4b O 154/10 – Absamungssystem für Eber

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1773

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. November 2011, Az. 4b O 154/10

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollstrecken an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland

a) eine Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend einen Griffstreifen und eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird,

und/oder

b) eine Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend einen Griffstreifen und eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird, wobei der Griffstreifen aus einem flexiblen, komprimierbaren Material besteht,

und/oder

c) eine Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend einen Griffstreifen und eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifen, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird, wobei der Griffstreifen aus Silikon besteht,

und/oder

d) eine Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend einen Griffstreifen und eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird, wobei zumindest eine Oberfläche des Griffstreifens mit Längs- und Querstreifen gleicher oder verschiedener Höhe und Breite versehen ist,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen;

2. der Klägerin unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. April 2007 begangen hat, unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und der Verkaufsstellen, für die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für diese bezahlt wurden,

d) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und der Anschriften der Abnehmer,

e) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

f) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

g) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,

wobei
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Mitteilung enthalten ist,

– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a), b) und c) Kopien entsprechender Belege, nämlich Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Lieferscheine oder Zollpapiere, vorzulegen hat;

3. die in Ziffer I.1. genannten, seit dem 1. April 2007 angebotenen, in Verkehr gebrachten oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeführten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse

zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass das Gericht mit dem vorliegenden Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 827 XXX B1 (DE 50 2005 006 XXX.4) und des Klagepatents DE 10 2004 053 XXX B4 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse oder der Austausch der Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe sowie der mit der Rückgabe verbundenen Zoll- und Lagerkosten zugesagt wird sowie die zurückgerufenen und an sie zurückgegebenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

4. an die Klägerin EUR 6.196,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 07.12.2010 zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch in Ziffer I.1. genannten, seit dem 1. April 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 90 % und die Klägerin zu 10 %.

V. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- €. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist seit dem 02.11.2011 eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2004 053 XXX (Anlage K 3, im folgenden: deutsches Klagepatent) sowie des in deutscher Verfahrenssprache abgefassten europäischen Patents EP 1 827 XXX B1 (Anlage K 1, im folgenden: europäisches Klagepatent). Zuvor war die A GmbH & Co. KG eingetragene Inhaberin beider Klagepatente. Das deutsche Klagepatent wurde am 08.11.2004 angemeldet. Die Anmeldung des deutschen Klagepatents wurde am 11.05.2006, seine Erteilung am 01.03.2007 veröffentlicht. Das europäische Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität des deutschen Klagepatents vom 08.11.2004 am 07.11.2005 angemeldet. Am 05.09.2007 wurde die Anmeldung des europäischen Klagepatents, am 18.03.2009 seine Erteilung veröffentlicht. Das deutsche Klagepatent sowie der deutsche Teil des europäischen Klagepatents stehen in Kraft. Mit Schriftsatz vom 15.12.2009 (Anlage K 21) erhob eine Dritte, die B, Einspruch gegen das europäische Klagepatent, dem die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.03.2011 (Anlage TW 6) beitrat. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Die Klagepatente betreffen eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Absamen von Ebern.

Die Ansprüche 1, 2, 4 und 5 des europäischen Klagepatents lauten:

„1. Vorrichtung zur Absamung von Ebern, umfassend einen Griffstreifen (2) und eine Klemmvorrichtung (1) zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens (2), dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen (2) ausgeübt wird.“

„2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Griffstreifen (2) aus einem flexiblen, komprimierbaren Material besteht.“

„4. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Griffstreifen (2) aus PUR, EPDM, Silikon, Latexgummi, Moosgummi oder anderen, insbesondere geschäumten Materialien besteht.“

„5. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine Oberfläche des Griffstreifens (2) mit Noppen (4) und/oder mit Längs- und Querstreifen gleicher oder verschiedener Höhe und Breite versehen ist.“

Die Ansprüche 8, 9, 11 und 12 des deutschen Klagepatents haben den folgenden Wortlaut:

„8. Vorrichtung zur Absamung von Ebern, umfassend einen Griffstreifen (2) und eine Klemmvorrichtung (1) zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens (2), dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen (2) ausübbar ist.“

„9. Vorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Griffstreifen (2) aus einem flexiblen, komprimierbaren Material besteht.“

„11. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 8 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Griffstreifen (2) aus PUR, EPDM, Silikon, Latexgummi oder Moosgummi besteht.“

„12. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine Oberfläche des Griffstreifens (2) mit Noppen (4) und/oder mit Längs- und Querstreifen gleicher oder verschiedener Höhe und Breite versehen ist.“

Zur Veranschaulichung werden nachfolgend (verkleinert) die Figuren 1, 2 und 8 des europäischen Klagepatents eingeblendet. Figur 1 zeigt eine erste Ausführungsform einer patentgemäßen Klemmvorrichtung, Figur 2 eine bevorzugte Ausführungsform eines Griffstreifens. Figur 8 ist eine Darstellung des vom Griffstreifen umfassten und in der Fixiereinheit befestigten Eberpenis und eines Bechers zur Aufnahme des Ejakulats.

Die Beklagte entwickelt und vermarktet für den Bereich der Tierzucht geeignete Instrumente und Technologien. Sie ist darüber hinaus Inhaberin des unter der Adresse www.C.com abrufbaren Internetauftritts. Über diesen Internetauftritt bewirbt die Beklagte das Absamsystem D (im folgenden: angegriffene Ausführungsform) durch Bereithalten eines Werbefilms mit deutschen Untertiteln sowie eines deutschsprachigen Flyers (vorgelegt als Anlage K 9). Im Jahr 2009 versandte die Beklagte die angegriffene Ausführungsform auf Bestellung eines Mittelsmannes der Klägerin nach Deutschland. Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist dem als Anlage K 10 eingereichten Muster sowie der Anwendungsanleitung (Anlage K 12) zu entnehmen. Mit rechts- und patentanwaltlichem Schreiben vom 12.10.2009 (Anlage K 14) forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe der aus der Anlage K 15 ersichtlichen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf, wofür sie Kosten in Höhe von insgesamt 6.196,00 € in Ansatz bringt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre der Ansprüche 1, 2, 4 und 5 des europäischen Klagepatents sowie der Ansprüche 8, 9, 11 und 12 des deutschen Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere stellten die zwei Abschnitte aus – insoweit unstreitig – Silikon (in Anlage K 11 seitens der Klägerin mit dem Bezugszeichen (A) versehen) einen anspruchsgemäßen Griffstreifen dar. Die anspruchsgemäße Klemmvorrichtung werde durch die an dem einen Ende des Abschnitts aus Silikon angeordnete Nase (in Anlage K 11 seitens der Klägerin mit dem Bezugszeichen (C) versehen) und den an dem anderen Ende angeordneten Steg (in Anlage K 11 seitens der Klägerin mit dem Bezugszeichen (D) versehen) gebildet.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 07.12.2010 zugestellt worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

