4b O 67/10 – Festplattenspeicher-Lesekopf II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1757

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. November 2011, Az. 4b O 67/10

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Magnetowiderstands-Sensoren mit einem Schichtsystem, das wenigstens eine Messschicht, die in der Schichtebene eine Magnetisierung (MM) aufweist, die wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld (H) abhängt und bei fehlendem Magnetfeld (H) einer vorgegebenen Grundzustandsmagnetisierung (MMO) entspricht, und auf wenigstens einer Seite der Messschicht eine Biasschicht mit einer im Messbereich des Magnetfeldes (H) wenigstens annähernd konstanten Magnetisierung (MB) in der Schichtebene enthält, wobei die Biasschicht von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt ist, und mit Messkontakten an dem Schichtsystem zum Erfassen eines Widerstandssignals, das ein Maß für das anliegende Magnetfeld (H) ist,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen an wenigstens eine Biasschicht über eine Kopplungsschicht eine Magnetschicht antiferromagnetisch angekoppelt ist;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 01.01.1998 Sensoren gemäß Ziffer I.1 und/oder Festplatten mit Sensoren gemäß Ziffer I.1 angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen haben, und zwar unter Angabe

a. der Menge der nach Deutschland importierten/exportierten Erzeugnisse, einschließlich der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b. der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) jeweils in Kopie Rechnungen oder, falls keine Rechnungen ausgestellt wurden, Lieferscheine vorzulegen haben,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

3. (nur die Beklagte zu 1) die unter Ziff. I.1 beschriebenen, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse, die seit dem 30.04.2006 in den Verkehr gelangt sind, zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 0 674 XXX B1 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte zu 1) unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises bzw. einer sonstigen Äquivalenz für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird;

4. (nur die Beklagte zu 1) die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen unter Ziffer I.1 beschriebenen Erzeugnisse, die seit dem 17.04.2000 in Verkehr gelangt sind, an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 01.01.1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch hinsichtlich des Tenors zu I.1. nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000.000,- €, hinsichtlich des Tenors zu I.2. nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000,- €, hinsichtlich des Tenors zu I.3. und I.4. nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 150.000,- € und hinsichtlich des Tenors zu IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 0 674 XXX (Anlage K 1, im folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent nimmt eine deutsche Priorität vom 21.12.1992 in Anspruch. Es wurde am 16.12.1993 angemeldet. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 04.10.1995, seine Erteilung am 08.05.1996 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Eine unter dem Az. 4 Ni 70/05 (EU) geführte Nichtigkeitsklage dritter Parteien wies das Bundespatentgericht ab. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung nahmen die dortigen Berufungskläger nach Abschluss eines Vergleichs zurück. Den Antrag der hiesigen Beklagten zu 2), die dem Nichtigkeitsberufungsverfahren als Streithelferin der Nichtigkeitsklägerinnen beigetreten war, auf Fortführung des Berufungsverfahrens durch die Streithelferin wies der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 16.12.2010, der hiesigen Beklagten zu 2) zugestellt am 29.12.2010, zurück. Unter dem 07.01.2011 erhob die hiesige Beklagte zu 1) Nichtigkeitsklage (Anlage B 27) gegen den deutschen Teil des Klagepatents, die unter dem Aktenzeichen 4 Ni 10/11 geführt wird. Zu dem US-amerikanischen Pendant des Klagepatents ergingen die aus den Anlagen B 2 a/b und B 6 a/b ersichtlichen Entscheidungen. Mit Urteil vom 04.07.2011 befasste sich der High Court of Justice of Northern Ireland (Chancery Division) mit dem im Vereinigten Königreich geltenden Teil des Klagepatents. Wegen des Inhalts der Entscheidung wird auf die als Anlage B 38 zur Akte gereichte Entscheidung (Übersetzung als Anlage B 38a) verwiesen.

Das Klagepatent betrifft einen Magnetowiderstands-Sensor mit künstlichem Antiferromagneten und ein Verfahren zu seiner Herstellung. Der Vorrichtungsanspruch 1 lautet:

„Magnetowiderstands-Sensor mit
a) einem Schichtsystem, das
a1) wenigstens eine Messschicht (2), die in der Schichtebene eine Magnetisierung (MM) aufweist, die wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld (H) abhängt und bei fehlendem Magnetfeld (H) einer vorgegebenen Grundzustandsmagnetisierung (MMo) entspricht, und
a2) auf wenigstens einer Seite der Meßschicht (2) eine Biasschicht (6) mit einer im Meßbereich des Magnetfeldes (H) wenigstens annähernd konstanten Magnetisierung (MB) in der Schichtebene enthält, wobei
a3) die Biasschicht (6) von der Meßschicht (2) durch eine Zwischenschicht (4) wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt ist,
und mit
b) Meßkontakten (11A und 11B) an dem Schichtsystem zum Erfassen eines Widerstandssignales, das ein Maß für das anliegende Magnetfeld (H) ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
c) wenigstens eine Biasschicht (6) über eine Kopplungsschicht (8) an eine Magnetschicht (10) antiferromagnetisch angekoppelt ist.“

Die nachfolgend (verkleinert) wiedergegebene Figur 1 dient zur Erläuterung der technischen Lehre des Klagepatents anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Sie zeigt eine patentgemäße Ausführungsform eines Magnetowiderstands-Sensors im Querschnitt. Die Bezugsziffer (2) bezeichnet eine Messschicht, die Bezugsziffer (4) eine Zwischenschicht, die Bezugsziffer (6) eine Biasschicht, die Bezugsziffer (8) eine Kopplungsschicht und die Bezugsziffer (10) eine Magnetschicht.

Die Beklagten gehören dem A-Konzern an, der zu den führenden Festplattenherstellern weltweit gehört. Die Beklagten zu 1) und zu 2) vertreiben seit dem Jahr 1998 Festplatten mit magnetoresistiven Sensoren in Deutschland. Diese Sensoren messen Widerstandsänderungen, wobei einige Sensoren (GMR-Sensoren) den sog. Giant-magnetoresistiven Effekt (GMR-Effekt) nutzen, während andere Sensoren (TMR-Sensoren) den sog. Tunnel-magnetoresistiven Effekt (TMR-Effekt) nutzen. Der GMR-Effekt resultiert aus einer spinabhängigen Streuung von Elektronen an den Grenzflächen und innerhalb der Schichten eines metallischen Mehrschichtsystems. Der TMR-Effekt basiert auf einem quantenmechanischen Effekt, der eine elektrisch isolierende Schicht, die sog. Tunnelbarriere, voraussetzt.

Bezüglich der angegriffenen GMR-Sensoren (im folgenden: angegriffene Ausführungsform 1) nimmt die Klägerin Bezug auf die Auflistung gemäß Anlage K 14. Der grundsätzliche Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 1 ergibt sich aus der nachfolgend eingeblendeten Abbildung:

Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 ist die als „spacer“ bezeichnete Kupferschicht bei von der Klägerin ausgemessenen Sensorentypen zwischen 21 und 28 Angström (= 2,1 bis 2,8 nm) dick.

Bezüglich der TMR-Sensoren der Beklagten (im folgenden: angegriffene Ausführungsform 2) geht die Klägerin gegen sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Sensoren vor. Diese haben unter anderem den aus der nachfolgend eingeblendeten Abbildung ersichtlichen Aufbau:

Die als „barrier“ bezeichnete „Barriere“ der angegriffenen Ausführungsform 2 besteht aus einer oder mehreren Lagen nicht-metallischer Materialien, etwa Titanoxid.

Die Beklagte zu 4) beliefert weltweit Hersteller von Endgeräten mit elektronischen Datenverarbeitungsvorrichtungen, die u.a. Sensoren und Festplatten enthalten und von diesen Herstellern u.a. in Deutschland vertrieben werden. Die Beklagte zu 3) ist in der Datenschutzerklärung (Anlage K 21) bzw. den rechtlichen Hinweisen (Anlage K 22) der Homepage des A-Konzerns (www.A.com) als „Eigentümerin“ des Internetauftritts bzw. als für den Internetauftritt verantwortlich angegeben.

Die Klägerin behauptet, der Fachmann sei im Prioritätszeitpunkt aufgrund der Offenbarung der Klagepatentschrift in Kombination mit seinem allgemeinen Fachwissen befähigt gewesen, auch auf TMR-Basis (bei Raumtemperatur) Widerstandsänderungen zu messen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Anspruch 1 des Klagepatents lehre ein Basissystem aus Messschicht, Zwischenschicht und künstlichem Antiferromagneten. Die Lehre beziehe sich allgemein auf sog. austauschentkoppelte Sensoren. Dazu gehörten auch TMR-Sensoren. Nach der Lehre des Klagepatents müsse die Zwischenschicht nicht notwendigerweise metallisch sein; sie könne auch aus einem elektrisch isolierenden Material bestehen. Der Fachmann verstehe die Formulierung „wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt“ dahingehend, dass eine verbleibende Austauschkopplung praktisch bedeutungslos sein müsse.

