2 U 144/09 – Spritzgusswerkzeug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1576

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. April 2011, Az. 2 U 144/09

Vorinstanz: 4b O 258/08

I.
Die Berufung der Kläger gegen das am 03.11.2009 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

V.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 300.000,- €
G r ü n d e :

I.

Die Kläger sind gemeinschaftlich eingetragene Inhaber des europäischen Patents 0 794 XXX B1 (Klagepatent), dessen deutscher Teil unter dem Aktenzeichen DE 597 06 ZZZ.1 geführt wird und in Kraft steht. Das Klagepatent betrifft ein Dichtelement zur Umlenkung von Temperierfluiden in Spritzguss- und Druckgusswerkzeugen. Es wurde am 06.03.1997 angemeldet und nimmt die Priorität der DE 296 04 YXY U vom 09.03.1996 in Anspruch. Der Hinweis auf seine Anmeldung wurde am 10.09.1997, der Hinweis auf seine Erteilung am 23.01.2002 veröffentlicht.

Der allein streitgegenständliche Anspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache abgefassten Klagepatents lautet:

„Dichtelement zum Umlenken von Temperierfluiden in Spritzguss- und Druckgusswerkzeugen, wobei das Dichtelement (1) als ein einstückiges ovalzylindrisches Bauteil ausgebildet ist, das mit mehreren in Achsrichtung liegenden Durchgangsöffnungen (4) versehen ist, die auf der Unterseite jeweils einzeln von einer Dichtwulst (8) umschlossen werden und auf der Oberseite in einen gemeinsamen, in Achsrichtung eingesenkten Durchströmungsraum (5) münden, der von einem umlaufenden Dichtwulst (2) umgeben ist.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1, 2, 4 und 5 der Klagepatentschrift, z.T. ergänzt durch handschriftliche Erläuterungen) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele, nämlich in Form einer perspektivischer Ansicht eines erfindungsgemäßen Dichtelements auf der Oberseite (Figur 1), einer perspektivischen Ansicht desselben Dichtelements auf der Unterseite (Figur 2), als Prinzipdarstellung der Temperierkanalführung unter Einsatz des Dichtelements (Figur 4) und als Sicht auf die Ausnehmung zum Einsatz des Dichtelements in die Formplatte (Figur 5):

Die Beklagte zu 1) ist eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in Österreich. Die Beklagte zu 2) ist ihre persönlich haftende Gesellschafterin. Der Beklagte zu 3) war bis einschließlich 01.02.2008 weiterer persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1) und Geschäftsführer der Beklagten zu 2). An seine Stelle trat ab dem 02.02.2008 in beiden Eigenschaften der Beklagte zu 4).

Die Beklagte zu 1) bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Größen Dichtelemente (angegriffene Ausführungsform), deren grundsätzlicher Aufbau den zur Akte gereichten Mustern (Anlage K 6) sowie den nachfolgend eingeblendeten, der Klageschrift (Anlage K 5) entnommenen und von der Klägerin mit Bezugsziffern versehenen Lichtbildern zu entnehmen ist:

Einsatz und Wirkungsweise der angegriffenen Ausführungsform zeigen die nachfolgend eingeblendeten Skizzen, die der am 24.12.2004 eingereichten und am 13.07.2006 offen gelegten Patentanmeldung der Beklagten zu 1) – Aktenzeichen DE 10 2004 062 566 A1 (Anlage B3) – entnommen sind.