I. wie erkannt, wobei sie die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes nur in Bezug auf die Angebotsempfänger vorsieht,

II. darüber hinaus, die Beklagte zu verurteilen,

1. bezüglich des Tenors zu I.2.a), b), c) Kopien entsprechender Belege, nämlich Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Lieferscheine und Zollpapiere vorzulegen;

2. bezüglich des Tenors zu I.2.

a. zusätzlich zum Tenor zu I.2.f) die Herstellungsauflage anzugeben,
b. hilfsweise zum Tenor zu I.2.b) die Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren, und die Preise, die für diese bezahlt wurden, für die Zeit seit dem 01. September 2008 mitzuteilen,
c. hilfsweise zum Tenor zu I.2.g) den erzielten Gewinn, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert werden darf, es sei denn, diese können ausnahmsweise den in Ziffer I.1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden, anzugeben;

3. die in Ziffer I.1. genannten, seit dem 1. April 2007 angebotenen, in Verkehr gebrachten oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeführten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse entweder wieder an sich nimmt oder deren Vernichtung beim jeweiligen Besitzer veranlasst,
hilfsweise: diese Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte ihre Ansprüche auf Verschaffung des Besitzes daran geltend macht und, falls der Besitz daraufhin nicht freiwillig eingeräumt wird, diese Ansprüche durchsetzt;

4. die in Ziffer I.1. genannten, seit dem 1. April 2007 angebotenen, in Verkehr gebrachten oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeführten, in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse zu vernichten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen das Klagepatent EP 1 827 XXX B1 anhängigen Einspruchsverfahrens auszusetzen.

Die Beklagte hat zunächst für die Zeit, in der die A GmbH & Co. KG eingetragene Inhaberin der Klagepatente war, die Aktivlegitimation der Klägerin mit dem Argument bestritten, der vorgelegten Anlage K 5 sei zwar eine Übertragung der Gesellschaftsanteile der Kommanditisten der A GmbH & Co. KG auf die A Verwaltungs GmbH zu entnehmen, eine wirksame Umfirmierung der letztgenannten Gesellschaft in E GmbH sei aber nicht belegt. Auf den weiteren Vortrag der Klägerin unter Vorlage des aus der Anlage K 23 ersichtlichen Handelsregisterauszuges hat die Beklagte nicht erwidert.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Lehre der Klagepatente nicht wortsinngemäß. Die angegriffene Ausführungsform stelle eine röhrenförmige künstliche Vagina dar. Es fehle sowohl an einem Griffstreifen als auch an einer Klemmvorrichtung im Sinne der Klagepatente. Die beiden Silikon-Halbschalen der angegriffenen Ausführungsform stellten keinen anspruchsgemäßen Griffstreifen dar. Ein Griffstreifen im Sinne der Klagepatente sei ein flächiger länglicher, schmaler Abschnitt, der zwar grundsätzlich biegsam und flexibel sei, in seinem ursprünglichen Zustand aber keine gekrümmte Form aufweise. Technischer Sinn und Zweck des Griffstreifens sei es, den Eberpenis mit einer mit dem Griffstreifen ausgestatteten Hand zu ergreifen und zur Erektion und Ejakulation zu bringen, wobei der Griffstreifen nach Beginn der Ejakulation ohne Unterbrechung der Druckausübung in der Klemmvorrichtung fixiert werden können müsse. Die seitens der Klägerin in der Anlage K 11 mit den Bezugszeichen (C) und (D) bezeichneten Bauteile stellten keine Klemmvorrichtung im Sinne der Klagepatente dar. Nach den Klagepatenten sei erforderlich, dass mit der Klemmvorrichtung zwei Enden eines Griffstreifens festgelegt würden; eine solche Vorrichtung müsse sich dazu eignen, wenigstens ein Ende des Griffstreifens festzuklemmen. Darüber hinaus sei nach der Lehre der Klagepatente erforderlich, dass Griffstreifen und Klemmvorrichtung – im Gegensatz zu den von der Klägerin in der Anlage K 11 mit den Bezugsziffern (A) und (C)/(D) versehenen Bauteilen – als zwei voneinander körperlich unabhängige Teile ausgestaltet seien.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung das europäische Klagepatent sei im Hinblick auf den Einspruch der B sowie die Ausführungen im Beitrittsschriftsatz nicht rechtsbeständig. Die Lehre des Anspruchs 1 des europäischen Klagepatents sei durch die Entgegenhaltungen TW 2, TW 3, TW 7, TW 4 und TW 9 neuheitsschädlich vorweggenommen. Darüber hinaus nähmen die Entgegenhaltungen TW 3 und TW 7 den Unteranspruch 2 des europäischen Klagepatents neuheitsschädlich vorweg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 08.11.2011 (Bl. 166 ff. GA) Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage hat weitgehend Erfolg. Sie ist im wesentlichen zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Unzulässig ist die Klage bezüglich des auf Entfernung aus den Vertriebswegen gerichteten Hauptantrages. Ein Anlass zur Aussetzung des Rechtsstreits besteht nicht.