Die Klägerin hat ihre ursprünglich gegen die Beklagten zu 1) bis 3) gerichtete Klage mit Schriftsatz vom 01.04.2011 gegen die Beklagte zu 4) erweitert. In der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2011 hat sie die ursprünglich ebenfalls gestellten Anträge auf Entfernung sowie auf Rückruf bezogen auf Gegenstände, die vor dem 30.04.2006 in Verkehr gelangt sind, ebenso zurückgenommen, wie den über die Vorlage von Kopien hinausgehenden Antrag auf Belegvorlage. Die Klägerin beantragt nunmehr,

I. wie erkannt,

II. zusätzlich, die Beklagten zu verurteilen,

a. die im Rahmen des auf die Lieferungen und Bestellungen bezogenen Auskunftsantrages geforderten Angaben auch für Lieferungen von Sensoren und/oder Festplatten an Abnehmer im Ausland zu machen, soweit die Abnehmer die Festplatten oder Produkte mit diesen Festplatten bestimmungsgemäß direkt oder indirekt auch in Deutschland vertreiben,
b. (nur die Beklagte zu 1)) auch die vor dem 17.04.2000 in Verkehr gelangten, im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz der Beklagten zu 1) befindlichen Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die bei dem Bundespatentgericht unter dem Aktenzeichen 4 Ni 10/11 anhängigen Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents auszusetzen.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents keinen Gebrauch. Für die angegriffene Ausführungsform 2 folge dies daraus, dass TMR-Sensoren vom Klagepatent nicht erfasst seien. Der Fachmann habe im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents unter Zwischenschicht eine nicht-magnetische metallische Schicht verstanden. Die TMR-Technologie, bei der – unstreitig – eine elektrisch isolierende „Zwischenschicht“ erforderlich ist, falle daher nicht unter das Klagepatent.

Dazu behaupten die Beklagten, der Durchbruch der Anwendung der TMR-Technologie auf Sensoren habe erst 1995 stattgefunden; im Prioritätszeitpunkt sei es dem Fachmann unmöglich gewesen, zuverlässig einen TMR-Effekt herbeizuführen und mit im wesentlichen gleichbleibendem Erfolg beliebig oft einen TMR-Sensor herzustellen; eine zuverlässige Messung von TMR-Effekten bei Raumtemperatur sei nicht möglich gewesen.

Die Beklagten sind darüber hinaus der Auffassung, der Fachmann verstehe unter der Formulierung „wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt“, dass die Zwischenschicht eine Beeinflussung des Magnetfeldes der Messschicht durch das Magnetfeld der Biasschicht infolge Austauschkopplung so weit wie möglich unterbinden müsse; die RKKY-Kurve müsse annähernd den Wert „0“ annehmen. Die Vorgabe des Anspruchs bedeute, dass der Fachmann alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Vermeidung einer Austauschkopplung zwischen Mess- und Biasschicht verwenden solle. Die angegriffene Ausführungsform 1 nehme hingegen zur Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses ein gewisses Maß an Austauschkopplung in Kauf, so dass sie keinen Gebrauch von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents mache.

Die Beklagten sind der Auffassung, Anspruch 1 des Klagepatents werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) vernichtet werden. Er weise keine erfinderische Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Druckschrift EP 0 346 XXX (Anlage K 4, im folgenden: D) und der Anlage B 22a (im folgenden: E) auf. Für den Fall, dass auch die TMR-Technologie von Anspruch 1 des Klagepatents geschützt sein sollte, sei die Lehre des Klagepatents insoweit nicht ausführbar und zugleich unzureichend offenbart.

Die Klage ist der Beklagten zu 1) am 17.04.2010, der Beklagten zu 2) am 30.07.2010, der Beklagten zu 3) am 28.02.2011 und der Beklagten zu 4) am 12.04.2011 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen und die Sitzungsniederschrift vom 20.09.2011 (Bl. 363 ff. GA) Bezug genommen. Die Akte des Landgerichts Düsseldorf, 4b O 459/05, lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage hat Erfolg. Sie ist ganz überwiegend begründet. Der Klägerin stehen die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rückruf, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in dem zugesprochenen Umfang zu. Ein Anlass zur Aussetzung des Rechtsstreits besteht nicht.

I.
Das Klagepatent betrifft einen Magnetowiderstands-Sensor, der insbesondere auch als Bauteil für Leseköpfe in Festplatten eingesetzt wird und mit dessen Hilfe die auf dem Speichermedium der Festplatte magnetisch gespeicherten Informationen ausgelesen werden. Dieses Auslesen basiert auf der Erkenntnis, dass ein äußeres Magnetfeld Änderungen des elektrischen Widerstands eines ferromagnetischen Materials verursacht. Tastet ein mit ferromagnetischem Material bestückter Sensor ein Speichermedium, z. B. eine Harddisk, ab, aus dem lokale Magnetfelder austreten, bewirken diese eine Änderung der Magnetisierungsausrichtung in den magnetischen Schichten des Sensors und damit (auch) eine Veränderung des elektrischen Widerstands des Sensors. Mittels von an dem Sensor angeordneten Messkontakten kann das Widerstandssignal, welches ein Maß für das anliegende Magnetfeld des Speichermediums ist, erfasst werden.

Den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents zufolge ist im Stand der Technik der mit dieser Erkenntnis zusammenhängende anisotrope Magnetowiderstandseffekt bzw. der anisotrope magnetoresistive Effekt bekannt, wonach in ferromagnetischen Übergangsmetallen der elektrische Widerstand von der Größe und der Richtung eines das Material durchdringenden Magnetfeldes abhängt. Die Widerstandsänderung bei Drehung der Magnetisierung bezüglich der Stromrichtung kann einige Prozent des normalen isotropen Widerstands betragen.

Wie das Klagepatent sodann fortführend erläutert, sind im Stand der Technik darüber hinaus Mehrschichtsysteme bekannt, bei denen zu einem Stapel angeordnete ferromagnetische Schichten durch eine metallische Zwischenschicht voneinander getrennt sind, und deren Magnetisierung jeweils in der Schichtebene liegt. In diesen Mehrschichtsystemen tritt zusätzlich zu dem anisotropen magnetoresistiven Effekt in den einzelnen Schichten der so genannte Giant-magnetoresistive Effekt oder Giant-Magnetowiderstand (Giant-MR bzw. GMR) auf. Dieser beruht auf der unterschiedlich starken Streuung von Majoritäts- und Minoritätsleitungselektronen im Volumen der Schichten sowie an den Grenzflächen zwischen ferromagnetischen Schichten und den Zwischenschichten. Dieser Giant-MR ist ein isotKer Effekt und kann erheblich größer sein als der anisotrope Magnetowiderstand mit Werten bis zu 70% des normalen isotropen Widerstandes. Die Sensitivität eines den Giant-magnetoresistiven Effekt nutzenden Sensors ist angesichts dessen deutlich erhöht mit der Folge, dass die Speicherdichte von Informationen auf dem Speichermedium der Festplatte erhöht werden kann.

Giant-MR-Mehrschichtsysteme sind im Stand der Technik in zwei Grundtypen bekannt:

Bei dem ersten Typ sind die ferromagnetischen Schichten über die Zwischenschichten antiferromagnetisch aneinander gekoppelt, so dass sich die in den Schichtebenen liegenden Magnetisierungen von zwei benachbarten ferromagnetischen Schichten ohne äußeres Magnetfeld antiparallel ausrichten. Durch ein äußeres Magnetfeld werden sodann die Magnetisierungen von benachbarten Schichten gegen die antiferromagnetischen Kopplungskräfte gedreht und parallel ausgerichtet.

Bei dem zweiten Typ sind die ferromagnetischen Schichten durch eine zwischen ihnen liegende nicht magnetische Schicht aus Metall getrennt, wobei die Zwischenschicht so dick gewählt ist, dass die magnetische Austauschkopplung zwischen den Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten möglichst gering ist. Die ferromagnetischen Schichten, welche eine parallele oder antiparallele Magnetisierungsausrichtung inne haben können, weisen unterschiedliche Koerzitivfeldstärken auf, wobei die eine ferromagnetische Schicht, die Messschicht, aus weichmagnetischerem Material und die andere ferromagnetische Schicht, die Biasschicht, aus magnetisch härterem Material besteht. Bei Anlegen eines äußeren Magnetfeldes werden die Schichten – infolge unterschiedlicher Hysteresekurven und unterschiedlicher Koerzitivfeldstärken – unterschiedlich stark gedreht und es stellt sich ein vom Magnetfeld abhängiger Winkel zwischen den Mittelwerten der Magnetisierung der beiden ferromagnetischen Schichten ein.

Als nachteilig an diesen bekannten Mehrschichtsystemen erachtet es das Klagepatent, dass das Magnetowiderstands-Signal von der Vorgeschichte der Schichtsysteme abhängt, d.h. auf welchem Weg und zwischen welchen Werten für das Magnetfeld sowie in welcher Richtung die Hysteresekurven durchlaufen werden. Mit derartigen Schichtsystemen lässt sich deshalb dem Klagepatent zufolge kein Magnetowiderstands-Sensor mit einer eindeutigen Kennlinie realisieren. Das bedeute, dass der Sensor möglicherweise eine unterschiedliche Magnetisierung der Messschicht annehme, obwohl das gleiche zu messende äußere Magnetfeld anliege, so dass sich einer Magnetisierung kein bestimmter Wert mehr zuordnen lasse. Außerdem schließe sich bei den bekannten Schichtsystemen ein Teil des Magnetflusses der härteren Biasschicht über den weicheren Messschichten. Dieses magnetische Störfeld verringere die Messempfindlichkeit des Sensors und habe eine unerwünschte Verschiebung der Sensorkennlinie zur Folge. Der zur Verfügung stehende Messbereich werde dann nicht mehr vollständig ausgeschöpft.

