4b O 162/09 – Cistus incanus

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1640

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Mai 2011, Az. 4b O 162/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 54/11

I. Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Klägerin, zu unterlassen,

Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst,

sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

2. dem Beklagten Auskunft darüber zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 26.10.2007 die unter Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach den Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet,

e. des erzielten Umsatzes sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Auskünfte zu e. seit dem 08.11.2008 zu erteilen sind,

– die Klägerin zum Nachweis der Angaben unter a. und b. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und

– der Klägerin vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt dem Beklagten einem von diesem zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Klägerin dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Beklagten auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist,

1. dem Beklagten eine angemessene Entschädigung für Handlungen gemäß Ziffer I.1 im Zeitraum vom 26.10.2007 bis 07.11.2008 zu zahlen,

2. dem Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der ihm und der H GmbH & Co. KG, Glandorf, durch die in Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit seit dem 08.11.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt, an den Beklagten 6.396,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2011 zu zahlen.

IV. Die Klage wird abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 €.

T a t b e s t a n d

Der Beklagte und Widerkläger (im Folgenden: Beklagter) ist Inhaber des Europäischen Patents EP 1 837 XXX B1 (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 24.03.2006 unter der Anmeldenummer 06006XXX.6 angemeldet, die Anmeldung am 26.09.2007 veröffentlicht. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 08.10.2008 veröffentlicht. Zu den benannten Vertragsstaaten zählt unter anderem die Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden: Klägerin) sowie eine A GmbH haben jeweils Einspruch gegen das Klagepatent erhoben. Aufgrund mündlicher Verhandlung über die Einsprüche der Klägerin und der A GmbH hielt die Einspruchsabteilung des EPA das Klagepatent mit Zwischenbescheid vom 14.01.2011 im Umfang des nachstehend wiedergegebenen eingeschränkten Anspruchs 1 aufrecht. Wegen der Einzelheiten des Zwischenbescheides wird auf die zur Akte gereichten Ablichtungen (Anlagen B 12 bzw. K 23) vollumfänglich Bezug genommen. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte und die A GmbH legten Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA ein. Das Klagepatent – in der eingeschränkten Fassung – betrifft die Verwendung von Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung bzw. eines Präparats zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten (grippalen Infekten), die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet im aufrecht erhaltenen Umfang (Einschränkungen durch Unterstreichung hervorgehoben):

„Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst und die Pflanze aus Cistus incanus ausgewählt wird.“

Die Klägerin stellt Cistus incanus Kapseln (angegriffene Ausführungsform 1), Cistus Incanus Spray (angegriffene Ausführungsform 2) und Cistus incanus Tee (angegriffene Ausführungsform 3) her. Insoweit wird auf den als Anlage K 7 bzw. B 8 zur Akte gereichten Ausdruck des unter www.B.com abrufbaren Internetauftritts der Klägerin sowie auf ihren aus der Anlage K 8 ersichtlichen Katalog Bezug genommen. Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen erfolgt über Vertriebspartner, die die Klägerin als selbständige Berater bezeichnet. Zu diesen Vertriebspartnern gehören Frau C und Herr D. Diese verschickten unter dem 29.04.2009 die aus der Anlage B 2 ersichtliche eMail, in der sich unter anderem folgende Angaben finden:
– „Cistus incanus ist ein Vierenkiller …“
– „… weitere Einsatzgebiete von Cistus incanus:
„Virusinfektionen:
SchnupfenHusten
Influenza (echte Grippe)
…“
– „G-Bestell-Hotline: … oder im Internet unter www.B.com“
– „Cistus Incanus Kapseln3er-Pack – Best-Nr.: …“

Unter der Website www.E.com (Anlage B 3), die Abbildungen der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 zeigt, findet sich unter den Überschriften „Cistus Incanus ssp. Tauricus“ und „Wirkung“ die Angabe:
„wirkt antibakteriell, antiviral und pilzhemmend (dadurch geeignet, eine ausgewogene Keimbesiedlung des Körpers aufrecht zu erhalten)“.
In der Folge heißt es dann:
„Es wurde festgestellt, dass Cistus Incanus Tauricus auch bei bereits eingetretenen Virusinfektionen eingesetzt werden kann. … Das macht Cistus Incanus Tauricus zu einem universell einsetzbarem, natürlichem Virenschutz- und Virenbekämpfungsmitte, welches auch jederzeit mit anderen Therapien und Medikamenten eingesetzt werden kann.“
Sodann werden als Einsatzgebiete für Cistus Incanus Tauricus unter anderem angegeben:
– „alle Virenerkrankungen – hemmt die Ausbreitung und stabilisiert“
– „fördert die Heilung bei Virenerkrankungen und bakteriellen Enzündungen“
– „entzündliche Vorgänge im Mund-, Hals- und Rachenraum, z.B. Mandelentzündung, Parodontose, Zahnfleischsaumentzündung, Prothesendruckstellen“

Auf einer weiteren Website, die unter www.F.de (Anlage B 4) abrufbar ist, sind die angegriffenen Ausführungsformen 1, 2 und 3 bildlich eingeblendet. Darüber hinaus finden sich die Äußerungen:
„Wollen Sie wirklich jeden Winter Schnupfen/Grippe haben?
Cistus Incanus als Kapsel und Tee
Zur Vorbeugung, aber auch im akuten Fall!“
Weiter wird dort ausgeführt:
„Der natürliche Schutz der Zellen gegen alle Arten von Viren und Bakterien“

Mit insgesamt drei anwaltlichen Schreiben vom 09.06.2009 mahnte der Beklagte die Klägerin sowie die Berater C und D unter Verweis auf die eMail vom 29.04.2009 (Anlage B 2) ab. Wegen der Einzelheiten der Abmahnung wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen. Die Klägerin und die beiden Berater beauftragten jeweils die Klägervertreter als Rechts- und Patentanwälte mit der Abwehr der Abmahnung. Mit drei anwaltlichen Schreiben vom 10.07.2009, vorgelegt als Anlagen K 5 und Anlagenkonvolut K 15, forderten die Klägervertreter den Beklagten namens und in Vollmacht der Klägerin sowie der Berater C und D unter Fristsetzung bis 17.07.2009 jeweils erfolglos dazu auf, die Abmahnung zurückzunehmen und zu erklären, aus der Abmahnung keine Ansprüche mehr herzuleiten. Die Klägervertreter stellten der Klägerin für das sie betreffende Schreiben insgesamt 6.396,48 € in Rechnung, die sich aus jeweils einer 1,3 Gebühr aus einem Streitwert von 250.000,00 € plus 20,- € Pauschale plus Mehrwertsteuer für die rechts- und patentanwaltliche Tätigkeit zusammensetzen. Dies ergibt einen Nettobetrag von 5.375,20 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 13 verwiesen. Die Klägerin zahlte den Rechnungsbetrag an die Klägervertreter. Entsprechend rechneten die Klägervertreter auch für die Beantwortung der Abmahnung namens und in Vollmacht der beiden Berater jeweils einen Betrag von 6.396,48 € brutto, also 5.375,20 € netto, ab (Anlagenkonvolut K 16). Die Klägerin stellte ihre Berater gegen Abtretung etwaiger Kostenerstattungsansprüche (Anlage K 17) jeweils in Höhe des Nettobetrages frei.

