4a O 111/10 – Druckmaterialbehälter 2

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1653

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. März 2011, Az. 4a O 111/10

Rechtsmittelinstanz: 2 U 57/11

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,

Druckmaterialbehälter in der Bundesrepublik Deutschland an-zubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, der

(1) an einer Druckvorrichtung mit einer Vielzahl von vor-richtungsseitigen Anschlüssen abnehmbar angebracht werden kann, wobei der Druckbehälter umfasst:

(2) eine erste Einrichtung, die ein Speicher ist, und

(3) eine Anschlussgruppe, die eine Vielzahl von ersten An-schlüssen enthält, wobei die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) zum Kontaktie-ren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;

wobei der Druckmaterialbehälter des Weiteren umfasst:

(4) eine zweite Einrichtung; und

(5) eine Vielzahl von zweiten Anschlüssen und mindestens einen dritten Anschluss in der Anschlussgruppe, wobei:

(6) die Vielzahl von zweiten Anschlüssen mit der zweiten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen zweiten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;

(7) die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet ist, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen,

(8) der mindestens eine dritte Anschluss ein Kurzschlusserfassungsanschluss zur Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss ist und einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschlusserfassungsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;

(9) die zweiten Kontaktabschnitte mit einem Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitten so angeordnet sind, dass sie eine erste Zeile bilden;

(10) die zweiten Kontaktabschnitte jeweils an jedem Ende der ersten Zeile angeordnet sind, und

(11) der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt und der verbleibende Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine zweite Zeile bilden, und

(12) der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläge-rinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen in Bezug auf die in Ziffer I. begangenen Handlungen seit dem 15.08.2009 entstanden ist oder noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen in einem ge-ordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. aufgeführten Handlungen seit dem 15.08.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse so-wie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Lie-fermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Ange-botsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen, sowie Ty-penbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträ-gern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver-breitungsgebiet,

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Ge-winns,

wobei

– die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu Ziffer III. 1. und 2. Bestellformulare, Lieferscheine oder Rechnungen vorzulegen hat;

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschrif-ten ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsemp-fänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnen-den, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem Besitz oder Eigentum be-findlichen, unter Ziffer I. bezeichneten Gegenstände zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

V. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und nach dem 15.08.2009 angebotenen und in Verkehr gelangten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen

1. zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Er-zeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 800 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird; und

2. endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeug-nisse entweder wieder an sich nimmt und mit ihnen gemäß Ziffer IV. verfährt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer zu veranlassen.

VI. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

VII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerinnen nehmen die Beklagte aus dem europäischen Patent 1 800 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 22.12.2006 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier japanischer Schriften vom 26.12.2005 bzw. vom 11.08.2006 in engli-scher Verfahrenssprache angemeldet, wobei die Offenlegung der Patentanmeldung am 27.06.2007 erfolgte. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 15.07.2009 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die A B C AG hat gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch eingelegt, den sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.04.2010 begründet hat. Über den Einspruch wurde bisher nicht ent-schieden.

Eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist die Klägerin zu 1), deren Tochter-gesellschaft die Klägerin zu 2) ist, die von der Klägerin zu 1) mit dem Vertrieb von Druckern und Druckerzubehör in Deutschland betraut ist. Das Klagepatent ist Gegenstand eines ausschließlichen Lizenzvertrages, den die Klägerin zu 1) mit Wirkung vom 01.01.1993 mit der Klägerin zu 2) geschlossen hat. Nach diesem Lizenzvertrag ist die Klägerin zu 1), die der Klägerin zu 2) eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt hat, vertraglich verpflichtet, mit der Klägerin zu 2) bei der Verfolgung etwaiger Schutzrechtsverletzungen im Lizenzgebiet zusammenzuarbeiten. Haben sich die Klägerinnen darauf verständigt, gemeinsam Klage zu erheben, trifft die Klägerin zu 1) eine Rechts-pflicht, bei der Verfolgung von Verletzungen ihrer lizenzierten Schutzrechte im Klageweg als Partei mitzuwirken. Hinsichtlich des vollständigen Inhaltes dieses Lizenzvertrages wird auf die Anlagen HE 1 und HE 2 Bezug genommen.

Das Klagepatent trägt die die Bezeichnung „Printing material container and board mounted on printing material container“ („Tintenbehälter und Platine da-rauf montiert“). Sein Patentanspruch 1 lautet in der durch die Klägerinnen geltend gemachten eingeschränkten Fassung:

„Druckmaterialbehälter (100), der an einer Druckvorrichtung (1000) mit ei-ner Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen abnehmbar angebracht werden kann, wobei der Druckmaterialbehälter umfasst:

eine erste Einrichtung (203), wobei die erste Einrichtung ein Speicher ist, und eine Anschlussgruppe, die eine Vielzahl von ersten Anschlüssen (220, 230, 260, 270, 280) enthält, wobei die Vielzahl von ersten Anschlüs-sen mit der ersten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlus-ses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält,

dadurch gekennzeichnet, dass er des Weiteren umfasst:

eine zweite Einrichtung (104); und

eine Vielzahl von zweiten Anschlüssen (250, 290) und mindestens einen dritten Anschluss (210, 240) in der Anschlussgruppe, wobei:

die Vielzahl von zweiten Anschlüssen mit der zweiten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen zweiten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;

die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet ist, dass an sie ex-tern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen,

der mindestens eine dritte Anschluss ein Kurzschlusserfassungs-anschluss zu(r) Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient und einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschlusserfassungsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält,

die zweiten Kontaktabschnitte mit einem Teil der Vielzahl der ersten Kon-taktabschnitte(n) so angeordnet sind, dass sie eine erste Zeile bilden,

die zweiten Kontaktabschnitte jeweils an jedem Ende der ersten Zeile an-geordnet sind, und

der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt und der verbleibende Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine zweite Zeile bilden, und der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet ist.“

Die gegenüber der eingetragenen Fassung des Patentanspruchs 1 vorgenom-menen Änderungen sind vorstehend durch Unterstreichungen gekennzeichnet.

Nachfolgend werden einige Figuren aus der Klagepatentschrift wieder-gegeben. Die Figuren 3A und 15C zeigen verschiedene Möglichkeiten der Konstruktion der patentgemäßen Gestaltung der Platine. In Figur 13 ist das Szenarium eines Kurzschlusses dargestellt.
Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.D.de einen Online-Shop, über den sie unter anderem Tintenpatronen mit folgenden Seriennummern anbietet und an Kunden in der Bundesrepublik Deutschland liefert:

XXX, XXX, XXX und XXX
für E F XXX, XXX, XXXX, XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX, XXXXXXX, XXX, XXXXXXX et al.

XXX, XXX, XXX, XXX, XXX, XXX für E F G XXXX, XXXX, XXXX, XXXXX, XXXXX, XXXXX, XXXXXX, XXXXXX et. al.