Die Kläger, die die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz, die Beklagte zu 1) darüber hinaus auf Entschädigung in Anspruch nehmen, sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klageschutzrechts wortsinngemäßen Gebrauch. Auch ein mehrteiliges Dichtungselement sei einstückig im Sinne des Klagepatents, wenn die verschiedenen Teile zu einem Stück zusammen gesetzt seien. Die bei der angegriffenen Ausführungsform verwandten O-Ringe (in der Anlage K 5 mit den Bezugszeichen 8 und 2 gekennzeichnet) stünden einer Einstückigkeit des Elements daher nicht entgegen. Das Klagepatent fordere auch nicht, dass der Durchströmungsraum von dem Grundkörper des Dichtelements gebildet werde. Vielmehr reiche eine Absenkung der Oberseite der Dichtwulstfläche aus. Eine solche Absenkung weist die angegriffene Ausführungsform nach der Behauptung der Kläger auf. Lege man sie auf eine ebene Fläche, befinde sich zwischen der Fläche und der Messingplatte ein Hohlraum, der – so ihre Ansicht – einen Durchströmungsraum im Sinne des Klagepatents bilde. Zudem genüge es, wenn sich der Durchströmungsraum nicht im Dichtelement selber, sondern in einem angrenzenden Bauteil befinde.

Die Beklagten, die um Klageabweisung gebeten haben, halten das Klagepatent nicht für verletzt. Sie haben unter anderem die Auffassung vertreten, Einstückigkeit im Sinne des Klagepatents besage, dass „alles aus einem Stück“ bestehe. Zudem definiere die als „Dichtungsbrille“ ausgebildete angegriffene Ausführungsform nur die Oberseite des in der Formplatte eingelassenen Durchströmungskanals, nicht aber den Durchströmungskanal selber. Da der umlaufende O-Ring in eine seitliche Ausnehmung in der Formenplatte eingreife, werde auch der Vorteil des Klagepatents, eine besonders einfache Bearbeitung der Formplatte zu erreichen, nicht erzielt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klageschutzrecht in mehrfacher Hinsicht nicht. Es fehle schon an der erforderlichen Einstückigkeit des Bauteils. Diese verlange sowohl nach dem Anspruchswortlaut als auch im Hinblick auf die Funktion des Dichtungselements und die Abgrenzung des Klagepatents zum Stand der Technik eine besondere, mehr als nur hinreichend feste Verbindung der Bauelemente. Eine solche fehle bei der angegriffenen Ausführungsform, da dort – wie den zur Gerichtsakte gereichten Mustern zu entnehmen sei – die O-Ringe sowohl an der Oberseite als auch an der Unterseite aus den Ringnuten herausgenommen und unverändert dort wieder eingesetzt werden könnten. Zudem lehne das Klagepatent die Verwendung der aus dem Stand der Technik bekannten O-Ringe ausdrücklich ab, weil die zu ihrer Aufnahme notwendigen Ringnuten in ihrer Herstellung aufwändig seien. Außerdem verfüge die angegriffene Ausführungsform nicht über einen erfindungsgemäßen Durchströmungsraum. Dieser müsse unter anderem schon deshalb in das Dichtungselement eingesenkt sein, da er nur dann von dem umlaufenden Dichtwulst umgeben sei. Der umlaufende O-Ring der angegriffenen Ausführungsform rage nicht so weit über die brillenartige Platte hinaus, dass die Durchströmung von einer Durchgangsöffnung zur anderen möglich sei. Die Kläger hätten – aus näher ausgeführten Gründen – den Vortrag der Beklagten nicht in erheblicher Weise bestritten, der O-Ring werde beim Einbau so komprimiert, dass die brillenartige Platte zu einer planebenen Unterlage allenfalls einen Abstand von wenigen Hundertstelmillimetern aufweise.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Berufung und machen geltend, das Landgericht habe den Begriff des einstückigen Bauteils zu eng ausgelegt. Es genüge, dass die Dichtwülste mit dem Dichtelement so fest verbunden seien, dass das Dichtelement als einheitliches Bauteil funktionsgerecht eingesetzt werden könne, also als ein Stück zu handhaben sei. Auch habe die erfindungsgemäße Überwindung der isolierten Einfräsung von Nuten in die Formplatte nichts mit der Einstückigkeit des Dichtelements als solchem zu tun. Hinsichtlich des Durchströmungsraumes erkenne der Fachmann, dass dieser Raum erfindungsgemäß auch durch die Einsenkung in der Formplatte einerseits und die horizontale Abdichtung mit Hilfe des Dichtelements andererseits gebildet werde, wobei es für ihn zweitrangig sei, ob der umlaufende Dichtwulst als lange, bis zum Einsenkungsbereich reichende Schürze oder stark verkürzt, d.h. flach ausgebildet sei. Die Kläger bestreiten, dass der Dichtwulst der angegriffenen Ausführungsform beim Einsatz komprimiert wird, und sind der Ansicht, es sei unerheblich, ob sich der zwischen Platte und Ende des Dichtwulstes ergebende Durchströmungsraum nur für sehr begrenzte Einsatzzwecke eigne. Zumindest liege eine äquivalente Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents vor, da die dem umlaufenden Dichtwulst gegenüberliegende Wirkfläche der Einfräsung eine im Boden der Formplatte ausgebildete Fläche sei.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und

