4a O 222/10 – Filtrieren eines Fluids

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1629

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Februar 2011, Az. 4a O 222/10

I. Die Klage wird, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist nach ihrem durch die Beklagte mit Nichtwissen bestrittenen Vortrag ausschließliche Lizenznehmerin des deutschen Patents 102 54 XXX B4, welches am 20.11.2002 angemeldet und dessen Erteilung am 29.07.2004 veröffentlicht wurde (im Folgenden: Klagepatent). Gegenstand des Klagepatents ist eine Vorrichtung zum Filtrieren eines Fluids, insbesondere für kunststoffverarbeitende Anlagen.

Da die Klägerin der Auffassung war, dass die Vorrichtung „A Model B-1XX BF“ der Beklagten (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform, vgl. Anlagen K 8 – K 10) das Klagepatent verletzt, versandte sie zunächst an die Beklagte das als Anlage B 1 vorgelegte Schreiben, in welchem es unter anderem heißt:

„Es ist allgemeine Praxis hier in Deutschland, die Gelegenheit zur offe-nen Diskussion der Patentsituation zu geben, bevor gerichtliche Schritte unternommen werden.

Wir haben Sie daher aufzufordern uns zu erklären, welche Unterschiede zwischen unseren Siebwechslern, wie sie in den oben genannten Patenten definiert sind, und ihren Siebwechslern des Modells B 1XX BG; die auch in Deutschland angeboten werden, zu erläutern.

Wir bitten Sie daher höflich um eine Antwort bis zum

12. April 2010

[…]“

Der Inhalt des im Original englischsprachigen Schreibens ist zur Vermeidung von Wiederholungen ausschließlich entsprechend der Übersetzung der Beklagten, deren inhaltliche Richtigkeit die Klägerin nicht beanstandet hat, wiedergegeben worden. Dies gilt in gleicher Weise für den Inhalt der nachfolgend zitierten Schreiben, soweit diese in englischer Sprache versandt wurden.

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin in dem als Anlage B 2 vorgelegten Schreiben vom 30.04.2010 sinngemäß mit, sie habe bezüglich des Klagepa-tents Schwierigkeiten, eine eindeutige Übersetzung der Ansprüche und Be-schreibung zu erhalten. Sie glaube, dass der PSI-Filterapparat nicht in den Schutzbereich des Klagepatents falle, habe aber einen deutschen Patentanwalt eingeschaltet. Sie habe bisher keine Verkäufe der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen und plane solche auch nicht. Darüber hinaus äußerte die Beklagte den Wunsch, die Angelegenheit einvernehmlich zu regeln.

Mit Schreiben vom 08.06.2010 (Anlage B 3) setzte die Klägerin für den Erhalt der Einschätzung des von der Beklagten eingeschalteten deutschen Patentanwalts eine weitere Frist bis zum 23.06.2010. Nachdem die Beklagte diese Frist nicht eingehalten hatte, erfolgte eine weitere Kontaktaufnahme durch den auf Klägerseite mitwirkenden Patentanwalt E. In dem als Anlage B 4 vorgelegten, englischsprachigen Schreiben vom 01.08.2010 heißt es unter anderem in deutscher Übersetzung:

„Im Hinblick auf die Messe „G“, die in F in etwa zwei Monaten stattfinden wird, laden wir sie ein, uns bis zum

23. August 2010

zu erklären, warum Ihre Maschinen keines der H Patente verletzen. Es wird jedoch nicht ausreichend sein, erneut nur den Wortlaut der Ansprüche unserer Patente mit der Schlussfolgerung zu wiederholen, dass Ihre Maschinen diese Merkmale nicht aufweisen. Zur Vermeidung jeglicher gerichtlicher Maßnahmen hier in Deutschland sollten Sie über-zeugende Beweise dafür liefern, dass Ihre Maschinen nicht verletzen. […]

Wir sind daher bereits angewiesen, weitere Maßnahmen vorzubereiten, so dass dieser Brief der letzte Versuch ist und nur zwei Alternativen be-stehen: Entweder sind Sie in der Lage, uns zu überzeugen, dass rele-vante Unterschiede zwischen den Gegenständen sowohl der Patente als auch Ihres Siebwechslers B-1XX BF bestehen, oder weitere Maß-nahmen vor oder während der besagten Messe erfolgen.“

Daraufhin meldete sich für die Beklagte mit einem englischsprachigen Schrei-ben vom 23.08.2010 (Anlage B 5) des Patentanwalts I, welcher insbesondere erhebliche Zweifel am Rechtsbestand des Klagepatents äußerte und dies ausführlich begründete. Zugleich betonte Patentanwalt I, dass die Beklagte an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sei. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 07.09.2010 auf, ihr diese Stellungnahme in deutscher Sprache zu übermitteln. Dieser Bitte kam die Be-klagte mit Schreiben vom 05.10.2010 nach.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2010, welcher der Beklagten auf der Messe „G“ am 29.10.2010 zugestellt wurde, hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage wegen Verletzung des Klagepatents erhoben und beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, im Ge-biet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,

