4a O 228/10 – Feuerfester Formstein (Arbeitnehmererf.)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1754

Landgericht Düsseldorf
Teilurteil vom 22. November 2011, Az. 4a O 228/10

Rechtsmittelinstanz: 2 U 110/11

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze die Beklagte vom 01.12.2004 bis zum 31.12.2010 mit Aufträgen erzielte, bei denen die „A“-Erfindung des Klägers verwendet wurde, mit folgenden Angaben:

a) Kunde

b) Anlage

c) Umsätze der Gesamtaufträge in Euro

d) Rechnungsdatum

e) Zahlungseingang (Datum und Höhe)

wobei die „A“-Erfindung folgende Merkmale aufweist:

Feuerfester plattenförmiger Formstein für das Auskleiden eines Feuerraumes, wobei der Formstein zueinander parallele, Wärme abführende Rohre abdeckt und rückseitig parallele teilzylindrische Längsausnehmungen aufweist, in denen jeweils ein Rohr teilweise derart hineinreicht, dass zwischen Rohraußenwand und der Wand der Längsausnehmung ein Abstand besteht, der von einem Mörtel oder Beton ausfüllbar ist, und wobei der Formstein mindestens eine senkrechte, sich nach innen erweiternde Nut aufweist, um den Kopf mindestens eines Haltestiftes aufzunehmen, der an einem Rohr oder an einem Steg der Rohre befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, dass das untere Ende der Nut sich zu einer nach unten offenen Ausnehmung erweitert, der durch Mörtel ausfüllbar ist, um einen Mörtel-Sockel zu bilden.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Angaben nach Ziff. 1 mittels Rechnungen oder Zahlungsbelegen nachzuweisen,

wobei es der Beklagten hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer statt dem Kläger einem von ihm zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Aufstellung enthalten ist.

3. Hinsichtlich des weiter gefassten Auskunfts- und Rechnungslegungsantrags des Klägers wird die Klage abgewiesen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung.

Der Kläger war bei der Beklagten als technischer Geschäftsführer angestellt. Vertraglich war zwischen den Parteien vereinbart, dass Erfindungen des Klägers als Diensterfindungen nach dem ArbAG behandelt werden sollten. Noch während seiner Tätigkeit für die Beklagte machte der Kläger zusammen mit Herrn Uwe B, einem weiteren damaligen Arbeitnehmer der Beklagten, eine Erfindung, von welcher die Beklagte seit Ende 2004 Gebrauch macht. Diese Erfindung meldete der Kläger unter dem 21.09.2006 förmlich als Diensterfindung an (siehe Anlage K 1), welche von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2006 schriftlich unbeschränkt in Anspruch genommen wurde. Die Parteien trafen unter dem 28.11.2006/05.12.2006 eine Vereinbarung über die Überleitung der Diensterfindung auf den Arbeitgeber. Sie einigten sich unter dem 09.02.2007 über die Höhe der Vergütung (siehe Anlage K 3.1). Hiernach sollte eine Vergütung auf Grundlage der Formel V (Vergütung) = U (Umsatz) x L (Lizenzansatz) x A (Anteilsfaktor) x R (Anteil der Erfindung an der Vorrichtung/dem Verfahren) x EA (Erfinderanteil) berechnet werden. Die Vereinbarung enthält eine Beispielsrechnung sowie die Formulierung: „Entsprechend dieser Beispielsrechnung werden die Umsätze, die mit dieser Erfindung getätigt werden, zukünftig abgerechnet.“ Dem voraus ging eine Besprechung vom 16.01.2007 (an der der Kläger nicht teilnahm), im Zuge derer ein Besprechungsprotokoll angefertigt wurde. Unter anderem wurde in dem Besprechungsprotokoll auch der Begriff „Umsatz“ wie folgt festgehalten: „Ermittelt wird der gesamte Umsatz des Unternehmens, bei dem die Erfindung irgendeine konkrete Rolle gespielt hat. Erfasst wird der Wert aller Aufträge, bei denen das Erfindungsprodukt in irgendeiner Form mitgewirkt hat“ (siehe S. 2 der Anlage A 8). Die einzelnen Begriffe wurden so, wie sie im Besprechungsprotokoll festgehalten wurden, bereits vor der Besprechung unter anderem dem Kläger vorgestellt und erläutert.

