2 U 147/09 – Lysin II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1663

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. April 2011, Az. 2 U 147/09

Vorinstanz: 4b O 189/09

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. November 2009 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im letzten Absatz zu I. 2. des landgerichtlichen Urteilstenors die Formulierung „die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine)“ durch die Formulierung „die entsprechenden Rechnungen“ und in Abschnitt I.4. des landgerichtlichen Urteilsausspruches das Datum „22. März 2006“ durch das Datum „30. April 2006“ ersetzt wird.

II.
Die Anschlussberufung der Klägerin zu 2. gegen das am 3. November 2009 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Beklagte 95% und die Klägerin zu 2. 5% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. werden der Beklagten auferlegt. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. haben die Beklagte 90% und die Klägerin zu 2. 10% zu tragen.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,– Euro abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Klägerin zu 2. wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen deren Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangsweise beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 243.750,– Euro festgesetzt, wovon auf die Berufung der Beklagten 231.250,– Euro und auf die Anschlussberufung der Klägerin zu 2. 12.500,– Euro entfallen.

VI.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die in Japan geschäftsansässige Klägerin zu 1. ist eingetragene Inhaberin, die in Frankreich geschäftsansässige Klägerin zu 2. nach ihrem Vorbringen ausschließliche Lizenznehmerin an den Gegenstand des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 0 796 XXX(Klagepatent, Anlage KC 12; deutsche Übersetzung Anlage KC 13) betreffend ein neues Lysin-Decarboxylasegen und Verfahren zur Herstellung von L-Lysin. Aus diesem Schutzrecht nehmen beide Klägerinnen die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf der angegriffenen Erzeugnisse und Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist am 5. Dezember 1995 unter Inanspruchnahme der japanischen Unionspriorität 30 638 994 vom 9. Dezember 1994 eingereicht; der Hinweis auf die Patenterteilung und die Klagepatentschrift sind am 22. Februar 2006 im Patentblatt veröffentlicht worden.

Die in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1, 5, 8 und 9 lauten wie folgt:

1.
A gene which codes for lysine decarboxylase having an amino acid sequence definded in the following (A) or (B):

(A) an amino acid sequence shown in SEQ ID NO:4,
(B) an amino acid sequence having substitution, deletion or insertion of 3 amino acid residues or less in the amino acid sequence shown in SEQ ID NO:4 and having lysine decarboxylase aktivity.

5.
A microorgansim belonging to the genus Escherichia, wherein the gene according to claim 1 or 2, a promoter sequence of the gene or a region between an SD sequence and an initiation codon of the gene is modified by substitution, deletion, insertion, addition or inversion of one or a plurality of nucleotides in the nucleotide sequence or the region between an SD sequence and an initiation codon, whereby the activity of a lysine decarboxylase encoded by the gene is decreased or disappeared in cells.

8.
The microorganism according to any one of claims 5, 6 and 7, which belongs to the genus Escherichia and has L-lysine productivity.

9.
A method of producing L-lysine comprising the step of cultivating a microoganism according to claim 8 in a liquid medium.

Die in der Klagepatentschrift mitgeteilte deutsche Übersetzung lautet in Übereinstimmung mit der vom deutschen Patent- und Markenamt zu dem Aktenzeichen 695 34 801.9 veröffentlichten Übersetzung (Anlage KC 13) wie folgt:

1.
Gen, das für Lysindecarboxylase mit der in (A) oder (B) definierten Aminosäuresequenz kodiert:

(A) Aminosäuresequenz der SEQ ID No:4 des Sequenzprotokolls
(B) Aminosäuresequenz mit Substitution, Deletion oder Insertion von 3
Aminosäureresten oder weniger in Aminosäuresequenz der SED ID No:4
des Sequenzprotokolls mit Lysindecarboxylaseaktivität.

5.
Mikroorganismus der Gattung Escherichia, worin das Gen nach Anspruch 1 oder 2, eine Promotorsequenz des Gens oder ein Region zwischen einer SD-Sequenz und enem Initiationskodon des Gens durch Substitution, Deletion, Insertion, Addition oder Inversion eines oder mehrerer Nukleotide in der Nukleotidsequenz des Gens, der Promotorsequenz oder der Region zwischen einer SD-Sequenz und einem Initiationskodon modifiziert ist, wobei die Aktivität einer durch das Gen kodierten Lysindecarboxylase in Zellen verringert oder beseitigt worden ist.

8.
Mikroorganismus nach einem der Ansprüche 5, 6 und 7, welcher zur Gattung Escherichia gehört und L-Lysinproduktivität hat.

9.
Verfahren zum Herstellen von L-Lysin, welches die Stufe umfasst, bei der ein Mikroorganismus nach Anspruch 8 in einem flüssigen Medium kultiviert wird.

Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hat das Klagepatent mit Entscheidung vom 30. Januar 2009 (Anlage B 3) eingeschränkt und in Anspruch 1 in der Alternative (B) am Schluss stehenden Worte „mit Lysin Decarboxylaseaktivität“ durch die Worte „ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lysin Decarboxylaseaktivität“ ersetzt. Über die gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerden der Einsprechenden und der Klägerin zu 1. hat die Technische Beschwerdekammer noch nicht entschieden.

Am 14. September 1994 schlossen die Klägerinnen ein in englischer Sprache verfasstes „Licence Agreement“ (Anlage K 34a; deutsche Übersetzung Anlage BB 3; nachfolgend: Lizenzvertrag), mit welchem die Klägerin zu 1. der Klägerin zu 2. eine ausschließliche Herstellungs- und Vertriebslizenz erteilte. Hierzu heißt es in Artikel 2 des Lizenzvertrages in der deutschen Übersetzung:

(A) AIJCO erteilt EUROLYSINE hiermit für die Laufzeit dieses Vertrages ein nicht übertragbares und ausschließliches Recht und eine nicht übertragbare und ausschließliche Lizenz – oder das Recht zur Erteilung von unter Lizenzen – zur Herstellung, zur Nutzung und zum Vertrieb des PRODUKTS in dem VERTRAGSGEBIET gemäß den PATENTEN … und/oder dem Büro-hau nach Maßgabe der in Art. 2 (B) und (C) festgelegten Bestimmungen.

(B) …

(C) Falls EUROLYSINE nicht in der Lage ist, die Nachfrage nach dem PRODUKT in dem VERTRAGSGEBIET zu decken, ist AIJCO nach ihrer Wahl berechtigt, das PRODUKT über ihn das VERTRAGSGEBIET aufzuhören.