Unter dem 08.07.2009 erstellten die Klägervertreter für die Klägerin sowie die Berater C und D die aus der Anlage K 4 ersichtliche Schutzschrift, die sie bei sämtlichen deutschen Patentgerichten hinterlegten. Auf die betreffende Kostenrechnung vom 10.07.2009 (Anlage K 18) zahlte die Klägerin den in Rechnung gestellten Gesamt-Bruttobetrag von 7.461,30 €. Daraus ergibt sich ein Nettobetrag von 5.170,00 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage K 18 Bezug genommen. Die beiden Berater traten wiederum einen etwaigen auf sie entfallenden Kostenerstattungsanspruch an die Klägerin ab (Anlage K 17).

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Ihr Internetauftritt und der Katalog (Anlagen K 7 und K 8) enthielten keine patentgemäße Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen. Das klägerische Angebot beziehe sich nicht auf die Prophylaxe und / oder Behandlung von Primärinfektionen, hervorgerufen durch Rhinoviren; darauf sei das Klagepatent aber beschränkt.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, das Klagepatent sei weder das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit noch neu, weshalb es aufgrund des Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahrens zu löschen sei.

Die Klägerin meint, ihr stünde gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der Rechts- und Patentanwaltskosten im Zusammenhang mit der Verteidigung gegen die Abmahnungen sowie wegen der Hinterlegung der Schutzschriften zu. Die Abmahnungen seien unberechtigt gewesen. Die Klägerin behauptet, dies habe der Beklagte gewusst; ihm sei bereits im Zeitpunkt der Anmeldung des Klagepatents bekannt gewesen, dass die im Patent unter Schutz gestellten Anwendungsformen sämtlich aus der Literatur und aus seinen eigenen Veröffentlichungen bekannt gewesen seien. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, selbst wenn die Abmahnung berechtigt gewesen sein sollte, stünde dem Beklagten allenfalls ein Anspruch in Höhe einer 1,3 Gebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer zu, da er nur eine Kanzlei mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt habe.

Die Klägerin hat mit der ursprünglich erhobenen negativen Feststellungklage, die dem Beklagten am 02.10.2009 zugestellt worden ist, Feststellung begehrt, dass sie durch das Klagepatent nicht gehindert ist, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Cistus enthaltende Zusammensetzungen zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten die drei angegriffenen Ausführungsformen herzustellen, anzubieten, zu bewerben, in den Verkehr zu bringen, zu im- oder exportieren oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Nach Erhebung einer Leistungswiderklage haben die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der negativen Feststellungsklage am 11.03.2011 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 21.295,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.12.2010, der Klägerin zugestellt am 03.01.2011 nach Modifikation der Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2011,

wie erkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Einspruchsverfahren zur Anmeldenummer EPA 06006XXX.6 auszusetzen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Abmahnungen seien berechtigt erfolgt. Insoweit stehe ihm gegen die Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe der sie betreffenden Abmahnkosten von 6.396,48 € zu.

Weiter ist der Beklagte der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents in wortsinngemäßer Weise Gebrauch. In der eMail der Berater gemäß Anlage B 2 liege eine wortsinngemäße Patentbenutzung, für die die Klägerin hafte. Ebenso verhalte es sich mit den vorstehend wiedergegebenen Äußerungen auf den Websites www.E.com (Anlage B 3) und www.F.de (Anlage B 4). Die Verwendung zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasse, ergebe sich aus den vorgenannten Äußerungen, die der Klägerin zuzurechnen seien. Darüber hinaus seien die Kosten für die Einreichung einer Schutzschrift ohnehin nur dann erstattungsfähig, wenn bei dem Gericht, bei dem die Schutzschrift hinterlegt sei, tatsächlich ein entsprechender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht werde; auch bei Unterstellung einer unberechtigten Abmahnung seien jedenfalls die angesetzten Kosten zu hoch, da die Klägerin die Anrechnung nach § 15a RVG nicht berücksichtigt habe; durch die Tätigkeit für die Klägerin sowie die beiden Berater seien etwaige Gebühren auch nicht jeweils drei Mal angefallen; für die Einreichung einer Schutzschrift fiele eine Verfahrensgebühr bestenfalls in Höhe von 0,8 Gebühren an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Widerklage hat Erfolg. Sie ist begründet. Die nach teilweise übereinstimmender Erledigungserklärung verbliebene Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

I.
Das Klagepatent betrifft die Verwendung von Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung bzw. eines Präparats zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten (grippalen Infekten), die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen.

Nach dem Klagepatent zählen zu den typischen Erkältungskrankheiten Atemwegsinfekte, wie Schnupfen und Mandel- und Rachenentzündungen sowie Husten und Bronchitis. Meist treten sie nacheinander auf; die Erkältung kann aber auch auf Nase, Hals oder Bronchien beschränkt bleiben. Derartige Erkältungskrankheiten werden auch als „grippaler Infekt“ bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist eine durch Influenza-Viren ausgelöste „echte“ Grippe, die sogenannte Influenza, die einen deutlich längeren und schwereren Krankheitsverlauf aufweist und in der Regel mit Fieber verbunden ist (Klagepatent Absatz [0002]). Auch die Erkältungskrankheiten werden – so das Klagepatent – durch Viren ausgelöst. Da es beispielsweise mehr als hundert verschiedene Typen von Viren gibt, die einen Schnupfen verursachen können, wird es kaum je möglich sein, einen Impfstoff dagegen zu entwickeln. Eine Behandlung von Schnupfen oder von Erkältungen ist daher auf eine Linderung der Symptome gerichtet (Klagepatent Absatz [0003]). Das Klagepatent führt aus, dass ein grippaler Infekt meistens durch Adenoviren, Coronaviren und / oder Rhinoviren hervorgerufen wird (Klagepatent Absatz [0012]).