I.
die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an dem Beklagten zu 4., zu unterlassen,

Dichtelemente zur Umlenkung von Temperierfluiden in Spritzguss- und Druckgusswerkzeugen

im Geltungsbereich des deutschen Teils DE 597 06 ZZZ.1 des europäischen Patents EP 0 794 XXX B1 anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen,

bei denen das Dichtelement als ein einstückiges ovalzylindrisches Bauteil ausgebildet ist, das mit mehreren in Achsrichtung liegenden Durchgangsöffnungen versehen ist, die auf der Unterseite jeweils einzeln von einem Dichtwulst umschlossen werden und auf der Oberseite in einen gemeinsamen, in Achsrichtung eingesenkten Durchströmungsraum münden, der von einem umlaufenden Dichtwulst umgeben ist;

hilfsweise,
bei denen das Dichtelement als ein einstückes ovalzylindrisches Bauteil ausgebildet ist, das mit mehreren in Achsrichtung liegenden Durchgangsöffnungen versehen ist, die auf der Unterseite jeweils einzeln von einem flüssigkeitsdichtenden, federnden Dichtring umschlossen werden und auf der Oberseite flüssigkeitsleitend verbindbar in einen gemeinsamen, in Achsrichtung eingesenkten Durchströmungsraum münden, der von einem umlaufenden, flüssigkeitsdichtenden, federnden Dichtring umgeben ist;

2. den Klägern darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 10.10.1997 begangen haben, und zwar unter Angabe

a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der dafür bezahlten Preise, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagen und Stückzahlen pro Auflage pro Werbeträger, Verbreitungsgebieten und Verbreitungszeiten,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei
 von den Beklagten zu 2. und 3. sämtliche Angaben und von den Beklagten zu 1. bis 3. die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 24.01.2002 zu machen sind, wobei die Verpflichtung des Beklagten zu 3. auf die Zeit bis zum 01.02.2008 einschließlich beschränkt ist;
 von dem Beklagten zu 4. sämtliche Angaben nur für die Zeit seit dem 02.02.2008 zu machen sind;
 die Angaben zu den Einkaufspreisen (oben a)) sowie zu den Verkaufsstellen (oben b)) nur für die Zeit seit dem 01.09.2008 zu machen sind;
 die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
 den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt den Klägern einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägern auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung enthalten ist.

II.
festzustellen,

1. dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, den Klägern für die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 10.10.1997 bis zum 23.01.2002 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern allen Schaden zu ersetzen, welcher den Klägern durch die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 24.02.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird, wobei diese Verpflichtung des Beklagten zu 3. auf bis zum 01.02.2008 einschließlich begangene Handlungen beschränkt ist und die Verpflichtung des Beklagten zu 4. ab dem 02.02.2002 für von ihm seit diesem Zeitpunkt begangene Handlungen einsetzt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags und machen insbesondere geltend, eine äquivalente Patentverletzung scheide schon deshalb aus, da es im Hinblick auf die bei der angegriffenen Ausführungsform notwendige zweite Einfräsung in der Formplatte an der Gleichwertigkeit fehle.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent nicht.

