2 U 130/09 – Gleitmanteldichtung II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1574

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Februar 2011, Az. 2 U 130/09

I.
Die Berufung gegen das am 22.09.2009 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt als ausschließliche Lizenznehmerin an dem in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patent 553 XXX B1 (nachfolgend „Klagepatent“ genannt) die Beklagten auf Unterlassung, Vernichtung, Erstattung von Abmahnkosten, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Rechnungslegung und Auskunft in Anspruch. Eingetragene Inhaberin des in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft stehenden Klagepatents ist die Georg-A GmbH & Co. KG, die der Klägerin eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilte und Schadensersatzansprüche einschließlich entsprechender Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung für die Zeit davor abtrat. Die Anmeldung des Klagepatents, das die Priorität der DE 4202ZZZ vom 25.01.1992 in Anspruch nimmt, wurde am 04.08.1993 veröffentlicht. Die Veröffentlichung des Hinweises auf seine Erteilung erfolgte am 20.03.1996.

Das Klagepatent betrifft eine Dichtungseinrichtung für aneinanderstoßende Bauteile, insbesondere Betonformteile. Sein allein streitgegenständlicher Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Dichtungseinrichtung für aneinanderstoßende Bauteile, insbesondere Betonformteile, z.B. Straßen- oder Hofabläufe, Schachtringe, Schachthälse, Schornsteinelemente, Wand- oder Mauerelemente, Rohre od. dgl., mit zumindest einem durch Kompression im Stoßbereich verformbaren Dichtkörper aus zumindest im wesentlichen elastischem Material, der in einem inneren Hohlraum eine Füllung enthält,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,

dass die Füllung (24; 124; 224; 324) aus einer unter leichtem äußeren Druck innerhalb des Hohlraumes (22; 122; 222; 322) des Dichtkörpers (21; 121; 221; 321) in allen Richtungen beweglichen, bei erhöhtem äußeren Druck sich zunehmend verfestigenden und bei hohem Druck einen starren Kern bildenden Masse (25; 125; 225; 325) gebildet ist.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 2 und 3 der Klagepatentschrift) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele, wobei Figur 2 einen schematischen Schnitt zweier vertikal aneinanderstoßender Betonformteile mit im Stoßbereich angeordneter Dichtungseinrichtung im noch unbelasteten Zustand gemäß einem Ausführungsbeispiel und Figur 3 einen schematischen Schnitt etwa entsprechend demjenigen in Figur 2 jedoch im belasteten Zustand zeigen:

Die Beklagte zu 1) vertreibt in Deutschland über ihre deutsche Tochtergesellschaft, die Beklagte zu 2), von ihr unter der Produktbezeichnung „C 171“ hergestellte vorgeschmierte Gleitmanteldichtungen (im folgenden „angegriffene Ausführungsform II“ genannt), die einen Kompressionskörper 100 und einen Lastenausgleichsring 180 aufweisen. Dieser Lastenausgleichsring 180 ist über einen Verbindungssteg 190 mit dem Kompressionskörper 100 verbunden und besteht aus einer Hülle 180 und einer Füllmasse 182. Die Füllmasse 182 besteht aus ausvulkanisiertem Kautschukkompound. Aufbau und Wirkungsweise der angegriffenen Ausführungsform II werden durch die nachfolgend gezeigten, dem Produktkatalog der Beklagten (Anlage K 10) entnommenen Abbildungen verdeutlicht:

Zuvor hatte die Beklagte zu 1) einen Prototyp des Gleitmantels „C 171“ entwickelt, bei dem zur Ausbildung des Lastenausgleichrings anstelle des ausvulkanisierten Kautschukkompounds anvulkanisierter Kautschukkompound verwandt worden war (angegriffene Ausführungsform I), der ansonsten im Aufbau aber der angegriffenen Ausführungsform II gleicht. Ein hierauf bezogenes Datenblatt mit dem Inhalt der Anlage K6 hatte die Beklagte zu 1) im Internet veröffentlicht.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, beide angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Der Kautschukkompound stelle in beiden Fällen eine patentgemäße Füllung des Hohlraums der Dichtungseinrichtung dar, da hierfür eine Beweglichkeit in dem Sinne ausreiche, dass Unebenheiten der Deportformteile durch Führung der Masse unabhängig von den Wandungsteilen ausgefüllt würden. Dies sei bei beiden angegriffenen Ausführungsformen der Fall.