Das Klagepatent würdigt sodann, ohne ausdrückliche Kritik zu üben, den aus dem EP 0 346 XXX (Anlage K 4) bekannten Magnetowiderstands-Sensor. Dieser – da austauschentkoppelt, dem zweiten Typ zuzurechnende – Sensor besteht aus einem Schichtsystem mit einer ferromagnetischen Messschicht und einer ferromagnetischen Biasschicht, die durch eine nichtmagnetische Zwischenschicht voneinander austauschentkoppelt sind, und der mit Messkontakten an dem Schichtsystem zum Anlegen eines elektrischen Stroms und Abgreifen der Messpannung versehen ist. In einer ersten Ausführungsvariante dieses Magnetowiderstands-Sensors weist die Messschicht eine kleinere Koerzitivfeldstärke als die Biasschicht auf. In einer zweiten Ausführungsvariante liegt an der Biasschicht eine antiferromagnetische Schicht an, wodurch die Messschicht eine im Messbereich des Magnetfeldes reversibel vom Magnetfeld abhängende, drehbare Magnetisierung in der Schichtebene aufweist, während die Biasschicht eine in diesem Messbereich konstante Magnetisierung in ihrer Schichtebene hat. Die Biasschicht wird durch die anliegende antiferromagnetische Schicht „festgehalten“ bzw. „gepinnt“. Hierdurch wird eine erwünschte antiparallele, weil einen größeren Widerstand erzeugende Ausrichtung der Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten unter Einsatz eines äußeren Magnetfeldes erreicht.

Zur Veranschaulichung des Schichtaufbaus dieser zweiten Ausführungsvariante wird nachfolgend die Figur 4 des EP 0 346 XXX (Anlage K 4) eingeblendet, wobei (A) die ferromagnetische Messchicht, (B) die ferromagnetische Biasschicht, (C) die nichtmagnetische Zwischenschicht und (D) die zusätzliche Schicht aus antiferromagnetischem Material bezeichnet.

Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, einen Magnetowiderstands-Sensor mit einem Schichtsystem aus wenigstens einer Messschicht und wenigstens einer durch eine Zwischenschicht von der Messchicht austauschentkoppelten Biasschicht anzugeben, der eine eindeutige Kennlinie aufweist und bei dem Störfelder der Biasschicht in der Messschicht weitgehend unterdrückt werden.

Zur Lösung des technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Magnetowiderstands-Sensor

2. Der Magnetowiderstands-Sensor besteht aus
a) einem Schichtsystem und
b) Messkontakten (11A und 11B).

3. Das Schichtsystem enthält
a) wenigstens eine Messschicht (2) und
b) auf wenigstens einer Seite der Messschicht (2) eine Biasschicht (6)
c) wobei an wenigstens eine Biasschicht (6) über eine Kopplungsschicht (8) eine Magnetschicht (10) antiferromagnetisch angekoppelt ist.

4. Die Messschicht (2) weist in der Schichtebene eine Magnetisierung (MM) auf, die
a) wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld (H) abhängt und
b) bei fehlendem Magnetfeld (H) einer vorgegebenen Grundzustandsmagnetisierung (MMo) entspricht.

5. Die Biasschicht
a) hat in der Schichtebene eine im Messbereich des Magnetfeldes (H) wenigstens annähernd konstante Magnetisierung (MB) und
b) ist von der Messschicht durch eine Zwischenschicht (4) wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt.

6. Die Messkontakte (11A und 11B)
a) befinden sich an dem Schichtsystem
b) und dienen zum Erfassen eines Widerstandssignales, das ein Maß für das anliegende Magnetfeld (H) ist.

II.
Die angegriffene Ausführungsform 1 macht von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch.

1.
Die Verwirklichung der Merkmale 1. bis 5.a) sowie der Merkmalsgruppe 6 durch die angegriffene Ausführungsform 1 ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass sich weitere Ausführungen der Kammer zu diesen Punkten erübrigen.

2.
Die angegriffene Ausführungsform 1 macht auch von Merkmal 5.b) wortsinngemäßen Gebrauch. Danach ist die Biasschicht von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt.

Eine wenigstens annähernde magnetische Austauschentkopplung liegt vor, wenn sich aufgrund der in dem Teilschichtsystem Messschicht, Zwischenschicht und Biasschicht vorhandenen Zwischenschicht die Magnetisierung der Messschicht bei Einwirkung eines äußeren Magnetfeldes dreht, ohne dass sich die Magnetisierung der Biasschicht mit dreht. Mit dieser Problematik hat sich die Kammer bereits in dem Urteil des Parallelverfahrens, Az. 4b O 459/05, vom 08.10.2009 befasst. Es besteht keine Veranlassung, von den dortigen Ausführungen zur Auslegung der (wenigstens) annähernd magnetischen Austauschentkopplung abzuweichen. Im einzelnen gilt folgendes:

Der Fachmann folgert das vorgeschilderte Verständnis zunächst aus dem Anspruchswortlaut selbst, in dem eine Austauschentkopplung verlangt wird. Bereits hierdurch wird deutlich, dass eine an sich bestehende magnetische Kopplung bzw. Beeinflussung der beiden ferromagnetischen Schichten aufgehoben werden soll. In dieser Sichtweise wird der Fachmann bei zu Rate ziehen der Beschreibung des Klagepatents bestärkt, auch wenn diese keine ausdrückliche Definition des Begriffes „austauschentkoppelt“ bereit hält.

Der Fachmann zieht zunächst aus dem im Klagepatent gewürdigten Stand der Technik, nach dem zwei Grundtypen von GMR-Mehrschichtsystemen bekannt waren, den Schluss, dass das Klagepatent insoweit zwischen dem Typ (Typ 1), in dem die ferromagnetischen Schichten über die Zwischenschichten antiferromagnetisch aneinander gekoppelt sind (Sp. 1, Z. 40 – 44), und dem Typ (Typ 2), in dem die ferromagnetischen Schichten durch nichtmagnetische Zwischenschichten aus Metall voneinander getrennt sind und die magnetische Austauschkopplung zwischen ihnen möglichst gering ist (Sp. 2, Z. 24 – 28), unterscheidet. Fordert das Klagepatent vor diesem Hintergrund eine Biasschicht, die von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt ist, entscheidet es sich offensichtlich für einen austauschentkoppelten Sensor, wie er auch Gegenstand des Typs 2 ist. Gegenstand des Anspruchs 1 des Klagepatents ist vor diesem Hintergrund die Fortentwicklung eines austauschentkoppelten Sensors.

Die gewählte Austauschentkopplung dient, wie der Fachmann erkennt, dem aufgabengemäßen Ziel, in Abgrenzung zum Stand der Technik bei dem Sensor ein Widerstandssignal zu erhalten, das eindeutig vom Magnetfeld abhängt und so zu einer eindeutigen Kennlinie des Sensors führt (Sp. 3, Z. 5 – 7, Z. 45 – 52). Indem die magnetische Austauschkopplung zwischen Messschicht und Biasschicht annähernd aufgehoben wird, sind beide Schichten magnetisch weitestgehend voneinander unabhängig. Der Einfluss der Magnetisierung der Biasschicht auf die Magnetisierung der Messschicht wird annähernd beseitigt. Die Magnetisierung der Messschicht ist frei drehbar und allein von dem tatsächlich anliegenden äußeren Magnetfeld abhängig, nicht hingegen von der Magnetisierung der Biasschicht. Dadurch, dass der Anspruch zudem keine vollständige, sondern eine wenigstens annähernde magnetische Austauschentkopplung fordert, wird sichtbar, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Austauschentkopplung vorliegt, entscheidend darauf ankommt, ob die Kennlinie eindeutig und die Messzuverlässigkeit des Sensors im Messbereich ist. Dafür spricht auch der Vortrag der Beklagten, dass bei GMR-Sensoren eine vollständige Austauschentkopplung technisch nicht möglich sei. Den Schluss, der Fachmann verstehe das Klagepatent dahingehend, dass eine Beeinflussung des Magnetfeldes der Messschicht durch das Magnetfeld der Biasschicht infolge Austauschkopplung so weit wie möglich zu unterbinden sei, die RKKY-Kurve also (annähernd) „0“ sein solle, vermag die Kammer nicht zu teilen. Der technische Sinn und Zweck des Merkmals liegt darin, eine eindeutige Kennlinie zu erhalten und die Messzuverlässigkeit zu steigern. Dieser Sinn und Zweck ist jedoch erfüllt, wenn die Zwischenschicht so ausgestaltet ist, dass die Magnetisierung der Messschicht wenigstens in einer Richtung reversibel und damit eindeutig vom zu messenden Magnetfeld abhängt und die Biasschicht mit einer im Messbereich wenigstens annähernd konstanten Magnetisierung versehen ist. Dies entnimmt der Fachmann den Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 46-52 des Klagepatents. Danach führt die vorgeschilderte Ausgestaltung zu einem Widerstandssignal, das eindeutig von dem äußeren Magnetfeld abhängt. Der Fachmann hat nach Erreichen dieses technischen Sinns und Zwecks der wenigstens annähernden Austauschentkopplung keinen Anlass, die verbliebene – wie auch die Beklagten einräumen – „praktisch bedeutungslose“ Austauschkopplung, weiter zu minimieren. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass bei funktionierenden GMR-Sensoren eine vollständige Austauschentkopplung der Magnetisierungen der beiden Schichten technisch unmöglich ist. Der Fachmann, der dies weiß, wird ohne konkreten Anlass nicht eine Vielzahl von Versuchen durchführen, um herauszufinden, wie weit er die – praktisch bedeutungslose – Austauschkopplung noch minimieren kann, ohne die Funktionsfähigkeit des Sensors zu verlieren. Auch die Formulierung „wenigstens annähernd austauschentkoppelt“ veranlasst den Fachmann nicht zu einem solchen Vorgehen. Selbst wenn, wie die Beklagten meinen, der Fachmann „wenigstens“ als Synonym für „mindestens“ verstehen würde, sieht er doch, dass eine annähernde Austauschentkopplung auch nach dem Wortlaut des Merkmals ausreicht. Denn maßgeblich ist die annähernde Austauschentkopplung, die „wenigstens“ – nach Auffassung der Beklagten gleichbedeutend mit „mindestens“ – erreicht werden muss. Wie bereits dargelegt, erkennt der Fachmann, dass eine annähernde Austauschentkopplung bereits dann gegeben ist, wenn die Magnetisierung der Messschicht frei drehbar und allein von dem tatsächlich anliegenden äußeren Magnetfeld, nicht hingegen von der Magnetisierung der Biasschicht, abhängig ist.