1.
Die streitgegenständliche Erfindung betrifft nach der einleitenden Erläuterung der Klagepatentschrift ein Dichtelement und dessen Verwendung zur Umlenkung von Temperierfluiden in Spritzguss- und Druckgusswerkzeugen. Diese Werkzeuge sind aus Formplatten aufgebaut, bei denen es sich zum einen um Formeinsätze und zum anderen um Halteplatten für die Formeinsätze handelt. Die genannten Werkzeuge und damit auch die entsprechenden Formplatten benötigen eine Durchströmung mit Temperaturfluiden in vielfältigen Kanälen. Zunächst gilt es, den durch thermisches Aufschmelzen erreichten flüssigen Zustand der eingespritzten Rohstoffe durch Wärmezufuhr mittels eines flüssigen Wärmeträgers beizubehalten. Anschließend wird die Erstarrung innerhalb der Formeinsätze durch Abkühlung, also Übertragung der Wärme an ein Fluid niedrigerer Temperatur, gefördert.

Die Kanalführung, die mit Hilfe der Dichtelemente gestaltet wird, muss jedem Formaufbau individuell angepasst werden. Als dem Stand der Technik entsprechend bezeichnet es das Klagepatent, zu diesem Zweck in die massiven Formplatten Temperierkanäle zu bohren, was – abhängig von der jeweiligen Bohrtiefe – einen entsprechend großen Fertigungsaufwand erfordert. Oftmals ist die Bohrtiefe groß, wenn im Inneren einer Form liegende Bereiche erreicht werden sollen. Da dort vielfach nur kurze Verbindungskanäle zu schaffen sind, die keinen Zugang zur Peripherie brauchen, ist die Zugangsbohrung von außen anschließend nutzlos. Dies sowie die Tatsache, dass wegen des unflexiblen Fertigungsverfahrens Bohren oftmals Umwege für den Temperierkanalverlauf in Kauf genommen werden müssen, betrachtet das Klagepatent als nachteilig. Als weiteren Nachteil im Stand der Technik bezeichnet es den Umstand, dass außerdem eine Abdichtung in Form von O-Ringen installiert werden muss, deren Ringnuten zur Aufnahme aufwendig herzustellen ist.

Die vorstehend eingeblendete Skizze (Figur 3 der Klagepatentschrift, mit handschriftlichen Anmerkungen versehen) gibt diesen Stand der Technik wieder. Zur Verdeutlichung wurden die Blindbohrung gelb und die in den Ringnuten liegenden O-Ringe rot eingezeichnet.

Als Aufgabe der Erfindung stellt die Klagepatentschrift daher heraus, ein Dichtelement und dessen Verwendung zu entwickeln, das die Gestaltung und Anfertigung von Temperierkanälen in Spritzgusswerkzeugen vereinfacht und mehr Möglichkeiten der Kanalführung bietet, wobei sowohl die Herstellung des Dichtelements als auch die Bearbeitung der Formplattten kostengünstig erfolgen können sollen.

Dieses Ziel wird mit der Erfindung dadurch erreicht, dass das Dichtelement

• als einstückiges Bauteil ausgebildet ist, das in eine Formplatte eingesenkt wird, in die zuvor eine zylindrische Einsenkung eingebracht wurde,

• in Achsrichtung mit mehreren Durchgangsöffnungen versehen ist, die in einen gemeinsamen, in Achsrichtung eingesenkten und von einem umlaufenden Dichtwulst umgebenen Durchströmungsraum münden, wodurch je nach Wahl eine Verbindung oder eine Umlenkung von Temperierkanälen innerhalb des Werkzeugs geschaffen werden kann.

In seinem Hauptanspruch sieht das Klagepatent demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Dichtelement zur Umlenkung von Temperierfluiden in Spritzguss- und Druckgusswerkzeugen.

2. Das Dichtelement (1) ist als einstückiges ovalzylindrisches Bauteil ausgebildet.

3. Das ovalzylindrische Bauteil (1) ist mit mehreren Durchgangsbohrungen (4) versehen.

4. Die Durchgangsöffnungen (4)

a. liegen in Achsrichtung,
b. werden auf der Unterseite jeweils einzeln von einem Dichtwulst (8) umschlossen,
c. münden auf der Oberseite in einen gemeinsamen Durchströmungsraum (5).