Die Beklagten meinen demgegenüber, eine Patentverletzung sei nicht gegeben. Die Füllung im Sinne des Klagepatents müsse frei beweglich sein, was aufgrund der Vernetzung der einzelnen Bestandteile weder bei anvulkanisiertem noch bei ausvulkanisiertem Kautschukkompound gegeben sei.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Lastenausgleichsring beider angegriffenen Ausführungsformen weise keine Füllung im Sinne des Klagepatents auf. Aus der Patentbeschreibung ergebe sich, dass die erfindungsgemäße Masse über gute Fließeigenschaften verfügen müsse. Auch aus der Abgrenzung zu den im Stand der Technik bekannten Keil- und Rolldichtungen folge, dass die Füllmasse schon aufgrund ihrer Materialeigenschaften eine eigenständige Beweglichkeit aufweisen solle, die durch leichten Druck aktiviert werden könne. Dieser Druck sei unabhängig von den einwirkenden Gewichtskräften der Betonfertigteile zu beurteilen. Eine durchgängig feste Verbindung des elastischen Materials des Dichtkörpers mit dem Füllmaterial wie bei der angegriffenen Ausführungsform II sei damit nicht zu vereinbaren. Dass für die angegriffene Ausführungsform I etwas anderes zu gelten habe, lasse sich nicht feststellen. Bei beiden finde zudem keine patentgemäße Verfestigung der Füllmasse statt. Das zusammengepresste visko-elastische Material kehre nach Beendigung des Drucks jedenfalls im Wesentlichen in seinen Ursprungszustand zurück.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie meint, das Landgericht habe das Klagepatent unzutreffend ausgelegt. Dieses schließe weder die Verwendung von elastischem Material zur Ausbildung der Füllung des Dichtkörpers aus noch schreibe es eine eigenständige freie Beweglichkeit der Füllung gegenüber dem Dichtkörper vor. Sie behauptet, die zumindest teilweise vernetzten Molekülketten der angegriffenen Ausführungsformen erlaubten ein gewisses plastisches Fließen der Masse, die dementsprechend Unebenheiten und variierende Spaltmaße in Umfangsrichtung des Ringspaltes durch Fließen ausgleichen könne.

Die Klägerin beantragt nach Rücknahme der Berufung in Bezug auf den ursprünglich auch gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemachten Vernichtungsanspruch und den zunächst seit dem 01.01.2007 im eigenen Namen geltend gemachten Schadensersatz nunmehr wie folgt zu erkennen:

I. Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22.09.2009 wird aufgehoben.

II. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringbarkeit eine am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, eine

Dichtungseinrichtung für aneinanderstoßende Bauteile, insbesondere Betonformteile, z.B. Straßen- oder Hofabläufe, Schachtringe, Schachthälse, Schornsteinelemente, Wand- oder Mauerelemente, Rohre oder dergl. mit zumindest einem durch Kompression im Stoßbereich verformbaren Dichtkörper aus zumindest im wesentlichen elastischem Material, der in einem inneren Hohlraum eine Füllung aus unverformbarem Material enthält,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei der:

die Füllung aus einer unter leichtem Druck innerhalb des Hohlraumes des Dichtkörpers in allen Richtungen beweglichen, bei erhöhtem Druck sich zunehmend verfestigenden und bei hohem Druck einen starren Kern bildenden Masse gebildet ist;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziffer I.1 seit dem 01.01.2007 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und der Herstellungszeiten, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, nach Kalenderjahren, Lieferzeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

3. der Klägerin für die Zeit seit dem 01.01.2007 Auskunft über die Herkunft und die Vertriebswege der Dichtungseinrichtung gemäß Ziffer I.1 zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, das sich zu erstrecken hat auf Name und Anschrift sämtlicher Lieferanten sowie gewerblicher Abnehmer, sowie die Stückzahl der an jeden dieser Abnehmer ausgelieferten Dichtungseinrichtung;

III. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindliche Dichtungseinrichtungen entsprechend vorstehend der Ziffer I.1 zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der
1. durch die in Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 17.07.2008 begangenen Handlungen der Georg A GmbH & Co. KG entstandenen ist und noch entstehen wird,
2. der Klägerin durch die in Ziffer I.1 bezeichneten, ab dem 18.07.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

V. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 5.273,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und machen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere geltend, dass durch die Beweglichkeit der klagepatentgemäßen Masse in allen Richtungen erreicht werden solle, dass das im Hohlraum der Dichtung befindliche fließfähige Material aus dem Bereich enger Spaltweite verdrängt werde, um auch im Bereich größerer Spaltabstände eine sichere Abdichtung zu ermöglichen. Daran fehle es bei den angegriffenen Ausführungsformen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet, da in Bezug auf beide angegriffenen Ausführungsformen nicht feststellbar ist, dass sie das Klagepatent verletzen.

1.
Nach der einleitenden Erläuterung der Klagepatentschrift betrifft die Erfindung eine Dichtungseinrichtung für aneinanderstoßende Bauteile, insbesondere Betonformteile.

Als im Stand der Technik bekannte Dichtungseinrichtung dieser Art bezeichnet das Klagepatent die in der DE-OS 34 14 180 offenbarte, bei der die im Hohlraum des Dichtkörpers enthaltene Füllung entweder aus einem kompressiblen Medium oder stattdessen aus einer einspritzbaren und sich nach dem Einspritzen verfestigenden Masse gebildet ist. Letztere ist nach dem Aushärten ein unverformbar festes Material, wodurch eine axiale Abstützung zweier vertikal aufeinandersitzender Bauteile erreicht wird, ohne dass diese Bauteile dabei mit zugewandten Ringflächen aufeinander sitzen. Sie ist jedoch nach Ansicht des Klagepatents aus nicht näher ausgeführten Gründen nicht praktikabel. Auch die zuvor bekannten Dichtungseinrichtungen erachtet das Klagepatent als mit vielfältigen Nachteilen verbunden. Zum einen müssen die Toleranzen für die Dichtungseinrichtung und die im Stoßbereich wirksamen Flächen sehr eng gewählt werden, da die Dichtungseinrichtung innerhalb eines Spalts verpresst wird. Neben der in der Regel zu schmalen Dichtungsfläche ergibt sich das weitere Problem, dass z.B. bei aus Beton bestehenden Bauteilen die Oberfläche im Dichtbereich oftmals nicht einwandfrei geschlossen ist, sondern häufig porös und mit Lufteinschlüssen und Lunkern versehen ist, was Kontrollen und Nachbehandlung erfordert. Bei den bekannten Keil- und Rolldichtungen ist die Breite der Dichtfläche (15 – 20 mm) ohnehin schmal. Ist die Verpressung der einzelnen Bauteile und der Dichtungseinrichtung wegen der Toleranzen an den Teilen und der Einrichtung unterschiedlich, wird die Dichtfläche bei geringer Verpressung noch kleiner. Selbst eine zunächst dichte Keil- oder Rollringdichtung, die nur durch erheblichen Aufwand bei der Einhaltung der Toleranzen, Kontrolle der Dichtflächen und Nachbehandlung evtl. Porositäten und Oberflächenlöcher erreicht werden kann, kann später aufgrund der auf die zusammengesetzten Bauteile wirkenden Belastungen undicht werden. Solche Belastungen sind im Fall von Schachtringen zur Herstellung eines Schachtes die Gewichtskräfte der einzelnen vertikal aufeinander liegenden Bauteile, der Erddruck, ggf. Auftrieb und die zusätzliche Verkehrslast. Es ergeben sich aufgrund der Materialeigenschaften des Betons Punktlasten, die bei hoher Belastung zu Beschädigungen und Abplatzungen führen können.

Das Klagepatent hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, diese Nachteile zu beseitigen. Dieses Ziel wird mit der Erfindung dadurch erreicht, dass die im Wesentlichen aus elastischem Material bestehende Dichtungshülle innen über eine Füllung verfügt, die – abhängig vom auf sie ausgeübten Druck- unterschiedliche Materialeigenschaften aufweist.
In seinem Hauptanspruch 1 sieht das Klagepatent demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Dichtungseinrichtung für aneinanderstoßende Bauteile.