Unter den Seriennummern XXX bis XXX werden Tintenpatronen vertrieben, deren Chipmodule die folgenden vier verschiedenen Platinenlayouts aufwei-sen:
Wie die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 27.04.2011 klargestellt haben, richtet sich die Klage ausschließlich gegen Patronen, die Platinen der „Ausführungs-formen A und B“ aufweisen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen), nicht aber gegen solche mit Platinen entsprechend der „Ausführungsformen C und D“.
Beispielhaft wird nachfolgend die Tintenpatrone XXX eingeblendet:
Die Oberfläche der Platine der durch die Klägerinnen untersuchten Patrone ist nachfolgend nochmals vergrößert eingeblendet:
Das eingeblendete Platinenlayout entspricht somit der „Ausführungsform A“.
Die Rückseite dieser Platine weist folgende Gestaltung auf, wobei die ellipsen-förmigen Markierungen von den Klägerinnen zur Kennzeichnung der ersten und zweiten Einrichtung angebracht wurden:
Die Anschlussgruppen lassen sich anhand der nachfolgend verkleinert eingeblendeten und durch die Klägerinnen eingereichten Skizze wie folgt dar-stellen, wobei die Beklagte dieser Darstellung nur insoweit entgegen getreten ist, als sie den derzeit nicht mit einem Buchstaben versehenen Anschluss mit dem Buchstaben „J“ versehen hat:
Die Verbindung der Anschlüsse mit den auf der Rückseite der Platine zu fin-denden Einrichtungen ist in dem nachfolgend eingeblendeten Schaltkreis dar-gestellt, den die Klägerinnen vorgelegt haben. Die Richtigkeit der eingezeich-neten Verbindungen hat die Beklagte nicht in Frage gestellt.
Während es sich bei dem in dem vorstehend eingeblendeten Schaltkreis durch die Klägerinnen mit „Erste Einrichtung“ gekennzeichneten Bauteil um eine Halbleiterspeichereinrichtung (EEPROM) handelt, die mit einer Spannung von 3,2 V (bzw. 3,3 V) betrieben wird, handelt es sich bei der durch die Klägerinnen als „Zweite Einrichtung“ markierten Schaltung um eine Schaltung mit einer Diode, die mit verschiedenen Spannungen betrieben werden kann („elektrischer Schwingkreis“).

Die Lage der Kontaktabschnitte nach Einführung der Patrone in den Drucker lässt sich auf der Grundlage eines durch die Klägerinnen mit Hilfe des Druckers E F XX mit der Tintenpatrone XXX durchgeführten „Scratch Tests“ wie folgt darstellen, wobei die Beklagte die markierte Lage der Kontaktabschnitte nicht in Frage gestellt hat:
Von diesen Platinen der „Ausführungsform A“ unterscheidet sich die „Ausfüh-rungsform B“ dadurch, dass bei der „Ausführungsform B“ der Anschluss J als sog. „Programmierkontakt“ über einen Pin mit dem Speicher der Tintenpatrone elektrisch verbunden ist. Diese Verbindung fehlt in der „Ausführungsform A“.

Nach Auffassung der Klägerinnen machen die angegriffenen Ausfüh-rungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerinnen beantragen,

zu erkennen wie geschehen.

In Bezug auf die Formulierung der auf mehrere Unteransprüche gestützten Hilfsanträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den von der A B H AG gegen das Klagepatent EP 1 800 XXX B2 erhobenen Einspruch auszusetzen.

Sie ist der Auffassung, Patentanspruch 1 enthalte mehrere Merkmale, die nicht die Gestaltung der Tintenpatrone, sondern die Gestaltung des mit der Tintenpatrone zusammenwirkenden Druckers beschreiben würden. Aus diesen Merkmalen ergebe sich keinerlei Information darüber, wie die Tintenpatrone selbst ausgestaltet sein müsse. Insbesondere handele es sich bei den Kontaktabschnitten so lange um einen gedachten Bereich, bis die Tintenpatrone in den Drucker eingesetzt werde.

Überdies würden die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen, da diese bereits keine zweite Einrichtung im Sinne des Klagepatents aufweisen würden. Wie aus den durch die Klägerinnen als Anlage HE 15 vorgelegten Unterlagen ersichtlich sei, sei lediglich eine einzige zusammenhängende Schaltung auf einer einzigen Platine vorhanden. Darüber hinaus diene der zweite, von den Klägerinnen definierte Teil-Schaltkreis nicht, wie klagepatentgemäß vorgesehen, dazu, eine mit Hochspannung betriebene Einrichtung wie zum Beispiel einen Piezosensor zu betreiben. Vielmehr habe dieser Teil-Schaltkreis bei den angegriffenen Ausführungsformen die Funktion, dem Drucker ein bestimmtes Antwortsignal zur Verfügung zu stellen, das dieser erwarte. Anstatt eines Piezosensors werde bei den angegriffenen Ausführungsformen somit durch den Teil-Schaltkreis ein Antwortsignal erzeugt, das dem Antwortsignal eines Piezosensors ähnlich sei, aber keine Messinformationen enthalte. Der zweite Teil-Schaltkreis sei ein aus einer Diode und einer Spule bestehender elektrischer Schwingkreis, der beim Anlegen von Spannungen lediglich ein Response-Signal in Form von Schwingungen ausgebe. Dieser Schwingkreis sei nicht für eine bestimmte Be-triebsspannung ausgelegt, sondern könne mit beliebigen Spannungen beauf-schlagt werden. Der zweite Teil-Schaltkreis könne somit mit höherer, gleicher oder mit niedrigerer Spannung betrieben werden als der erste Teil-Schaltkreis.

Ferner genüge es für eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nicht, wenn ein Anschluss objektiv geeignet sei, einen Kurzschluss zu detektieren. Vielmehr müsse der Drucker, der mit dem Druckmaterialbehälter zusammenwirke, einen Anschluss tatsächlich für eine Kurzschluss-Detektierung einsetzen, damit dieser einen „dritten Anschluss“ im Sinne des Klagepatents darstelle. Die Klägerinnen hätten in Bezug auf die angegriffene „Ausführungsform A“ nichts dazu vorgetragen, ob und wie ihre Drucker eine Kurzschlussdetektion durchführen würden, wenn die Patrone in den Drucker eingesetzt sei und zwischen welchen Anschlüssen ein solcher Kurzschluss ermittelt werde. Die Beklagten bestreiten deshalb, dass Drucker der Klägerinnen tatsächlich eine solche Kurzschlussdetektion zwischen zwei Kontakten durchführen und dass tatsächlich eine solche Kurzschlussdetektion zwischen zweitem Anschluss und drittem Anschluss er-folgt.

