4a O 148/10 – Fahrgastsitz

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1600

Landgericht Düsseldorf
Teilurteil vom 10. März 2011, Az. 4a O 148/10

I. Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 12.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2010 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen.

III. Der Beklagte zu 2) trägt seine außergerichtlichen Kosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu ¼. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zu ¾.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin – ein Zulieferunternehmen der Produktion von Verkehrsmitteln für den Personennahverkehr – ist Inhaberin des Patents DE 197 58 XXX (im Folgenden: Klagepatent), welches am 15. Oktober 1997 angemeldet wurde. Die Bekanntmachung erfolgte am 22. April 1999. Die Patenterteilung wurde am 11. September 2008 veröffentlicht. Das Klagepatent betrifft einen Fahrgastsitz für ein Personennahverkehrsmittel.

Hauptanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

„Fahrgastsitz für ein Personennahverkehrsmittel mit einem eine Rückenschale und eine Sitzschale aufweisendem Mittelabschnitt und jeweils an den Seiten des Mittelabschnitts angeordneten Tragholmen, wobei die Tragholme und der Mittelabschnitt einstückig gegossen sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Tragholme (5, 6) in ihrem Querschnitt annähernd C-förmig ausgebildet und jeweils mit mehreren parallel in Längsrichtung des Tragholms (5, 6) angeordneten Rippen (7) versehen sind, wobei sich in Richtung einer Polsterung (20, 21) Zwischenräume zwischen den Rippen (7) befinden“

Diese Sitze werden unter der Bezeichnung „C“ von der Klägerin vertrieben.

Die Beklagte zu 1) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23. Januar 2008 gegründet.

Am 12. April 2004 unterzeichnete der Beklagte zu 2. sowohl für die Beklagte zu 1. als auch im eigenen Namen eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, in der die Beklagten sich bei Meidung einer Vertragsstrafe verpflichteten keine Fahrgastsitze, die dem Klagepatent entsprechen, herzustellen, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Die Höhe der Vertragsstrafe wurde in das im Streifall durch ein Gericht zu überprüfende Ermessen der Klägerin gestellt.

Die A GmbH erkannte eine Patentverletzung durch die Einfuhr mit dem Klagepatent baugleicher Sitze und Lieferung an die B GmbH in dem Verfahren vor dieser Kammer (AZ: 4a O 257/09) an. Sie gab an, dass die Sitze von der Beklagten zu 1. stammten.

Am 23. April 2010 gab der Beklagte zu 2. für die Beklagte zu 1. ein Paket in Köln auf, welches an die C GmbH in D/E gerichtet war. Das Paket stammte von A Niederlande.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2010 forderte die Klägerin aufgrund des Pakets mit vermeintlich patentverletzenden Sitzschalen die Beklagte zu 1. auf, eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 € zu zahlen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte zu 1. nicht nach.

Über das Vermögen der Beklagten zu 1. wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 22. November 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin behauptet, dass in dem Paket sich wesentliche Bestandteile für die Sitze befunden hätten, die unter den Schutzbereich des Klagepatents fielen, was von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird. Dabei habe es sich um Austauschsitze für beschädigte Sitze aus der Lieferung A Deutschland an die B GmbH gehandelt. Der Beklagte zu 2. habe in voller Kenntnis des Inhalts des Pakets dieses an die C GmbH versendet. Der Beklagte zu 2. habe die fehlerhaften Sitzschalen bei der C GmbH überprüft und die Sendung neuer Sitzschalen zugesichert. Dies ergebe sich aus zwei E-Mails. Mit der Mail vom 27. Januar 2010 habe der Beklagte zu 2. die Lieferung neuer Sitzschalen der C GmbH in Aussicht gestellt. Am 23. April 2010 habe der Beklagte zu 2. den Versand per E-Mail bestätigt. Sie ist daher der Ansicht, dass die Paketversendung in voller Verletzungsabsicht geschehen sei, was eine hohe Vertragsstrafe rechtfertige.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu 1. und den Beklagten zu 2. gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 50.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 24. Juni 2010 zu zahlen.