2. Die Dichtungseinrichtung hat zumindest einen Dichtkörper, der
a. durch Kompression im Stoßbereich verformbar ist,
b. aus zumindest im Wesentlichen elastischem Material besteht und
c. einen inneren Hohlraum aufweist.

3. Der innere Hohlraum enthält eine Füllung.

4. Die Füllung ist aus einer Masse gebildet, die
a. unter leichtem äußeren Druck innerhalb des Hohlraumes des Dichtkörpers in allen Richtungen beweglich ist,
b. sich bei erhöhtem äußeren Druck zunehmend verfestigt und
c. bei hohem Druck einen starren Kern bildet.

2.
Diese Merkmale weisen die angegriffenen Ausführungsformen nicht in vollem Umfang auf. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Innere des Lastenausgleichrings beider angegriffener Ausführungsformen bei leichtem Druck nicht in allen Richtungen beweglich im Sinne des Merkmals 4 a) ist.

Zwar mag es im Hinblick auf die vom Klagepatent hervorgehobene zunehmende Dichtwirkung im unteren Schachtteil bei zunehmender Schachthöhe (Spalte 4 Z. 58) sein, dass auch der leichte äußere Druck patentgemäß durch den Beginn der Auflage eines oberen Bauteils erzielt wird (wie es im Rahmen eines bevorzugten Ausführungsbeispiels in Sp. 4 Z. 21 – 25 beschrieben wird) und nicht unabhängig hiervon zu beurteilen ist. Auch dann kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Ausführungsformen den vom Klagepatent durch das Merkmal der „Beweglichkeit der Masse innerhalb des Hohlraumes in allen Richtungen“ vorgesehenen vorteilhaften Effekt erreichen. Dieser besteht nach der Beschreibung des Klagepatents in folgendem:
Durch das Aufsetzen des oberen Bauteils verschiebt sich aufgrund der Gewichtskraft des oberen Bauteils die Masse im Hohlraum (Sp. 4 Z. 21 – 25). Ob dies zwingend aufgrund von Fließeigenschaften zu geschehen hat und wie diese zu definieren sind, kann dahinstehen. Jedenfalls muss die Verschiebungsfähigkeit der Masse innerhalb des Dichtkörpers dergestalt sein, dass ein Toleranzausgleich im Stoßbereich und eine gleichmäßige Anlage des Dichtkörpers an den Dichtflächen in Form der Nuten und teilweise im daran angrenzenden Bereich der Stirnflächen erreicht wird (vgl. Sp. 4 Z. 26 – 31). Hierdurch können sowohl Planunebenheiten der einzelnen Bauteile als auch Toleranzabweichungen im Querrichtung, z.B. im Durchmesser, problemlos aufgenommen und Punktlasten vermieden werden (Sp. 5 Z. 1 – 9). Die auszugleichenden Toleranzabweichungen können auch größer sein (Sp. 5 Z. 52 – 53). Auch Oberflächenundichtheiten können in einem möglichst großen Flächenbereich abgedichtet werden, was eine zusätzliche Behandlung entbehrlich macht (Sp. 5 Z. 56 bis Sp. 6 Z. 8). Diese Ausführungen in der Beschreibung des in Figur 1 gezeigten ersten Ausführungsbeispiels sind allgemeiner Natur und grenzen die Erfindung grundsätzlich vom Stand der Technik ab. Auf eine allgemeine Beschreibung der erfindungsgemäßen Vorteile vorab hat das Klagepatent bewusst verzichtet und verweist insoweit ausdrücklich auf „die spezielle Beschreibung“ (Sp. 2 Z. 24 – 28).
In diesem Sinn versteht auch der Privatgutachter der Klägerin das Klagepatent, wenn er auf S. 11 seines Gutachtens vom 04.09.2010 (Anlage K 21) davon spricht, dass die Lösung der Aufgabenstellung dem Klagepatent mit einer elastomeren Dichtung gelinge, welche einen Hohlraum aufweise, der mit einem imkompressiblen Stoff gefüllt werden könne. Beim Zusammenfügen von Fertigteilen könne sich der Stoff in gewissen Grenzen umlagern (Unterstreichung hinzugefügt) und auf diese Weise die Imperfektionen, wie ungleichmäßige Oberflächenstruktur der Dichtflächen und Spaltweiten, ausgleichen und eine gleichmäßig große Dichtwirkung erzeugen.