Überdies wäre, wenn ein Ablauf zur Kurzschlussdetektion vorgesehen wäre, die Anwendung dieses Ablaufs durch den Betreiber des Druckers gestattet, weil das Patentrecht durch den Verkauf eines Druckers mit einer entsprechenden Erfassungseinrichtung erschöpft wäre. Die Erschöpfung erstrecke sich auch auf den auf eine Tintenpatrone gerichteten Anspruch 1, weil sich die in Anspruch 1 enthaltenen Merkmale betreffend der Kurzschlusserfassung auf Merkmale des Druckers beziehen würden und Rechte betreffend der Druckermerkmale mit dem Verkauf des Druckers erschöpft seien. Insbesondere könnten sich die Klägerinnen insoweit auch nicht auf eine Bezugsbindung auf die durch sie vertriebenen Patronen berufen, da eine solche Bezugsbindung im Hinblick auf eine marktbeherrschende Stellung der Klägerinnen kartellrechtswidrig wäre. Im Üb-rigen sei den Abnehmern der Drucker konkludent eine Lizenz zur Benutzung der klagepatentgemäßen Kurzschlussdetektion erteilt worden, die auch das Gebrauchen des für das Durchführen der Detektion zwingend erforderlichen Objekts, nämlich der Tintenpatrone, abdecke.

Schließlich werde sich das auf einer unzulässigen Erweiterung beruhende Klagepatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, da die beanspruchte Erfindung weder neu sei, noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Außerdem sei die beanspruchte Erfindung nur unzureichend offenbart.

Die Klägerinnen treten diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Den Klägerinnen stehen die gel-tend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen, Vernichtung sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 1 und 3, 140 b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Das Klagepatent betrifft Druckmaterialbehälter, bei denen es sich ins-besondere um Tintenpatronen handeln kann.

Wie das Klagepatent einleitend ausführt, sei es beispielsweise aus der EP 1 219 437 A2 bekannt, Tintenpatronen mit einer Platine zu versehen, auf der eine Halbleiterspeichereinrichtung sowie elektrische Anschlüsse zum Zugreifen auf diese Halbleiterspeichereinrichtung vorgesehen sind. Zudem sei es, zum Beispiel aus der US 2004/0155913 A1, im Stand der Technik auch bekannt, Tintenpatronen mit einer Einrichtung zum Erfassen der Tintenmenge der Tintenpatrone zu versehen.

An den bekannten Tintenpatronen bezeichnet es das Klagepatent jedoch als nachteilig, dass die Tintenpatrone dort nicht mit einer Vielzahl von Einrichtun-gen ausgerüstet sei. Würden Tintenpatronen mit mehreren Einrichtungen ver-sehen, bestehe jedoch das Risiko eines Kurzschlusses zwischen den verschiedenen Anschlüssen, welcher zu Schäden an der Tintenpatrone oder der Druckvorrichtung führen könne.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, einen Druckmaterialbehälter mit einer Mehrzahl von Ein-richtungen bereitzustellen, bei welchem ein Schaden für den Druckmaterialbehälter und die Druckvorrichtung, der durch Kurzschluss zwischen den Anschlüssen verursacht wird, verhindert wird.

Zur Lösung dieser Aufgabe ist in Patentanspruch 1 in der durch die Klägerinnen geltend gemachten Fassung ein Druckmaterialbehälter mit folgenden Merkmalen vorgesehen, wobei die durch die Klägerinnen gegen-über der eingetragenen Fassung des Patentanspruchs zusätzlich auf-genommenen Merkmale durch Unterstreichungen hervorgehoben sind:

(1) Druckmaterialbehälter (100), der an einer Druckvorrichtung (1000) mit einer Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen abnehmbar angebracht werden kann, wobei der Druckmaterialbehälter umfasst:

(2) eine erste Einrichtung (203), wobei die erste Einrichtung ein Speicher ist, und

(3) eine Anschlussgruppe, die eine Vielzahl von ersten An-schlüssen (220, 230, 260, 270, 280) enthält, wobei die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;

(4) eine zweite Einrichtung (104); und

(5) eine Vielzahl von zweiten Anschlüssen (250, 290) und min-destens einen dritten Anschluss (210, 240) in der An-schlussgruppe, wobei:

(6) die Vielzahl von zweiten Anschlüssen mit der zweiten Ein-richtung verbunden ist und jeweils einen zweiten Kontakt-abschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält,

(7) die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet ist, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen,

(8) der mindestens eine dritte Anschluss ist ein Kurzschlusser-fassungsanschluss zur Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient und einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschlusserfassungsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;

(9) die zweiten Kontaktabschnitte mit einem Teil der Vielzahl der ers-ten Kontaktabschnitten so angeordnet sind, dass sie eine erste Zeile bilden,

(10) die zweiten Kontaktabschnitte jeweils an jedem Ende der ersten Zeile angeordnet sind, und

(11) der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt und der verbleibende Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine zweite Zeile bilden, und

(12) der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet ist.

II.
Den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der nunmehr durch die Klä-gerinnen geltend gemachten Fassung bildet somit ein Druckmaterialbehälter, der zwei Einrichtungen (203, 104) umfasst. Während es sich bei der ersten Einrichtung zwingend um einen Speicher handeln muss, enthält Patentanspruch 1 im Hinblick auf die Gestaltung der zweiten Einrichtung keine konstruktiven Vorgaben. Dass die zweite Einrichtung, anders als die Beklagte meint, jedoch gleichwohl nicht mit jeder Leitung gleichzusetzen ist, sondern eine über das bloße Leiten hinausgehende Funktion haben muss, erkennt der Fachmann bereits aus der Formulierung des Patentanspruches, welcher ausdrücklich zwischen erster und zweiter Einrichtung und deren Verbindung unterscheidet.

Wie der Fachmann Patentanspruch 1 weiter entnimmt, soll der beanspruchte Druckmaterialbehälter drei Arten von Anschlüssen enthalten. Während die ersten, jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) aufweisenden Anschlüsse (220, 230, 260, 270, 280) mit dem die erste Einrichtung bildenden Speicher verbunden sind (Merkmal 3), sind die zweiten Anschlüsse, die jeweils einen zweiten Kontaktabschnitt enthalten, mit der zweiten Einrichtung verbunden (Merkmal 6) und so angeordnet, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt werden kann als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen. Im Hinblick auf die räumliche Anordnung der ersten und zweiten Abschnitte zueinander enthält Patentanspruch 1 die weitere Vorgabe, dass diese mit einem Teil der Vielzahl von ersten Kontaktabschnitten so angeordnet sein sollen, dass sie eine erste Zeile bilden, in welcher sich die zweiten Kontaktabschnitte jeweils am Ende der ersten Zeile befinden (Merkmale 9 und 10). Wie der Fachmann der Klagepatentbeschreibung entnimmt, soll durch diese Anordnung gewährleistet werden, dass die Zahl der gegenüber den zweiten Anschlüssen benachbarten Anschlüsse klein ist, so dass die Gefahr eines Kurzschlusses der zweiten Anschlüsse zu anderen Anschlüssen möglichst gering gehalten wird (vgl. Anlage HLB 2, Abschnitt [0083]).