Das „VERTRAGSGEBIET“ umfasst gemäß Art. 1 (A) des Lizenzvertrages die in Anlage 2 des Vertrages aufgeführten Länder, zu denen u. a. die Bundesrepublik Deutschland gehört. Das „PRODUKT“ ist in der Vorbemerkung des Lizenzvertrages als „L-Lysin Monohydrchlorid Feed Grade, ELL-28 und ELL-60“ bezeichnet und in Anlage 1 zum Vertrag definiert. Der Begriff „PATENTE“ ist in Art. 1 (B) des Lizenzvertrages in der deutschen Übersetzung wie folgt definiert:

Der Begriff „PATENTE“ bedeutet diejenigen Patente und Patentanmeldungen, die AIJCO derzeit in dem VERTRAGSGEBIET in Bezug auf das PRODUKT besitzt oder kontrolliert oder zu einem späteren Zeitpunkt besitzen oder kontrollieren kann und die in der beigefügten und zum Bestandteil dieses Vertrages gemachten Anlage 3 aufgeführt sind oder auf Verlangen EUROLYSINES aufgeführt werden können, und umfasst ebenfalls alle Patente, die AIJCO auf solche Patentanmeldungen hin erteilt werden.

Der Lizenzvertrag, der nach seinem Art. 18 französischem Recht unterliegt, sieht in Art. 6 eine von der Klägerin zu 2. zu zahlende Umsatzlizenz vor. Außerdem enthält er Regelungen für den Fall einer Verletzung der lizenzierten Patente. Hierzu heißt es in Art. 11 des Lizenzvertrages in der deutschen Übersetzung auszugsweise:

Vereinbaren AIJCO und EUROLYSINE die Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung der PATENTE, so wird die Klage durch AIJCO eingereicht und EUROLYSINE leistet die für die wirksame Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit einer solchen Klage erforderliche Unterstützung; alle Kosten sowie die zuerkannte Entschädigungssumme werden zu gleichen Teilen zwischen den Vertragsparteien geteilt.
Wünscht EUROLYSINE allein eine Klageerhebung gegen den Verletzer, so stellt AIJCO alle erforderlichen Unterlagen und Vollmachten zur Verfügung. Alle im Zusammenhang mit einer solchen Klage entstehenden Kosten werden ausschließlich von EUROLYSINE getragen und die zuerkannte Entschädigungssumme steht in voller Höhe EUROLYSINE zu.

Mit einem ebenfalls in englischer Sprache verfassten „Memorandum“ vom 25. Juni 2008 (Anlage K 34b; deutsche Übersetzung Anlage BB 4) änderten die Klägerinnen den Lizenzvertrag 14. September 1994 mit Wirkung zum 5. Dezember 2006 ab; u. a. wurde der ursprüngliche Appendix 3 zum Lizenzvertrag durch einen neuen Appendix 3 (Anhang 1 zum Memorandum) ersetzt, in welchem erstmals das Klagepatent aufgeführt ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Lizenzvertrages vom 14. September 1994 und des Memorandums vom 25. Juni 2008 wird auf die von den Klägerinnen zur Akte gereichten Vertragsablichtungen nebst den überreichten deutschen Übersetzungen Bezug genommen.

Unter dem Datum des 25. August 2010 schlossen die Klägerinnen eine weitere, in englischer Sprache verfasste und mit „Licence Agreement“ überschriebene Vereinbarung (Anlage BB 1; deutsche Übersetzung Anlage BB 1a), welche sie in der Berufungsinstanz zu den Akten gereicht haben. In dieser heißt es in der deutschen Übersetzung auszugsweise:

1. Dieser Lizenzvertrag stellt den bestehenden Lizenzvertrag, geändert durch das Memorandum, hinsichtlich des Gebiets Deutschlands klar und ergänzend. Die Bestimmungen dieses Vertrages verdrängen abweichende oder entgegen stehende Bestimmungen des bestehenden Lizenzvertrages und des Memorandums.

2. In Klarstellung von Artikel 1 (B) des bestehenden Lizenzvertrages wird die von Ajinomoto Eurolysine erteilte exklusive Lizenz an dem deutschen Teil der Europäischen Patente EP 0 733 XYX (DE 694 34 245) EP 0733 YYY (DE 69429 452) und EP 0 796 XXX(DE 695 34 801) rückwirkend gültig ab dem Datum der Patenterteilung.

3. In Klarstellung von Art. 11 des bestehenden Lizenzvertrages sollen Ajinomoto und Eurolysine auch dazu berechtigt sein sollen, Verletzungsverfahren parallel oder gemeinsam anzustrengen. Sie sind beide berechtigt, alle gesetzlichen Ansprüche wegen Patentverletzung geltend zu machen, insbesondere die Ansprüche auf Unterlassung und für Schadensersatz.

5. Dieser Lizenzvertrag unterliegt deutschem materiellem Recht und ist gemäß diesen Rechts auszulegen. Die Anwendung der Vorschriften des Kollisionsrechts ist ausgeschlossen.

Die in der Bundesrepublik Deutschland geschäftsansässige Beklagte ist eine internationale Marketingorganisation im Bereich der Chemie, die schwerpunktmäßig u.a. Chemikalien, Pharmazeutika und Nahrungszusätze für Tiernahrung vertreibt. Zu ihrer Produktpalette gehört seit 2005 Lysin der Hongkong ansässigen A Technology Group Ltd. (nachfolgend: A), das von einer Tochtergesellschaft der A hergestellt wird, nämlich in der Volksrepublik China ansässigen B Dahe Biotechnologie Development Co. Ltd. (nachfolgend B), welche das Lysin auch über die mit ihr verbundene in Hongkong ansässige CTechnologie (HK) Ltd. (nachfolgend C) vertreibt.

Im Jahre 2005 äußerte A gegenüber einem Analysten (Anlage K 6) und in einer Pressemitteilung (Anlage K 5), bei der Herstellung ihres Lysins komme ein neuartiger Stamm von Mikroorganismen zum Einsatz, was mit diversen Vorteilen verbunden sei. Nachfolgend führten und führen die Parteien einschließlich der A, der B und der Cu.a. in den Niederlanden und Belgien Rechtsstreitigkeiten, die das Klagepatent zum Gegenstand haben.

In den Niederlanden leiteten die Klägerinnen Anfang 2006 ein Besichtigungsverfahren ein, welches von der Beklagten in die Niederlande geliefertes und von A, B und Chergestelltes und vertriebenes Lysin betraf. Die aus dem besichtigten Lysin genommenen Proben wurden von dem niederländischen TNO Institut (Anlage K 22, deutsche Übersetzung Anlage K 22a) untersucht. Gestützt auf diese auf den 26. Juni 2006 datierte Analyse erkannte das Gericht Den Haag mit Urteil vom 22. August 2007 (Anlage K 4) auf eine Verletzung der in den hiesigen Parallelverfahren geltend gemachten europäischen Patente 0 733 XYX und 0 733 YYY in den Niederlanden. Hinsichtlich des Klagepatents hat das niederländische Gericht das Verfahren ausgesetzt.