Als Mittel zur Austauschentkopplung bestimmt das Klagepatent eine Zwischenschicht zwischen Messschicht und Biasschicht. Zwingende Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung dieser Zwischenschicht enthält das Klagepatent nur insoweit, als dass die Schicht die besagte wenigstens annähernde Austauschentkopplung herbeiführen muss. Erfolgt eine solche Austauschentkopplung, sind die konkrete Ausgestaltung der Zwischenschicht und insbesondere die Frage, wie dick die Zwischenschicht ist, ohne entscheidende Relevanz. Auf eine bestimmte Dicke der Schicht oder das Vorhandensein eines bestimmten Austauschkopplungskraftwertes J legt sich das Klagepatent nicht fest. Soweit Angaben hierzu vorhanden sind, betreffen diese nicht schutzbereichsbeschränkende, bevorzugte Ausführungsbeispiele.

Das Klagepatent enthält für den Fachmann allerdings den Hinweis, dass die Dicke der ausgewählten Schicht einen oder den entscheidenden Beitrag zur Austauschentkopplung bieten kann. In der Beschreibung des Standes der Technik zum Typ 2 des bekannten GMR-Sensors heißt es ausdrücklich: „Die Zwischenschichten sind so dick gewählt, dass die magnetische Austauschentkopplung zwischen den Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten möglichst gering ist“ (Sp. 2, Z. 24 – 28). Ähnliches ist dem gewürdigten Stand der Technik, dem EP 0 346 XXX, zu entnehmen, in dem für näher definierte Zwischenschichten aus Vanadium (V), Ruthenium (Ru), Chrom (Cr) oder Gold (Au) im Rahmen von Ausführungsbeispielen Schichtdickenbereiche genannt werden (Anlage K 4, Sp. 4, Z. 22 ff.). Wenn das Klagepatent dem Fachmann nun als bevorzugte Materialien für die Zwischenschicht Kupfer (Cu), Gold (Au), Silber (Ag) und Chrom (Cr) (Sp. 13, Z. 21 – 22) benennt, gibt es ihm das Wissen an die Hand, dass es auch bei der Wahl eines dieser Materialien auf die Dicke der Zwischenschicht ankommen kann. Er wird deshalb für das jeweilige Material jedenfalls eine solche Dicke wählen, mit der die Austauschentkopplung gewährleistet werden kann. So wird er auch deshalb vorgehen, weil das Klagepatent einen weiteren Hinweis auf eine mögliche oszillierende Austauschkopplungskraft bereit hält, die im Zusammenhang mit der Dicke der gewählten Zwischenschicht steht, wobei hier lediglich als bevorzugtes Ausführungsbeispiel eine Austauschkopplungskraft J gleich Null beschrieben wird (Sp. 4, Z. 57 – Sp. 5, Z. 4).

Auf Grundlage dieses Verständnisses verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 1 Merkmal 5.b) wortsinngemäß. Unstreitig besteht die Zwischenschicht der ausgemessenen Sensorentypen der angegriffenen Ausführungsform 1 aus Kupfer, wobei ihre Dicke zwischen 21 und 28 Angström liegt. Unstreitig wusste der Fachmann im Prioritätszeitpunkt, dass bei einer aus Kupfer bestehenden Zwischenschicht ab einer Dicke von 16 Angström von einer Entkopplung ausgegangen werden konnte. Die Dicke der Zwischenschichten der angegriffenen Ausführungsform 1 überschreitet diesen Wert. Dass die Zwischenschichten der angegriffenen Ausführungsform 1, wie die Beklagten – ohne die ausgemessene Dicke in Abrede zu stellen – vortragen, zur Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses relativ dünn gestaltet sind und ein gewisses Maß an Austauschkopplung in Kauf nehmen, führt nicht aus der Verletzung heraus. Denn ein gewisses Maß an Austauschkopplung ist nach dem vorgeschilderten Verständnis des Fachmanns nicht ausgeschlossen, solange die verbleibende Austauschkopplungskraft nicht verhindert, dass sich die Magnetisierung der Messschicht frei dreht. Auch eine etwaig andere subjektive Zielsetzung der Beklagten, die Optimierung des Signal-Rausch-Verhältnisses, steht der wortsinngemäßen Verletzung, für die die objektive Sachlage entscheidend ist, nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 2006, 399 (401) – Rangierkatze).

III.
Auch die angegriffene Ausführungsform 2 verwirklicht die Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß.

1.
Insoweit ist die Verwirklichung der Merkmale 2 bis 5.a) sowie der Merkmalsgruppe 6 zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass weitere Ausführungen der Kammer zu diesen Merkmalen nicht veranlasst sind.

2.
Die angegriffene Ausführungsform 2 macht darüber hinaus von Merkmal 5.b) wortsinngemäß Gebrauch. Danach ist die Biasschicht von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt.

Wie bereits im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform 1 dargelegt, versteht der Fachmann unter einer Zwischenschicht eine Schicht, die eine (wenigstens) annähernde magnetische Austauschentkopplung zwischen Messschicht und Biasschicht bewirkt, die also dazu führt, dass die Magnetisierung der Messschicht sich in Abhängigkeit von einem äußeren Magnetfeld dreht, während die Magnetisierung der Biasschicht wenigstens annähernd konstant ist. Weitere Vorgaben betreffend die Ausgestaltung oder Eigenschaften der Zwischenschicht macht der Anspruch nicht. Die Zwischenschicht wird rein funktional beschrieben. Der Fachmann erkennt, dass ein bestimmtes Material der Zwischenschicht nach der technischen Lehre des Anspruchs 1 nicht erforderlich ist. Insbesondere ist der Anspruch nicht auf GMR-Sensoren, bei denen eine Zwischenschicht metallisch / elektrisch leitend sein muss, beschränkt.

a)
Eine solche Beschränkung folgt insbesondere nicht aus den Ausführungen des Klagepatents zum Stand der Technik. Zwar können sich grundsätzlich Anhaltspunkte für das Verständnis eines Merkmals aus dem Stand der Technik ergeben; dieser kann jedoch niemals Anhaltspunkte für eine Auslegung gegen die auf die technische Funktion des Merkmals gestützte Auslegung bieten (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 36).