Aus dem Stand der Technik nennt das Klagepatent zur Linderung der Symptome von Erkältungen altbewährte Hausmittel, wie zum Beispiel das Inhalieren von heißem Dampf bei stark verstopften Nasen, gegebenenfalls unter Zufügung einiger Tropfen Teebaum- oder Kamillenöl in das heiße Wasser. Auch ist nach dem Klagepatent bekannt, dass regelmäßiges Durchspülen der Nase mit einer Salzlösung die Anfälligkeit für Schnupfen senken kann (Klagepatent Absatz [0003]).

Als weiteren Stand der Technik nennt das Klagepatent, dass Medikamente helfen können, die Gefäße in der geschwollenen Nasenschleimhaut zu verengen, was zu einer Beruhigung der Nasenschleimhaut führt. Hieran kritisiert das Klagepatent, dass Nasentropfen zur Abschwellung der Nasenschleimhaut nicht länger als zwei bis drei Tage angewendet werden sollten, da es danach sein könne, dass ein Absetzen die Nasenschleimhaut um so stärker anschwellen ließe und sich ein „Medikamtenschnupfen“ (Rhinitis medicamentosa) entwickele (Klagepatent Absatz [0004]).

Das Klagepatent führt in der Folge als Stand der Technik die Veröffentlichung Urheimische Notizen, Ausgabe 4/2003 auf, die beschreibt, dass für einen Schnupfen vor allem Rhinoviren, die in die Nasenschleimhäute eindringen, verantwortlich sind. Wenn daraufhin die Nase verstopft ist, helfen Nasentropfen auf Cystus® Basis, da die darin enthaltenen Polyphenole abschwellend und entzündungshemmend wirken. G. Harnisch, Cystus, Turm Verlag 2000, ISBN 3-7999-0265-1,– so das Klagepatent – beschreibt die griechische Wildpflanze Cystus (Einschub in Klagepatent gemäß Zwischenbescheid der Einspruchsabteilung des EPA vom 14.01.2011, am Ende von Absatz [0004]).

Das Klagepatent führt an, dass aus dem Stand der Technik bekannt ist, dass Phytopharmaka im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Nasensprays nebenwirkungsarm sind, die Nasenschleimhaut auch bei Einnahme über einen längeren Zeitraum nicht schädigen und zu keiner Rhinitis medicamentosa führen (Klagepatent Absatz [0005]). Häufig werden Echinacea-Präparate bei Erkältungskrankheiten in variabler phytochemischer Zusammensetzung eingenommen.

Daran kritisiert das Klagepatent, dass kontrollierte Studien über die Wirksamkeit dieser Phytotherapeutika nur in begrenztem Umfang existierten. Erst kürzlich habe eine neue Studie ergeben, dass Echinacea nicht die postulierte Wirkung aufweise (Klagepatent Absatz [0006]).

Als weiteres Medikament auf pflanzlicher Basis nennt das Klagepatent ein Extrakt aus Wurzeln von Pelargonium reniforme oder sidiodes, das unter dem Namen Umckaloabo® vertrieben wird. Es wird postuliert, dass der Extrakt antibakterielle, antivirale und sekretolytische Wirkung entfaltet.

Hieran kritisiert das Klagepatent, dass das Medikament von Schwangeren und Stillenden sowie bei Patienten mit Leber- und Nierenerkrankungen oder erhöhter Blutsneigung nicht angewendet werden solle, da in diesem Bereich noch nicht ausreichend Erfahrungen hätten gesammelt werden können. Verglichen mit anderen Phytopharmaka sei Umckaloabo® zudem recht kostspielig (Klagepatent Absatz [0007]).

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, eine antivirale Zusammensetzung zur Prophylaxe und / oder zur Behandlung von Erkältungskrankheiten (grippalen Infekten), die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen, zur Verfügung zu stellen, die kostengünstig hergestellt werden kann und keinerlei oder nur geringe Nebenwirkungen bei der Verabreichung hervorruft (Klagepatent Absatz [0008]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in der Fassung gemäß des Zwischenbescheides der Einspruchsabteilung des EPA vom 14.01.2011 einen Anspruch 1 vor, der wie folgt gegliedert werden kann:

1. Verwendung von Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung

2. mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren

3. zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten

4. wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst.

II.
Die angegriffenen Ausführungsformen 1, 2 und 3 machen von der Lehre des Klagepatents in wortsinngemäßer Weise Gebrauch.

1.
Die Verwirklichung der Merkmale 1 und 2 ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig.

2.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von Merkmal 3 der vorstehenden Merkmalsanalyse in wortsinngemäßer Weise Gebrauch. Danach handelt es sich bei der unter Verwendung von Cistus incanus hergestellten Zusammensetzung (Merkmal 1) um eine solche zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten.

Dieses Merkmal versteht der Fachmann dahingehend, dass die Zusammensetzung nicht nur zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten geeignet, sondern dafür zweckbestimmt sein muss. Dieses Verständnis entnimmt er schon dem Wortlaut des eingeschränkten Anspruchs 1 des Klagepatents. Der Fachmann erkennt, dass die Verwendung von Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung nicht der alleinige patentgeschützte Zweck ist. Denn der Zusammensetzung wird erst durch die Vorgabe des Einsatzbereiches „zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten“ (Merkmal 3) eine konkrete Aufgabe zugeordnet. Darüber hinaus legt das Klagepatent den Schwerpunkt auf den Einsatz der Zusammensetzung zur Prophylaxe und / oder zur Behandlung von Erkältungskrankheiten (s. Aufgabenstellung gemäß Absatz [0008]). Auch die Absätze [0002], [0003] und [0011] bis [0021] des Klagepatents befassen sich mit Erkältungskrankheiten und deren Ursachen. Daraus wird deutlich, dass das im Patentanspruch 1 vorgegebene Einsatzgebiet der Zusammensetzung Teil der Zweckbestimmung der Verwendung von Cistus incanus ist. Insoweit stellt der Anspruch 1 eine konkrete Verwendung eines im Stand der Technik vorbekannten Stoffs unter Schutz (sog. zweckgebundener Stoffschutz, vgl. BGH GRUR 1987, 794 (795) – Antivirusmittel).