In Belgien ordnete das Handelsgericht Antwerpen im Frühjahr 2008 eine Besichtigung bzw. Beschlagnahme der Lager-/Büroräume der Helm Benelux N.V. sowie eines von der Beklagten genutzten Lagerhauses der D BVBA an. Der gerichtliche Sachverständige stellte in seinem Bericht vom 4. August 2008 (Anlage K 2, deutsche Übersetzung Anlage K 2b) fest, ein erheblicher Teil des in diesem Lagerhaus befindlichen Lysins stehe im Eigentum der Beklagten und sei für den Transport nach Deutschland bestimmt. Beides bestätigte die Beklagte im Rahmen eines Schriftsatzes, mit dem sie aus eben diesen Gründen die Aufhebung der Beschlagnahme begehrte (Schriftsatz vom 6. Juni 2008, Anlage K 17, deutsche Übersetzung K 17 a). Als Herstellerin eines Großteils des beschlagnahmten Lysins ermittelte der gerichtliche Sachverständige A und C.

Die Klägerinnen sehen im Vertrieb des aus der Produktion von A, B und Cstammenden Lysins durch die Beklagte in Deutschland eine Verletzung des Klagepatents.

Die Klägerinnen behaupten im vorliegenden Rechtsstreit, sie hätten in Deutschland zwei Säcke zu je 25 kg Lysin erworben, allerdings – insoweit unstreitig – nicht von der Beklagten selbst. Die Analyse des Instituts TNO aus diesen Säcken gezogener Proben (Untersuchungsbericht vom 10. September 2008, Anlage K 10, deutsche Übersetzung Anlage K 10a) belege zusammen mit dem Gutachten Prof. Dr. E (Anl. K 11) eine Verwirklichung des Klagepatentes.

Die Beklagte, die um Klageabweisung und hilfsweise um Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren betreffen den Einspruch gegen das Klagepatent gebeten hat, hat eingewandt, die Klägerinnen seien nicht aktivlegitimiert. Der Lizenzvertrag stehe einer gemeinsamen Klage beider Klägerinnen entgegen. Art. 11 (A) sehe nämlich vor, dass lediglich eine der beiden Klägerinnen Ansprüche aus dem Klagepatent geltend machen können. Zu bedenken sei ferner, dass die Lizenzgebühren nach Art. 6 des Lizenzvertrages angepasst werden könnten und die Klägerin zu 2. immer Lieferantin des Lysins bleibe, auch wenn die Klägerin zu 2. nicht in der Lage sei, die Nachfrage nach dem Produkt im Vertragsgebiet zu decken

Außerdem hätten die Klägerinnen eine von ihr – der Beklagten – begangene Verletzungshandlung nicht substantiiert vorgetragen. Die in der Abbildung Anlage K 9 gezeigten Lysin-Säcke habe sie nicht vertrieben; ihr sei auch nicht bekannt, auf welchem Wege diese Charge in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sei. Sie bestreite daher auch mit Nichtwissen, dass diese Proben aus dem deutschen Markt stammten. Soweit die Klägerinnen vortrügen, sie habe patentverletzendes Lysin aus der Produktion bzw. dem Vertrieb von A und Cin Deutschland auf den Markt gebracht, sei unklar, ob es sich dabei um Lysin handeln solle, das von diesen Vertrieben oder um solches, das von den beiden genannten Unternehmen produziert worden sei. Auch die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen in dem belgischen Verfahren belegten eine Verletzungshandlung nicht, weil die Klägerinnen nicht vortrügen, dass aus dem bei D vorgefundenen Lysin konkrete Lieferungen nach Deutschland gegangen seien und zu welchen Zeitpunkten dies geschehen sein solle. Zur Beschaffenheit dieses Lysins äußerten sich die Klägerinnen nicht. Bei der Durchsuchung in Belgien sei zudem Lysin gefunden worden, das aus dem Corynebakterium stamme und das Klageschutzrecht nicht verletzen könne. Die dortigen Untersuchungen hätten auch gezeigt, dass es mit dem gleichen Herstellungsverfahren zu unterschiedlichen Produkten kommen könne. Ob das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin nach einem anderen Herstellungsverfahren produziert worden sei als das in Belgien vertriebene, könne sie nicht sagen.

Darüber hinaus genüge der Analysebericht des Instituts TNO vom 10. September 2008 (Anlage K 10 a/b) nicht, um eine Verletzung des Klagepatentes schlüssig zu belegen. Analysiert worden sei lediglich das Endprodukt, das eine Aussage über das Herstellungsverfahren des Lysins nicht zulasse. Soweit in dem Bericht die Feststellung getroffen werde, dass in den untersuchten Proben DNA von Bakterien der Gattung E.coli aufgefunden worden sei, sei die Herkunft des Bakteriums unklar. Der Bericht schließe nicht aus, dass es sich um eine bloße Verunreinigung handele. Das Institut TNO habe es außerdem unterlassen, zu untersuchen, ob in den Proben etwa auch DNA des Corynebakteriums enthalten sei.

Lückenhaft sei auch der Vortrag der Klägerinnen zur anspruchsgemäßen Deletion. Das Institut TNO gebe nicht an, dass das betreffende Gen für Lysin Decarboxylase der in Patentanspruch 1 näher definierten Aminosäuresequenz SEQ ID NO:4 des Sequenzprotokolls codiere. Die in den Experimenten verwendeten Primer seien auch nicht allein spezifisch für E.coli. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das modifizierte Idc-Gen in einem anderen Mikroorganismus als E.coli vorhanden gewesen sei. Schließlich ergebe sich aus dem Untersuchungsbericht auch nicht, dass das Lysin aus den gezogenen Proben durch Escherichia produziert worden sei und dass dieser Mikroorganismus überhaupt eine Lysinproduktivität besessen habe. Aus dem allenfalls relevanten Analysebericht des Instituts TNO vom 26. Juni 2006 (Anlage K 22a) lasse sich aus den genannten Gründen ebenso wenig eine Verwirklichung der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre ableiten. Zu dem Herstellungsverfahren des von ihr – der Beklagten – vertriebenen Lysins besitze sie keine näheren Kenntnisse. Deshalb könne sie weder konkrete Merkmale des Herstellungsverfahrens bestreiten, noch über ein bloßes Bestreiten hinausgehende Angaben machen.