Die Verwertbarkeit des Standes der Technik bei der Auslegung bedeutet nicht, dass jede konstruktive Einzelheit in den Patentanspruch hineininterpretiert werden dürfte, die beim (vor allem gattungsbildenden) Stand der Technik verwirklicht ist. Von Belang sind von vornherein nur solche Gestaltungsdetails, die für die erfindungsgemäße Lehre Bedeutung haben und dementsprechend in einem Merkmal des Patentanspruchs aufscheinen. Innerhalb dieses – allein relevanten – Rahmens sind wiederum unterschiedliche Konstellationen denkbar. Es kann sein, dass das Patent von einer bestimmten vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als durchaus vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will. In einem solchen Fall wird im Zweifel die Annahme berechtigt sein, dass sich das Patent – in diesem Punkt – den Stand der Technik zu eigen macht, weshalb es zulässig und geboten ist, für das Verständnis dieses Merkmals auf den betreffenden Stand der Technik und eine hier etwa gegebene Legaldefinition oder dergleichen zurückzugreifen. Andererseits kann es ebenso gut sein, dass das Patent einen bestimmten Stand der Technik nur »formal« zum Ausgangspunkt für die Darstellung der Erfindung nimmt, ohne dass der Schluss gerechtfertigt wäre, dass sich das Patent damit auf eine spezielle, bei diesem Stand der Technik gegebene Ausgestaltung festlegen wollte. Von der zuletzt genannten Situation wird im allgemeinen dann auszugehen sein, wenn die vorbekannte Konstruktion im Hinblick auf den Erfindungsgedanken des Patents beliebig und keineswegs zwingend ist und für die Verwirklichung der Erfindung ersichtlich auch andere Konstruktionen infrage kommen. Inhalt und Bedeutung eines jeden Merkmals des Patentanspruchs sind unter Berücksichtigung der im Klagepatent geschützten Gesamterfindung zu bestimmen und deswegen so auszulegen, wie es die ihm im Rahmen der patentierten Erfindung (und nicht im Stand der Technik) zugedachte technische Funktion verlangt (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 37).

In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Lehre des Anspruchs 1 nicht durch die Ausführungen des Klagepatents zum Stand der Technik auf austauschentkoppelte GMR-Sensoren beschränkt. Zwar benennt das Klagepatent als Stand der Technik zunächst den anisotropen Magnetowiderstand (AMR-Effekt) und geht anschließend auf den GMR-Effekt ein, von dem es zwei Grundtypen aufführt. Bei Typ 1 sind ferromagnetische Schichten über Zwischenschichten antiferromagnetisch aneinander gekoppelt. Bei Typ 2 sind ferromagnetische Schichten durch ausreichend dicke (nicht-magnetische) Zwischenschichten aus Metall so voneinander getrennt, dass die magnetische Austauschkopplung möglichst gering ist, was das Klagepatent im Zusammenhang mit der EP 0 346 XXX als Austauschentkopplung bezeichnet. Das Klagepatent kritisiert den Stand der Technik bezüglich des GMR-Sensors (Typ 2) dahingehend, dass eine eindeutige Sensorkennlinie nicht vorhanden sei und sich ein Teil des Magnetflusses der Biasschicht über der Messchicht schließe, was zu Störfeldern führe. Sowohl aus dieser Kritik am Stand der Technik als auch aus der formulierten Aufgabe des Klagepatents, wonach bei dem patentgemäßen Sensor durch eine Zwischenschicht die Biasschicht von der Messschicht austauschentkoppelt sein soll, folgt, dass sich die Lehre des Klagepatents auf austauschentkoppelte Sensoren bezieht. Eine Beschränkung auf austauschentkoppelte GMR-Sensoren ist hingegen nicht ersichtlich.

Das Klagepatent beschreibt austauschentkoppelte Sensoren zwar anhand des zweiten Typs des aus dem Stand der Technik bekannten GMR-Sensors. Daraus folgt aber nicht, dass die Lehre des Klagepatents sich nur auf diesen Typ eines GMR-Sensors beziehen würde. Die Klagepatentschrift nennt keine Vorteile der anspruchsgemäßen Ausgestaltung gegenüber dem Stand der Technik, die speziell mit dem GMR-Effekt zusammenhängen. Sofern in Spalte 1, Zeilen 37 ff. in Zusammenhang mit GMR größere Widerstandsänderungen genannt werden, handelt es sich um einen Vergleich von GMR mit AMR, der nicht den Schluss zulässt, dass das Klagepatent sich allein auf GMR bezieht. Daraus ergibt sich nur, dass große Widerstandsänderungen als vorteilhaft angesehen werden, nicht dass diese ausschließlich über den GMR-Effekt erreicht werden sollen. Die Klagepatentschrift stellt dann allgemein die Vorteile heraus, die dadurch erzielt werden, dass die Magnetisierung der Messschicht weitgehend unabhängig von der Magnetisierung der Biasschicht ist. Auch der Patentanspruch ist offen formuliert. Ihm ist gerade keine Beschränkung auf Sensoren zu entnehmen, die den GMR-Effekt nutzen. Soweit die Beklagten meinen, der Begriff „austauschentkoppelt“ beinhalte bereits, dass nur GMR-Sensoren von der Lehre des Anspruchs erfasst seien, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Das Klagepatent versteht unter Austauschentkopplung, dass die Magnetisierung der Messschicht weitgehend unabhängig von der Magnetisierung der Biasschicht ist. Die Magnetisierung der Messschicht soll sich in Abhängigkeit von einem äußeren Magnetfeld drehen, während die Magnetisierung der Biasschicht festgehalten wird. Vorgaben dazu, wie diese Wirkung physikalisch erzielt wird, macht das Klagepatent weder im Anspruch, noch in der Beschreibung. Soweit die Klagepatentschrift in Spalte 8, Zeilen 25 ff. angibt, alle Schichten bestünden aus einem elektrisch leitenden Material und ihre Dicken seien wesentlich kleiner als die mittlere freie Weglänge der Leitungselektronen, beziehen sich diese Ausführungen zwar auf GMR-Sensoren. Daraus folgt aber keine Beschränkung der allgemeinen Lehre des Anspruchs 1, denn es handelt sich um die Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Auch die weiteren Stellen, an denen die Klagepatentschrift davon spricht, dass Zwischenschichten aus Metall seien (so etwa in Sp. 2, Z. 20 ff.), oder einen Zusammenhang zwischen der Dicke der Zwischenschicht und der Austauschentkopplung herstellt (s. Sp. 2, Z. 24 ff.; Sp. 4 Z. 57 ff.), finden sich entweder in der Beschreibung des Standes der Technik oder in der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele. Beides führt aus den zuvor dargelegten Gründen nicht zu einer Beschränkung des offen formulierten Anspruchs. Im allgemeinen Beschreibungsteil enthält das Klagepatent gerade keine Hinweise darauf, dass eine patentgemäße Austauschentkopplung im zwingenden Zusammenhang mit einem Schichtsystem, das den GMR-Effekt nutzt, steht. Auch wenn – was die Klägerin bestreitet – der Begriff der Austauschentkopplung im Prioritätszeitpunkt mit GMR-Schichtsystemen verknüpft gewesen sein sollte, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Klagepatentschrift stellt ihr eigenes Lexikon dar (BGH GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube). Danach ist aber – wie dargestellt – der Begriff der Austauschentkopplung nicht zwingend mit GMR-Schichtsystemen verknüpft. Die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei TMR-Aufbauten käme es nicht auf eine Austauschentkopplung an, da ein TMR-Sensor ohnehin nur funktioniere, wenn in der dünnen elektrisch isolierenden Schicht keine relevanten Pin-Holes vorhanden seien, verfängt nicht. Gerade durch eine solche Ausgestaltung der elektrisch isolierenden Schicht, die den Tunneleffekt zulässt, kommt es zur Austauschentkopplung im Sinne des Klagepatents. Denn die zwischen der Biasschicht und der Messschicht liegende elektrisch isolierende Schicht führt dazu, dass die Magnetisierung der Messschicht sich in Abhängigkeit von einem äußeren Magnetfeld dreht, während die Magnetisierung der Biasschicht weitgehend konstant bleibt.

b)
Das weitere seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, schon aus der Verwendung des Begriffs Zwischenschicht ergebe sich, dass diese die gleiche Grundstruktur wie die anderen Schichten haben, also elektrisch leitend sein müsse, greift nicht durch. Für ein solches Verständnis finden sich keine Anhaltspunkte im Anspruch oder in der Beschreibung. Der Fachmann, der das Merkmal 5.b) rein funktional versteht, sieht, dass die Zwischenschicht eine (wenigstens annähernde) Austauschentkopplung bewirken muss, wobei es ihm nach der Lehre des Klagepatents freisteht, durch welche konkrete Ausgestaltung der Schicht oder welchen physikalischen Effekt er die Austauschentkopplung erzielt.