Neben den ersten und zweiten Anschlüssen sieht Patentanspruch 1 in der nunmehr streitgegenständlichen Fassung mindestens einen dritten Anschluss (210, 240) vor, bei dem es sich um einen Kurzschlusserfas-sungsanschluss zur Erfassung eines Kurzschlusses zwischen den zweiten Anschlüssen und dem mindestens einen dritten Anschluss handelt und der einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschlusserfassungsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen besitzt (Merkmale 5 und 8). Patentgemäß soll dieser mindestens eine dritte Anschluss räumlich in einer zweiten Zeile mit dem verbleibenden Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte angeordnet sein, wobei der mindestens eine dritte Anschluss an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet sein muss (Merkmale 11 und 12). Damit ist laut der Beschreibung des Klagepatents der erfindungsgemäße Vorteil verbunden, dass, wenn ein Fremdmaterial von einer der Seiten eintreten sollte (vgl. Figur 13, Tintentropfen S1 und Wassertropfen S2), dieses Eindringen erfasst werden kann, bevor das Fremdmaterial zu den anderen An-schlüssen (220, 230, 260 – 270) vordringt. Somit kann ein Schaden an den Schaltungen des Speichers (204) und der Druckvorrichtung durch das Eindringen des Fremdmaterials verhindert oder reduziert werden (vgl. Anlage HLB 2, Abschnitt [0088] und [0084]).

Dass sich die Lage der Kontaktabschnitte nicht unabhängig von einem Zusammenwirken der Patrone mit einem Drucker bestimmen lässt, führt ebenso wenig zu einer Beschränkung des Schutzbereichs auf die Kom-bination von Patrone und Drucker oder die Verwendung der Patrone in einem Drucker wie die Tatsache, dass mit Hilfe des mindestens einen dritten Abschnittes ein Kurzschluss zwischen dem zweiten und dritten Abschnitt detektiert werden soll. Die Patrone ist als Erzeugnis beansprucht. Der Schutz eines Erzeugnisses beschränkt sich grundsätzlich nicht auf seine Verwendung zu einem bestimmten Zweck, mag sich dieser auch unmittelbar aus dem Anspruch ergeben. Sind Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben Bestandteil eines Patentanspruchs, können sie vielmehr an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (vgl. BGH GRUR 2008, 896, 897 – Tintenpatrone; BGH GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung II; GRUR 1979, 149 – Schießbolzen; GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsam-melanlage). Demgemäß ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der beanspruchte Druckmaterialbehälter räumlich-körperlich so ausgebildet ist, dass die Kontaktabschnitte die in den Merkmalen 9 bis 12 vorgegebene räumliche Anordnung bei einer Verwendung des Druckmaterialbehälters in ei-nem Drucker haben und mit Hilfe des dritten Abschnittes zugleich ein Kurz-schluss zwischen dem zweiten und dem dritten Abschnitt detektiert werden kann.

III.
Legt man diese Auslegung zugrunde, machen die hier allein streitgegenständlichen „angegriffenen Ausführungsformen A und B“ wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

1.
Zurecht ist zwischen den Parteien nicht umstritten, dass es sich bei den ange-griffenen Ausführungsformen um Tintenpatronen und damit Druckmaterialbe-hälter handelt, die in Form eines EEPROMS einen Speicher und damit eine erste Einrichtung aufweisen (Merkmale 1 und 2). Zudem ist das EEPROM un-streitig mit den in dem auf Seite 12 der Anlage HE 15 dargestellten Schaltplan mit den Buchstaben C bis G gekennzeichneten Anschlüssen verbunden, die bei der Verwendung in einem Drucker auch mit den entsprechenden Kontaktabschnitten im Drucker in Kontakt treten, so dass die Anschlüsse auch jeweils über einen ersten Kontaktabschnitt (cp) verfügen (Merkmal 3).

2.
Des Weiteren weisen die angegriffenen Ausführungsformen mit dem durch die Beklagte als „elektrischer Schwingkreis“ bezeichneten weiteren Schaltkreis auch eine zweite Einrichtung auf, die in dem durch die Klägerinnen auf Seite 12 der Anlage HE 15 dargestellten Schaltplan mit den mit den Buchstaben A und I bezeichneten („zweiten“) Anschlüssen verbunden ist (Merkmale 4 bis 6).

Patentanspruch 1 in der hier streitgegenständlichen Fassung enthält zunächst keine konstruktiven Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung der „zweiten Einrichtung“. Somit kann auch ein „elektrischer Schwingkreis“, was dem Fachmann bereits die Ausführungen zum Stand der Technik bestätigen (vgl. Anlage HE 6, Abschnitt [0003] = Anlage HE 8, S. 2, zweiter Absatz), eine zweite Einrichtung im Sinne des Klagepatents sein, wenn dieser eine, von der ersten Einrichtung zu unterscheidende Funktion wahrnimmt. Dies ist bei dem „elektrischen Schwingkreis“ jedoch der Fall, der, wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung eingeräumt hat, dem Drucker ein bestimmtes Antwortsignal zur Verfügung stellt, „das dem Antwortsignal eines Piezosensors ähnlich ist“.

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus, dass zwischen der ersten und der zweiten Einrich-tung elektrische Verbindungen vorhanden sind, so dass es sich bei der ersten und zweiten Einrichtung räumlich um eine Schaltung handelt. Patentanspruch 1 enthält hinsichtlich der räumlichen Anordnung der ersten und zweiten Einrichtung keine Vorgaben. Somit ist es ausreichend, dass sich die erste und die zweite Einrichtung funktional unterscheiden, was bei den angegriffenen Ausführungsformen unstreitig der Fall ist. Dass die erste und zweite Einrichtung demgegenüber auch in eine Schaltungsplatine oder in ein einziges Modul integriert sein können, wird dem Fachmann im Übrigen auch in der Klagepatentbeschreibung bestätigt (vgl. Anlage HLB 2, Abschnitt [0135] Mitte).