Dem „zweckgebundenen Stoffschutz“ wohnt ein finales Element, nämlich eine bestimmte Zweckverwirklichung, inne. Diese bildet einen wesentlichen Bestandteil der unter Schutz gestellten Erfindung, die nur durch die Verwirklichung des ihr innewohnenden Zwecks realisiert wird. Wird dieser Zweck weder angestrebt noch zielgerichtet erreicht, sondern ein anderer als der im Patentanspruch genannte Zweck verwirklicht, so scheidet eine Benutzung des Patentgegenstandes aus (BGH GRUR 1987, 794 (795) – Antivirusmittel). Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob der im Schutzrecht genannte oder ein anderer Zweck verfolgt oder erreicht wird, ein praktisch vernünftiger Maßstab anzulegen, der für sophistische Betrachtungsweisen keinen Raum lässt. Dass ein Mittel sich auch für den im Klageschutzrecht genannten Zweck eignet, besagt noch nicht, dass es diesen Zweck auch verwirklicht. Zur Benutzung der in dem „zweckgebundenen Anspruch“ unter Schutz gestellten Lehre muss vielmehr hinzukommen, dass der der Erfindung innewohnende Zweck im Sinne der konkreten Zielrichtung der patentierten Lehre in einem praktisch erheblichen Umfang erreicht (verwirklicht) wird (BGH GRUR 1987, 794 (795) – Antivirusmittel). Eine Benutzung kommt danach nur in Betracht, wenn der im Schutzanspruch genannte, spezifische Verwendungszweck der Erfindung angestrebt oder zielgerichtet erreicht wird (LG Düsseldorf GRUR-RR 2004, 193 (194) – Ribavirin).

Unter Erkältungskrankheit im Sinne des Klagepatents versteht der Fachmann gemäß der Definition in Absatz [0011] Entzündungen der Atemwege, also in der Regel von Nase, Rachen, Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien, wobei das Klagepatent die Termini „Erkältungskrankheiten“ und „grippaler Infekt“ synonym gebraucht. Ein grippaler Infekt im Sinne des Klagepatents grenzt sich von der „echten“ Grippe bzw. Influenza dadurch ab, dass letztere nur durch Influenzaviren verursacht wird. Ein grippaler Infekt wird meistens durch Adenoviren, Coronaviren und / oder Rhinoviren hervorgerufen (Klagepatent Absatz [0012]). Dem Klagepatent entnimmt der Fachmann ferner, dass Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents meist mit Beschwerden wie Schnupfen und / oder Husten auftreten (Klagepatent Absätze [0016], [0017], [0019]) und die patentgemäße Zusammensetzung zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Schnupfen eingesetzt wird (Klagepatent Absatz [0020]).

Auf Grundlage dieses Verständnisses erfüllen die angegriffenen Ausführungsformen Merkmal 3 in wortsinngemäßer Weise, und zwar durch die eMail (Anlage B 2) bzw. die Internetauftritte der Vertriebspartner (Anlagen B 3 und B 4) der Klägerin.

Zwar werden im Falle des zweckgerichteten Stoffschutzes von dem Schutzrecht nicht nur solche Handlungen erfasst, die unmittelbar die Anwendung betreffen, sondern auch solche Handlungen, bei denen der Stoff oder die Sache zu der betreffenden Verwendung sinnfällig hergerichtet wird. Eine solche sinnfällige Herrichtung kann durch eine besondere Gestaltung des Stoffes oder der Sache, eine ihm / ihr beim Vertrieb beigegebene Gebrauchsanleitung in Form eines Beipackzettels oder in sonstiger Weise geschehen (vgl. BGH GRUR 1990, 505 (506) – geschlitzte Abdeckfolie; LG Düsseldorf GRUR-RR 2004, 193 (194) – Ribavirin).

Allein in der – durch die Klägerin vorgenommenen – Gestaltung der angegriffenen Ausführungsformen als Kapseln, Spray bzw. Tee liegt noch keine sinnfällige Herrichtung einer Zusammensetzung zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten. Denn der Einsatzbereich der so hergerichteten Zusammensetzungen ist offen. Er ist nicht zielgerichtet auf den Einsatz zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents. Eine solche Zweckbestimmung ergibt sich auch nicht aus dem Internetauftritt der Klägerin selbst (Anlage K 7) oder aus ihrem Katalog (Anlage K 8). Denn dort ist nicht von einem Einsatz der angegriffenen Ausführungsformen konkret bei Erkältungskrankheiten die Rede.

Eine Verwirklichung des Merkmals 3 der Merkmalsgliederung liegt jedoch über die Äußerungen in der eMail vom 29.04.2009 (Anlage B 2) und den weiteren vorgelegten Ausdrucken von Internetauftritten (Anlagen B 3 und B 4) vor. Danach sind die angegriffenen Ausführungsformen zur Prophylaxe und / oder Behandlung der Erkältungskrankheiten sinnfällig hergerichtet. Denn dort wird jeweils ausdrücklich vom Einsatz von Cistus Incanus der Klägerin gegen Viren bzw. Vireninfektionen in Form von Schnupfen, Husten – in Abgrenzung zu Influenza (echter Grippe) – (Anlage B 2), alle Virenerkrankungen sowie entzündliche Vorgänge im Mund-, Hals- und Rachenraum (Anlage B 3) bzw. Schnupfen / Grippe sowie gegen alle Arten von Viren (Anlage B 4) gesprochen, wobei der Fachmann – wie zuvor ausgeführt – zum einen weiß, dass die Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents Entzündungen der Atemwege sind, und zum anderen, dass diese durch Viren (zumeist durch Adeno-, Corona- oder Rhinoviren) verursacht werden. Für ein entsprechendes Einsatzgebiet ist in der Anlage B 2 ausdrücklich auf die Cistus incanus Kapseln der Klägerin (angegriffene Ausführungsform 1) und in den Anlagen B 3 und B 4 auf die Cistus incanus Kapseln (angegriffene Ausführungsform 1) und den Cistus incanus Tee (angegriffene Ausführungsform 3) der Klägerin Bezug genommen. Darüber hinaus ist in Anlage B 4 das Spray (angegriffene Ausführungsform 2) neben dem Cistus incanus bewerbenden Text gemeinsam mit Kapseln (angegriffene Ausführungsform 1) und Tee (angegriffene Ausführungsform 3) abgebildet.

3.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen auch von Merkmal 4 der Merkmalsgliederung in wortsinngemäßer Weise Gebrauch. Danach umfasst die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren.

Dieses Merkmal versteht der Fachmann dahingehend, dass die Erkältungskrankheiten, zu deren Prophylaxe und / oder Behandlung die Zusammensetzung patentgemäß verwendet wird, eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, und ggf. beliebige Sekundärinfektionen umfassen. Dieses Verständnis entnimmt er den Absätzen [0012] ff., die erläutern, dass ein grippaler Infekt meistens durch Adenoviren, Coronaviren und / oder Rhinoviren hervorgerufen wird, wobei das Klagepatent die einzelnen Virentypen und Krankheitsbilder in Absätzen [0013] ff. näher beschreibt. Nach Absatz [0020] tritt von den Erkältungskrankheiten ein Schnupfen in den Wintermonaten am häufigsten auf, der durch eine Infektion mit Rhinoviren, seltener auch mit Adenoviren, hervorgerufen wird. Danach sieht der Fachmann als Ursache für Erkältungskrankheiten eine Infektion mit einem der drei genannten Virustypen an, wobei das Klagepatent seinem Wortlaut nach auf die Verwendung zur Prophylaxe und / oder Behandlung der durch Rhinoviren hervorgerufenen Erkältungskrankheiten beschränkt ist. Weiter erläutert das Klagepatent in Absatz [0021], dass sich bei Erkältungskrankheiten bakterielle Infektionen auf die bereits bestehende Virusinfektion „aufsetzen“ können; derartige Infektionen werden – so das Klagepatent – als Sekundärinfektionen oder bakterielle Superinfektionen bezeichnet. Dem entnimmt der Fachmann, dass bei Erkältungskrankheiten neben der viralen Primärinfektion weitere (bakterielle) Sekundärinfektionen vorliegen können.