Auf Anmeldung der Beklagten hin wurde die Erfindung unter der Bezeichnung „Feuerfester Formstein“ bereits vor der förmlichen Anmeldung der Erfindung als Diensterfindung unter dem 17.11.2005 unter dem Aktenzeichen DE 20 2005 018 XXX U1 als Gebrauchsmuster angemeldet und am 26.01.2006 eingetragen. Sein Schutzanspruch 1 lautet:

„Feuerfester plattenförmiger Formstein (1) für das Auskleiden eines Feuerraumes, wobei der Formstein zueinander parallele, Wärme abführende Rohre (7) abdeckt und rückseitig parallele teilzylindrische Längsausnehmungen (6) aufweist, in denen jeweils ein Rohr (7) teilweise derart hineinreicht, dass zwischen Rohraußenwand und der Wand der Längsausnehmung (6) ein Abstand (9) besteht, der von einem Mörtel oder Beton ausfüllbar ist, und wobei der Formstein (1) mindestens eine senkrechte, sich nach innen erweiternde Nut (11) aufweist, um den Kopf (14) mindestens eines Haltestiftes (15) aufzunehmen, der an einem Rohr (7) oder an einem Steg (8) der Rohre befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, dass das untere Ende der Nut (11) sich zu einer nach unten offenen Ausnehmung (19) erweitert, der durch Mörtel ausfüllbar ist, um einen Mörtel-Sockel zu bilden.“

Zudem hat die Beklagte die Erfindung unter dem Aktenzeichen EP 1 788 XXX zum Patent angemeldet. Das Patent wurde bislang nicht erteilt.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe mit der streitgegenständlichen Erfindung erhebliche Umsätze erzielt. Teilweise seien Großprojekte allein aufgrund der streitgegenständlichen Erfindung akquiriert worden. Die einzelnen Begriffe in der Vergütungsformel hätten diejenige Bedeutung, die ihnen in der Besprechung am 18.01.2007 zugedacht wurde und deren Definitionen festgehalten worden seien. Hinsichtlich des Umsatzes, der für die Berechnung der Vergütung zugrunde zu legen sei, sei der gesamte Umsatz des Unternehmens maßgeblich, bei dem die Erfindung irgendeine konkrete Rolle gespielt habe, was sich bereits aus der Besprechungsnotiz des Justiziars D vom 18.01.2007 ergebe (siehe Anlage A 6). Es komme darauf an, dass betriebswirtschaftlich Umsatz erzielt werde, was mit Stellung der Rechnung der Fall sei. Er ist der Ansicht, ein Wirtschaftsprüfervorbehalt für die Beklagte sei bereits deshalb nicht veranlasst, weil der Kläger nicht im Wettbewerb tätig sei. Allein der Kontakt des Klägers mit seinem Miterfinder rechtfertige einen derartigen Vollstreckungsschutzantrag nicht.

Der Kläger hat mit der am 19.10.2010 zugestellten Klage zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 19.008,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2009 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Nachdem die Beklagte die Forderung in Höhe von 1.947,00 € anerkannt hat, ist über diesen Betrag ein Teil-Anerkenntnisurteil ergangen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze die Beklagte vom 01.12.2004 bis zum 31.12.2010 mit Aufträgen erzielte, bei denen die „A“-Erfindung des Klägers verwendet wurde, mit folgenden Angaben:

a) Kunde

b) Anlage

c) Umsätze der Gesamtaufträge in Euro

d) Rechnungsdatum

e) Zahlungseingang (Datum und Höhe)

wobei die „A“-Erfindung folgende Merkmale aufweist:

Feuerfester plattenförmiger Formstein für das Auskleiden eines Feuerraumes, wobei der Formstein zueinander parallele, Wärme abführende Rohre abdeckt und rückseitig parallele teilzylindrische Längsausnehmungen aufweist, in denen jeweils ein Rohr teilweise derart hineinreicht, dass zwischen Rohraußenwand und der Wand der Längsausnehmung ein Abstand besteht, der von einem Mörtel oder Beton ausfüllbar ist, und wobei der Formstein mindestens eine senkrechte, sich nach innen erweiternde Nut aufweist, um den Kopf mindestens eines Haltestiftes aufzunehmen, der an einem Rohr oder an einem Steg der Rohre befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, dass das untere Ende der Nut sich zu einer nach unten offenen Ausnehmung erweitert, der durch Mörtel ausfüllbar ist, um einen Mörtel-Sockel zu bilden.