Mit Urteil vom 3. November 2009 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den zuletzt gestellten Anträgen überwiegend entsprochen. Lediglich soweit mit der Klage die Ansprüche auf Rechnungslegung, Auskunft, Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz und Rückruf auch für die Klägerin zu 2. ab dem 26. Februar 2005 geltend gemacht worden sind und die Klägerinnen darüber hinaus die Erstattung begehrt haben, das Urteil unter Bezeichnung der Parteien, des Tenors sowie der Benennung der patentverletztenden Produkte auf Kosten der Beklagten durch eine in der Zeitschrift „F“ dreimal erscheinende halbseitige Anzeige öffentlich zu machen, hat es die Klage abgewiesen, wobei es in der Sache wie folgt erkannt hat:

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

L-Lysin in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

das mittels eines Verfahrens durch einen Mikroorganismus hergestellt wurde, welches die Stufe umfasst, bei der ein Mikroorganismus, welcher zur Escherichia gehört und L-Lysinproduktivität hat,

und worin das Lysindecarboxylasegen, das definiert ist durch die Aminosäuresequenz gemäß SEQ ID NO:4 des Sequenzprotokolls oder durch eine Aminosäuresequenz mit Substitution, Deletion oder Insertion von 3 Aminosäureresten oder weniger in der Aminosäuresequenz der SEQ ID NO:4 des Sequenzprotokolls ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lysindecorboxylaseaktivität,

durch Deletion eines oder mehrerer Nukleotide in der Nukleotidsequenz des Gens modifiziert ist, wobei die Aktivität einer durch das Gen kodierten Lysindecarboxylase in Zellen verringert oder beseitigt worden ist,

in einem flüssigen Medium kultiviert wird;

2. den Klägerinnen unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22. März 2006 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei sämtliche Angaben gegenüber der Klägerin zu 2) erst ab dem 5. Dezember 2006 zu machen sind,

wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 1. September 2008 zu machen sind und

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3.
das in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindliche, gemäß dem unter Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahren hergestellte L-Lysin zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4.
das gemäß dem unter Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahren hergestellte L-Lysin gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil der Kammer vom heutigen Tage gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, gegebenenfalls bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, soweit die Erzeugnisse nach dem 22. März 2005 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden,

wobei diese Verpflichtung gegenüber der Klägerin zu 2) erst für Erzeugnisse besteht, die nach dem 5. Dezember 2006 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1) der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 22. März 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird,
2) der Klägerin zu 2) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 5. Dezember 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Zur Begründung hat das Landgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerinnen hätten die Benutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens bei der Herstellung des angegriffenen Lysins substantiiert und schlüssig vorgetragen und durch die Vorlage des Analysebericht des Instituts TNO vom 10. September 2008 (Anlage K 10a) und das Gutachten Prof. Dr. E vom 11. September 2008 (Anlage K 11) ausreichend belegt; diesem Vorbringen sei die Klägerin nicht rechtserheblich entgegengetreten. Kein erhebliches Bestreiten stelle es dar, sich darauf zu beschränken, am Sachvortrag der klagenden Partei lediglich zu bemängeln, deren Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstanziiert. Zwingend erforderlich sei zunächst die wahrheitsgemäße Angabe, ob und ggfs. welches konkrete Merkmal der technischen Lehre nicht verwirklicht sei; habe der Kläger eigene Untersuchungsberichte und/oder Privatgutachten vorgelegt, müsse die beklagte Partei in aller Regel eigene Untersuchungen und/oder Gutachten beibringen. Die Beklagte habe stattdessen auf Nachfrage der Kammer erklärt, sie verfüge über keine näheren Erkenntnisse des Herstellungsverfahrens des Lysins. Dass sie das hier in Rede stehende Lysin nicht selbst herstelle, entbinde sie nicht von den soeben erörterten Darlegungspflichten. Als Vertriebsunternehmen habe sie das streitgegenständliche Lysin in Besitz und könne es selbst untersuchen lassen. Ihre Tätigkeit als internationale Marketingorganisation überreichte Chemie mit Schwerpunkt in der nationalen und regionalen Distribution u.a. von Nahrungszusätzen für Tiernahrung vermittele ihr auch Kenntnisse über die technische Beschaffenheit des von ihr vertriebenen Erzeugnisses. Zwischen den Parteien einschließlich der Herstellerunternehmen seien bereits seit 2006 Rechtsstreitigkeiten in verschiedenen Ländern anhängig, die das Klagepatent und das angegriffene Lysin beträfen. Der Kern der Auseinandersetzung sei der Beklagten seit geraumer Zeit bekannt und auch während des vorliegenden Rechtsstreits habe sie gut ein Jahr Gelegenheit gehabt, sich mit dem vorgetragenen Herstellungsverfahren auseinanderzusetzen. die Beklagte habe sich dagegen nicht einmal bemüht, von ihren Vertragspartnern Informationen zum Herstellungsverfahren des Lysins zu erhalten.

Es müsse auch davon ausgegangen werden, dass die Beklagte Lysin der streitgegenständlichen Art in Deutschland vertrieben habe, auch wenn die Proben, anhand derer der TNO-Bericht gefertigt worden sei, nicht von ihr bezogen worden seien. Das in den konkret erworbenen Säcken befindliche Lysin stamme von C, und damit aus der Bezugsquelle, die auch die Beklagte für von ihr in Deutschland vertriebenes Lysin angegeben habe. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Herstellerunternehmen für den deutschen und außerdeutschen Markt nach verschiedenen Verfahren hergestelltes Lysin vertrieben und erzeugten, sei weder ersichtlich noch wirtschaftlich, noch betrieblich oder technisch sinnvoll. Es entspräche auch nicht der unbestrittenen Mitteilung von A aus 2005, der neuartige Stamm von Mikroorganismen soll in der zweiten Jahreshälfte in allen Produktbereichen voll zum Einsatz kommen. Angesichts dessen hätte die Beklagte aufzeigen müssen, dass sich das von ihr Deutschland vertriebene Lysin in irgendeiner Weise von dem in den erworbenen Säcken befindlichen Stoff unterscheide. Dass sie von A bezogenes Lysin in Deutschland vertreibe, bestreite die Beklagte als solches nicht, was auch mit den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in dem belgischen Beschlagnahmeverfahren unvereinbar sei, ein erheblicher Teil des im Lagerhaus von D beschlagnahmten und im Eigentum der Beklagten bestehenden Lysins sei für den Transport nach Deutschland bestimmt gewesen, was auch die Beklagte selbst in dem dortigen Verfahren so vorgetragen habe.