Auf Grundlage dieses Verständnisses machen die angegriffenen Ausführungsformen – über die eMail (Anlage B 2) und die Internetauftritte gemäß der Anlagen B 3 und B 4 – von Merkmal 4 der Merkmalsgliederung wortsinngemäß Gebrauch. Denn danach sind die angegriffenen Ausführungsformen – auch – zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Schnupfen, Husten bzw. allen Arten von Viren sowie entzündlichen Vorgängen im Hals- und Rachenraum zweckbestimmt und damit sinnfällig hergerichtet.

Die Anlage B 2 stellt ausdrücklich einen Bezug zwischen Erkältungskrankheiten als Virusinfektion und einer antiviralen Aktivität von Cistus incanus her. So heißt es dort:
„Cistus ist ein Vierenkiller …“
und kurz darauf unter „Einsatzgebiete“:
„Virusinfektionen:
SchnupfenHusten“.

Auch die Anlagen B 3 und B 4 heben die antivirale Wirksamkeit von Cistus incanus hervor, und zwar im Zusammenhang mit Erkältungskrankheiten. In Anlage B 3 heißt es zunächst unter „Wirkung“:
„Das macht Cistus Incanus Tauricus zu einem universell einsetzbarem, natürlichem Virenschutz- und Virenbekämpfungsmittel …“
sowie in der Folge unter „Einsatzgebiete“:
„alle Virenerkrankungen – hemmt die Ausbreitung und stabilisiert
fördert die Heilung bei Virenerkrankungen und bakteriellen Entzündungen …
entzündliche Vorgänge im Mund-, Hals- und Rachenraum, z.B. Mandelentzündung …“
Nach dem vorgeschilderten Verständnis des Fachmanns sind Entzündungen der Atemwege, z.B. Mandel- oder Rachenentzündungen, Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents. In Absatz [0002] des Klagepatents werden sowohl Mandel- als auch Rachenentzündung exemplarisch als Erkältungskrankheiten aufgeführt.

Anlage B 4 hebt die antivirale Wirksamkeit von Cistus incanus hervor, indem auf die einleitende Frage „Wollen Sie wirklich jeden Winter Schnupfen/Grippe haben?“ die Aussagen
„Cistus Incanus als Kapsel und Tee
Zur Vorbeugung, aber auch im akuten Fall!
– Der natürliche Schutz gegen alle Arten von Viren und Bakterien“
folgen.

Letztlich stellen alle angegriffenen Ausführungsformen auf die antivirale Aktivität von Cistus incanus ab. Dass die Äußerungen gemäß der Anlagen B 2, B 3 und B 4 nicht ausdrücklich von einer antiviralen Aktivität bezüglich einer durch Rhinoviren verursachten Primärinfektion sprechen, schadet dabei nicht. Ein solcher Einsatzbereich ist von den vorgenannten Aussagen zielgerichtet mitumfasst. Denn Rhinoviren sind zum einen Viren; zum anderen sind sie Ursache für einen signifikanten Teil der Erkältungskrankheiten in Form von Schupfen und oder Husten. Dies entnimmt der Fachmann insbesondere Absatz [0020] der Klagepatentschrift. Ob, wie von dem Beklagten behauptet, eine Primärinfektion mit Rhinoviren Ursache von 80 % der Erkältungskrankheiten, oder, wie die Klägerin behauptet, von 40 % der Erkältungskrankheiten ist, ist für die Frage der Patentverletzung ohne Belang. Denn auch, wenn eine Primärinfektion mit Rhinoviren „nur“ Ursache für 40 % der Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents sein sollte, ist in der Angabe des Einsatzbereiches gegen Schnupfen, Husten bzw. alle Arten von Viren auch der zielgerichtete Einsatz zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, die eine Primärinfektion hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen, enthalten. Angesichts des signifikanten Anteils der Erkältungskrankheiten, die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen, liegt in der Zweckbestimmung der angegriffenen Ausführungsformen zum Einsatz bei bestimmten Erkältungskrankheiten (Schnupfen, Husten, Entzündungen im Hals- und Rachenraum) auch keine so große Abstraktion, dass sie aus der Verletzung herausführen würde.

III.
Dem Beklagten stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Klägerin zu. Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

1.
Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung. Der Anspruch beruht auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 9, 139 Abs. 1 PatG.

a.
Der Beklagte ist zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert. Denn er ist eingetragener Inhaber des Klagepatents. Die der H GmbH & Co. KG erteilte Vertriebslizenz steht der Aktivlegitimation des Beklagten nicht entgegen. Diese ergibt sich schon aus der Eintragung. Darüber hinaus hat sich der Beklagte mit der Vertriebslizenz nicht aller Rechte aus dem Klagepatent begeben (vgl. BGH GRUR 2008, 896 (898) – Tintenpatrone). Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestritten hat, dass es sich bei der der H GmbH & Co. KG erteilten Lizenz um eine reine Vertriebslizenz handelt, ist dieses Bestreiten angesichts der vorgelegten Vereinbarung (Anlage K 17) zu pauschal. Denn in der Vereinbarung hat der Beklagte zugleich unter Ziffer 2. erklärt, dass er der H GmbH & Co. KG eine ausschließliche Vertriebslizenz eingeräumt habe. Konkrete Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Richtigkeit der abgegebenen Erklärung in Zweifel zu ziehen, sind nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht ersichtlich.

b.
Die Klägerin ist passivlegitimiert. Die angegriffenen Ausführungsformen stellen nach den obigen Ausführungen eine wortsinngemäße Benutzung der Lehre des Klagepatents dar, die ohne Berechtigung erfolgt. Auch wenn sich die konkrete Verwendung der von der Klägerin hergestellten Zusammensetzungen zur Prophylaxe / Behandlung von Erkältungskrankheiten, die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen, erst aus den Äußerungen in den Internetauftritten ihrer Vertriebspartner findet, haftet die Klägerin. Denn Schuldner des Unterlassungsanspruchs ist nicht nur, wer in eigener Person einen der Benutzungstatbestände des § 139 Abs. 1 PatG verwirklicht oder vorsätzlich die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch einen Dritten ermöglicht oder fördert. Verletzer und damit Schuldner ist vielmehr auch, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch den Dritten ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (BGH GRUR 2009, 1142 (1144) – MP3-Player-Import). Die Kammer schließt sich den entsprechenden Ausführungen des BGH in dem vorstehend genannten Urteil vollumfänglich an. Daran, dass die vorgenannten Voraussetzungen in der Person der Klägerin verwirklicht sind, besteht kein ernsthafter Zweifel.