I.
Beide Klagepatente betreffen ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Absamen von Ebern.

Als Stand der Technik geben beide Klagepatente in ihrem Absatz [0002] an, dass die Absamung von Ebern üblicherweise an einem sogenannten Eberphantom erfolgt, das der sexuell stimulierte Eber als Sprungpartner akzeptiert und bespringt. Beim Absamvorgang wird üblicherweise nach der sogenannten Handmethode verfahren. Dabei ergreift der Absamer mit seiner durch einen Einweghandschuh geschützten Hand die spiralförmige Spitze des Eberpenis, sobald der Eber mit den Suchbewegungen begonnen hat und die Penisspitze das Präputium verlassen hat. Der Absamer versucht jetzt, die in seiner Faust liegende Penisspitze über zum Teil pulsierenden Druck zu stimulieren und eine vollständige Erektion zu erreichen. Nach erfolgter Erektion beginnt die Ejakulation und damit die eigentliche Samengewinnung. Das Ejakulat wird mit einem Becher aufgefangen.

Daran kritisieren die Klagepatente in ihrem Absatz [0003], dass, da der auf den Eberpenis ausgeübte Druck während des gesamten Ejakulationsvorgangs aufrechterhalten werden müsse, sich der Absamungstechniker während des gesamten Ejakulationsvorgangs nicht vom Phantom entfernen könne, wobei er ständig den erforderlichen relativ hohen Druck mit der Hand ausüben müsse. Der Absamungsvorgang erfordere somit einen relativ hohen Kraftaufwand und sei für den Absamungstechniker unbequem.

Die Klagepatente geben als weiteren Stand der Technik an, dass zur Erleichterung und Automatisierung des Absamvorgangs Vorrichtungen, wie beispielsweise eine im Inneren mit einem mit warmem Wasser und Luft befüllbaren Schlauch versehene künstliche Scheide vorgeschlagen wurden, mit welcher der während der Ejakulation erforderliche, auf den Eberpenis ausgeübte Druck und Wärmereiz erzeugt werden kann. Bei solchen Vorrichtungen könne nach dem Anordnen des erigierten Eberpenis in der künstlichen Scheide und dem Aufblasen des darin angeordneten Schlauchs z.B. mittels eines Blasebalgs der Ejakulationsvorgang ohne weiteres Halten durch eine Person beendet werden (Klagepatente Absatz [00004]). Als Beispiel für eine solche Vorrichtung führen die Klagepatente die US 2004/0039XXX A1 an (deutsches Klagepatent Absatz [0007], europäisches Klagepatent Absatz [0004]).

Als nachteilig an Vorrichtungen der vorgenannten Art kritisieren die Klagepatente, dass nach jedem Absamungsvorgang eine aufwendige Sterilisation der künstlichen Scheide erforderlich sei, um Hygieneproblemen vorzubeugen. Des weiteren könne mit der künstlichen Scheide keine der natürlichen Hand entsprechende und insbesondere am Anfang des Ejakulationsvorgangs erforderliche hohe Sensibilität erzielt werden, so dass nicht alle Eber nach dieser Methode abgesamt werden könnten, was für die Zuchtbetriebe von Nachteil sei (Klagepatente Absatz [0005]).

Die Klagepatente führen vor diesem Hintergrund weiter an, dass bei der Eberabsamung in der überwiegenden Zahl die natürliche Hand eines Absamungstechnikers eingesetzt werde (Klagepatente Absatz [0006]).

In seinem Absatz [0007] benennt das deutsche Klagepatent die DE 69523XXX T2 als weiteren Stand der Technik, aus der eine Vorrichtung zur Samengewinnung bei Tieren, insbesondere bei Ebern, bekannt ist, bestehend aus einem rohrförmigen Körper beziehungsweise einer künstlichen Scheide aus einem nachgiebigen Schaumwerkstoff, wie Polyurethan-, Polyethylen- oder Siliconschaum, wobei das hintere Ende des Körpers in einer Einrichtung mündet zum Abfließen des Samens in einen Samenbehälter. Der Schaumstoffkörper weist Befestigungsrippen zum Befestigen des Körpers an einer Halterung auf.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formulieren die Klagepatente in ihren Absätzen [0007] (europäisches Klagepatent) bzw. [0008] (deutsches Klagepatent) als Aufgabe die Bereitstellung einer verbesserten Vorrichtung zur Absamung von Ebern, mit der von deckfähigen Ebern nahezu vollständige Ejakulate guter hygienischer Qualität gewonnen werden können, sowie eines entsprechenden Verfahrens.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das – enger gefasste – europäische Klagepatent in den hier maßgeblichen Ansprüchen 1, 2, 4 und 5 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

Anspruch 1:
1. Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend

2. einen Griffstreifen und

3. eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird.

Ansprüche 1 und 2:
1. Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend

2. einen Griffstreifen und

3. eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird.

4. Der Griffstreifen besteht aus einem flexiblen komprimierbaren Material.

Ansprüche 1 und 4:
1. Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend

2. einen Griffstreifen und

3. eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird.

5. Der Griffstreifen besteht aus PUR, EPDM, Silikon, Latexgummi, Moosgummi oder anderen, insbesondere geschäumten Materialien.

Ansprüche 1 und 5:
1. Vorrichtung zum Absamen von Ebern, umfassend

2. einen Griffstreifen und

3. eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird.

6. Zumindest eine Oberfläche des Griffstreifens ist mit Noppen und/oder mit Längs- und Querstreifen gleicher oder verschiedener Höhe und Breite versehen.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre der Hauptansprüche 1 (europäisches Klagepatent) bzw. 8 (deutsches Klagepatent) sowie von den Lehren der abhängigen Unteransprüche 2, 4 und 5 des europäischen Klagepatents bzw. 9, 11 und 12 des deutschen Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die Verwirklichung des Merkmals 1 der Hauptansprüche sowie der Merkmale 4, 5 und 6 der geltend gemachten Unteransprüche ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass sich weitere Ausführungen der Kammer zu diesen Merkmalen erübrigen.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 2 wortsinngemäß. Danach umfasst die Vorrichtung einen Griffstreifen.

a.
Unter einem Griffstreifen im Sinne des Anspruchs 1 des europäischen bzw. des Anspruchs 8 des deutschen Klagepatents versteht der Fachmann ein flächiges Element, das geeignet ist, in einer Hand angeordnet und um einen Eberpenis gelegt zu werden, wobei der Eberpenis unter Nutzung der Sensibilität der Hand, in der sich der Griffstreifen befindet, zur Erektion und Ejakulation gebracht werden kann.