Beide Klägerinnen seien auch aktivlegitimiert für die Unterlassungsansprüche. Die Legitimation der Klägerin zu 1. ergebe sich aus ihrer Stellung als eingetragene Patentinhaberin, diejenige der Klägerin zu 2. aus dem mit der Klägerin zu 1. geschlossenen ausschließlichen Lizenzvertrag; die Klägerin zu 1. bleibe daneben legitimiert, weil sie sich nicht sämtlicher Rechte aus dem Klageschutzrecht begeben, sondern sich das Recht vorbehalten habe, selbst herzustellen, falls die Klägerin zu 2. den Bedarf auf dem deutschen Markt nicht bedienen kann. Die zuerkannten Ansprüche könnten beide Klägerinnen auch nebeneinander geltend machen; die Regelungen in Art. 11 (A) des Lizenzvertrages seien weder eine abschließende Regelung noch seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass mit dieser Regelung an sich bestehende Ansprüche der Schutzrechtsinhaberin und der ausschließlichen Lizenznehmerin dahin hätten beschränkt werden sollen, dass ausschließlich die eine oder die andere für beide bestehende Ansprüche solle gelten machen können. Die Aktivlegitimation beziehe sich auch auf die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz, die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines eigenen Schadens für die Klägerin zu 1. bestehe darin, dass die Klägerin zu 2. eine umsatzbezogene Lizenz schulde, so dass auch das Vermögen der Klägerin zu 1. durch den Vertrieb des angegriffenen Stoffes beeinträchtigen sein könne. Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. ergebe sich aus ihrer Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin, sie bestehe allerdings erst ab dem Zeitpunkt, von dem an das Klagepatent an sie lizenziert worden sei, das sei unstreitig der 5. Dezember 2006 gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

In ihrer Berufung wiederholen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung eine vollständige Abweisung der Klage, während die Klägerin zu 2. mit ihrer Anschlussberufung eine Zuerkennung der vom Landgericht abgewiesenen Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz für die Zeit vom 22. März bis zum 5. Dezember 2006 erstrebt. Die Beklagte meint, das Landgericht habe die Anforderungen an ihren Sachvortrag überspannt, weil es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, die Klägerin habe den Verletzungstatbestand schlüssig dargelegt. Das habe die Klägerin jedoch nicht getan, ebenso wenig wie sie substantiiert vorgetragen habe, dass sie, die Beklagte, wie sie Lysin in der angegriffenen Art in Deutschland in den Verkehr gebracht habe. Die Ergebnisse des TNO-Instituts trügen den Verletzungsvorwurf nicht. Soweit ersichtlich habe TNO den Bakterienstamm der Klägerin nicht selbst untersucht, sondern insoweit auf deren Vorgaben zurückgegriffen. Das Institut habe auftragsgemäß lediglich die ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellten Proben daraufhin untersucht, ob sich darin bestimmte Gegebenheiten wiederfinden, die namentlich die Größe des Amplikons als Ergebnis der durchgeführten DNA-Amplifikationsreaktion beträfen. Nach dem in der Kombination der Ansprüche 9, 8, 5 und 1 beschriebenen Verfahren sei es jedoch erforderlich, dass zum einen ein Mikroorganismus der Gattung Escherichia mit Lysinproduktivität verwendet worden ist und zum anderen dieser Mikroorganismus ein Gen aufweist, das für Lysin-Decarboxylase mit besonders definierter Aminosäuresequenz kodiert und seinerseits eine spezifische Modifikation aufweist, wobei die Aktivität der Lysin-Decarboxylase verringert oder beseitigt worden ist. Diese Elemente seien den Testergebnissen nicht zu entnehmen. Gänzlich unberücksichtigt gelassen hätten die Klägerinnen, dass das von ihnen getestete Lysin nicht-funktionale DNA-Sequenzen enthalte. Der EuGH habe in seiner Entscheidung „Monsanto/Cefetra“ einen Patentschutz für eine DNA-Sequenz ohne eine funktionale Angabe abgelehnt.

Das Landgericht habe weiterhin verkannt, dass nicht beide Klägerinnen nebeneinander zur Geltendmachung sämtlicher Ansprüche im eigenen Namen aktivlegitimiert sein könnten. Der Lizenzvertrag unterliege französischem Recht; Feststellungen zum französischen Recht habe das Landgericht nicht getroffen. Der Wortlaut des Art. 11 (A) sei zudem eindeutig. Ersichtlich sei es den Lizenzvertragsparteien darauf angekommen, entweder eine Klage entweder nur durch die Klägerin zu 1. oder aber nur durch die Klägerin zu 2. zu führen. Da offenbar beide Parteien einig seien, dass Klage erhoben werden solle, sei allein die Klägerin zu 1. hierzu berechtigt gewesen. Eine Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. sei demgegenüber nicht ersichtlich.

Darüber hinaus werde sich das Klagepatent im Einspruchsbeschwerdeverfahren im jetzt geltend gemachten Umfang als nicht rechtsbeständig erweisen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur Erledigung des gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens auszusetzen.

Die Klägerinnen beantragen,

1. zu erkennen wie geschehen

und die Klägerin zu 2 im Wege der Anschlussberufung zusätzlich,

2.die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, auch

A.
der Klägerin zu 2) unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses auch darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie im Zeitraum vom 22. März 2006 bis 5. Dezember 2006 die in Ziffer I.1 des Urteils des Landgerichts bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Rechnungen in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

2.
die gemäß dem unter Ziffer I. 1. des Urteils des Landgerichts beschriebenen Verfahren hergestellte L-Lysin gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 3. November 2009 (4b O 189/09) und gerichtlich festgestellten und durch das heutige Urteil des Senats bestätigten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, gegebenenfalls bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, auch soweit die Erzeugnisse im Zeitraum vom 30. April 2006 bis 5. Dezember 2006 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden,

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2. auch allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Urteils bezeichneten und im Zeitraum vom 22. März 2006 bis 5. Dezember 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht zu ihren Gunsten erkannt hat, und treten den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

Zur Begründung der Anschlussberufung macht die Klägerin zu 2. geltend, das Landgericht habe den Lizenzvertrag aus dem Jahre 1994 unzutreffend ausgelegt. Darin sei vereinbart worden, dass die lizenzierten Patente sich auf diejenigen Schutzrechte und Anmeldungen bezögen, die die Klägerin zu 1. derzeit im Vertragsgebiet in Bezug auf das lizenzierte Erzeugnis besitze oder kontrolliere oder zu einem späteren Zeitpunkt besitzen oder kontrollieren könne und sämtliche Schutzrechte, die der Klägerin zu 1. auf solche Anmeldungen hin künftig erteilt werden. In die letztgenannte Kategorie falle auch das Klagepatent. Darüber hinaus sei in dem ergänzenden Lizenzvertrag vom 25. August 2010 (Anlage BB 1) noch einmal klargestellt worden, dass die ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent seit dem Tag dessen Erteilung gelte.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zu 2. zurückzuweisen.