Die Klägerin fördert jedenfalls die Anpreisung der drei angegriffenen Ausführungsformen zur patentgemäßen Verwendung. Denn sie gibt selbst an, dass sie ein „Direktvertriebsunternehmen“ ist (Anlage B 10). Dabei produziert sie die von den Vertriebspartnern vertriebenen angegriffenen Ausführungsformen und stellt sie diesen zur Verfügung. Ausweislich ihres eigenen Internetauftritts (Anlage B 10) versorgt sie ihre Vertriebspartner mit einem quartalsweise erscheinenden Magazin. Mit diesem Verhalten fördert sie die konkrete Produktbewerbung durch die Vertriebspartner, und zwar auch dann, wenn diese „selbständig“ (Anlage B 10) sind. Ein Weisungsverhältnis zwischen Förderer und Gefördertem ist nicht erforderlich. Spätestens seit Erhalt der Abmahnung weiß die Klägerin positiv, dass jedenfalls zwei ihrer Vertriebspartner die angegriffenen Ausführungsformen zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen, anpreisen. Vor Erhalt der Abmahnung hat sie sich jedenfalls pflichtwidrig keine entsprechende Kenntnis verschafft. Denn die Klägerin stellt die angegriffenen Ausführungsformen her und liefert sie an ihre Vertriebspartner, ohne diese auf das zu Gunsten des Beklagten bestehende Schutzrecht oder darauf hinzuweisen, dass die angegriffenen Ausführungsformen nicht zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents vertrieben werden dürfen. Davon geht die Kammer aus, nachdem die Klägerin auch nach Hinweis auf die sie treffende sekundäre Darlegungslast in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Verhalten gegenüber den Vertriebspartnern keine Einzelheiten vorgetragen hat. Der entsprechende Vortrag ist zum einen nicht hinreichend konkret, zum anderen ist er auch nicht unter Beweis gestellt.

Der Justitiar der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung lediglich Erklärungen zu seinen persönlichen Kenntnissen abgegeben. Er hat angegeben, ihm sei nicht bekannt, dass die Klägerin gegenüber ihren Vertriebspartnern im Zusammenhang mit den angegriffenen Ausführungsformen krankheitsspezifische Einsatzbereiche nennen würde; wenn er erfahren würde, dass die Klägerin solche krankheitsspezifischen Einsatzbereiche angeben würde, würde er einschreiten, schon wegen Problemen bezüglich einer etwaigen Zulassungspflicht als Arzneimittel. Dazu, mit welchen konkreten Informationen die Klägerin die angegriffenen Ausführungsformen an ihre Vertriebspartner sendet, ob sie sich Kenntnis von deren Werbemaßnahmen verschafft und die Vertriebspartner gegebenenfalls auffordert, bestimmte Aussagen zu unterlassen, haben weder die Klägervertreter noch der Justitiar der Klägerin in der mündlichen Verhandlung konkrete Angaben gemacht. Der Justitiar hat insoweit lediglich ausgeführt, wenn es einen Fehler gebe, der aus den Unterlagen der Klägerin selbst stamme, fordere die Klägerin die Vertriebspartner auf, diesen zu beseitigen; dies sei einmal im Zusammenhang mit Aloe Vera – Produkten der Fall gewesen.

Dass die Klägerin tatsächlich gegen Vertriebspartner vorgeht, die im Zusammenhang mit den angegriffenen Ausführungsformen krankheitsspezifische Einsatzbereiche nennen, erscheint jedoch zweifelhaft. Zu diesem Punkt haben weder der Justitiar der Klägerin noch ihre Prozessbevollmächtigten konkrete Angaben gemacht. Insbesondere konnte keine der vorgenannten Personen die in der mündlichen Verhandlung seitens der Kammer gestellte Frage, ob die Klägerin bezüglich der Verfasser der Anlagen B 2, B 3 und B 4 irgendwelche auf Beseitigung der Angabe der patentverletzenden Einsatzbereiche gerichteten Maßnahmen ergriffen hat, beantworten.

2.
Dem Beklagten stehen gegen die Klägerin sowohl der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz für Benutzungshandlungen ab dem 08.11.2008 als auch der weitere Anspruch auf Entschädigung für Benutzungshandlungen vom 26.10.2007 bis zum 07.11.2008 zu. Die Ansprüche beruhen auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 9, 139 Abs. 2 PatG (Schadensersatzanspruch) bzw. Art. 67 Abs. 1 EPÜ i.V.m. Art. II § 1 IntPatÜG (Entschädigungsanspruch), soweit es um die eigenen Schäden des Beklagten geht; soweit der Beklagte Schäden der H & Co. KG geltend macht, beruht der Anspruch zusätzlich auf § 398 BGB.

a.
Der Beklagte ist wiederum aktivlegitimiert. Die erteilte Vertriebslizenz steht dem nicht entgegen. Denn auch angesichts der Vertriebslizenz besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Beklagten ein Schaden entstanden ist. Diese Wahrscheinlichkeit muss nicht hoch sein. Ob und was für ein Schaden entstanden ist, bedarf keiner Klärung, wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens der Eintritt eines Schadens mit einiger Sicherheit zu erwarten ist. Hierfür genügt es in der Regel, wenn zumindest eine rechtswidrig und schuldhaft begangene Verletzungshandlung vorliegt. Hiervon ist im Grundsatz auch nach der Vergabe einer ausschließlichen Lizenz auszugehen, wenn der Schutzrechtsinhaber an der Ausübung der Lizenz durch den Lizenznehmer wirtschaftlich partizipiert (BGH GRUR 2008, 896 (898) – Tintenpatrone m.w.N.). So liegt es im Streitfall. Denn ausweislich des Anlagenkonvoluts B 18 ist der Beklagte als Kommanditist mit einer Einlage in Höhe von 51 % der Gesamteinlagen an der H & Co. KG beteiligt und alleiniger Gesellschafter sowie Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der H & Co. KG.