Vorrichtungen zum Filtrieren eines Fluids, insbesondere eines verflüssigten Kunststoffes, mit einem Gehäuse mit einem Zufuhrkanal, einem Abfuhrkanal und Rückspülkanälen, Siebträger mit mindestens zwei plattenartigen Sieben, die in entsprechenden Siebräumen räumlich verschieblich gelagert im Strömungsweg des Fluids quer zur Strömungsrichtung angeordnet mit dem Zufuhrkanal und dem Abfuhrkanal in Verbindung bringbar sind,

anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken zu besitzen,

bei denen

jeder Siebraum zwei im Siebträger ausgearbeitete Siebträgerkanäle aufweist, die vom Siebraum zum Abfuhrkanal hin gerichtet sind,

der Abfuhrkanal vier Gehäuseteile aufweist, die zum Abfuhrkanal zusammenlaufen,

die Siebträgerteilkanäle mit den Gehäuseteilkanälen durch Verschieben des Siebträgers zur Führung des Fluids verbindbar sind,

durch Verschieben des Siebträgers die Siebräume mit den Rückspülkanälen verbindbar sind;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29.08.2004 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, Lieferzeiten und Liefer-preise sowie der Namen und Anschriften der ge-werblichen Lieferempfänger;
b) der Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreise sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern mit Auflagenhöhe, Werbezeiten,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

3. an die Klägerin vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 4.514,- EUR nebst 5 Prozent Zinsen jährlich über dem Basiszinssatz daraus seit Klagezustellung zu zahlen;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der dieser durch die in Ziffer I. 1. bezeich-neten und seit dem 29.08.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und entstehen wird.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.12.2010 erklärte die Beklagte, sie werde sich im Wesentlichen nicht gegen die Klage verteidigen. Zugleich gab sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aber rechtsverbindlich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und verpflichtete sich, H den näher bezeichneten Schaden zu erstatten. Schließlich erteilte die Beklagte Auskunft. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Erklärungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Schriftsatz vom 15.12.2010 Bezug genommen.

Daraufhin haben die Prozessbevollmächtigten den Rechtsstreit in der mündli-chen Verhandlung vom 16.12.2010 mit Ausnahme des Antrages zu I. 3. in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und insoweit wechselseitige Kostenanträge gestellt. In Bezug auf den Antrag zu I. 3. hat die Beklagte bean-tragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Klägerin, der im Übrigen auch kein Anspruch auf Er-stattung der außergerichtlichen Kosten zustehe, seien die Kosten des Rechts-streits aufzuerlegen. Zum Einen sei der Vortrag zur Aktivlegitimation unzurei-chend. Zum Anderen seien der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auch nach § 93 ZPO aufzuerlegen, da es an einer ordnungsgemäßen Abmahnung fehle.

Dem tritt die Klägerin entgegen. Insbesondere habe sich die Beklagte vor Kla-geerhebung so verhalten, dass die Klägerin habe davon ausgehen müssen, sie werde ohne eine Klage nicht zu ihrem Recht kommen.

In Ergänzung dieses Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht überein-stimmend für erledigt erklärt haben, in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten zu, wobei sich ein solcher Anspruch insbesondere weder aus §§ 683 S. 1, 670 BGB, noch aus § 139 Abs. 2 BGB ergibt. Unabhängig davon, ob die Klägerin vorliegend aktivlegitimiert ist, handelt es sich bei den durch die Klägerin vorgerichtlich versandten Schreiben um keine Abmahnung, sondern um eine bloße Berechtigungsanfrage, deren Kosten die Klägerin nicht erstattet verlangen kann.

Unter einer Abmahnung ist das eindeutige, ernsthafte und endgültige, aus-drücklich oder konkludent geäußerte Verlangen gegenüber einem bestimmten Adressaten, die Benutzung eines genannten Patents zu unterlassen, zu verstehen (vgl. Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Auflage, § 139 Rz. 189 m. w. N.). Keine Abmahnung liegt daher vor, wenn der Patentinhaber, wenn auch nachdrücklich, nur zur Stellungnahme über die Schutzrechtslage auffordert oder anfragt, aus welchen Gründen sich der Adressat zur Benutzung für berechtigt hält. Das gilt auch, wenn für den Fall des Ausbleibens einer Antwort angedroht wird, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Verlangen, das ersichtlich einem Meinungsaustausch über das Patent zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers dient, ist daher noch keine Abmahnung (vgl. Schulte/Kühnen, a. a. O.,
§ 139 Rz. 190 m. w. N.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich ausgehend von diesen Überlegungen bei den durch sie versandten Schreiben somit um keine Abmahnung, sondern um eine bloße Berechtigungsanfrage. Zwar hat die Klägerin bereits in dem als Anlage B 1 vorgelegten Schreiben darauf hingewiesen, dass es in Deutschland üblich sei, vor der Einleitung gerichtlicher Schritte Gelegenheit zum Meinungsaustausch zu geben. Auch hat die Klägerin in dem als Anlage B 4 vorgelegten patentanwaltlichen Schreiben vom 01.08.2010 erwähnt, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden sollen, soweit es der Beklagten nicht gelingen sollte, die Klägerin davon zu überzeugen, dass die Beklagte das Klagepatent nicht verletzt. Gleichwohl handelt es sich bei all diesen Schreiben um eine, wenn auch zuletzt nachdrückliche, Aufforderung zum Meinungsaustausch.