Sie macht geltend, das Klagepatent sei erst durch das Memorandum vom 25. Mai 2008 Bestandteil des Lizenzvertrages geworden. Gemäß Art. 1 des Lizenzvertrages sei für die Lizenzierung eines weiteren Patents oder einer weiteren Patentanmeldung die Aufnahme in die Anlage 3 zum Vertrag erforderlich. Eben dies sei durch das Memorandum geschehen. Daran ändere auch der nunmehr vorgelegte Lizenzvertrag vom 25. August 2010 nichts. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Verträgen sei unklar. Unklar sei ferner, inwieweit nunmehr beide Klägerinnen berechtigt sein sollten, dieselben Ansprüche geltend zu machen, oder ob sich die Berechtigung nur auf eigene Ansprüche beschränke. Unabhängig davon, alle sich bei dem ergänzenden Lizenzvertrag um neues, in der Berufungsinstanz nicht mehr zu berücksichtigendes Vorbringen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerinnen haben ein Gutachten von Professor Dr. Reinhard E, Institut für Biochemie der Universität zu Köln vom 11. September 2008 (Anlage K 11) und den Bericht des TNO-Instituts über die Analyse der Proben C 101 und C 102 vom 10. September 2008 vorgelegt, das von Dr. Gert van G verfasst worden ist.

II.

Berufung und Anschlussberufung sind jeweils zulässig, aber in der Sache unbegründet. Zutreffend hat das Landgericht die Beklagte im mit der Berufung angegriffenen Umfang verurteilt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland Lysin in den Verkehr gebracht hat, das nach dem im Klagepatent unter Schutz gestellten Verfahren hergestellt worden ist, und durch dieses Verhalten das Klagepatent schuldhaft verletzt hat. Ebenso zu Recht hält es die Klägerin zu 2. über den zuerkannten Umfang hinaus für nicht aktivlegitimiert.

1.
Das Klagepatent betrifft ein neues Lysin-Decarboxylasegen und ein Verfahren zur Herstellung von Lysin. Lysin ist eine essentielle Aminosäure und damit ein Proteinbaustein, den tierische Organismen für ihr Wachstum und die Wiederherstellung von Gewebe benötigen. Lysin ist darüber hinaus eine limitierende Aminosäure, deren Mengenanteil in der Nahrung die Fähigkeit des Tieres begrenzt, Proteine zu synthetisieren. Da Lysin nicht im tierischen Körper selbst erzeugt werden kann, sondern in Pflanzen und Mikroorganismen aus Asparaginsäure biosynthetisiert wird, wird es regelmäßig über das Tierfutter zugeführt.

Industriell wird Lysin mit Hilfe von Fermentationsverfahren hergestellt. Hierbei werden Rohstoffe wie Glucose in einen Fermentationsbehälter gefüllt, in dem dann durch Einsatz spezifischer Mikroorganismen durch deren Metabolismus (Stoffwechsel) in mehreren chemischen Umwandlungsschritten Lysin erzeugt wird. Als Mikroorganismen können insbesondere Bakterien der Gattung Escherichia coli verwendet werden. Das zur Lysinproduktion verwendete Bakterium E.coli baut jedoch während des Produktionsprozesses Teile des produzierten Lysins wieder ab bzw. braucht sie auf. Dieser bei der industriellen Herstellung unerwünschte Abbau wird durch ein Enzym, eine Decarboxylase, katalysiert, das Carboxyl-Gruppe aus dem Lysin-Molekül entfernt, wodurch das Abbauprodukt Cadaverin entsteht. Dieses Enzym wird entsprechend seiner Funktion als Lysindecarboxylase bezeichnet.

Dies war nach den einleitenden Ausführungen der Klagepatentschrift im Stand der Technik ebenso bekannt wie der Umstand, dass die Codierung der Lysin Decarboxylase durch das cadA-Gen erfolgt, wobei auch über die Nucleotidsequenz des CadA-Gens berichtet wurde. Bekannt waren ferner eine E.coli-Mutante mit Lysin-Überproduktion, die eine cadA-Mutation trägt, welche die Aktivität der Lysindecarboxylase beeinflusst und den Lysinabbau vermindert, und Beschreibungen zweier Arten von Lysindecarboxylaseaktivität in E.coli (Klagepatentschrift, deutsche Übersetzung [sofern nicht besonders angegeben, beziehen sich die Zitate stets auf die deutsche Übersetzung] Absätze [0002] bis [0004]).

Wie die Klagepatentschrift weiter ausführt (Abs. [0008]) hat sich herausgestellt, dass in E.coli-Bakterien neben dem bereits bekannten cadA-Gen ein weiteres Lysindecarboxylasegen vorhanden ist, das ebenso Cadaverin als Abbauprodukt von Lysin produziert, auch wenn das cadA-Gen zerstört worden ist. Dieses neue Lysindecarboxylasegen trägt die Bezeichnung „Idc-Gen“ und codiert für die in SEQ EG NO: 4 des Klagepatents spezifizierte Aminosäuresequenz oder für eine limitierte Abänderung dieser Sequenz (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0017] bis [0020]).

Die Aufgabe (das technische Problem) der im Klagepatent unter Schutz gestellten Erfindung liegt darin, ein neues Lysin Decarboxylasegen von E.coli zu erhalten und einen Lysin produzierenden Mikroorganismus der Gattung Escherichia zu erzeugen, der eingeschränkte Expression des Gens und/oder des cadA-Gens aufweist und ein Verfahren zur Herstellung von Lysin durch Codieren des Mikroorganismus der Gattung Escherichia bereitzustellen (Klagepatentschrift Abs. [0006]).

Diese Aufgabe soll nach dem Vorschlag des Klagepatentes in der geltend gemachten aufrecht erhaltenen Anspruchskombination durch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen gelöst werden:

1.
Lysin wird hergestellt, wobei ein Mikroorganismus in einem flüssigen Medium kultiviert wird.

2.
Der Mikroorganismus gehört zur Gattung Escherichia und hat Lysinproduktivität.

3.
Der Mikroorganismus hat ein Gen,

a) das für Lysin Decarboxylase mit der in (A) oder (B) definierten Aminosäuresequenz codiert: (A) Aminosäuresequenz der SEQ ID NO: 4 des Sequenzprotokolls

b) Aminosäuresequenz mit Substitution, Deletion oder Insertion von drei Aminosäureresten oder weniger in Aminosequenz der SEQ ID NO: 4 des Sequenzprotokolls ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lysindecarboxylaseaktivität,

c) das Gen, eine Promotorsequenz des Gens oder eine Region zwischen einer SD-Sequenz und einem Initiationskodon des Gens ist durch Substitution, Deletion, Insertion, Addition oder Inversion eines oder mehrere Nucleotide in der Nucleotidsequenz des Gens, der Promotorsequenz oder Region zwischen einer SD-Sequenz und einem Initiationskodon modifiziert;

d) Die Aktivität einer durch das Gen codierten Lysin Decarboxylase in Zellen verringert oder beseitigt worden.