3.
Überdies sind die zweiten Anschlüsse bei den angegriffenen Ausführungsfor-men auch so angeordnet, dass an sie beim Einsatz der Druckerpatronen in ei-nem Drucker extern eine höhere Spannung angelegt werden kann als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen (Merkmal 7). Unstreitig wird an die ersten An-schlüsse eine Spannung von 3,2 V bzw. 3,3 V angelegt. Wie die Klägerinnen weiterhin vorgetragen haben, liegt an den zweiten Anschlüssen eine Spannung von 37 V an (vgl. insbesondere Anlage HE 15, S. 15 ff.). Diese Messungen der Klägerinnen hat die Beklagte nicht erheblich bestritten. Die Beklagte beruft sich vielmehr lediglich darauf, der zweite Teil-Schaltkreis sei bei den angegriffenen Ausführungsformen kein üblicherweise mit Hochspannung betriebener Piezosensor. Vielmehr werde bei den angegriffenen Ausführungsformen ein Antwortsignal erzeugt, das dem Antwortsignal eines Piezosensors ähnlich sei, aber keine Messinformation beinhalte. Wie die Beklagte zudem weiter einräumt, handele es sich bei dem zweiten Teil-Schaltkreis um einen aus einer Diode und einer Spule bestehenden elektrischen Schwingkreis, der mit beliebigen Spannungen und damit auch mit Spannungen von 3,3 V oder darunter beaufschlagt werden könne. Damit ist der zweite Teil-Schaltkreis jedoch auch nach dem Vortrag der Beklagten dazu geeignet, mit einer über 3,3 V liegenden Spannung beaufschlagt zu werden. Mit der durch die Klägerinnen vorgenommenen Mes-sung hat sich die Beklagte demgegenüber nicht auseinander gesetzt.

4.
Ohne Erfolg wendet die Beklagte weiterhin ein, bei den angegriffenen Ausführungsformen fehle es an der Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten und dritten Anschluss, so dass Merkmal 8 nicht erfüllt sei. Wie bereits im Rahmen der Auslegung des Klagepatents dargelegt wurde, reicht es für eine Verwirklichung der technischen Lehre aus, wenn der dritte Anschluss beim Einsatz der Patrone in einem Drucker geeignet ist, einen Kurzschluss zwischen dem zweiten und dritten Anschluss zu erfassen. Entsprechend führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus, wenn beim Einsatz der streitgegenständlichen Patronen in einzelnen Druckern keine Kurzschlussdetektion stattfindet, weil der Drucker keinen entsprechenden, der Tintenpatrone gegenüberstehenden Kontakt aufweise.

Dass bei den angegriffenen Ausführungsformen eine Kurzschlussdetektion stattfindet, haben die Klägerinnen anhand der als Anlage HE 17 vorgelegten Dokumentation der durch sie durchgeführten Versuche nachvollziehbar dargelegt. Zwar wurden die der als Anlage HE 17 vorgelegten Dokumentation zugrunde liegenden Versuche ausschließlich mit der „Ausführungsform B“ durchgeführt. Jedoch ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Kontakte A und B dort anders geschaltet sind als bei der angegriffenen Ausführungsform A. Vielmehr unterscheidet sich auch nach dem Vortrag der Beklagten die angegriffene „Ausführungsform B“ nur dadurch von der angegriffenen „Ausführungsform A“, dass dort auch der „Anschluss J“ mit dem Halbleiterspeicher der Tintenpatrone verbunden ist. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die an der „Ausführungsform B“ durchgeführten Versuche zum Nachweis einer Kurzschlussdetektion bei der „angegriffenen Aus-führungsform A“ übertragbar sind.

Ohne Erfolg hat die Beklagte des Weiteren bestritten, dass die durch die Klägerinnen durchgeführten Versuche zum Nachweis einer Kurz-schlussdetektion ungeeignet sind. Um einen Kurzschluss herzustellen, haben die Klägerinnen zwischen den Anschlüssen A und B eine Lötverbindung hergestellt. Zwar trifft es zu, dass der Computer im Anschluss nicht ausdrücklich ausgegeben hat, dass ein Kurzschluss detektiert wurde. Vielmehr zeigt die Statusanzeige lediglich an, dass keine cyanfarbige Patrone verfügbar ist. Jedoch verlangt Patentanspruch 1 in der streitgegenständlichen Fassung auch nicht, dass das Vorliegen eines Kurzschlusses ausdrücklich angezeigt wird. Bei dem Vorgehen der Klägerinnen zum Nachweis einer Kurzschlussdetektion handelt es sich genau um die Methode, die auch die Beklagte angewandt und auf Seite 16 der Klageerwiderung geschildert hat. Weshalb diese Methode zum Nachweis der Kurzschlussdetektion ungeeignet sein soll, erschließt sich daher nicht. Vielmehr hat die Beklagte ihren auf entsprechende Versuche gestützten Vortrag, zwischen den Kontakten „I“ und „H“ werde ein Kurzschluss nicht detektiert, sogar ausdrücklich mit Schriftsatz vom 14.12.2010 widerrufen, wobei sie auch dort nicht die Versuchsmethode an sich in Frage gestellt, sondern sich nur allgemein auf eine „Überprüfung der Versuche“ berufen hat.

Somit genügt es für ein erhebliches Bestreiten nicht, wenn die Beklagte nun-mehr lediglich ausführt, es sei „davon auszugehen, dass die Drucker der Klägerinnen mit den in Rede stehenden Anschlüssen keine Kurzschlusserfassung durchführen. Es deute alles darauf hin, dass der Drucker bei einer Verbindung der Anschlüsse A und B die Fehlermeldung aus Gründen ausgebe, die nicht mit einer Kurzschlussdetektion des Druckers zusammenhängen“ (Unterstreichungen hinzugefügt). Auch wenn die Drucker, in welche die Tintenpatronen der Beklagten eingesetzt werden, von den Klägerinnen stammen, obliegt es zunächst der Beklagten, nachdem die Klägerinnen umfassend zur Durchführung einer Kurzschlussdetektion vorgetragen haben, darzulegen, welche andere Bedeutung als die Ermöglichung einer Kurzschlussdetektion die auf ihren Platinen befindlichen Anschlüsse haben. Demgegenüber genügt es nicht, wenn die Beklagte lediglich spekulativ behauptet, nach Herbeiführung der Lötverbindung könne zum Beispiel auch eine Einsetzprüfung stattgefunden haben, wobei es alternativ auch möglich sei, dass der Drucker nach dem Einsetzen der Tinten-patrone eine Anregung an den Piezosensor sende, der sich in den Originalpatronen der Klägerinnen befinde, um vor dem Drucken den konkreten Tintenstand zu bestimmen (Unterstreichungen hinzugefügt).

5.
Darüber hinaus sind die zweiten Kontaktabschnitte, wie der auf einem sog. „Scratch-Test“ beruhenden Abbildung gemäß Seite 14 der Anlage HE 15 zu entnehmen ist, auch in einer ersten Zeile, jeweils an jedem Ende der Zeile, an-geordnet (Merkmale 9 und 10). Soweit die angegriffenen Ausführungsformen zusätzlich neben dem Anschluss I einen durch die Beklagte mit „J“ gekennzeichneten Anschluss aufweisen, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass es sich bei diesem Bauteil bei den angegriffenen Ausführungsformen um einen weiteren Anschluss im Sinne des Klagepatents handelt. Vielmehr zeigt bereits der durch die Klägerinnen durchgeführte „Scratch-Test“, dass dieses Bauteil beim Einsatz der Patrone in einem Drucker mit dem Drucker nicht in Kontakt steht, so dass dieses Bauteil keine Anschlussfläche im Sinne des Klagepatents darstellt.