So hat die Klägerin in dem als Anlage B 1 vorgelegten Schreiben ausdrücklich klargestellt, dass ein derartiger Meinungsaustausch vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Schritte üblich sei und um eine Stellungnahme gebeten. Nach ei-nem weiteren Schriftwechsel, in welchem die Beklagte im Wesentlichen um die Einräumung der Gelegenheit zur Hinzuziehung eines deutschen Patentanwaltes gebeten hat, wiederholte die Klägerin mit dem als Anlage B 4 vorgelegten Schreiben nachdrücklich ihre Aufforderung zur Stellungnahme. Eine Aufforderung zur Unterlassung enthielt auch dieses Schreiben nicht, so dass auch dieses Schreiben bereits aus diesem Grund keine Abmahnung darstellen kann. Eine weitere inhaltliche Stellungnahme der Klägerin erfolgte nicht, so dass die Klägerin die Beklagte nicht abgemahnt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 91a, 93 ZPO. Die Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 15.12.2010 und damit noch vor dem frühen ersten Termin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgege-ben, die geforderte Auskunft erteilt und sich zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Da die Beklagte auch keine Veranlassung zur Klage gegeben hat, waren die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.

Anlass zur Klage ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die bei der Klägerin vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen mussten, sie werde ohne die Klage nicht zu ihrem Recht kommen. Der Verletzte muss daher in der Regel den Verletzer vor Erhebung der Unterlassungsklage abmahnen, wenn er für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses der Kostenfolge des
§ 93 ZPO entgehen will. Dem ist die Klägerin, wie bereits dargelegt, jedoch nicht nachgekommen.

Die vorherige Mahnung der Beklagten war auch nicht entbehrlich. Eine Abmahnung ist grundsätzlich nur dann entbehrlich, wenn die mit der vorherigen Mahnung notwendig verbundene Verzögerung unter Berück-sichtigung der gerade im konkreten Fall gegebenen außergewöhnlichen Eilbedürftigkeit schlechthin nicht mehr hinnehmbar war, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte für die Klägerin feststand, dass eine Abmahnung der Beklagten erfolglos bliebe, oder sich der Klägerin bei objektiver Sicht der Eindruck geradezu aufdrängen musste, die Beklagte baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen.

Anhaltspunkte hierfür sind jedoch weder vorgetragen, noch ersichtlich. Auch wenn sich die Beklagte erst nach wiederholter Aufforderung mit dem als Anlage B 5 vorgelegten patentanwaltlichen Schreiben vom 23.08.2010 ausführlich inhaltlich zur Frage einer möglichen Verletzung des Klagepatents geäußert hat, durfte und musste die Beklagte spätestens nach der Aufforderung vom 07.09.2010, die Stellungnahme auf Deutsch zu übersenden, davon ausgehen, dass die Klägerin weiterhin an einem außergerichtlichen Meinungsaustausch interessiert ist. Der bloße Hinweis in dem Schreiben vom 01.08.2010, es würden weitere Maßnahmen für den Fall vorbereitet, dass es der Beklagten nicht gelingen sollte, die Klägerin davon zu überzeugen, dass die Beklagte das Klagepatent nicht verletzt, rechtfertigt keine andere Bewertung, da es sich dabei auch zunächst um eine förmliche Abmahnung handeln konnte. Schließlich war der Klägerin eine Abmahnung auch unter Berücksichtigung des Interesses an einer Zustellung auf der Messe „G“ möglich, da der Klägerin, die zuvor mit der Beklagten ausschließlich in englischer Sprache korrespondiert hat, die als Anlage B 5 vorgelegte Stellungnahme zumindest am 07.09.2010 und damit fast zwei Monate vor der Messe vorlag und im Übrigen selbst auf der Messe noch eine mit einer kurzen Stellungnahmefrist versehene Abmahnung möglich gewesen wäre.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird bis zum 16.12.2010 auf 500.000,- EUR, danach auf 4.514,- EUR sowie die Kosten des Rechtsstreits festgesetzt.