Dieses Verständnis folgt zunächst aus der Zusammenschau mit Merkmal 3 sowie den Ausführungen in Absatz [0009] des europäischen Klagepatents bzw. Absatz [0010] des deutschen Klagepatents. Danach ist der Griffstreifen um den Eberpenis gelegt, woraus zwanglos folgt, dass ein patentgemäßer Griffstreifen dazu geeignet sein muss, um einen Eberpenis gelegt zu werden. Der Fachmann zieht daneben die allgemeine Vorteilsbeschreibung (europäisches Klagepatent Absatz [0010], deutsches Klagepatent Absatz [0011]) heran, der er entnimmt, dass der Griffstreifen in einer Hand angeordnet werden kann, mit der der Eberpenis ergriffen und stimuliert werden kann, wobei die Nutzung der Sensibilität der Hand möglich ist. Aus diesen Angaben folgt, dass der Griffstreifen flächig ausgestaltet sein muss, da ein Ergreifen des kompletten Umfangs des Eberpenis vorgesehen ist. Dabei erkennt der Fachmann, dass die Klagepatente keine Vorgabe dahingehend enthalten, dass der Griffstreifen im ursprünglichen Zustand eine gänzlich ungekrümmte Form aufweist. Eine solche Vorgabe folgt insbesondere nicht aus der Verwendung des Teilbegriffs „Streifen“. Denn der Fachmann sieht, dass zur Erfüllung des technischen Sinns und Zwecks des Griffstreifens, der darin liegt, die Sensibilität der Hand bei der Stimulation zu wahren und ihn so um den Eberpenis zu legen, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck auf den Eberpenis – durch Einsatz der Klemmvorrichtung – auch ohne weiteren Einsatz der Hand ohne Unterbrechung aufrecht erhalten werden kann, nicht erforderlich ist, dass der Griffstreifen ursprünglich ungekrümmt ist. Entscheidend für die Erfüllung dieser Funktion ist zunächst, dass der Eberpenis ergriffen, der Griffstreifen also um den Eberpenis gelegt werden kann. Ausgehend von welcher Ursprungsform des Griffstreifens dies erfolgt, ist nicht maßgebend. Ausreichend ist, dass der Griffstreifen so um den Eberpenis gelegt werden kann, dass nach Beginn der Ejakulation der Druck auch ohne den Einsatz der Hand ohne Unterbrechung aufrecht erhalten werden kann. Dies folgt erneut aus einer Zusammenschau mit Merkmal 3 sowie den Ausführungen in der allgemeinen Vorteilsbeschreibung (europäisches Klagepatent Absatz [0010], deutsches Klagepatent Absatz [0011]). Denn die in Merkmal 3 vorgesehene Klemmvorrichtung hat den technischen Sinn und Zweck, den händisch erzeugten Druck auf den Eberpenis während der Dauer der Ejakulation ohne weiteren Einsatz der Hand aufrecht zu erhalten. Auch die Klagepatente sehen verschiedene Ausgestaltungen des Griffstreifens vor und enthalten insoweit keine zwingenden Maßangaben (vgl. Absätze [0015], [0057] des europäischen und [0016], [0057] des deutschen Klagepatents). Bezüglich des europäischen Klagepatents wird der Fachmann darüber hinaus durch die Ausführungen in Absätzen [0015] und [0044], wonach der Griffstreifen auch die Form eines geschlossenen Rings aufweisen kann, in dem zuvor dargestellten Verständnis bestärkt.

Der Fachmann erkennt weiter, dass zur Erfüllung des technischen Sinns und Zwecks des Griffstreifens nicht zwingend erforderlich ist, dass dessen Enden überlappend fixiert werden können. Die entsprechenden Ausführungen in Unteranspruch 16 und Absatz [0024] des europäischen Klagepatents bzw. Unteranspruch 20 und Absatz [0022] des deutschen Klagepatents beziehen sich jeweils auf bevorzugte Ausführungsbeispiele, die nicht geeignet sind, den weiter gefassten Hauptanspruch zu beschränken. Aus den gleichen Gründen ist zur Verwirklichung des Hauptanspruchs auch nicht erforderlich, dass der Griffstreifen sich in der Hand fixieren lässt. Denn sowohl Unteranspruch 7 und die darauf bezogenen Ausführungen in Absatz [0039] des europäischen Klagepatents als auch Unteranspruch 14 und die darauf bezogenen Ausführungen in Absatz [0036] des deutschen Klagepatents sind nicht dazu geeignet, den jeweils weiter gefassten Hauptanspruch einzuschränken. Die in den Figuren der Klagepatente abgebildeten Griffstreifen führen ebenfalls nicht zu einer Beschränkung des weiter formulierten Hauptanspruchs der Klagepatente, da auch die Figuren jeweils bevorzugte Ausführungsbeispiele zeigen, die nicht geeignet sind, den weiter formulierten Hauptanspruch zu beschränken.

Darüber hinaus vermögen die Ausführungen in Absätzen [0032] und [0052] des europäischen Klagepatents bzw. [0029] und [0055] des deutschen Klagepatents, wonach (die Enden) des Griffstreifens in die Klemmvorrichtung eingeführt bzw. straffgezogen werden, den jeweils weiter gefassten Anspruch 1 des europäischen Klagepatents bzw. Anspruch 8 des deutschen Klagepatents nicht zu beschränken. Denn die dortigen Ausführungen beziehen sich nicht auf die genannten Vorrichtungsansprüche, sondern auf Verfahrensansprüche.

b.
Auf Grundlage des vorgeschilderten Verständnisses macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmal 2 wortsinngemäß Gebrauch. Bei dem in Anlage K 11 mit dem Bezugszeichen (A) bezeichneten Bauteil handelt es sich um einen Griffstreifen im Sinne der Klagepatente.