Soweit die Beklagte demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, der „Anschluss J“ stehe zwar derzeit bei den Druckern der Klägerinnen in keinem Kontakt mit dem Drucker, es sei jedoch denkbar, dass dies bei zukünftigen Druckern der Fall sei, wobei es zudem nicht auszuschließen sei, dass durch einen Fremdkörper wie eine Büroklammer der „Anschluss J“ mit anderen Anschlüssen verbunden werde, wodurch es zu einem Kurzschluss kommen könnte, führt auch dies aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus. Aufgabe des Klagepatents ist es, beim Einsatz der Patrone Schäden durch Kurzschlüsse aufgrund von mit unterschiedlichen Spannungen beaufschlagten Anschlüssen beim Einsatz der Patrone in einem Drucker zu verhindern. Diese Aufgabe wird bei den angegriffenen Ausführungsformen, wo der „Anschluss J“ lediglich ein „Dummy“ (Ausführungsform A) bzw. ein Programmierkontakt (Ausführungsform B) ist, durch die spezifische Anordnung der allein mit dem Drucker in Kontakt stehenden Anschlüsse A – I gelöst. Ob demgegenüber möglicherweise der nicht mit dem Drucker in Verbindung stehende und damit keinen „Anschluss“ im Sinne des Klagepatents darstellende „Anschluss J“ in einem hypothetischen Fall möglicherweise auch mit dem Drucker verbunden werden könnte, ist für die hier in Frage stehende Verletzung des Klagepatents ohne Bedeutung.

Schließlich zeigen die Ergebnisse des durch die Klägerinnen durchgeführten „Scratch-Tests“ auch, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen der mindestens eine Kurzschlusserfassungsabschnitt B mit dem verbleibenden ersten Abschnitten D und F in einer zweiten Zeile angeordnet ist, wobei sich der Anschluss B an einem Ende dieser zweiten Zeile befindet (Merkmale 11 und 12).

IV.
Ohne Erfolg hat die Beklagte den Einwand der Erschöpfung erhoben, da eine Erschöpfung grundsätzlich ein berechtigtes Inverkehrbringen der patentierten Sache voraussetzt (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 9 Rz. 31). Das Inverkehrbringen eines Druckers kann somit keine Erschöpfung in Bezug auf die hier streitgegenständliche Tintenpatronen begründen.

Auch die durch die Beklagte erwähnte Entscheidung „Fullplastverfahren“ (BGH GRUR 1980, 38) rechtfertigt keine andere Bewertung. Es trifft zu, dass danach derjenige, der vom Inhaber eines Verfahrenspatents eine zur Ausübung des Verfahrens erforderliche Einrichtung erworben hat, diese bestimmungsgemäß, allerdings gegebenenfalls gegen Zahlung einer Lizenzgebühr, benutzen darf. Diese Konstellation ist jedoch nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar, da sich aus dem Verkauf der Drucker keine Berechtigung der Beklagten ableiten lässt, die durch ein Erzeugnispatent geschützten Patronen zu vertreiben, da die Drucker der Klägerinnen auch mit Patronen betrieben werden können, die berechtigterweise auf der Grundlage des Klagepatents vertrieben werden.

Soweit sich die Beklagte demgegenüber darauf beruft, eine Bindung an die Patronen der Klägerinnen sei kartellrechtswidrig (§§ 19, 20 GWB), verkennt sie, dass gewerbliche Schutzrechte gerade darauf gerichtet sind, ihrem Inhaber eine Ausschließlichkeitsposition zu vermitteln, die er dann selbstver-ständlich auch durchsetzen können muss (vgl. EuGH GRUR 2005, 524, 526 – IMS/Health; Benkard/Rogge, PatG 10. Auflage, § 24 PatG Rz. 16). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes führt eine marktbeherr-schende Stellung des Schutzrechtsinhabers damit lediglich äußerstenfalls zu dessen Verpflichtung, Zwangslizenzen an seine Wettbewerber zu vergeben, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen (EuGH GRUR 2005, 524, 525 ff – IMS/Health; BGH GRUR 2004, 966 – Standard-Spundfass). Dafür genügt es jedoch nicht, wenn die Klägerinnen, wie von der Beklagten behauptet, eine marktbeherrschende Stellung haben. Voraussetzung für eine Zwangslizenz wäre vielmehr, dass (kumulativ)

(1) die begehrte Patentbenutzung für die Ausübung der Tätigkeit der Beklagten derart unentbehrlich ist, dass für sie auch bei gehöriger eigener Anstrengung des Patentnutzers kein tat-sächlicher oder realistischer potentieller Ersatz vorhanden ist,

(2) die Beklagte beabsichtigt, auf dem Markt neue, das heißt mit dem Produkt der Klägerinnen nicht substituierbare Erzeugnisse und Dienstleistungen anzubieten,

(3) die Lizenzverweigerung nicht aus sachlichen Gründen ge-rechtfertigt ist und

(4) durch die Weigerung jeglicher Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt ausgeschlossen ist (vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchset-zung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rz. 932 m. w. N.).

Da die Beklagte jedoch gerade Produkte anbietet und vertreibt, welche die Pro-dukte der Klägerinnen ersetzen sollen, kann der Zwangslizenzeinwand bereits aus diesem Grund keinen Erfolg haben.

Aus den gleichen Gründen scheidet auch die Einräumung einer „konk-ludenten Lizenz“ aus, für die kein Anhaltspunkt ersichtlich ist. Auch wenn der durch die Klägerinnen vertriebene Drucker eine Kurzschlussdetektion vorsieht, erteilen die Klägerinnen mit dem Vertrieb des Druckers nicht gleichzeitig konkludent eine Lizenz für die Nutzung der Tintenpatronen der Beklagten.

V.
Da die angegriffenen Ausführungsformen mithin Erzeugnisse darstellen, wel-che Gegenstand des Klagepatents sind, ohne dass die Beklagte zu einer Nut-zung des Klagepatents berechtigt ist (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG), rechtfertigen sich die tenorierten Rechtsfolgen.

1.
Die Beklagte macht durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber den Klägerinnen zur Unterlassung verpflichtet ist (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren hat die Beklagte den Klägerinnen Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwen-dung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass den Klägerinnen durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von den Klägerinnen noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen sind, ist ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Damit die Klägerinnen in die Lage versetzt werden, den ihnen zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Um-fang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerinnen sind auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügen. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140 b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

4.
Ferner haben die Klägerinnen im zuerkannten Umfang gegen die Beklagte ei-nen Anspruch auf Rückruf und Entfernung der angegriffenen Ausführungsformen aus den Vertriebswegen, der sich aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140 a Abs. 3 PatG ergibt.