Dadurch, dass das Klagepatent in Kenntnis der GMR-spezifischen Besonderheiten des Schichtaufbaus den Anspruch offen formuliert und eine Beschränkung auf GMR-Sensoren, wie sie etwa in der EP 0 346 XXX zu finden ist, nicht aufnimmt, wird der Fachmann in dem zuvor dargestellten Verständnis des Merkmals 5.b) bestärkt. Das gilt umso mehr, als dass die Aufgabe (siehe Sp. 3, Z. 33 ff.) allgemein auf Magnetowiderstands-Sensoren bezogen ist. Die Anmerkungen der Beklagten im Schriftsatz vom 27.09.2011 veranlassen nicht zu einer abweichenden Sichtweise. Die in Bezug genommene BGH-Entscheidung vom 17.05.2011 (Az.: X ZR 131/08, Anlage B 39) lässt sich nicht in der Weise auf den vorliegenden Fall lesen, dass der Anspruch vor dem Hintergrund, dass die Ausführungsbeispiele nicht explizit TMR-Sensoren, sondern GMR-Sensoren betreffen, TMR-Sensoren nicht umfasse. In der betreffenden Entscheidung werden Ausführungsbeispiele als Argument für eine weite Auslegung des Anspruchs herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass der BGH hier von dem Grundsatz abweichen wollte, dass Ausführungsbeispiele grundsätzlich nicht geeignet sind, einen weiter gefassten Anspruch einzuschränken (vgl. nur BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Es bedarf daher angesichts der rein funktionalen Fassung des Merkmals 5.b) auch keines Hinweises in den Ausführungsbeispielen darauf, dass die Zwischenschicht als elektrischer Isolator ausgebildet werden könne.

c)
Ob der TMR-Effekt im Prioritätszeitpunkt bereits zuverlässig reproduzierbar war – was zwischen den Parteien in Streit steht – ist für das Verständnis des Fachmanns von Merkmal 5.b) nicht entscheidend. Denn es handelt sich insoweit um ein rein funktional abgefasstes Merkmal. Entscheidend ist, dass die Zwischenschicht eine Austauschentkopplung bewirkt, nicht wie sie eine solche bewirkt. Ein rein funktional abgefasstes Merkmal erfasst – und zwar entgegen der von den Beklagten im Haupttermin vertretenen Ansicht auch im Bereich der wortsinngemäßen Verwirklichung – Konstruktionen, die dem Fachmann am Prioritätstag noch nicht zur Verfügung standen, sondern erst durch die spätere technische Entwicklung möglich wurden (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage 2011, Rn 61 m.w.N.; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Auflage 2008, § 14 Rn 54).

d)
Aus der Angabe von Kupfer (Cu), Gold (Au), Silber (Ag) oder Chrom (Cr) als bevorzugte Materialien für die Zwischenschicht in Spalte 13, Zeilen 21 f., folgt keine Beschränkung der Lehre des Klagepatents auf (austauschentkoppelte) GMR-Sensoren bzw. auf ein elektrisch leitendes / metallisches Material für die Zwischenschicht. Zwar handelt es sich bei den vorgenannten Materialien jeweils um (nicht-magnetische) elektrisch leitende Metalle. Eine Beschränkung der Materialien für die Zwischenschicht auf solche Metalle folgt aus dieser Textstelle aber erneut nicht. Denn auch insoweit handelt es sich um die Schilderung bevorzugter Ausführungsbeispiele, die nicht schutzbereichsbeschränkend wirken. Das Klagepatent weist den Fachmann nicht allgemein darauf hin, dass er, wenn er von den angegebenen bevorzugten Materialien abweichen möchte, jedenfalls ein elektrisch leitendes Metall als Zwischenschicht vorsehen muss. Der genannten Passage ist auch nicht unter Hinweis darauf, dass der Fachmann dann einen entsprechend formulierten Unteranspruch erwartet hätte, die von den Beklagten gesehene Einschränkung zu entnehmen. Es ist nicht notwendig, dass ein Anmelder sich den Schutz eines breit formulierten Hauptanspruchs durch zahlreiche Unteransprüche sichert; solches stellt eine reine Obliegenheit dar.

e)
Dass das Klagepatent in Spalte 4, Zeilen 10 ff. für die Anbringung der Messkontakte zunächst den sog. cip-Aufbau als bevorzugt aufführt und anschließend auch den cpp-Aufbau als mögliche Anordnung benennt, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar funktioniert bei Sensoren, die den TMR-Effekt nutzen, nur eine Anordnung der Messkontakte nach dem cpp-Aufbau. Das Klagepatent lässt eine solche Anordnung jedoch ausdrücklich zu. Dass es nur Sensoren schützen möchte, bei denen theoretisch beide genannten Anordnungen der Messkontakte möglich sind, ergibt sich aus der vorgenannten Textstelle nicht, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung, dass die Erwähnung von „cpp“ unter Verweis auf den Stand der Technik gemäß Anlage B 18a erfolgt. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Klagepatent sich dadurch von einem cpp-Aufbau abgrenzen wollte.

f)
Auch die seitens der Beklagten angeführte Textstelle aus dem Urteil der Kammer vom 08.10.2009 im Parallelverfahren 4b O 459/05, wonach Gegenstand der Lehre des Klagepatents die Weiterentwicklung des GMR-Sensors Typ 2 ist, bei dem die ferromagnetischen Schichten durch nichtmagnetische Zwischenschichten aus Metall voneinander getrennt sind, führt nicht zu einer anderen Auslegung des Merkmals 5.b) im vorliegenden Verfahren. Zum einen sind die Entscheidungsgründe eines in einem parallelen Verletzungsverfahren ergangenen Urteils keine zulässige Auslegungsgrundlage, zum anderen war die vorliegende Problematik, ob TMR-Sensoren von der Lehre des Klagepatents erfasst sind, nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens.

g)
Soweit die Beklagten sich auf Angaben der Klägerin im Rahmen der Patentanmeldung GB 2 333 XXX sowie auf Äußerungen des Erfinders vor einem US-amerikanischen Gericht beziehen, stellen auch diese keine tauglichen Auslegungsmaterialien dar. Das Klagepatent ist, wie bereits dargestellt, sein eigenes Lexikon (BGH GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube). Darüber hinaus verfängt die Argumentation, die abhängigen Unteransprüche 8 und 15 des Klagepatents bezögen sich auf GMR-Sensoren, nicht. Diese Ansprüche sind als abhängige Unteransprüche nicht geeignet, die Lehre des Hauptanspruchs einzuschränken.

h)
Auch die Verweise auf Urteile des High Court of Justice of Northern Ireland (Chancery Division) zu dem im Vereinigten Königreich geltenden Teil des Klagepatents bzw. US-amerikanischer Gerichte zu dem US-amerikanischen Pendant des Klagepatents führen zu keiner anderen Auslegung des Merkmals 5.b). Zum einen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine) bei der Auslegung zwingend lediglich Entscheidungen der Gerichte anderer Vertragsstaaten des EPÜ bzw. der Instanzen des EPA zu berücksichtigen. Zum anderen finden sich weder in der Entscheidung des nordirischen Gerichts (Übersetzung in Anlage B 38a), noch in den vorgelegten Entscheidungen der US-amerikanischen Gerichte (Übersetzungen in Anlagen B 2b und B 6b) relevante neue Aspekte, die die Kammer bei der Auslegung nicht bereits berücksichtigt hat.

Das nordirische Gericht bezieht sich zunächst auf gutachterliche Ausführungen, die nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind und deshalb nicht berücksichtigt werden können. Darüber hinaus sucht das nordirische Gericht nach konkreten Hinweisen im dort geltenden Teil des Klagepatents darauf, dass TMR-Sensoren unter den Anspruch fallen sollen. Dies ist aus Sicht der Kammer nicht erforderlich. Denn der Anspruch ist offen formuliert. Insoweit ist aus diesseitiger Sicht nicht maßgeblich, ob das Klagepatent einen konkreten Hinweis darauf enthält, dass TMR-Sensoren von der Lehre des Klagepatents erfasst werden sollen, sondern, ob die Lehre des Klagepatents auf (austauschentkoppelte) GMR-Sensoren beschränkt sein soll. Dies ist aus den oben dargelegten Gründen nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

Ebenso stellt der US-amerikanische District Court (Central District of California) in seiner Entscheidung vom 09.05.2008 (Übersetzung in Anlage B 2b) im wesentlichen darauf ab, dass TMR in dem dort streitgegenständlichen Patent nicht erwähnt sei und einige der dort geschilderten bevorzugten Ausführungsbeispiele mit TMR-Sensoren unvereinbar seien. Auch darin vermag die Kammer angesichts der obigen Ausführungen aber kein taugliches Argument für die Annahme einer Beschränkung des offen formulierten Anspruchs auf (austauschentkoppelte) GMR-Sensoren zu erkennen. Die Berufungsentscheidung des Court of Appeal (Übersetzung in Anlage B 6b) befasst sich nicht mit der Auslegung des hier streitigen Merkmals, sondern hat Fragen des Rechtsbestandes zum Gegenstand.

Auf Grundlage des vorgeschilderten Verständnisses macht die angegriffene Ausführungsform 2 von der Lehre des Merkmals 5.b) wortsinngemäßen Gebrauch. Denn bei der angegriffenen Ausführungsform liegt zwischen der Biasschicht und der Messschicht eine (elektrisch isolierende) Schicht, die bewirkt, dass die Magnetisierung der Messschicht davon abhängt, ob ein äußeres Magnetfeld anliegt, während die Magnetisierung der Biasschicht im Messbereich weitgehend konstant bleibt.

3.
Wie in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2011 erörtert, besteht zwischen den Parteien auch Streit über die Verwirklichung des Merkmals 1 des Klagepatents. Dieses Merkmal fordert einen Magnetowiderstands-Sensor. Die Beklagten meinen insoweit, wie sich aus ihren Ausführungen im Zusammenhang mit Merkmal 5.b) ergibt, dass das Klagepatent auf GMR-Sensoren, also Giant-Magnetowiderstands-Sensoren, beschränkt sei.

Der Fachmann versteht Merkmal 1 dahingehend, dass es um Sensoren geht, die von einem magnetoresistiven Effekt Gebrauch machen. Dass es sich dabei um den sog. GMR-Effekt handelt, ist hingegen nicht erforderlich. Insoweit wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Merkmal 5.b) Bezug genommen, wonach die Lehre des Klagepatents nicht auf (austauschentkoppelte) GMR-Sensoren beschränkt ist.