2. die Beklagte zu verurteilen, die Angaben nach Ziff. 1 mittels Rechnungen oder Zahlungsbelegen nachzuweisen,

3. die Beklagte gegebenenfalls zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskünfte zu Ziff. 1 eidesstattlich zu versichern (zweite Stufe);

4. die Beklagte zu verurteilen, über den bereits anerkannten Betrag von 1.947,00 € hinaus nach Erteilung der Auskunft eine der Höhe nach noch zu bestimmende Arbeitnehmererfindervergütung an den Kläger zu zahlen (dritte Stufe).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt die Beklagte,

der Beklagten nachzulassen, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer statt dem Kläger einem von ihm zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Aufstellung enthalten ist.

Die Beklagte meint, der Kläger habe eine unzulässige Klageänderung vorgenommen. Zudem verwende der Kläger hinsichtlich seiner Vergütungsforderungen fehlerhafte Berechnungsgrundlagen, wenn er den Gesamtauftragswert zugrunde lege. Entscheidend sei vielmehr der tatsächlich erzielte Umsatz mit der Erfindung, welcher erst festgestellt werden könne, wenn ein Projekt abgerechnet worden sei. Dies ergebe sich schon aus den Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst (nachfolgend „RL“), welche zur Auslegung der Vereinbarung heranzuziehen seien. Zudem können nicht auf den Gesamtumsatzwert aus dem jeweiligen Gesamtprojekt, bei dem die A-Platten, auf die sich die klägerische Erfindung beziehe, Verwendung fänden, abgestellt werden. Die A-Platten würden nur einen geringen Bruchteil der Leistungen der Beklagten darstellen. Insbesondere seien die Umsätze aus den Projekten nicht in die Abrechnung mit aufzunehmen, innerhalb deren den Kunden die Erfindung kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Die Forderungen des Klägers seien verjährt. Hilfsweise macht die Beklagte geltend, der Kläger könne die Auskünfte und Rechnungslegung nicht an sich selbst verlangen, weil hierdurch berechtigte Geheimhaltungsinteressen der Beklagten verletzt würden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klageänderung der ursprünglichen Zahlungsklage in eine Stufenklage ist zulässig. Die Klageänderung ist sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO, weil mit der geänderten Klage die noch bestehenden Streitpunkte hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des Klägers aufgrund seiner Arbeitnehmererfindung miterledigt werden können und dadurch ein neuer Prozess vermieden wird (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Auflage, § 263 Rn. 13). Mit der Klageänderung wurde zudem kein völlig neuer Streitstoff eingeführt, sondern die Klage befasst sich immer noch mit den Vergütungsansprüchen des Klägers seit Ende 2004.

II.

Hinsichtlich der Begründetheit hat der Kläger dem Grunde nach einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte aus § 9 ArbEG in Verbindung mit der Parteivereinbarung vom 28.11.2006/05.12.2006 und vom 09.02.2007. Die Regelungen im ArbEG sind schon deshalb auch auf den Kläger als ehemaligen technischen Geschäftsführer der Beklagten anzuwenden, weil die Parteien die Anwendung der Regelungen des ArbEG auf Erfindungen des Klägers unstreitig vertraglich vereinbart haben.