5.
Schließlich hat die Beklagte im zuerkannten Umfang die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen vom Kläger zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m.
§ 140 a Abs. 1 S. 1 PatG.

VI.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung,
§ 148 ZPO.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesge-richt Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch auf eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Patentanspruch – wie hier – im Ein-spruchsverfahren lediglich durch weitere Merkmale angereichert wurde, da in diesem Fall der Erteilungsakt seine Aussagekraft behält. Solange sich die Er-findungshöhe des beschränkten Anspruchs vertretbar begründen lässt, ist im Zweifel von einer Aussetzung der Verhandlung abzusehen (vgl. Küh-nen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rz. 1050).

2.
Dies vorausgeschickt besteht für eine Aussetzung der Verhandlung keine Ver-anlassung.

a)
Entgegen der Auffassung der Beklagten wird die technische Lehre des Klage-patents nicht durch die US 2002/0024559 (Anlagen HLB 9 und HLB 9a) neu-heitsschädlich vorweggenommen. Da die entgegen der erteilten Hinweise lediglich in englischer Sprache vorgelegte US 5,646,660 (Anlage HLB 4 / L 6) nach dem Vortrag der Beklagten im Wesentlichen bis auf die fehlende Offenbarung eines Speichers mit dieser Schrift identisch ist, nimmt auch diese Entgegenhaltung die technische Lehre des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei den in der Entgegenhaltung HLB 9 offen-barten geerdeten Anschlüssen (vgl. Anlage HLB 9, Fig. 6, (90) und (106)) um Kurzschlusserfassungsanschlüsse im Sinne des Klagepatents handelt, wobei die Erfassung von Kurzschlüssen in der Entgegenhaltung nicht erwähnt wird. Jedenfalls fehlt es an einer Offenbarung der Merkmale 3 und 7, nach denen eine Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung, nämlich dem Speicher, verbunden sind, an die eine niedrigere Spannung als an die mit einer zweiten Einrichtung verbundenen zweiten Anschlüsse angelegt werden kann.

Die Beklagte sieht als erste Anschlüsse die in Figur 6 mit den Ordnungsziffern (94), (96), (98), (100) und (102) gekennzeichneten Anschlüsse an. Im Hinblick auf diese Anschlüsse findet der Fachmann in der Entgegenhaltung lediglich in Bezug auf den Anschluss (104), dass dort eine Spannung von +5V und damit eine niedrigere Spannung als an den durch die Beklagte als zweite An-schlüsse angesehenen Anschlüssen (92) und (108) anliegt. Zudem sind die durch die Beklagte als erste Anschlüsse angesehenen Anschlüsse (94), (96), (98), (100) und (102) auch nicht mit dem Speicher als erste Einrichtung verbunden. Vielmehr verbinden die elektrischen Leiter (64) die Kontakte (50) mit der integrierten Schaltung (49), so dass alle Signale von dem externen System (91), die durch die Kontakte (50) gesandt werden, direkt an die integrierte Schaltung (49) geliefert werden, deren Steuer- und Treiber-schaltung (47) sodann Treibersignale (78) und Steuersignale (80) erzeugt (vgl. Anlage HLB 9a, Abschnitt [0046]). Zwar ist die Steuer- und Treiberschaltung wie aus Figur 5 der Entgegenhaltung ersichtlich ihrerseits mit dem Speicherelement (48) verbunden. Dass eine derartige, über die Steuer- und Treiberschaltung (47) vermittelte Schaltung keine Verbindung im Sinne des Klagepatents sein kann, erkennt der Fachmann jedoch bereits daraus, dass die mit einer Spannung von +15 V beaufschlagten Kontakte (92) und (108) ebenfalls mit der integrierten Schaltung (49) verbunden sind, deren Steuer- und Treiberschaltung (47) sodann unter anderem auch ein Heizeleement (72) aufweisen (vgl. Anlage HLB 9a, Abschnitt [0030]), das die Beklagte als zweite Einrichtung im Sinne des Klagepatents ansehen will. Dem Klagepatent geht es demgegenüber gerade darum, dass für verschiedene Einrichtungen, die mit verschiedenen Spannungen beaufschlagt werden, unterschiedliche Kontakte vorhanden sind. Dies ist nach der in der Entgegenhaltung offenbarten Lehre, bei welcher die einzelnen Einrichtungen jeweils über eine integrierte Schaltung (49) angesteuert werden, nicht der Fall.

b)
Die technische Lehre des Klagepatents in der durch die Klägerinnen geltend gemachten eingeschränkten Fassung wird in dem durch die Beklagte entgegen gehaltenen Stand der Technik nicht naheliegend offenbart.

(1)
Bei der EP 1 792 733 A1 (Anlagen L7/L 7a) handelt es sich um nachveröffent-lichten Stand der Technik, so dass die Entgegenhaltung lediglich im Rahmen der Neuheitsprüfung relevant ist, Art. 54 Abs. 3, 56 S. 2 EPÜ. Dass die Entgegenhaltung die technische Lehre des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt, räumt auch die A B C AG im Ein-spruchsverfahren ein, weshalb sie die Entgegenhaltung dort nur unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit, nicht aber der Neuheit diskutiert. Insbesondere sind in der Entgegenhaltung die Merkmale 9 und 10 nicht offenbart (vgl. Anlage HLB 3, S. 24).

(2)
Darüber hinaus wird die technische Lehre des Klagepatents in der streitgegen-ständlichen Fassung von Patentanspruch 1 auch nicht naheliegend in der EP 1 155 864 A1 (Anlagen L 8/ L 8a) i. V. m. der US 5,646,660 (Anlage L 6) bzw. i. V. m. der als Anlage L 12 vorgelegten Spezifikation „Revision 1.0“ offenbart.

Unstreitig sind in der EP 1 155 864 A1 die Merkmale 9 bis 12 nicht offenbart, so dass es insbesondere an einer Offenbarung der spezifischen Anordnung der ersten, zweiten und dritten Kontaktabschnitte fehlt. Zudem fehlt es auch an einer Offenbarung, dass die „electric wires 865“ mit einer höheren Spannung betrieben werden. Schließlich erschließt sich auch nicht, weshalb der in Figur 34A oben mittig dargestellte Anschluss 865 ein Kurzschlusserfassungsanschluss sein soll. Die A B C AG stellt dies in ihrer Einspruchsbegründung lediglich pauschal fest.