Auf Grundlage dieses Verständnisses verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 2 Merkmal 1 wortsinngemäß. Denn die angegriffene Ausführungsform 2 macht von dem TMR-Effekt, also dem Tunnel-magnetoresitiven Effekt, Gebrauch. Es handelt sich um Magnetowiderstands-Sensoren im Sinne von Merkmal 1.

IV.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche zu.

1.
Auch die Beklagte zu 3) ist passivlegitimiert. Nach den nunmehr vorgelegten Anlagen K 21 und K 22 ist die Beklagte zu 3) für den deutschen Internetauftritt des A-Konzerns verantwortlich, über den die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland angeboten werden. Auch die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2011 die Passivlegitimation der Beklagten zu 3) nicht mehr in Abrede gestellt.

2.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Beklagten den Gegenstand des Klagepatents unerlaubt nutzen. Der Anspruch ist auch durchsetzbar. Er ist nicht nach § 141 S. 1 PatG, §§ 195, 199 Abs. 5 BGB verjährt. Denn die Verjährungsfrist für den Unterlassungsanspruch beginnt mit jeder Zuwiderhandlung erneut zu laufen (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Auflage 2011, § 199 Rn 23).

3.
Die Beklagten haben der Klägerin darüber hinaus Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätten sie bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, dass sowohl die angegriffene Ausführungsform 1 als auch die angegriffene Ausführungsform 2 das Klagepatent verletzen. Die auf Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG beruhenden Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten sind jedoch teilweise nicht durchsetzbar, da die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben haben und die Verjährungsfrist teilweise – wie nachfolgend aufgeführt – abgelaufen ist. Die vorgenannten Ansprüche verjähren grundsätzlich nach § 141 S. 1 PatG i.V.m. §§ 195, 199 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, bzw. ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Dass die Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB abgelaufen wäre, ist nicht feststellbar, da die Parteien zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne von § 195 Abs. 1 S. 1 BGB nicht vorgetragen haben. Die Schadensersatzansprüche nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG sind allerdings nur durchsetzbar (§ 214 BGB), soweit sie innerhalb von zehn Jahren vor Zustellung der Klage an die jeweilige Beklagte entstanden sind, § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB. Denn durch die Klagezustellung wird die Verjährung gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Schadensersatzanspruch nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG ist ohne Einschränkungen durchsetzbar, soweit Handlungen seit dem 17.04.2000 betroffen sind, denn die Klage wurde der Beklagten zu 1) am 17.04.2010 zugestellt (s. Bl. 31 GA). Entsprechend ist der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Anspruch durchsetzbar, soweit er sich auf Handlungen seit dem 30.07.2000 bezieht, da die Zustellung der Klage an die Beklagte zu 2) am 30.07.2010 erfolgte (Bl. 105a GA). Gegen die Beklagte zu 3) ist der Anspruch bezüglich Handlungen ab dem 28.02.2001 durchsetzbar, denn ihr wurde die Klage am 28.02.2011 zugestellt (Bl. 304 GA). Der gegen die Beklagte zu 4) gerichtete Anspruch ist schließlich durchsetzbar, soweit Verletzungshandlungen seit dem 12.04.2001 betroffen sind. Denn die Zustellung der Klageerweiterung an die Beklagte zu 4) fand am 12.04.2011 statt (Bl. 302 GA).

Für die vor den jeweils genannten Zeitpunkten liegenden Zeiträume haben die Beklagten lediglich Restschadensersatz nach Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 2, 141 S. 1 PatG i.V.m. § 852 BGB zu leisten. Denn insoweit sind die Ansprüche auf Schadensersatz jeweils nach § 141 S. 1 PatG i.V.m. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf von zehn Jahren nach ihrer Entstehung verjährt. Die auf Leistung von Restschadensersatz gerichteten Ansprüche sind indes nicht verjährt, denn insoweit beginnt eine neue Verjährungsfrist.

Da hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

4.
Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, sind die Beklagten ihr im zuerkannten Umfang zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB sowie Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b PatG. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Dass die Beklagten, soweit die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz verjährt sind, nur zur Zahlung von Restschadensersatz verpflichtet sind, führt nicht zu einer Beschränkung der Auskunftspflicht. Nach Ansicht der Kammer ist der Verletzte in der Berechnung des Restschadensersatzanspruches nicht auf die Methode der Lizenzanalogie beschränkt (vgl. LG Düsseldorf, Mitt 2000, 458 (461) – Dämmstoffbahn; LG Düsseldorf, InstGE 1, 33 (37) – Mehrfachkontaktanordnung, LG Mannheim, Urt. v. 16.01.2004, Az. 7 O 403/03, Tz. 117 – zitiert nach juris).

Ein Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die Lieferungen von Sensoren und/oder Festplatten an Abnehmer im Ausland, soweit die Abnehmer die Festplatten oder Produkte mit diesen Festplatten bestimmungsgemäß direkt oder indirekt auch in Deutschland vertreiben, steht der Klägerin gegen die Beklagten hingegen nicht zu. Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie nicht wüssten, welchen Gegenstand ihre jeweiligen Abnehmer wohin lieferten. Dem ist die Klägerin nicht im einzelnen entgegengetreten. Sie hat lediglich ausgeführt, es genüge, wenn bekannt sei, dass der ausländische Abnehmer grundsätzlich Festplatten nach Deutschland liefere. Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Die Beklagten sind nicht verpflichtet, der Klägerin gegenüber alle Lieferungen an Abnehmer offenzulegen, die grundsätzlich Waren nach Deutschland liefern. Vielmehr müssen die Beklagten Auskunft nur über ihre eigenen Lieferungen nach Deutschland – gegebenenfalls unter Mitteilung der Lieferkette – erteilen.

5.
Darüber hinaus steht der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) ein Rückrufanspruch in dem geltend gemachten Umfang zu. Für die Zeit ab dem 01.09.2008 beruht der Anspruch auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG. Für den Zeitraum vom 30.04.2006 bis zum 31.08.2008 folgt der Anspruch aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 PatG, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i. V. m. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) zu. Nach Art. 10 der Durchsetzungsrichtlinie, welche bis zum 29.04.2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen. Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen (OLG Düsseldorf, I – 2 U 18/09, Urteil vom 27.01.2011; Hoge Raad, GRUR-Int. 2008, 955, 958 – De Endstra Tapes). Darunter ist auch der Rückruf patentverletzender Ware zu verstehen. Entsprechend sieht § 140a Abs. 3 PatG in Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie einen Anspruch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse vor. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG bestehen nicht.

Der Rückrufanspruch ist nicht verjährt. Die Voraussetzungen der Verjährung nach § 141 S. 1 PatG, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sind nicht dargelegt, da die Parteien zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis nicht vorgetragen haben. Die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 4 BGB ist noch nicht abgelaufen, da der Rückrufanspruch sich a priori nur auf Gegenstände bezieht, die seit dem 30.04.2006 in Verkehr gelangt sind.

6.
Schließlich steht der Klägerin der gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachte Vernichtungsanspruch im tenorierten Umfang zu, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a PatG. Unverhältnismäßigkeit ist von der Beklagten zu 1) nicht geltend gemacht worden. Der Vernichtungsanspruch ist nur durchsetzbar, soweit er sich auf Gegenstände bezieht, die seit dem 17.04.2000 in Verkehr gelangt sind. Soweit der Vernichtungsanspruch sich auf Gegenstände bezieht, die vor diesem Zeitpunkt in Verkehr gelangt sind, ist der Anspruch verjährt, § 141 S. 1 PatG, §§ 199 Abs. 4, 214 BGB.

V.
Eine Veranlassung, den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO im Hinblick auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren auszusetzen, besteht nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker; LG Düsseldorf, Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus) stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der ihm am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden Verletzungsrechtsstreits. Dass das Bundespatentgericht den Anspruch 1 des Klagepatents vernichten wird, ist auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes nicht überwiegend wahrscheinlich.

1.
Die Beklagte zu 1) macht in ihrer Nichtigkeitsklage den Nichtigkeitsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit geltend. Sie argumentiert, die Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents sei durch eine Kombination der EP 0 346 XXX A2 (Anlage K 4, im folgenden: „D“) mit der Veröffentlichung von J u.a. „E (im folgenden: E) nahegelegt. Das diesen Entgegenhaltungen zu entnehmende Wissen entspreche zudem dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns im Prioritätszeitpunkt.

Dass das BPatG den Anspruch 1 auf Grundlage dieser Argumentation vernichten wird, ist nicht überwiegend wahrscheinlich. Das BPatG hat sich in dem ebenfalls das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren 4 Ni 70/05 (EU) bereits mit diesen Entgegenhaltungen auseinandergesetzt und den Anspruch 1 des Klagepatents aufrechterhalten. Es hat ausgeführt, D offenbare alle Merkmale des Patentanspruchs 1 mit Ausnahme des Merkmals 3.c), wonach an wenigstens eine Biasschicht über eine Kopplungsschicht eine Magnetschicht antiferromagnetisch angekoppelt ist. Dies deckt sich mit der Einschätzung der Parteien im vorliegenden Verletzungsverfahren.