Die Silikonelemente (A) der angegriffenen Ausführungsform sind flächig ausgestaltet. Sie sind zwar über ein Kunststoffelement miteinander verbunden, jedoch kann die angegriffene Ausführungsform geöffnet werden. Die Öffnung der angegriffenen Ausführungsform ermöglicht es, die in Anlage K 11 mit (A) bezeichneten Silikonhalbschalen um den Eberpenis zu legen – der Eberpenis kann also mit ihnen ergriffen werden. Das als Material gewählte Silikon erlaubt zudem die anschließende Stimulation des Eberpenis unter Nutzung der Sensibilität der Hand. Durch Schließen des Verschlussmechanismus kann danach der Druck auf den Eberpenis ohne Unterbrechung aufrecht erhalten werden. Insoweit wird auf die nachstehenden Ausführungen unter 2. verwiesen.

Der Verweis der Beklagten auf die Anwendungsanleitung gemäß Anlage K 12, wonach der Eberpenis erst zur Erektion und Ejakulation gebracht und dann in Längsrichtung in die geschlossene angegriffene Ausführungsform eingeführt werden soll, führt nicht aus der Verletzung heraus. Denn es genügt die objektive Eignung zur Verwirklichung der Lehre des Klagepatents (BGH GRUR 2006, 399 – Rangierkatze). Dass die angegriffene Ausführungsform aufgrund ihrer Ausgestaltung objektiv geeignet ist, um einen Eberpenis gelegt zu werden, und der Eberpenis unter Nutzung der Sensibilität der Hand, in der sich der Griffstreifen befindet, zur Erektion und Ejakulation gebracht werden kann, hat die Beklagte nicht konkret in Abrede gestellt. Ihr Bestreiten auf Seite 13 der Duplik (Bl. 153 GA) genügt insoweit nicht. Insbesondere hat die Beklagte dort nicht explizit angegeben, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Eberpenis nur der Länge nach in die Vorrichtung eingeführt werden könne; sie hat sich auch nicht konkret zur Möglichkeit eines von der Anwendungsanleitung gemäß Anlage K 12 abweichenden Einsatzes der angegriffenen Ausführungsform erklärt.

2.
Die angegriffene Ausführungsform macht darüber hinaus von Merkmal 3 wortsinngemäß Gebrauch. Danach umfasst die Absamvorrichtung eine Klemmvorrichtung zum lösbaren Fixieren des so um den Eberpenis gelegten Griffstreifens, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den fixierten Griffstreifen ausgeübt wird.

a.
Unter einer Klemmvorrichtung im Sinne dieses Merkmals versteht der Fachmann eine Vorrichtung, mittels derer ein um den Eberpenis gelegter Griffstreifen so fixiert werden kann, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck durch den Griffstreifen ausgeübt wird.

Dieses Verständnis entnimmt er unmittelbar der in Merkmal 3 enthaltenen Zweckangabe. Auch aus dem technischen Sinn und Zweck des Klemmstreifens folgt das vorgeschilderte Verständnis. Der technische Sinn und Zweck des Klemmstreifens liegt darin, den Griffstreifen so zu fixieren, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck auf den Eberpenis während der Dauer der Ejakulation aufrecht erhalten wird, wodurch der Absamungstechniker entlastet wird. Dies folgt aus der in Absatz [0003] beider Klagepatente geäußerten Kritik am Stand der Technik sowie aus der allgemeinen Vorteilsbeschreibung in Absatz [0010] des europäischen bzw. Absatz [0011] des deutschen Klagepatents. Danach kann der Absamungstechniker sich bei einem rein händischen Vorgehen während der gesamten Dauer der Ejakulation nicht vom Eberphantom entfernen und muss zudem den erforderlichen Druck mit der Hand ausüben, was einen relativ hohen Kraftaufwand erfordert und unbequem ist (Klagepatente Absatz [0003]). Ein Vorteil der patentgemäßen Vorrichtung liegt ausweislich des Absatzes [0010] des europäischen Klagepatents bzw. des Absatzes [0011] des deutschen Klagepatents darin, dass der erforderliche Druck durch den festgeklemmten Griffstreifen ausgeübt wird, und das Halten bzw. Druckausüben durch den Absamungstechniker nicht mehr notwendig ist. Dadurch grenzen sich die Klagepatente vom Stand der Technik ab.