Soweit sich die Beklagte im Hinblick auf die nicht offenbarten Merkmale 9 bis 12 darauf beruft, die spezifische Anordnung der Endkontakte entnehme der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden aus Figur 6 der US 5,646,660 (Anlage L 6), ist bereits nicht erkennbar, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, beide Schriften zu kombinieren. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Der bloße Hinweis der Beklagten darauf, der Fachmann sei dadurch zur Übernahme der dort offenbarten Kontaktanordnung motiviert, dass es im Hinblick auf die Kontakte des Druckmittelbehälters keinen wesentlichen Unterschied ausmache, ob als zweite Einrichtung („second device“) ein Heizelement oder ein Piezoelement betrieben werde, lässt einen entsprechenden Anlass jedenfalls nicht erkennen.

Im Hinblick auf die durch die Beklagte weiterhin herangezogene Kombination der Entgegenhaltung L 8 mit der als Anlage L 12 vorgelegten Spezifikation „Revision 1.0“ hat die Klägerin zu 1) im Einspruchsverfahren bereits bestritten, dass dieses Dokument vorveröffentlicht ist. Im Übrigen ist auch nicht erkenn-bar, weshalb der Fachmann die dort offenbarte Pin-Belegung für Grafikkarten auf Druckmaterialbehälter übertragen sollte.

(3)
Die technische Lehre des Klagepatents wird auch nicht in der US 2002/0024559 (Anlagen HLB 9 / HLB 9a) naheliegend offenbart, da bereits nicht ersichtlich ist, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die dort offenbarte, in sich geschlossene Lösung, bei der alle Kontakte zunächst über eine integrierte Steuereinheit (49) verbunden sind, die dann ihrerseits mittels Steuer- und Treibersignalen die einzelnen Elemente ansteuert, derart aufzuspalten, dass nunmehr für die einzelnen, eine unterschiedliche Spannung benötigenden Einrichtungen unterschiedliche Kontakte vorgesehen werden.

(4)
Schließlich wird die technische Lehre des Klagepatents auch nicht durch eine Kombination der US 2002/0024559 (Anlage HLB 9 / HL 14) mit der EP 1 013 426 (Anlage HLB 9 / HL 15) bzw. der EP 0 997 297 (Anlage HLB 9 / HL 16) na-heliegend offenbart, da sich auch diese Schriften nicht mit der Anordnung ver-schiedener, mit jeweils unterschiedlichen Einrichtungen verbundenen und mit unterschiedlichen Spannungen beaufschlagbaren Kontakten beschäftigen.

c)
Das Klagepatent beruht nicht auf einer unzulässigen Erweiterung, Art. 100 lit. c) EPÜ.

(1)
Ein Patent ist dann unzulässig erweitert, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht. Bei der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung ist somit der Gegenstand des Patents, der durch die Patentansprüche definiert wird, mit dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung zu vergleichen. Der Inhalt der Patentanmeldung ist demnach nicht durch den Inhalt der Patentansprüche begrenzt. Vielmehr dürfen alle Gegenstände, die sich einem Fachmann aus der ursprünglichen Anmeldung ohne Weiteres erschließen, zum Gegenstand eines Patents gemacht werden (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage, § 21 Rz. 55 ff.).

(2)
Dies vorausgeschickt ist es unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung nicht hinreichend wahrscheinlich, dass Anspruch 1 des Klagepatents im Einspruchsverfahren tatsächlich für nichtig erklärt werden wird.

Insoweit ist im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zunächst zu be-rücksichtigen, dass die Anmeldeschrift entgegen der den Parteien erteilten Hinweise lediglich als Anlage HLB 1 in englischer Sprache vorgelegt wurde (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 3, 231 – wasserloses Urinal). Im Übrigen rechtfertigt das Vorbringen der Beklagten eine Aussetzung der Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung auch in der Sache nicht.

Soweit die Beklagte den Vorwurf einer unzulässigen Erweiterung zunächst damit begründet, in Patentanspruch 1 werde offen gelassen, ob die von außen an die erste und die zweite Einrichtung angelegte Spannung durch die erste und zweite Einrichtung auf der Tintenpatrone oder Platine vorgegeben sei oder willkürlich gewählt werde, vermag dies den Vorwurf der unzulässigen Erweiterung bereits deshalb nicht zu begründen, weil es bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung letztlich nur darum geht, dass eine höhere Spannung an der zweiten Einrichtung anliegt, die deren Betrieb ermöglicht, und nicht darum, was in dem theoretischen Fall gilt, wenn eine niedrigere Spannung angelegt wird.

Zudem stellt auch die Ergänzung von Merkmal 8, dass die druckerseitigen Anschlüsse „Kurzschlusserfassungsanschlüsse“ sind, keine unzulässige Erweiterung des Klagepatents dar, da Merkmal 8 – wie bereits dargelegt – derart auszulegen ist, dass der mindestens eine dritte Anschluss lediglich dazu geeignet sein muss, Kurzschlüsse (im Zusammenwirken mit einem entsprechenden Anschluss an einem Drucker) zu erfassen. Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung des Druckers sind dem Merkmal demgegenüber nicht zu entnehmen.

d)
Ohne Erfolg macht die Beklagte schließlich die mangelnde Ausführbarkeit des Klagepatents geltend, Art. 83 EPÜ.

Eine Erfindung ist dann ausführbar, wenn es einem Fachmann möglich ist, die Erfindung anhand der Offenbarung praktisch zu verwirklichen (vgl. Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Auflage, § 34 Rz. 349). Dies ist bei der tech-nischen Lehre des Klagepatents jedoch der Fall. Zwar trifft es zu, dass durch die Tintenpatrone selbst nicht gewährleistet werden kann, dass an einen be-stimmten Anschluss der Tintenpatrone eine höhere Spannung angelegt wird als an andere Anschlüsse. Darauf kommt es patentgemäß jedoch, wie im Einzelnen im Rahmen der Auslegung des Klagepatents dargelegt wurde, auch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die zweiten Anschlüsse dazu geeignet sind, dass an sie bei der Verwendung der Patrone in einem Drucker eine höhere Spannung als an den ersten Anschlüssen anliegt.

Darüber hinaus ist es für eine hinreichende Offenbarung auch nicht erforderlich, dass das Klagepatent eine körperliche Ausgestaltung des Kurzschlusserfassungsabschnittes vorgibt. Maßgeblich ist, ob die merkmalsgemäße Ausgestaltung nach der Gesamtoffenbarung aus fachmännischer Sicht als mögliche Ausführungsform der zum Patent angemeldeten Erfindung erscheint (vgl. BGH GRUR 2010, 599 – Formteil). Dies ist im Hinblick auf das Vorsehen von Kurzschlusserfassungs-anschlüssen unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung und der Zeichnungen der Fall.

VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten rechtfertigt eine Wiedereröffnung der Verhandlung nicht, da die Frage der unzulässigen Erweiterung auch unter dem durch das Europäische Patentamt aufgegriffenen Aspekt in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert wurde und es sich im Übrigen auch nur um eine vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung handelt, § 296a ZPO.