Durch diese Modifikation wird das Idc-Gen inaktiviert (Klagepatentschrift Abs. [0021] ff.).

2.
Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland Lysin in den Verkehr gebracht hat, das nach dem schutzbeanspruchten Verfahren hergestellt worden ist. Es hat sich insoweit darauf gestützt, dass die Beklagte unstreitig seit dem Jahre 2005 von A hergestelltes Lysin in ihrem Produktionssortiment führt und auch in der Bundesrepublik Deutschland vertreibt. In Übereinstimmung hiermit hat der gerichtliche Sachverständige des belgischen Beschlagnahmeverfahrens festgestellt, dass ein erheblicher Teil des im Lagerhaus D beschlagnahmten und im Eigentum der Beklagten stehenden Lysins für den Transport nach Deutschland bestimmt gewesen ist (vgl. Anlage K 2b, Seite 24 f. und S. 31). Das hatte die Beklagte auch im belgischen Verfahren so vorgetragen und mit dem Hinweis auf die Bestimmung zur Lieferung nach Deutschland die Aufhebung der dortigen Beschlagnahme verlangt (Schriftsatz vom 6. Juni 2008, Anlage K 17a, Seiten 8 u. 38). Das Landgericht ist weiter mit Recht davon ausgegangen, dass sich das von der Beklagten vertriebene Lysin nicht von demjenigen unterscheidet, das die Klägerinnen in Deutschland erworben und vom TNO-Institut haben untersuchen lassen. Zwar haben die Klägerinnen kein von der Beklagten in Deutschland in den Verkehr gebrachtes Lysin untersucht. Die beiden Säcke Lysin gemäß Anlage K 9, deren Proben Gegenstand der Untersuchungen des Instituts TNO vom 10. September 2008 (Anlage K 10; deutsche Übersetzung Anlage K 10a) waren, sind unstreitig nicht bei der Beklagten erworben worden und es ist auch weder dargetan noch ersichtlich, dass der Veräußerer dieses Lysin zuvor von der Beklagten geliefert bekommen hatte. Bei dem untersuchten Lysin handelt es sich aber um auf dem deutschen Markt erworbenes Lysin, das aus derselben Bezugsquelle stammt wie das von der Beklagten vertriebene Lysin, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass A oder ein anderes demselben Herstellerverbund angehörigen Unternehmen wie B und Cfür den deutschen Markt speziell nach einem anderen Verfahren hergestelltes Lysin produzieren. Die Klägerinnen haben insoweit dargetan und durch Vorlage des Frachtbriefes (Anlage K 18) und der Rechnung (K 18) der Lieferantin auch belegt, dass die in Rede stehenden Lysin-Säcke (Anlage K 9) auf dem deutschen Markt bei der Deutsche H Tierernährung GmbH erworben worden sind. Als Hersteller des Lysins ist auf den betreffenden Säcken unstreitig B angegeben; ferner findet sich auf den Säcken ein Hinweis auf die Internetseite von A. Das in Deutschland erworbene Lysin stammt damit, was die Beklagte auch nicht in Abrede stellt, von derselben Bezugsquelle, von der auch die Beklagte das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin bezieht. Aus den in Deutschland erworbenen Lysin-Säcken sind die Proben C 101 und C 102 entnommen und durch das niederländische Institut TNO analysiert worden. Hierüber verhält sich der als Anlage K 10 (deutsche Übersetzung Anlage K 10a) überreichte Untersuchungsbericht des Instituts TNO vom 10. September 2008. Anhaltspunkte dafür vor, dass A oder ein anderes demselben Herstellerverbund angehörigen Unternehmen wie B oder Cfür den deutschen Markt nach einem anderen Verfahren hergestelltes Lysin produzieren, sind weder dargetan noch ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr die Mitteilung von A aus dem Jahre 2005 (Anlage K 5), in der es heißt, der neuartige Stamm von Mikroorganismen werde in der zweiten Hälfte des Jahres in allen Produktionsbereichen voll zum Einsatz kommen.

Dem hat die Beklagte nichts Rechtserhebliches entgegengesetzt. Da sie keine Einwände gegen die vorgelegten Urkunden erhoben hat und an deren Richtigkeit auch ansonsten keine Zweifel bestehen, ist von einem Erwerb des Lysins auf dem deutschen Markt auszugehen. Die diesbezügliche Feststellung des Landgerichts greift die Beklagte mit der Berufung auch nicht an. Ebenso wenig hat die Beklagte aufgezeigt, das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin unterscheide sich in irgendeiner Weise von dem in den erworbenen Säcken befindlichen Stoff. Dies wäre ihr durchaus möglich gewesen, weil sie auch als Vertriebsunternehmen den besagten Stoff in ihrem Besitz hat und ihn entweder bei einem kompetenten Sachverständigen ihrer Wahl hätte untersuchen lassen oder sich bei dem Lieferanten über die Beschaffenheit des von dort bezogenen Lysins bzw. die Einzelheiten des verwendeten Herstellungsverfahrens hätte informieren können. Zumindest hätte sich die Beklagte bei ihrem Lieferanten erkundigen können, ob dieser unterschiedlich hergestelltes Lysin vertreibt, insbesondere ob er den deutschen Markt mit unterschiedlich hergestelltem Lysin beliefert. Dass sie dies getan und hieraufhin eine entsprechende Bestätigung von A, B oder Cerhalten habe, behauptet die Beklagte nicht. Sie trägt auch nicht vor, dass sie von diesen Unternehmen keine Informationen habe erlangen können. Dass zur Herstellung des von der Beklagten in Deutschland vertriebenen Lysins ein anderer Bakterienstamm, etwa das Corynebakterium, verwendet worden ist, hat das Landgericht zu Recht den Ergebnissen des gerichtlichen Sachverständigen in Belgien (Anlage K 2b) und der Analyse des Instituts BaseClear (Anlage K 16a) nicht entnommen, die lediglich zu der Erkenntnis gelangt waren, dass für eine von acht Proben unklar sei, ob ein mutierter E.coli-Bakterienstamm entsprechend dem europäischen Patent 0 733 XYX eingesetzt worden sei. Auf ihr diesbezügliches Vorbringen kommt die Beklagte in der Berufungsinstanz auch nicht mehr zurück. Diesem steht auch entgegen, dass sich A, B und Cin dem in den Niederlanden anhängigen Verfahren dahin eingelassen haben, dass sie für die Herstellung von Lysin „einen E.coli-Stamm“ verwenden (vgl. Anlage K 4, Seite 14 Ziff. 5.27). Dass sie neben diesem E.coli-Stamm noch einen anderen Stamm zur Herstellung von Lysin verwenden, haben die betreffenden Unternehmen in dem niederländischen Verfahren nicht behauptet. Ebenso wenig haben sie eine Herstellung unterschiedlichen Lysins aus dem einen E.coli-Stamm behauptet.