Der Fachmann erkennt, dass zur Merkmalsverwirklichung eine Fixierung des Griffstreifens ausreicht, bei der der Innendurchmesser des um den Eberpenis gelegten, fixierten Griffstreifens nicht frei wählbar ist, solange der vorgegebene Durchmesser dazu geeignet ist, den zur Ejakulation erforderlichen Druck auf den Eberpenis während der Dauer der Ejakulation ohne händisches Zutun aufrecht zu erhalten. Denn bereits dann erfüllt die Klemmvorrichtung die in Merkmal 3 enthaltene Zweckangabe. Dass die Länge des Griffstreifens bzw. der Innendurchmesser des fixierten Griffstreifens mit Hilfe der Klemmvorrichtung variabel bestimmt werden können müsste, gibt weder der Wortlaut von Anspruch 1 des europäischen Klagepatents noch der Wortlaut von Anspruch 8 des deutschen Klagepatents zwingend vor. Dies steht im Einklang mit der besonderen Anatomie des Eberpenis, der – wie in der mündlichen Verhandlung klägerseits vorgetragen und von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde – bei Erektion und Ejakulation nicht erheblich anschwillt. Auch die Angabe in Absatz [0057] beider Klagepatente, wonach sich als Klemmvorrichtung im Prinzip jede Vorrichtung eignet, mit der zwei Enden eines Griffstreifens festgelegt werden können, beinhaltet keine solche Einschränkung. Zum einen sind die vorgenannten Ansprüche offen formuliert. Zum anderen ist auch bezüglich der Absätze [0057] keinesfalls ein Verständnis zwingend, wonach die Festlegung der Enden des Griffstreifens variabel sein müsste. Denn das Verb „festgelegt“ beinhaltet nicht zwingend eine Variabilität; es kann auch im Sinne von „fixieren“ verstanden werden. Dass vorliegend das zweitgenannte Verständnis maßgeblich ist, folgt bereits daraus, dass beide Klagepatente in Merkmal 3 ihrem Wortlaut nach einen fixierten Griffstreifen voraussetzen. Darüber hinaus erwähnen die Klagepatente an keiner Stelle, dass mit Hilfe der Klemmvorrichtung zwingend die Länge des Griffstreifens im Sinne des Hauptanspruchs 1 (europäisches Klagepatent) bzw. 8 (deutsches Klagepatent) bestimmt werden können muss. Soweit eine solche Möglichkeit bei Vorrichtungen gemäß der abhängigen Unteransprüche 16, 19, 20, 21 und 22 des europäischen Klagepatents bzw. 20, 23, 24 und 25 des deutschen Klagepatents besteht, führt dies zu keiner Einschränkung des jeweils weiter gefassten Hauptanspruchs. Entsprechendes gilt für Absatz [0024] des europäischen und Absatz [0022] des deutschen Klagepatents, die sich auf eine bevorzugte Ausführungsform der Klemmvorrichtung beziehen. Auch Absatz [0058] der Klagepatente, nach dem es z.B. denkbar ist, ein Ende des Griffstreifens an der Klemmvorrichtung festzulegen oder einzuhängen und nur das andere Ende festzuklemmen, begründet kein solches Verständnis der geltend gemachten Vorrichtungsansprüche. Denn erneut beziehen sich diese Ausführungen auf bevorzugte Ausführungsbeispiele, die den weiter formulierten Anspruch nicht einschränken.

Der Fachmann erkennt darüber hinaus, dass die Absamvorrichtung zwei Bestandteile enthalten muss, die jeweils bestimmte Funktionen erfüllen. Denn die geltend gemachten Ansprüche der Klagepatente sind Kombinationsansprüche, die jedenfalls zwei Bestandteile (Griffstreifen und Klemmvorrichtung) umfassen. Dies bedeutet jedoch nur, dass beide Bestandteile vorhanden sein müssen, nicht dass sie körperlich voneinander unabhängig sein müssen. Der Wortlaut des Anspruchs 1 des europäischen bzw. 8 des deutschen Klagepatents enthält keine Vorgabe zur körperlichen Unabhängigkeit der Bauteile. Die Formulierung „umfassend“ ist insoweit offen. Auch der technische Sinn und Zweck der Klemmvorrichtung erfordert keine körperliche Unabhängigkeit vom Griffstreifen. Dies folgt aus den obigen Ausführungen, nach denen zur Erreichung des technischen Sinns und Zwecks nicht zwingend eine variable Festlegung der Länge des fixierten Griffstreifens bzw. des Innendurchmessers des fixierten Griffstreifens notwendig ist.

Die Ausführungen in Absatz [0037] des europäischen Klagepatents bzw. [0033] des deutschen Klagepatents, wo von einem Einführen der Enden des Griffstreifens in die Klemmvorrichtung die Rede ist, führen zu keiner anderen Beurteilung. Diese Ausführungen beziehen sich nicht auf die geltend gemachten Vorrichtungs- sondern auf Verfahrensansprüche. Ebenso verhält es sich, soweit abhängige Unteransprüche bzw. Verfahrensansprüche der Klagepatente (Unterspruch 7 und Verfahrensanspruch 32 des europäischen Klagepatents bzw. Unteranspruch 14 und Verfahrensanspruch 6 des deutschen Klagepatents) vorsehen, dass der Griffstreifen zur Befestigung an der Hand ausgestaltet ist bzw. dort befestigt wird. Zum einen ergibt sich daraus nicht zwingend, dass der Griffstreifen von der Klemmvorrichtung körperlich unabhängig sein muss, zum anderen führen weder abhängige Unteransprüche noch ein Verfahrensanspruch zur Beschränkung eines weiter formulierten Vorrichtungsanspruchs. Auch die Ausführungen in Absatz [0052] des europäischen Klagepatents bzw. Absatz [0055] des deutschen Klagepatents beziehen sich nicht auf die geltend gemachten Vorrichtungsansprüche, sondern auf ein Verfahren. Auch dass es in Absatz [0059] heißt, dass der Griffstreifen vorzugsweise als Einwegartikel ausgestaltet ist, bedeutet nicht, dass eine körperliche Abhängigkeit der beiden Elemente ausgeschlossen wäre. Denn es handelt sich zum einen um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, zum anderen schließt auch Absatz [0059] nicht aus, dass Griffstreifen und Klemmvorrichtung gemeinsam als Einwegartikel ausgestaltet sind. Soweit in Absatz [0056] des europäischen Klagepatents ein Vorgehen zum Entfernen des Griffstreifens beschrieben ist, handelt es sich erneut um die Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, das den weiter formulierten Anspruch nicht einschränkt.

b.
Auf Grundlage des vorgeschilderten Verständnisses verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 3 wortsinngemäß. Die in der Anlage K 11 mit den Bezugszeichen (C) und (D) versehenen Bauteile stellen eine anspruchsgemäße Klemmvorrichtung dar. Denn mittels dieser Bauteile kann der um den Eberpenis gelegte Griffstreifen fixiert werden. Das Einrasten der Nase (C) in die Ausnehmung (D) führt dazu, dass der Griffstreifen so fixiert wird, dass der zur Ejakulation erforderliche Druck ohne weitere händische Maßnahmen des Absamungstechnikers aufrecht erhalten wird. Dies folgt aus der Anwendungsanleitung gemäß Anlage K 12, in der es unter Ziffern 6, 7 und 8 – unter entsprechender Bebilderung – heißt: „6- Platzieren Sie die künstliche Vagina in die Halterung (unter der Attrappe)“, „7- Lassen Sie den Eber allein“, „8- Sobald der Eber ejakuliert hat, nehmen Sie die künstliche Vagina aus der Halterung und entfernen Sie den Sammeltrichter“.