Der Beklagte zu 2. beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2. behauptet, dass er das Paket ohne Kenntnis des Inhalts lediglich weitergeleitet habe. Er habe Rückenpolster in dem Paket vermutet. Es habe ursprünglich aus der Türkei gestammt. Es habe sich daher allenfalls um ein Versehen gehandelt. Die Beklagte zu 1. habe die Sitzschalen, die Gegenstand des oben genannten Verfahrens waren, zu einem Stückpreis von 15,50 € abgegeben. Gemäß der Größe des Pakets hätten allenfalls vier Sitzschalen in dem Paket sein können, sodass der Verletzungsumfang sehr gering sei. Ein Treffen in den Räumlichkeiten der C GmbH habe es nur am 26. Januar 2010 gegeben. Zu dem Zeitpunkt hätten die Beklagten noch keine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist hinsichtlich der Beklagten zu 1) nach § 240 Abs. 1 ZPO aufgrund des eröffneten Insolvenzvertrages unterbrochen. Dies berührt aber die Klage gegen den Beklagten zu 2. nicht. Bei der einfachen Streitgenossenschaft tritt die Unterbrechung nur hinsichtlich desjenigen Beteiligten ein, gegen den das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (Zöller-Greger, ZPO, 28. Auflage, § 240, Rn. 7).

Die Klage ist zulässig.

Auch ein Teil-Urteil gegen einen einfachen Streitgenossen, das den Rechtsstreit gegen diesen beendet, ist zulässig (BGHZ 148, 214 (216); BGH, NJW 2007, 157; Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 301, Rn. 4).

Die Klage ist aber nur im tenorierten Umfang begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 12.500,00 € aus der Verpflichtungserklärung gegen den Beklagten zu 2.

Der Beklagte zu 2. hat aufgrund eines schuldhaften Verstoßes gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung eine Vertragsstrafe verwirkt.
Der Beklagte zu 2. hat sich wirksam zum Unterlassen der Verletzung des Klagepatents und der Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet.
Eine Zuwiderhandlung liegt hier in der Weiterleitung des Pakets vor. In dem Paket befanden sich patentverletzende Sitzschalen, wobei das diesbezügliche Bestreiten mit Nichtwissen des Beklagten zu 2) ins Leere geht. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 2. in zulässiger Weise mit Nichtwissen den patentverletzenden Inhalt des Pakets bestritten hat. Der Beklagte kann nach § 138 Abs. 4 ZPO nur mit Nichtwissen bestreiten, wenn er tatsächlich keine Kenntnis hat, d.h. der Vorgang sich außerhalb seiner Wahrnehmung abgespielt hat. (Zöller-Greger, ZPO, 28. Auflage, § 139, Rn. 13). Zumindest im Hinblick auf die E-Mail vom 23. April 2010 (Anlage K 9), hat hier die Klägerin dargelegt, dass der Beklagte zu 2. wusste, dass sich in dem Paket Sitzschalen befunden haben. Mit der E-Mail hat der Beklagte zu 2. den Inhalt des Pakets an die C GmbH bestätigt. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2. Kenntnis hatte, sodass das Bestreiten mit Nichtwissen wie Nichtbestreiten zu werten ist (Zöller-Greger, ZPO, 28. Auflage, § 139, Rn. 13).
Der Beklagte zu 2. handelte auch schuldhaft. Liegt eine Zuwiderhandlung vor, wird das Verschulden vermutet. Er muss sich exkulpieren (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 12, Rn. 1.152). Aufgrund der E-Mail vom 23. April 2010 ist hier davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2. den patentverletzenden Inhalt des Paketes kannte. Dem ist er nicht hinreichend entgegengetreten. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass er dachte, dass das Paket Rückenpolster zum Inhalt gehabt habe. In der E-Mail hat er ausdrücklich den Versand von Sitzschalen bestätigt. Er handelte daher in voller Kenntnis des Inhalts des Pakets und damit vorsätzlich.

Mit der Aufforderung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 € hat die Klägerin ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da eine Vertragsstrafe in dieser Höhe unter Abwägung aller relevanten Umstände übersetzt erscheint. Vielmehr ist ein Betrag von 12.500,00 € angemessen.