Das BPatG hat weiter ausgeführt, der Fachmann gelange auch unter Einbeziehung weiterer Entgegenhaltungen – unter anderem der Entgegenhaltung E – nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Klagepatents. Zu E hat es angegeben, zwar finde sich dort ein Hinweis, dass für den Messaufbau eine der Magnetschichten direkt an eine antiferromagnetische Fe-Mn-Schicht austauschgekoppelt sein könne oder auch indirekt über eine ultradünne Ru-Schicht an eine weitere Magnetschicht gekoppelt sein könne, ein konkreter Hinweis auf die Verwendung in einem Magnetowiderstandssensor finde sich jedoch nicht. Dass diese Argumentation offensichtlich fehlerhaft wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr erscheinen die seitens der hiesigen Klägerin in das Nichtigkeitsverfahren für eine erfinderische Tätigkeit eingeführten Argumente jedenfalls nachvollziehbar. Warum der Fachmann von der gelehrten Sensorstruktur abweichen sollte, erschließt sich auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes nicht. Vielmehr erscheint die Argumentation der hiesigen Klägerin, der Fachmann habe auch aus der US 5 159 XXX (im folgenden: K) keinen Anlass gehabt, das aus D bekannte Schichtsystem zu verändern, vernünftig. Die Klägerin führt insoweit an, der Fachmann entnehme K zwar einen Hinweis auf das Problem der Oxidation eines natürlichen Antiferromagneten aus FeMn. Dieses Problem sei aber in K selbst bereits dadurch gelöst, dass eine zusätzliche Kupferschicht vorgesehen werde. Ebenso ist das weitere Argument nachvollziehbar, wonach der Fachmann, wenn er das Problem der Oxidation dadurch für nicht gelöst halte, nach einem anderen Material für die Schicht suche; einen Anlass, den sensiblen Schichtaufbau zu ändern, biete ihm das Problem der Oxidation des natürlichen Antiferromagneten nicht.

Auch dem Vortrag der Beklagten zu 1), E beschreibe den Austausch eines natürlichen Antiferromagneten mit einer antiferromagnetisch (indirekt) angekoppelten Magnetschicht als gleichwertig zum Pinnen einer Biasschicht, ist die Klägerin mit vernünftigen Argumenten entgegengetreten. Sie hat dazu u.a. ausgeführt, dass die Angabe in E, eine der Magnetschichten sei in dem Sandwich festgelegt bzw. gepinnt, und zwar entweder durch direkte Austauschkopplung mit einer näher bezeichneten antiferromagnetischen Schicht oder durch indirekte Austauschkopplung durch eine ultradünne Ru-Schicht mit einer zusätzlichen Magnetschicht, sich auf eine zum damaligen Zeitpunkt unveröffentlichte Fundstelle beziehe, die andere Untersuchungen zum Gegenstand hatte und sich nicht auf Sensoren bezog. Diese Argumentation wird durch die entsprechende Fußnote in E bestätigt. Auch sei das in E erwähnte „Pinnen“ nicht gleichbedeutend mit dem „Pinnen“ nach der Lehre des Klagepatents. „Pinnen“ im Sinne des Klagepatents beinhalte, dass die Biasschicht eine im Messbereich des Magnetfeldes wenigstens annähernd konstante Magnetisierung aufweise, während für die Ermittlung der Austauschkopplungskräfte nach E (und der weiteren Entgegenhaltung E) nicht erforderlich sei, dass die Magnetisierung einer der beiden gekoppelten Schichten konstant gehalten werde (s. insoweit S. 39 f. der Klageerwiderung im Nichtigkeitsverfahren, Anlage K 24).

Soweit die Beklagte zu 1) im Nichtigkeitsverfahren eine mangelnde erfinderische Tätigkeit zusätzlich auf eine Kombination von K und E stützt, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Im übrigen hat sich das BPatG in seinem Urteil im Verfahren 4 Ni 70/05 (EU) mit der Kombination dieser Schriften ausführlich auseinandergesetzt. Dass die Ausführungen offensichtlich fehlerhaft wären, ist nicht ersichtlich.

Auch die Entscheidung des High Court of Justice in Northern Ireland (Chancery Division) führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Bezüglich der Frage, ob die Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents einen erfinderischen Schritt aufweist, bezieht sich die Entscheidung auf von den dortigen Parteien vorgelegte Gutachten, die keinen Eingang in das hiesige Verfahren gefunden haben. Darüber hinaus handelt es sich, wie die Entscheidung ausdrücklich klarstellt, lediglich um eine vorläufige Meinung (Anlage B 38a, Rz. 114). Hinzu kommt, dass die Entscheidung sich nicht detailliert mit den im vorliegenden Verfahren relevanten Entgegenhaltungen auseinandersetzt. Es heißt dort sinngemäß, dass der Fachmann sich wohl schon etwas habe anstrengen müssen, um die Lehre zu finden; diese sei für ihn hingegen offensichtlich, wenn er auf sie aufmerksam gemacht werde; es handele sich um „den nächsten Schritt“ für den relevanten Fachmann (vgl. Anlage B 38a, Rz. 119, 120). Dies lässt diese Entscheidung ausreichen, da nur ein „Naheliegen“, kein „unmittelbares Naheliegen“ erforderlich sei. Diese Argumentation entkräftet nach Auffassung der Kammer weder die Entscheidung des BPatG in dem Verfahren 4 Ni 70/05 (EU), noch lässt sie die Argumentation der hiesigen Klägerin zum Vorliegen erfinderischer Tätigkeit unvernünftig oder nicht nachvollziehbar erscheinen. Auch in den Entscheidungen der US-amerikanischen Gerichte finden sich keine neuen, relevanten Argumente gegen das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit.

2.
Darüber hinaus macht die Beklagte zu 1) ohne Erfolg geltend, wenn TMR-Sensoren unter die Lehre des Anspruchs 1 fallen sollten, sei die Lehre unzureichend bzw. nicht ausführbar offenbart.

Nach Auffassung der Kammer ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Bundespatentgericht Anspruch 1 des Klagepatents wegen des Fehlens einer hinreichenden / ausführbaren Offenbarung vernichten wird. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn dem Fachmann mit dem Patentanspruch ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird und er insoweit notwendige Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (BGH, Urt. v. 08.06.2010, Az. X ZR 71/08, Tz. 39 m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können. Vielmehr genügt es regelmäßig, wenn hierzu zumindest ein gangbarer Weg offenbart ist (BGH, Urt. v. 08.06.2010, Az. X ZR 71/08, Tz. 44).

Es sprechen vernünftige Erwägungen dafür, dass es sich vorliegend so verhält. Anspruch 1 des Klagepatents lehrt eine allgemeine technische Lösung. Diese ist hinreichend und ausführbar offenbart. Der Fachmann konnte, was zwischen den Parteien unstreitig ist, bereits im Prioritätszeitpunkt die Lehre des Klagepatents bei GMR-Sensoren umsetzen. Die Anwendung der Lehre auf Sensoren, die auf TMR-Basis arbeiten, erweitert nicht die Lehre selbst, sondern nur ihr Anwendungsgebiet. Für eine hinreichende und ausführbare Offenbarung ist aber nicht erforderlich, dass alle möglichen Ausführungsbeispiele einer allgemeinen technischen Lehre bereits im Prioritätszeitpunkt umgesetzt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 08.06.2010, Az. X ZR 71/08, Tz. 44). Die vorliegende Konstellation ist derjenigen, die der Entscheidung Thermoplastische Zusammensetzung des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 2010, 414) zu Grunde lag, nicht vergleichbar. In der dortigen Entscheidung wird das Fehlen einer ausführbaren Offenbarung damit begründet, dass der in Rede stehende Anspruch zwei einseitig offene Bereiche schützt, das Klagepatent dem Fachmann jedoch keinen Weg an die Hand gibt, mit dem er diese Bereiche voll ausschöpfen könnte (BGH GRUR 2010, 414 (415) – Thermoplastische Zusammensetzung). Das Klagepatent stellt aber keine nicht ausführbar offenbarten, konkreten Bereiche unter Schutz, sondern eine allgemeine technische Lehre, die unter Ausnutzung des GMR-Effekts – unstreitig – bereits am Prioritätstag umgesetzt werden konnte. Im übrigen wäre es inkonsistent, solche Maßnahmen, die dem Fachmann am Prioritätstag noch nicht bekannt waren, sondern erst durch spätere technische Entwicklungen möglich wurden, im Falle rein funktional abgefasster Merkmale als tauglichen Gegenstand des Vorwurfs einer wortsinngemäßen Verletzung anzusehen, wenn man dieselben Maßnahmen alsdann als nicht hinreichend offenbart ansähe und deshalb den Patentschutz verweigern würde.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 27.09.2011 bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a S. 2, 156 ZPO).

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Bei der Anordnung der Teilsicherheiten hat die Kammer berücksichtigt, dass aufgrund des mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwandes insoweit eine höhere Sicherheitsleistung angemessen erscheint als bezüglich der Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung.

Streitwert: 5.000.000,- €