5. Der Durchströmungsraum (5) ist

a. in Achsrichtung eingesenkt,
b. von einem umlaufenden Dichtwulst (2) umgeben.

2.
Diese Merkmale verwirklicht die angegriffene Ausführungsform nicht in vollem Umfang. Es fehlt jedenfalls an einem Durchströmungsraum im Sinne von Merkmal 5.

a)
Erfindungsgemäß ist der Durchströmungsraum durch zwei konstruktive Vorgaben definiert: Er ist – erstens – in Achsrichtung in das Dichtelement eingesenkt (Merkmal 5a) und er wird – zweitens – von einem umlaufenden Dichtwulst umgeben (Merkmal 5b).

Soweit die Kläger der erstgenannten Feststellung entgegen halten, der Anspruchswortlaut lasse offen, wo sich die (den Durchströmungsraum bereitstellende) Einsenkung befinde, weswegen er auch eine Lösung erfasse, bei der die Einsenkung (und damit der Durchströmungsraum) in der Formplatte ausgebildet sei, ist dem zu widersprechen. Patentanspruch 1 schützt und beschreibt ein „Dichtelement“ und erwähnt mit keinem Wort die Einfräsung in der Formplatte, in welche das Dichtelement eingesetzt wird. Wenn der Anspruchswortlaut bei der geschilderten Ausgangslage einen gemeinsamen Durchströmungsraum fordert, der in Achsrichtung „eingesenkt“ sein soll, stellt sich augenblicklich die Frage, worin die Einsenkung vorgesehen sein soll. Bei der gegebenen Anspruchsfassung kann vernünftigerweise nur eine Einsenkung in das Dichtelement gemeint sein. Denn nur das Dichtelement wird im Patentanspruch erwähnt und deshalb kann auch allein das Dichtelement das vorgesehene Bezugsobjekt für die vorzunehmende Einsenkung sein.

Dass dem so ist, findet seine Bestätigung in der Vorgabe des Merkmals (5 b), welches besagt, dass der Durchströmungsraum von einem umlaufenden Dichtwulst (der erfindungsgemäß Bestandteil des Dichtelements ist) „umgeben“ ist. Ein „Umgeben“ des Durchströmungsraumes von dem Dichtwulst erfordert mehr als nur ein Abdichten oder Abdecken des Durchströmungsraumes durch den Dichtwulst. Der Fachmann versteht das Erfordernis des „Umgebens“ bereits vom Wortlaut her in einem räumlichen Sinne, nämlich dahingehend, dass der Dichtwulst die seitliche Begrenzung des – dreidimensionalen – Durchströmungsraumes bilden soll. In diesem Verständnis wird er durch die Patentbeschreibung bestärkt, die dem Dichtwulst die Funktion beimisst, in Kontakt mit dem Boden der Einsenkung zu treten. Denn das Klagepatent will sich vom Stand der Technik unter anderem dadurch abgrenzen, dass auf in die Formplatte einzufräsende Ringnuten verzichtet wird, die Einsenkung mithin einen gleichbleibenden Durchmesser hat und so der Aufwand zu ihrer Herstellung verringert wird (Absatz [0023] der Klagepatentbeschreibung). Bei einer solchen Ausbildung der Einsenkung bedarf es des Kontaktes eines ausreichend dimensionierten Dichtwulstes mit dem Boden der Einsenkung, um die Durchgangsöffnungen ausreichend vom Boden der Einsenkung zu beabstanden und so einen „Raum“ auszubilden, der groß genug ist, um ein ungehindertes Strömen der Temperierflüssigkeit zu gewährleisten. Entgegen der – schriftsätzlich geäußerten – Ansicht der Kläger ist es für den Fachmann daher keineswegs zweitrangig, sondern von erheblicher Bedeutung, mit welchen geometrischen Abmessungen der umlaufende Dichtwulst ausgebildet wird.

Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten haben, der in der Klagepatentschrift mit der Bezugsziffer (2) versehene Dichtwulst bezeichne nicht die Seitenwand des Dichtkörpers, sondern den auf dieser oben verlaufenden Wulst; die Seitenwand sei mit der Bezugsziffer (7) versehen und als ovalzylindrischer Körper bezeichnet, steht dies bereits in Widerspruch zu ihrer schriftsätzlichen Darlegung, der Dichtwulst könne, müsse aber nicht als lange, bis zum Einsenkungsbereich reichende Schürze ausgebildet sein (S. 25 der Berufungsbegründung, Bl. 242 GA). Vor allem aber versteht das Klagepatent unter dem mit der Bezugsziffer (7) versehenen ovalzylindrischen Dichtelementkörper keineswegs nur die Seitenwand des Dichtelements. Dies folgt mit hinreichender Klarheit aus dem erläuternden Beschreibungstext:

In Sp. 3 Z. 58 bis Sp. 4 Z. 2 heißt es:

„Das Dichtelement gemäß Fig. besteht aus einem ovalzylindrischen Körper 7, der mit 2 Durchgangsöffnungen 4 versehen ist.“

Sp. 4 Z. 7 bis 8 ergänzt:

„Die Bodenplatte 6 des Dichtelementkörpers 7 wird mit einer zylindrischen Abstützung 3 zusätzlich stabilisiert.“

Gehören zum Dichtelementkörper (7) aber die Bodenplatte (6) und die Öffnungen (4), folgt daraus zwingend, dass mit dem Dichtelementkörper (7) das erfindungsgemäße Dichtelement als Ganzes bezeichnet ist.

b)
Aus dem Gesagten folgt, dass als erfindungsgemäßer Durchströmungsraum der angegriffenen Ausführungsform nur der Bereich in Betracht kommt, in dem sich der umlaufende O-Ring über die brillenartige Platte erhebt. Dieser ist, wie die zur Gerichtsakte gereichten Exemplare der angegriffenen Ausführungsform belegen, bereits ohne eine durch den Einbau ggf. noch erfolgende Komprimierung im Verhältnis zum Durchmesser der Durchgangsöffnungen äußerst gering. Dass das durch die eine Durchgangsöffnung in den Raum strömende Temperierfluid diesen Raum ungehindert durchströmen kann, um ihn durch die andere Durchgangsöffnung wieder zu verlassen, ist weder ersichtlich noch von den Klägern substantiiert dargelegt. Sie sind jedoch für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Patentverletzung darlegungsbelastet und hätten daher konkret vortragen und erläutern müssen, dass und auf welche Weise der entsprechende Raum der angegriffenen Ausführungsform ausreichend dimensioniert ist, um ein zum Prioritätszeitpunkt gebräuchliches Temperierfluid ausreichend strömen zu lassen. Das haben sie nicht getan. Auch das von ihnen vorgelegte Privatgutachten verhält sich zu dieser Frage nicht ansatzweise. Dass eine Demonstration mit Rauch keine Aussagekraft zum Strömungsverhalten von Fluiden hat, versteht sich von selbst. Zudem sind die von den Beklagten in der Berufungserwiderung konkret aufgezeigten Unterschiede zwischen Gasen und Flüssigkeiten unbestritten geblieben. Vor diesem Hintergrund hätte die Einholung des von den Klägern beantragten Sachverständigengutachtens eine im Zivilprozess unzulässige Ausforschung bedeutet.

3.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents auch nicht mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. Neben der notwendigen Gleichwirkung des Ersatzmittels und seines Naheliegens wäre hierfür das Vorliegen einer Gleichwertigkeit erforderlich. Zumindest an letzterem fehlt es. Gleichwertigkeit bedeutet, dass diejenigen Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass er die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der streitgegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Der Klagepatentanspruch gibt dem Fachmann aber keinen Anhalt dafür, einen zur Ausbildung eines Durchströmungsraumes ausreichend dimensionierten Ringwulst unter Einbringung einer zusätzlichen Ringnut in die Formplatte durch einen O-Ring zu ersetzen. Von dieser im Stand der Technik bekannten Maßnahme will das Klagepatent nach dem oben Gesagten gerade weg- und nicht hinführen (vgl. Absatz [0023] der Klagepatentbeschreibung).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.