1.
Die Parteien haben in der Vereinbarung vom 09.02.2007 einen Vergütungsanspruch des Klägers geregelt, welcher sich unter anderem nach der Verwendung der Erfindung berechnet. Es ist mangels weiterer Angaben davon auszugehen, dass die Parteien mit dieser Vergütungsregelung nicht nur die Vergütung für zukünftige Nutzungen, sondern auch für vergangene Nutzungen regeln wollten. Eine derartige Regelung war deshalb erforderlich, weil die Beklagte, was der Kläger vorgetragen hat und die Beklagte nicht bestreitet, die streitgegenständliche Erfindung seit Ende 2004 nutzt und diese bereits am 17.11.2005 zum Gebrauchsmuster angemeldet wurde, welches am 26.01.2006 eingetragen wurde. Dem steht nicht entgegen, dass eine förmliche Anmeldung und Inanspruchnahme gemäß der §§ 5, 6 ArbEG erst mit dem 21.09.2006 anfangend erfolgte. Davor hatten die Parteien die Diensterfindung bereits durch schlüssiges Verhalten auf den Arbeitgeber übergeleitet. Im Zuge dessen wurde die Erfindung auch bereits seit Ende 2004 von der Beklagten genutzt und zum 17.11.2005 als Gebrauchsmuster für die Beklagte angemeldet. Es ist daher – da abweichende Anhaltspunkte fehlen – davon auszugehen, dass die Parteien auch für die vorherige Nutzung bereits eine Vergütungspflicht angenommen haben, welche sie mit dem Vertrag festgesetzt haben (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Auflage, Einl. vor §§ 9-12 Rn. 16, 17). Hierfür spricht auch § 5 des Vertrags vom 18.12.2006, welcher mit dem Miterfinder des Klägers abgeschlossen wurde und von welchem die Kammer aufgrund des Parallelverfahrens 4a O 93/10 Kenntnis hat. Wie sich aus dem Vertrag ergibt, soll mit diesem nicht nur die Vergütung für die zukünftige Nutzung, sondern auch die Vergütung für die vergangene Nutzung geregelt werden (siehe Präambel: „Die Diensterfindung wurde vom AG auf eine schriftliche Anfrage des AN nochmals schriftlich unbeschränkt in Anspruch genommen. Um jedoch alle Bedenken und mögliche Unsicherheiten endgültig auszuräumen, wird nachfolgende Vereinbarung geschlossen“ (Unterstreichung hinzugefügt)). Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers wurde mit ihm ein solcher Vertrag deshalb nicht mehr abgeschlossen, weil er sich zu diesem Zeitpunkt schon in Altersteilzeit befand. Dass der Kläger aber hinsichtlich der Vergütung abweichend von seinem Miterfinder behandelt werden sollte, wurde von den Parteien nicht vorgetragen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

2.

Hinsichtlich des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs hat der Kläger Anspruch auf Erteilung der ihm zugesprochenen Positionen aus §§ 242, 259 BGB. Dieser Anspruch verhält sich als Hilfsanspruch zum Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers. Er soll dem Arbeitnehmer die erforderliche Aufklärung über Bestehen und Umfang seiner Vergütungsansprüche ermöglichen, über die er in entschuldbarer Weise im Ungewissen ist und die er sich nicht selbst auf zumutbare Weise verschaffen kann, die der Arbeitgeber hingegen unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu werden, zu geben vermag (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, a.a.O., § 12 Rn. 162 m.w.N.).

Der Kläger benötigt die tenorierten Auskünfte und Rechnungslegungen, um seinen Anspruch auf Vergütung beziffern zu können. Nach dem Vertrag zwischen den Parteien ist die Erfindervergütung gemäß der Formel U (Umsatz) x L (Lizenzansatz) x A (Anteilsfaktor) x R (Anteil der Erfindung an der Vorrichtung/dem Verfahren) x EA (Erfinderanteil) zu berechnen.

a)

Der Begriff „Umsatz“ ist hierbei abweichend von der Rechtsansicht des Klägers im Sinne der Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst („RL“) auszulegen. Dies ergibt sich aus der Vereinbarung vom 09.02.2007, zu deren Auslegung der Besprechungsvermerk vom 18.01.2007 herangezogen werden kann.

Nach dem Besprechungsvermerk vom 18.01.2007, welchen der Kläger als Anlage A 6 vorgelegt hat, sollte eine Berechnungsformel verwendet werden, „die sich streng an die gesetzlichen Vorgaben hält“ (S. 1 der Anlage A 6), folglich eine Berechnung gemäß der RL. Abweichendes ergibt sich auch aus den Erläuterungen zu den Begriffen nicht, wonach der Begriff „Umsatz“ den „Wert aller Aufträge“ erfasst, „bei denen das Erfindungsprodukt in irgendeiner Form mitgewirkt hat“. Die Formulierung „Wert aller Aufträge“ ist nicht so zu verstehen, dass auf den Wert abgestellt werden soll, welcher vertraglich mit dem Auftraggeber vereinbart wird, sondern es soll auf den Wert abgestellt werden, den der Auftrag für die Beklagte erbracht hat, mithin der Wert, der der Beklagten aus dem Auftrag tatsächlich zugeflossen ist. Dies ist der Umsatz des Unternehmens (vgl. Satz 1 der Anlage A 6 S. 2 der Erläuterungen zu dem Begriff Umsatz: „Ermittelt wird der gesamte Umsatz des Unternehmens…“).