III.
Aufgrund der unberechtigten Patentbenutzung stehen der Klägerin die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte in dem nachfolgend dargestellten Umfang zu. Die Klägerin ist zunächst aktivlegitimiert. Die Beklagte hat ihr diesbezügliches Bestreiten nach Vorlage des aus der Anlage K 23 ersichtlichen Handelsregisterauszuges nicht weiter substantiiert. Aus dem Handelsregisterauszug ergibt sich in Zusammenschau mit der Anlage K 5, dass die Klägerin die Rechtsnachfolgerin der ursprünglich eingetragenen Inhaberin A GmbH & Co. KG der Klagepatente ist. Der Handelsregisterauszug gemäß Anlage K 23 belegt die wirksame Umfirmierung der A Verwaltungs GmbH in E GmbH.

1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf 139 Abs. 1 PatG und – ab Anmeldung des europäischen Klagepatents – zusätzlich auf § 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.

2.
Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG bzw. – ab Anmeldung des europäischen Klagepatents – auch aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, denn die Beklagte hat die Patentverletzungen schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzungen bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Die insoweit erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet.
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung der Ansprüche droht.
Die Feststellungsklage ist begründet. Der Schadensersatzanspruch beruht – wie oben festgestellt – auf § 139 Abs. 2 PatG bzw. § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, wobei nicht unwahrscheinlich ist, dass der Klägerin bzw. der A GmbH & Co. KG als Inhaberin des Klagepatente durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.

3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB und – ab Anmeldung des europäischen Klagepatents zusätzlich – aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG bzw. § 140b Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG bzw. § 140b Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB bzw. §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit die Klägerin die Angabe der Herstellungsauflage verlangt, war der Antrag zurückzuweisen, da nicht dargetan ist, für welche Art der Schadensberechnung sie diese Angabe benötigt.

Auch bezüglich der Verkaufsstellen besteht der Anspruch seit 01.04.2007 und zwar für die Zeit bis zum 01.09.2008 aus §§ 242, 259 BGB bzw. §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 EPÜ (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 913).

Von Amts wegen war der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt auch insoweit einzuräumen sein, als die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer betroffen sind (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 1046).

Soweit die Klägerin kumulativ die Vorlage von Kopien mehrerer Belegarten geltend macht, war die Klage abzuweisen. Eine Ausnahme dergestalt, dass es sich um eine insgesamt überschaubare Zahl von Dokumenten handelt (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 967) ist nicht gegeben. Auch nach dem Vortrag der Klägerin werden etwa 64.000 bis 96.000 Ejakulate pro Jahr mit Systemen gewonnen, die der angegriffenen Ausführungsform vergleichbar sind. Darüber hinaus hat die Beklagte auch keine Angaben dazu gemacht, warum die Kontrolle der erteilten Angaben die Vorlage mehrerer Belegarten erfordern würde.

Bezüglich des erzielten Gewinns war die Beklagte entsprechend des Hauptantrages zu verurteilen. Die Frage, ob und inwieweit einzelne Kosten bei der Bezifferung des nach dem Verletzergewinn zu bemessenden Schadensersatzes außer Betracht zu bleiben haben, weil sie den Verletzungsprodukten nicht „unmittelbar zuzurechnen” sind, kann der gegebenenfalls zu treffenden gerichtlichen Entscheidung über die Höhe der Schadensersatzleistung vorbehalten bleiben (BGH GRUR 2007, 773 (777) – Rohrschweißverfahren).

4.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte als Patentverletzer zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Vernichtung aus § 140a Abs. 1 PatG bzw. § 140a Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ zu. Die Beklagte des vorliegenden Verfahrens ist jedoch im Ausland ansässig. Bei ausländischen Beklagten bezieht sich der Anspruch aber nur auf solche verletzenden Gegenstände, die der ausländische Beklagte im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Inland noch im Besitz/Eigentum hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist hier nicht feststellbar.

Obliegt die Darlegungs- und Beweislast für den Besitz und/oder das Eigentum an sich demjenigen, der die Rechte aus § 140a Abs. 1 PatG geltend macht (Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Auflage 2008, § 140a Rn 9), genügt der Verletzte dieser Obliegenheit, wenn der Verletzer unstreitig einmal im Besitz schutzrechtsverletzender Gegenstände war und/oder diese in seinem Eigentum standen, zunächst durch einen Verweis auf diesen unstreitigen Umstand. Es ist sodann Sache des Verletzers, in erheblicher Art und Weise darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass trotz des vorher bestehenden Besitzes und/oder Eigentums nunmehr weder Besitz noch Eigentum bei ihm vorhanden sind. Ein pauschales Bestreiten des Besitzes und/oder Eigentums oder das schlichte Behaupten, jetzt keinen Besitz und/oder Eigentum mehr zu haben, reicht in diesem Zusammenhang nicht. Vielmehr obliegt es dem Verletzer, substantiiert konkrete Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass und durch welches Geschehen der Besitz und/oder das Eigentum vollständig aufgegeben wurde. Erfolgt ein erheblicher Vortrag seitens des in Anspruch Genommenen, ist es wiederum Aufgabe des Schutzrechtsinhabers konkrete Tatsachen darzutun, die den Vortrag des Verletzers erschüttern (LG Düsseldorf, InstGE 13, 1 – Escitalopram-Besitz).

Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe die angegriffene Ausführungsform nach Deutschland geliefert, genügt diesen Anforderungen nicht. Daraus folgt nicht, dass die Beklagte in Deutschland Eigentum oder Besitz an der angegriffene Ausführungsform inne hat oder hatte. Auch die Argumentation, die Beklagte werde infolge des Rückrufs künftig sowohl Besitz als auch Eigentum an der angegriffenen Ausführungsform inne haben, reicht nicht aus. Denn die Beklagte hat ihren Sitz im Ausland. Der Vernichtungsanspruch bezieht sich aber nur auf Gegenstände, die die Beklagte im Inland im Eigentum oder Besitz hat.