Hinzu kommt, dass die Inhaberin der Vertriebslizenz ihr etwaig zustehende Schadensersatzansprüche an den Beklagten abgetreten hat. Diese Abtretung ist wirksam. Insbesondere ist der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementärin der H GmbH & Co. KG von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (s. Anlage B 18). Eine besondere Form ist für die Abtretungserklärung nicht erforderlich (Palandt/Grüneberg, BGB 70. Auflage 2011, § 398 Rn 6). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung das Original der Abtretungsurkunde, § 410 BGB, vorgelegt. Ferner unterliegen Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch auch keinem Abtretungsverbot. Insbesondere handelt es sich nicht um – unabtretbare – höchstpersönliche Ansprüche. Darüber hinaus besteht auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der H GmbH & Co. KG ein Schaden entstanden ist.

b.
Erneut ist die Klägerin passivlegitimiert. Sie hat die Rechte des Beklagten bzw. der H GmbH & Co. KG aus dem Klagepatent jedenfalls fahrlässig verletzt, da sie keinerlei Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen zur Prophylaxe / Behandlung von Erkältungskrankheiten im Sinne des Klagepatents zu verhindern. Das hätte ihr als Fachunternehmen aber oblegen. Dass sie ihre Produkte nicht selbst vertreibt, steht dem nicht entgegen. Denn auch bei Einsatz von Vertriebspartnern hat sie die Sorgfaltsanforderungen des Verkehrs zu beachten, gegebenenfalls über Information ihrer Vertriebspartner.

c.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da der Beklagte derzeit nicht in der Lage ist, seine bzw. die ihm abgetretenen Ansprüche zu beziffern und ohne die Feststellung Verjährung der Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche droht.

3.
Der Beklagte hat gegen die Klägerin auch einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB.

Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB, damit der Beklagte in die Lage versetzt wird, den ihm zustehenden Anspruch zu beziffern. Der Beklagte ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die er ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Klägerin wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Klägerin außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg). Hinsichtlich der Angebotsempfänger war ihr ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rn. 783).

Der Beklagte ist als Patentinhaber erneut aktivlegitimiert. Inhaltlich ist der Anspruch für den Zeitraum, den die Schadensersatzpflicht umfasst, auf sämtliche Angaben gerichtet, die der Verletzte benötigt, um sich für eine der ihm offenstehenden Schadensausgleichsmethoden zu entscheiden. Der Verletzte ist nicht auf eine konkrete Art der Schadensberechnung beschränkt, und zwar auch dann nicht, wenn er eine ausschließliche Vertriebslizenz erteilt hat. Im Ergebnis können sowohl Lizenznehmer als auch Lizenzgeber gesondert Ersatz ihres Schadens verlangen, wobei sie jedoch insgesamt nicht mehr als den vom Verletzer geschuldeten vollen Schadensausgleich – berechnet nach einer der drei Berechnungsmethoden – beanspruchen können (vgl. BGH GRUR 2008, 896 (899 f.) – Tintenpatrone). Bezüglich des Zeitraumes, für den die Entschädigungspflicht besteht, ist der Anspruch gerichtet auf alle Angaben, die der Gläubiger für die Berechnung der Entschädigung benötigt.

4.
Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 6.396,48 €. Der Anspruch beruht auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 9, 139 Abs. 2 PatG. Die angesetzten Kosten sind dem Beklagten kausal durch die Rechtsverletzung der Klägerin entstanden. Dass zum Zeitpunkt der Beauftragung der klägerischen Rechts- und Patentanwälte die H GmbH & Co. KG ihre Forderungen noch nicht an den Beklagten abgetreten hatte, schadet nicht. Denn der Beklagte war – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – auch ohne Abtretung zur Geltendmachung der Unterlassungsansprüche sowie der eigenen Schadensersatz-, Entschädigungs- und Auskunftsansprüche aktivlegitimiert. Die Abmahnung war angesichts der festgestellten Patentverletzung auch berechtigt. Dass der Beklagte Rechts- und Patentanwälte aus der gleichen Kanzlei mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat, steht dem gesonderten Ansatz der jeweiligen Kostenpositionen nicht entgegen.

Der zugesprochene Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

IV.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus eigenem oder abgetretenem Recht keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Rechts- und Patentanwaltskosten, die ihr bzw. ihren Beratern durch die Abwehr der Abmahnung und Einreichung der Schutzschrift entstanden sind. Ein solcher Anspruch setzt – unabhängig davon, ob er auf Wettbewerbsrecht, § 823 BGB oder §§ 677 ff. BGB gestützt wird – jedenfalls voraus, dass die Abmahnung unberechtigt erfolgte. Das ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall, da dem Beklagten die mit der Abmahnung behaupteten Ansprüche gegen die Klägerin zustehen.

V.
Zu einer Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO im Hinblick auf die von der Klägerin als Anlagenkonvolut K 10 vorgelegte Einspruchsschrift nebst Nachtrag sowie der Einspruchsschrift der A GmbH vom 01.07.2009 (Anlage K 11) besteht kein hinreichender Anlass.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der ihm am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen. Erst recht gilt dies, wenn das Schutzrecht in einem kontradiktorischen Verfahren zumindest durch eine erstinstanzliche Entscheidung anerkannt worden ist (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 329 (331) – Olanzapin, wonach die Rechtsbeständigkeit eines Schutzrechts in einem solchen Fall im Allgemeinen als ausreichend gesichert angesehen werden kann).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden Verletzungsrechtsstreits. Aus dem Vorbringen der Klägerin zu dem Einspruchsverfahren ergibt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Gegenstand des eingeschränkten Hauptanspruchs 1 des Klagepatents im Beschwerdeverfahren vernichtet werden wird.

1.
Die Klägerin beruft sich zunächst auf fehlende Neuheit des eingeschränkten Anspruchs 1 des Klagepatents. Insoweit führt sie als neuheitsschädlichen Stand der Technik die Veröffentlichung „Urheimische Notizen, Ausgabe 4/2003“ (Anlage K 12) an. Sie verweist auf die dortige Seite 2, linke Spalte unter der Überschrift „Viren fordern das Immunsystem“. Dort heißt es, dass vor allem Rhinoviren für einen Schnupfen verantwortlich seien. Weiter wird dort ausgeführt, dass, wenn die Nase verstopft ist, Nasentropfen auf Cystus® Basis helfen würden, denn die darin enthaltenen Polyphenole wirkten abschwellend und entzündungshemmend. Zur Herstellung sollten 100 ml Cystus® Sud mit 1 g Meersalz gemischt werden.