Der Besprechungsvermerk kann zur Auslegung der Begriffe auch herangezogen werden. Zwar haben weder der Kläger, noch sein Miterfinder, an der Besprechung, auf die sich der Vermerk bezieht, teilgenommen. Nach dem Vortrag des Klägers, welchen die Beklagte nicht bestreitet, wurden die Begriffe jedoch seitens des Professor E so, wie sie im Besprechungsprotokoll aufgenommen wurden, vorher auch mehrfach im Hause der Beklagten, insbesondere auch gegenüber dem Kläger, ausführlich erläutert und vorgestellt. Mangels Vortrags der Beklagten, dass das Besprechungsprotokoll die Definitionen fehlerhaft darstellt oder dass nach der Besprechung abweichende Definitionen vereinbart wurden, ist davon auszugehen, dass die grundsätzlich erläuterungsbedürftige Formel, welche am 09.02.2007 ohne weitere Begriffserklärungen zwischen den Parteien vereinbart wurde und welche der Formel, die Gegenstand der Besprechung war, entspricht, auch so verstanden werden sollte, wie im Vorfeld mit dem Kläger und in der Besprechung erläutert.

Es ist demnach der Betrag anzusetzen, welcher der Beklagten bezüglich der Aufträge, bei denen die Erfindung benutzt wurde, tatsächlich zugeflossen ist. Stornierte Geschäfte bzw. Forderungsausfälle bleiben unberücksichtigt (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 3. Auflage, RL Nr. 7 Rn. 11 ff.). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der RL Nr. 7 („Bei der Berechnung des Erfindungswertes mit Hilfe des Umsatzes oder der Erzeugung wird im Allgemeinen von dem tatsächlich erzielten Umsatz oder der tatsächlich erzielten Erzeugung auszugehen sein.“ (Unterstreichungen hinzugefügt)).

b)

Der Kläger hat zudem einen Anspruch darauf, dass ihm Auskunft über jeden Auftrag erteilt wird, bei dem die Erfindung genutzt wurde, unabhängig davon, wie gering der Anteil der Erfindung an dem Umsatz für den jeweiligen Auftrag war oder ob die Erfindung in dem Auftrag gesondert berechnet wurde.

Die Vereinbarung vom 09.02.2007 ist auch insoweit nicht eindeutig und mithin auslegungsbedürftig. Die in dieser Vereinbarung enthaltene Formulierung: „Entsprechend dieser Beispielsrechnung werden die Umsätze, die mit dieser Erfindung getätigt werden, zukünftig abgerechnet“ kann, wie die Beklagte vorträgt, so gelesen werden, dass sich die Parteien darauf geeinigt haben, dass nur die Umsätze berücksichtigt werden sollen, die mit den Platten erzielt werden, auf die sich die Erfindung bezieht. Nach dem Vortrag der Beklagten ist eine solche Abrechnung auch grundsätzlich möglich, weil die Platten gesondert abgerechnet werden. Jedoch ist bei der Auslegung der Vereinbarung auch der Besprechungsvermerk vom 18.01.2007 zu berücksichtigen. Die hierin enthaltene Erläuterung des Begriffes Umsatz („Ermittelt wird der gesamte Umsatz des Unternehmens, bei dem die Erfindung irgendeine konkrete Rolle gespielt hat. Erfasst wird der Wert aller Aufträge, bei denen das Erfindungsprodukt in irgendeiner Form mitgewirkt hat“ (siehe S. 2 der Anlage A 8, Unterstreichung hinzugefügt)) lässt sich mit dem Verständnis der Beklagten, es sei lediglich auf die Platten abzustellen, nicht vereinbaren, vielmehr ist hiernach auf das Gesamtprojekt abzustellen. Hierfür spricht zudem der klägerische Vortrag in der mündlichen Verhandlung. Für den Kläger wurde diesbezüglich ausgeführt, dass erst die streitgegenständliche Erfindung hinsichtlich der Platten dazu geführt hat, dass die Beklagte und nicht einer ihrer Wettbewerber die Großaufträge überhaupt erhalten hat. Auch der Vortrag der Beklagten, es habe sich bei der Erfindung lediglich um eine Erfindung mit kleinem Gehalt gehandelt, lässt sich mit dieser Auslegung in Einklang bringen. Dies wurde beim vereinbarten Lizenzansatz von 0,05 und beim vereinbarten Wert für den Anteil der Erfindung an der Vorrichtung / dem Verfahren von 0,16 berücksichtigt. Nach den Angaben des Klägers, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist, soll es sich hierbei nicht nur um eine Beispielsrechnung, sondern um feste Werte handeln. Dass das Patent nach dem Vortrag der Beklagten voraussichtlich nicht erteilt werden wird, kann zur Auslegung der Vereinbarung schon deshalb nicht herangezogen werden, weil es sich hierbei um eine Information handelt, die den Parteien zu dem Zeitpunkt, als sie die streitgegenständliche Vereinbarung getroffen haben, noch nicht vorlag.