Dass sich die Füllungen der Lastenringe der angegriffenen Ausführungsformen entsprechend verhalten, hat die Klägerin nicht dargelegt. Dass die Bestandteile von Dichtungshülle und Füllung der angegriffenen Ausführungsformen aufgrund der jedenfalls teilweisen Vulkanisierung miteinander – wenn auch in unterschiedlichem Maße – vernetzt sind, ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass diese Vernetzung einem vollständig freien Fließen der Füllung entgegensteht. Welche konkrete Umlagerung demgegenüber stattfindet, bleibt offen. Das von der Klägerin schriftsätzlich pauschal behauptete „gewisse plastische Fließen“ des Kautschukkompounds genügt nicht, um eine Verwirklichung der erfindungsgemäßen Beweglichkeit der Füllmasse innerhalb des Dichtkörpers in allen Richtungen (Merkmal 4 a)) bejahen zu können. Es ist ohne dezidierte Angaben zum Umfang der stattfindenden Bewegung ohne jede Aussagekraft. Eine Abgrenzung der angegriffenen Ausführungsformen zu den im Stand der Technik bekannten elastischen Dichtungen findet seitens der Klägerin nicht statt. Die von ihr in Bezug genommenen Ausführungen des Privatgutachtens Prof. Körkemeyer (Anlagen K 21 und K 22) beruhen auf abstrakten Erwägungen. Ihnen liegen keine Untersuchungen der angegriffenen Ausführungsformen durch den Privatgutachter zugrunde. Zudem gründen sie auf der unzutreffenden Annahme, dass nur die in den zitierten DIN-Vorschriften genannten, verhältnismäßig geringen Toleranzen auszugleichen sind. Dies steht in Widerspruch zur Aufgabe, die sich das Klagepatent nach dem bereits Gesagten selber gestellt hat und die u.a. darin besteht, auch größere Toleranzen auszugleichen. Mit der Anlage K 12 führt die Klägerin zwar Ergebnisse von Untersuchungen der angegriffenen Ausführungsform II durch die Klägerin eines Parallelverfahrens in den hiesigen Rechtsstreit ein. Danach soll die Verformung der angegriffenen Ausführungsform II der eines mit Sand gefüllten Schlauches sehr ähnlich sein. Dies belegt – die Richtigkeit des entsprechenden Vorbringens unterstellt – aber bereits nur ein ähnliches Verhalten der untersuchten Vergleichsexemplare zwischen ebenen glatten Flächen. Denn nur zwischen solchen sind die Proben bei den Untersuchungen verpresst worden. Das Diagramm auf Seite 2 der Anlage K 12 verfügt damit über keinerlei Aussagekraft, wie sich die angegriffene Ausführungsform II im Toleranzausgleich, also gerade dann, wenn keine gleichmäßigen Flächen vorliegen, verhält. Dass ausweislich der Bilder 2 und 4 auf Seite 3 der Anlage K 12 die Stirnfläche des durchgeschnittenen Lastenausgleichsrings der angegriffenen Ausführungsform II nach erfolgter Belastung nur wenig nach außen gewölbt wurde, spricht im Gegenteil gegen eine Fähigkeit des Inneren, sich innerhalb des Dichtkörpers so zu verschieben, dass der erfindungsgemäße Ausgleich von Lücken im Abdichtbereich der Betonfertigteile, die in Umfangsrichtung der Betonfertigteile gesehen auftreten können, stattfinden kann. Zudem haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen, dass die bei den Untersuchungen gemäß Anlage K 12 erfolgte Druckbeaufschlagung der Proben nicht der entspricht, wie sie in der Praxis auf die Dichtungen ausgeübt wird. Die Klägerin hat zwar die von den Beklagten konkret behauptete Vervielfachung um das 180-fache bestritten. Sie hat aber eingeräumt, dass der bei den Untersuchungen auf die Proben ausgeübte Druck ein Mehrfaches des in der Praxis erfolgenden Drucks betrug. Damit kann jedoch nicht einmal davon ausgegangen werden, dass sich die angegriffene Ausführungsform II bei der Anwendung in der Praxis so wie in der Anlage K 12 wiedergegeben verhält.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.