5.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückruf zu; einen Anspruch auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen hat sie gegen die Beklagte jedoch nicht.

a.
Soweit die Klägerin die Entfernung aus den Vertriebswegen verlangt, waren sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag abzuweisen. Der diesbezügliche Hauptantrag war als unzulässig abzuweisen, da er unbestimmt ist (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 1098). Der Klageantrag muss die Entfernungsmaßnahmen, die die Beklagte ergreifen soll, konkret bezeichnen. Dies ist bei dem Hauptantrag nicht der Fall.

b.
Da die Klage bezüglich des auf Entfernung aus den Vertriebswegen gerichteten Hauptantrages abzuweisen war, ist über den entsprechenden Hilfsantrag zu entscheiden.

aa.
Der Hilfsantrag ist zulässig. Er bezeichnet die von der Beklagten zur endgültigen Entfernung aus den Vertriebswegen zu ergreifenden Maßnahmen hinreichend konkret. Die Beklagte soll ihr gegenüber ihren Abnehmern zustehende Ansprüche auf Besitzverschaffung geltend machen und unter näher bezeichneten Umständen durchsetzen.

bb.
Die Klage ist bezüglich des Hilfsantrages unbegründet. Zur Schlüssigkeit des Entfernungsantrages gehört in der mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Fassung, dass die Klägerin Umstände angibt, aus denen folgt, dass der Beklagten gegenüber ihren Abnehmern Ansprüche auf Besitzverschaffung zustehen, die sie geltend machen könnte. Darauf, dass auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage der Beklagten gegen ihre Abnehmer Ansprüche auf Besitzverschaffung zustehen sollten, hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2011 hingewiesen. Der weitere Vortrag der Klägerin, solche Ansprüche könnten sich etwa aus § 985 BGB ergeben, genügt diesen Anforderungen nicht. Konkrete Umstände, aus denen sich Ansprüche der Beklagten gegen ihre Abnehmer auf Besitzverschaffung an der angegriffenen Ausführungsform ergeben könnten, sind mit dieser Angabe nicht verbunden.

c.
In dem tenorierten Umfang steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen zu. Der Anspruch folgt – für ab dem 01.09.2008 in Verkehr gelangte Gegenstände – aus § 140a Abs. 3 PatG bzw. aus § 140a Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG. Für die Zeit vor dem 01.09.2008 steht der Klägerin ein solcher Anspruch aus §§ 139 Abs. 1 PatG, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i. V. m. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) zu. Nach Art. 10 der Durchsetzungsrichtlinie, welche bis zum 29.04.2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen. Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen (OLG Düsseldorf, I – 2 U 18/09, Urteil vom 27.01.2011; Hoge Raad, GRUR-Int. 2008, 955, 958 – De Endstra Tapes). Darunter ist auch der Rückruf patentverletzender Ware zu verstehen. Entsprechend sieht § 140a Abs. 3 PatG in Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie einen Anspruch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse vor.

Da die Klägerin mit dem auf den Rückruf bezogenen Hilfsantrag die Wiederansichnahme der Erzeugnisse begehrt und der Entfernungsantrag, mit dem sie die Wiederansichnahme als Hauptantrag verfolgt, nicht durchgreift, war diese Folge auf den entsprechenden Hilfsantrag im Rahmen des Rückrufs auszusprechen.

6.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte darüber hinaus ein Anspruch auf Zahlung der Kosten des Abmahnschreibens aus § 139 Abs. 2 PatG bzw. § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ zu. Bezüglich der Höhe der angesetzten Kosten, die die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, bestehen keine Bedenken. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

V.
Zu einer Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO besteht keine Veranlassung. Zunächst kommt eine Aussetzung in der vorliegenden Konstellation, in der lediglich eines der beiden Klagepatente, nämlich das europäische Klagepatent mit einem Einspruch, angegriffen ist, allenfalls bezüglich der auf das europäische Klagepatent gestützten Klage in Betracht. Auch bezüglich der auf eine Verletzung des europäischen Klagepatents gestützten Klage besteht im Hinblick auf den seitens der B erhobenen Einspruch, dem die Beklagte beigetreten ist, kein hinreichender Anlass zur Aussetzung.

Nach ständiger Rechtsprechung (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker; LG Düsseldorf, Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus) stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der ihm am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden Verletzungsrechtsstreits. Aus dem Vorbringen der Beklagten zu dem anhängigen Einspruchsverfahren ergibt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass mit der Vernichtung des Anspruchs 1 sowie der geltend gemachten Kombinationen der Ansprüche 1 und 2 bzw. 1 und 4 bzw. 1 und 5 durch die Einspruchsabteilung zu rechnen ist. Auch die Beklagte trägt nur vor, mit der Vernichtung der Ansprüche 1 und 2 sei wegen fehlender Neuheit zu rechnen.

Eine überwiegend wahrscheinliche Vernichtung der Ansprüche 1 und 2 europäischen Klagepatents kann nicht festgestellt werden.

Die seitens der Beklagten angeführten Entgegenhaltungen sind nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt worden. Zur hiesigen Akte ist einzig eine Übersetzung der Entgegenhaltung US 2004/0039XXX (Anlage TW 1) gelangt (als Anlage K 6a). Insoweit handelt es sich jedoch um im Erteilungsverfahren beider Klagepatente gewürdigten Stand der Technik. Außerdem fehlt deutschsprachiger schriftsätzlicher Vortrag dazu, worin die angeblich neuheitsschädlichen Offenbarungen liegen sollen. Der Verweis der Beklagten auf Ausführungen im in französischer Sprache abgefassten Einspruchsschriftsatz der B, von dem sie nur eine auszugsweise Übersetzung vorlegt, sowie die Vorlage ihres eigenen – in französischer Sprache abgefassten – Beitrittsschriftsatzes ermöglichen keine weitergehende Beurteilung der Erfolgsaussichten des Einspruchsverfahrens.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 250.000,- €