Die Höhe der Vertragsstrafe hängt von der Größe des Unternehmens ab, vom Umsatz und möglichen Gewinn, von der Schwere und dem Ausmaß der Zuwiderhandlung, von deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, vom Verschulden des Verletzers, von dessen Interesse an gleichartigen Begehungshandlungen, aber auch von dem im Zusammenhang mit dem Verstoß auch nachträglich gezeigten Verhalten des Verletzers (BGH, GRUR 1983, 127 (129) –Vertragsstrafeversprechen; BGH, GRUR 1994, 146 (148) – Vertragsstrafebemessung; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 12, Rn. 1.139). Um als Druckmittel zu wirken, muss die Vertragsstrafe so hoch sein, dass ein Verstoß sich für den Verletzer voraussichtlich nicht mehr lohnt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 12, Rn. 1.139).
Vor diesem Hintergrund erscheint hier der obige Betrag angemessen, aber auch ausreichend, um den Beklagten zu 2. von zukünftigen Verletzungen abzuhalten.

Zugunsten des Beklagten zu 2. ist anzuführen, dass hier ein einmaliger Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung bekannt geworden ist. Zudem ist ihm auch nur eine untergeordnete Beteiligung an der Verletzung zuzuordnen. Sein Handlungsbeitrag erschöpft sich in dem Weiterleiten des Pakets mit dem patentverletzenden Inhalt an die C GmbH in D/E von der A Niederlande. Ferner ist der Klägerin nur ein geringer Schaden entstanden. In dem Paket befand sich nur eine kleine Stückzahl von fünf Sitzschalen, die als Ersatz für beschädigte bzw. fehlerhafte Sitzschalen geliefert wurden. Der Gesamtwert betrug gemäß den unwidersprochenen Angaben des Beklagten zu 2. insgesamt 62,00 €. Bei der Beklagten zu 1., dessen Geschäftsführer der Beklagten zu 2. ist, handelt es sich um ein kleines Unternehmen, welches inzwischen Insolvenz angemeldet hat.

Gegen den Beklagten zu 2. fällt ins Gewicht, dass er, wie bereits dargestellt, vorsätzlich gehandelt hat. Angesichts der E-Mail vom 23. April 2010 ist davon auszugehen, dass er wusste, dass sich in dem Paket die fraglichen Sitzschalen befunden haben. Zudem fand die Handlung nur wenige Tage nach der Abgabe der Unterlassungserklärung statt, sodass er in voller Kenntnis der Vertragspflichtverletzung gehandelt hat und ihm bewusst war, dass der Klägerin die Verteidigung ihrer Schutzrechte wichtig ist. Er hat sich somit bewusst über die vertragliche Vereinbarung hinweggesetzt. Dies gilt umso mehr, als dass der Beklagte zu 2. ursprünglich bei der Klägerin beschäftigt war. Zwar ist die Beklagte zu 1. inzwischen insolvent. Dies führt aber nicht dazu, dass nicht auch weiterhin die Gefahr besteht, dass der Beklagte zu 2. in Zukunft gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verstoßen kann und damit das Klagepatent verletzt.

Die oben genannte Summe erscheint dennoch als ausreichendes Druckmittel, um weitere Verletzungshandlungen zu verhindern. Gleichzeitig erfüllt sie den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe. Hier gilt zu berücksichtigen, dass angesichts des geringen Schadens, der der Klägerin entstanden ist, die Vertragsstrafe nur zu einem minimalen Anteil auch den Schaden ersetzt, sondern sich in der Sanktions- und Verhütungsfunktion weitgehend erschöpft.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Klägerin nur einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hat. Der erhöhte Zinsanspruch nach § 288 Abs. 2 BGB kommt nur bei Entgeltforderungen in Betracht, mithin Zahlungen als Gegenleistung für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen. Vertragsstrafen gehören nicht dazu (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 286, Rn. 27). Auch kann die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2. erst Zinsen seit Rechtshängigkeit, mithin dem 24. Juli 2010, geltend machen. Die Aufforderung zur Zahlung der Vertragsstrafe mit der verzugsbegründenden Fristsetzung war lediglich an die Beklagte zu 1. gerichtet.

VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Eine Teilkostenentscheidung ist zulässig, wenn wie hier das Teil-Urteil den Rechtsstreit hinsichtlich eines einfachen Streitgenossen beendet (BGH, NJW-RR 2001, 642; Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 301, Rn. 4, 11).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.