Anhaltspunkte, dass in der Vereinbarung vom 09.02.2007 die Formulierung „Entsprechend dieser Beispielsrechnung werden die Umsätze, die mit dieser Erfindung getätigt werden, zukünftig abgerechnet“ deshalb aufgenommen wurde, weil sich die Parteien an genau dieser Stelle von den in dem Besprechungsvermerk festgehaltenen Definitionen lösen und abweichendes vereinbaren wollten, sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch ansonsten nicht ersichtlich.

c)
Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ist auch noch nicht verjährt. Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch verjährt binnen der Regelverjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, a.a.O., § 12 Rn. 183). Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB, zu laufen. Vorliegend stand dem Kläger zwar ein Vergütungsanspruch dem Grunde nach bereits seit Ende 2004 zu. Jedoch wurden erst mit der Vereinbarung vom 09.02.2007 die einzelnen Faktoren festgelegt, nach welchen sich die Vergütung richten sollte. Der Kläger wusste mithin erst ab diesem Zeitpunkt, welche Auskünfte er benötigen würde, um seine Ansprüche zu beziffern und erst ab diesem Zeitpunkt wusste der Kläger mithin auch, welche Auskünfte und welche Rechnungslegung er von der Beklagten verlangen konnte. Da die Umsätze, auf die sich das Auskunftsverlangen erstreckt, jedoch erst mit dem Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt werden, demnach erstmalig im Jahr 2008, beginnt auch die Verjährungsfrist für den Auskunftsanspruch erst mit Ablauf des Jahres 2008. Die am 04.05.2011 bei Gericht umgestellte, nunmehr unter anderem auf Auskunft und Rechnungslegung zielende Klage, konnte die Verjährung mithin gemäß § 204 BGB rechtzeitig hemmen.

3.

Allerdings wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nur dann nicht unzumutbar belastet, wenn es ihr zugestanden wird, die Auskünfte, wie von ihr hilfsweise beantragt, an einen Wirtschaftsprüfer unter den im Hilfsantrag aufgelisteten Voraussetzungen und nicht an den Kläger direkt zu erteilen. Die Beklagte hat hinsichtlich der dem Kläger zugesprochenen Auskünfte auch gegenüber dem hiesigen Kläger ein Geheimhaltungsinteresse, obwohl dieser mittlerweile nicht mehr für die Beklagte und auch nicht für ein Konkurrenzunternehmen arbeitet. Gegenüber dem Miterfinder des Klägers (auf den sich das hiesige Parallelverfahren, Az. 4a O 93/10, bezieht), welcher nunmehr unstreitig für ein Konkurrenzunternehmen arbeitet, hat die Beklagte ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse, aufgrund dessen es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Rechnungslegung unter den ausgeurteilten Voraussetzungen gegenüber einem Wirtschaftsprüfer vorzunehmen. Auf die Entscheidungsgründe des Parallelverfahrens, Az. 4a O 93/10, wird insoweit zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der mit dem Wirtschaftsprüfervorbehalt im Parallelverfahren bezweckte Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Beklagten würde unterlaufen, wenn die Beklagte in dem hiesigen Verfahren die Rechnungslegung gegenüber dem Kläger unmittelbar erteilen müsste. Der hiesige Kläger ist der Miterfinder des Klägers in dem Parallelverfahren und mit diesem zumindest noch insoweit verbunden ist, dass der vorliegende Prozess bis auf geringe Unterschiede hinsichtlich des Tatsachenvortrags identisch geführt wurde.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, 108 ZPO.