Diese Entgegenhaltung wurde im Einspruchsverfahren als D 1 berücksichtigt. Die Einspruchsabteilung führte insoweit aus, dass der Gegenstand des in eingeschränkter Fassung aufrecht erhaltenen Anspruchs 1 des Klagepatents gegenüber der D 1 neu sei, da in der D 1 nicht eindeutig offenbart sei, dass eine Erkältungskrankheit, die eine Primärinfektion hervorgerufen durch Rhinoviren umfasst, mit Cistus behandelt worden sei; Rhinoviren würden zwar als mögliche Erreger genannt, jedoch sei dies nicht belegt (kein Erregertest o.ä.) (Anlage B 12, S. 5 der Entscheidungsgründe). Im übrigen ergebe sich die Neuheit aus dem zusätzlichen Merkmal „Cistus incanus“ (Anlage B 12, S. 7 der Entscheidungsgründe).

Angesichts dessen kann die Kammer eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des Klagepatents wegen fehlender Neuheit im Beschwerdeverfahren nicht feststellen. Eine derartige Prognose ist angesichts der Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA nicht möglich. Dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf einer erkennbar fehlerhaften Einschätzung beruhen und im nächsten Rechtszug zweifelsfrei vorhersehbar keinen Bestand haben würde, ist auf Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass in der D 1 keine Aussagen enthalten sind, die auf eine antivirale Aktivität von Cistus incanus gegen Rhinoviren hindeuten. Die D 1 offenbart Nasentropfen auf Cystus® Basis zur Linderung der Symptome einer Erkältungskrankheit, nicht zur Bekämpfung ihrer viralen Ursachen.

Soweit die Klägerin sich auf eine angeblich neuheitsschädliche Kombination der D 1 mit der Anlage K 24 (im Einspruchsverfahren berücksichtigt als D 31 nach der Nummerierung gemäß Anhang I zu Anlage B 1) beruft, ist die Anlage K 24 nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen.

Denn sie genügt den Anforderungen, die an die Ermittlung des Standes der Technik über das Internet zu stellen sind, nicht. Das Internet ist in der Regel kein geeigneter Informationsdienst zur Ermittlung des Standes der Technik im Prüfungsverfahren. Für einen bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit lassen aktuell gefundene Informationen nämlich nicht die Feststellung zu, dass sie damals schon im Internet eingestellt waren und dass ihre damalige technische Lehre mit der aktuellen identisch ist (BGPatG GRUR 2003, 323 (324 f.) – Computernetzwerk-Information). So verhält es sich auch mit der K 24 / D 31. Die von der Klägerin zur weiteren Darlegung vorgelegten Anlagen K 25 / Anlagenkonvolut 25a sind insoweit nicht überzeugend. Aus ihnen ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass der als K 24 / D 31 vorgelegte Internetauftritt im Anmeldezeitpunkt der Öffentlichkeit zugänglich war. Bezüglich der vorgelegten Anlagen fällt auf, dass laut Angaben der Anlage K 25a eine Archivierung der Website im relevanten Zeitraum am 06.04.2004 und am 19.05.2004 stattgefunden hat. Nach dem Vortrag der Klägerin soll es sich bei der K 24 / D 31 um eine am 11.05.2004 ermittelte („gecrawlte“) Version der Website handeln. Die Diskrepanz der Datumsangaben hat die Klägerin, nachdem dies schon Gegenstand des Einspruchsverfahrens war, auch im hiesigen Verletzungsverfahren nicht nachvollziehbar erläutert. Insoweit ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die K 24 / D 31 im Beschwerdeverfahren gegebenenfalls in Kombination mit der D 1 zur Löschung des Klagepatents führen wird. Warum die Klägerin meint, die Einspruchsabteilung des EPA habe die „leicht erfassbaren Zusammenhänge offensichtlich übersehen oder falsch ausgelegt“ (Bl. 76 GA) erschließt sich nicht. Auf Seiten 4 und 5 der Entscheidungsgründe des Zwischenbescheides vom 14.01.2011 (Anlage B 12) hat sich die Einspruchsabteilung dezidiert mit der Berücksichtigungsfähigkeit der D 31 (= K 24) auseinandergesetzt.

2.
Darüber hinaus macht die Klägerin das Fehlen eines erfinderischen Schritts der Lehre des eingeschränkten Anspruchs 1 des Klagepatents gegenüber der D 1 in Kombination mit der K 26 geltend.

Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dahingehend erkennbar, dass der eingeschränkte Anspruch 1 des Klagepatents angesichts einer Kombination der D 1 mit der weiter angeführten Entgegenhaltung gemäß Anlage K 26 im Beschwerdeverfahren vernichtet werden würde. Denn die K 26 hat die Einspruchsabteilung bereits bei Erlass des Zwischenbescheides vom 14.01.2011 berücksichtigt, und zwar als D 16 (entsprechend der Nummerierung gemäß Anhang I zu Anlage B 1). Im Zwischenbescheid vom 14.01.2011 ist die Einspruchsabteilung, nachdem die Parteien ihre Argumente auch bezüglich der D 16 ausgetauscht hatten, zu dem Ergebnis gekommen, dass der erforderliche erfinderische Schritt gegeben ist. Die Einspruchsabteilung hat ausgeführt, dass keinem der vorhandenen Dokumente ein Hinweis darauf zu entnehmen sei, genau die Spezies Cistus incanus auf ihre anti-rhinovirale Wirksamkeit zu testen, welche im Streitpatent gezeigt worden sei (dort Spalte 12, [0068] – [0070]), (s. Anlage B 12, S. 7, 8 der Entscheidungsgründe).

Dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf einer erkennbar fehlerhaften Einschätzung beruhen und im nächsten Rechtszug zweifelsfrei vorhersehbar keinen Bestand haben würde, ist auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes erneut nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint das von der Einspruchsabteilung angeführte Argument überzeugend. Auch nach Auffassung der Kammer ist keinem der seitens der Klägerin angeführten Dokumente ein Hinweis darauf zu entnehmen, genau die Spezies Cistus incanus auf ihre im Klagepatent gezeigte anti-rhinovirale Aktivität zu untersuchen.

3.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dahingehend gegeben, dass der eingeschränkte Anspruch 1 des Klagepatents im Einspruchsverfahren in Anbetracht einer Kombination der D 1 mit der D 31 (= K 24) und D 16 (= K 26) mangels erfinderischen Schritts vernichtet werden würde.

4.
Weiteren neuheits- oder erfindungsschädlichen Stand der Technik, der im Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt worden wäre, legt die Klägerin nicht vor.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits vollumfänglich zu tragen. Auch die auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil der Klage entfallenden Kosten waren der Klägerin aufzuerlegen, da sie insoweit unterlegen wäre (§ 91a ZPO). Denn die Klägerin hatte gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent verletzen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 250.000,00 €