststoffmaterials, wie sie während der Produktionsphase vorherrscht, wenn also der Kolben vollständig eingeführt ist, mit seiner Stirnseite am Boden der Sackbohrung abschließt und einen Durchfluss des Kunststoffmaterials nur durch die radiale Nut ermöglicht. Ist der Kolben hingegen zum Teil herausgezogen aber noch nicht verdreht, strömt die Kunststoffmasse durch den so eröffneten Raum vor der Stirnseite des Kolbens. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass in der Kunststoffmasse laminare Strömungsverhältnisse herrschen, so dass Teile der im Raum befindlichen Kunststoffmasse jedenfalls erheblich langsamer strömen als andere Teile. Demnach kann es bei der angegriffenen Ausführungsform anders als vom Klagepatent gelehrt dazu kommen, dass Teile der Kunststoffmasse stillstehen oder zu langsam strömen, um vor einer Zersetzung und/oder Vercracken sicher zu sein.

Der Raum, der nach dem vollständigen oder teilweisen Herausziehen des Kolbens vor dessen Stirnseite eröffnet wird, ist demnach kein Teilkanal im Sinne des Klagepatents, sondern ein – begrifflich in dieser Weise auch vom Klagepatent hiervon unterschiedener – Vorratsraum, der mit Kunststoffmaterial für die Rückspülung erst gefüllt werden muss, ehe die eigentliche Rückspülung beginnen kann. Zwar ergeben sich bei der angegriffenen Ausführungsform nicht die Probleme unbeherrschbarer Strömungen, wie sie das Klagepatent an der EP ‘237 kritisiert, denn durch die Ausbildung von zwei Kolben in zwei getrennten Sacklochbohrungen und die geeignete Ausgestaltung von Zufuhr-, Abfuhr- und Rückspülkanal ist die Strömungsrichtung vorgegeben. Indes ist nach der Begrifflichkeit des Klagepatents aus den dargelegten Gründen ein – klagepatentgemäßer – Teilkanal zu unterscheiden von einem – nicht klagepatentgemäßen – Vorratsraum, wie er im Betrieb der angegriffenen Ausführungsform gebildet wird.

3.
Einer Entscheidung dazu, ob die beiden weiteren im Streit stehenden Merkmale durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht werden, bedarf es daher nicht.

III.

Auch eine Entscheidung zu dem von den Beklagten hilfsweise gestellten Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits ist demnach nicht nötig.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.