3.
Mit dem Landgericht ist ferner davon auszugehen, dass das untersuchte Lysin nach einem Verfahren hergestellt worden ist, wie es in der geltend gemachten Kombination aus den Klagepatentansprüchen 9, 8, 5 und 1 beschrieben ist. Die Klägerin hat diese Übereinstimmung belegt durch die Untersuchungen des TNO-Instituts aus dem Jahre 2008 (Anlage K 10) und durch das Privatgutachten Prof. Dr. E (Anlage K 11) ausreichend substantiiert vorgetragen. Die Untersuchungen und die Ausführungen des Privatgutachters sind nachvollziehbar und tragen die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen.

a)
Dass das von der Beklagten vertriebene Lysin durch Kultivieren eines Bakteriums in einem geeigneten Medium hergestellt wurde, steht außer Frage und kann von der Beklagten nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Aus dem von den Klägerinnen vorgelegten Untersuchungsbericht des Instituts TNO aus dem Jahre 2008 ergibt sich hierzu, dass bei der fermentativen Herstellung des Lysins ein E.coli-Wirtsorganismus verwendet wurde. Denn in den untersuchten Lysin-Proben C 101 und C 102 sind DNA-Spuren eines E.coli-Wirtsorganismus gefunden worden. Dass es sich bei der gefundenen DNA um die eines E.coli-Bakteriums handelt, haben die in dem Analysebericht beschriebenen (Anlage K 10a, Seiten 4 bis 12) und vom Privatgutachter der Klägerinnen näher erläuterten (Anlage K 11, Seiten 1 bis 3) Experimente 1A und 1B dieses Berichts ergeben.

aa)
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist im Rahmen des Experiments 1A mittels einer Polymerasenkettenreaktion(PCR)-Versuchsreihe untersucht worden, ob in den Proben eine DNA-Sequenz aus dem cysG-Gen von E.coli aufzufinden ist. Das cysG-Gen kodiert in E.coli ein bekanntes Enzym der Biosynthese des Häm Cofaktors; es findet sich nicht in der Gattung des ebenfalls im Rahmen von Fermentationsprozessen von Lysin verwendeten Corynebakteriums. Zur Feststellung, ob eine DNA-Sequenz des cysG-Gens aufzufinden ist, sind Primer, d. h. kurze DNA-Sonden, die sich spezifisch an in der Sequenz komplementäre Bereiche der Ziel-DNA anlagern, den Proben zugefügt worden. Die ausgewählten Primer amplifizieren keine Corynebakterien. Bei der sich anschließenden PCR vervielfältigten sich die DNA-Stücke, die zwischen den Primern lagen. Nach Auftrennung sind sie in dem Verfahren der Gelelektrophorese sichtbar gemacht worden. Die mittels der Gelelektrophorese identifizierten DNA-Stücke haben dem Analysebericht zufolge die Länge aufgewiesen, nämlich 120 Basenpaare, die sie infolge der eingesetzten spezifischen Primer haben sollten bzw. die vorausgesagt war. Aus den ermittelten Daten schlussfolgert der Analysebericht, dass es praktisch sicher ist, dass die aus den Proben gewonnenen PCR-Produkte von 120 Basenpaaren die Amplifikation von in der jeweiligen Probe vorhandenen E.coli- oder Shigella-DNA-Fragmenten darstellen (Anlage K 10a, Seite 8). Gemäß den Erläuterungen des Privatgutachters der Klägerinnen, zeigt bereits das Experiment A, dass die beiden Lysin-Proben mit großer Wahrscheinlichkeit E.coli-DNA enthalten und dass das E.coli cysG Gen in beiden Proben auch in signifikanter Menge vorhanden ist (Anlage K 11, Seite 2).

Um sicher auszuschließen, dass es sich bei der in den Proben aufgefundenen DNA nicht um das mit E.coli verwandte Bakterium Shigella handelt, ist das Experiment 1B durchgeführt worden. Im Rahmen dieses Versuchs ist untersucht worden, ob in den Proben eine DNA-Sequenz aus einem weiteren E.coli-Gen, dem yhfZ-Gen, aufzufinden ist. Die hierzu verwendeten Primer erkennen dieses Gen; sie sind so gewählt worden, dass sie eine Unterscheidung zu dem mit E.coli verwandte Shigella-Bakterium ermöglichen (vgl. Anlage K 11, Seite 2). Es hat sich gezeigt, dass die beiden Lysin-Proben E.coli-DNA enthalten, in der das entsprechende yhfZ-Gen mit E.coli spezifischer Sequenz auftritt. Die Probe, die Corney-DNA enthalten hat, hat hingegen keine positive Reaktion gezeigt. Der Analysebericht kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass es praktisch sicher ist, dass die aus den Proben gewonnenen PCR-Produkte von 101 Basenpaaren die Amplifikation von in der jeweiligen Probe vorhandenen E.coli-DNA-Fragmenten darstellen (Anlage K 10a, Seite 12). Wie auch der weitere Privatgutachter der Klägerinnen, Prof. Dr. E, bestätigt hat, ist damit in den untersuchten Proben DNA von E.coli identifiziert worden (Anlage K 11, Seiten 1 bis 3).

bb)
Soweit die Beklagten geltend machen, eine Analyse des Lysins selbst könne keine Informationen über die Methode seiner Herstellung ergeben, hat das Landgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass das von den Klägerinnen mit der Analyse der Lysin-Proben beauftragte Institut nicht „das Lysin“, sondern die Lysin-Proben untersucht hat, um darin befindliche DNA des Bakteriums E.coli zu identifizieren. Die Identifikation und Analyse der aufgefundenen E.coli-DNA-Spuren lässt Rückschlüsse auf die Herstellungsmethode des Lysins zu.

cc)
Der Hinweis der Beklagten auf eine mögliche Verunreinigung des Lysins ist nicht geeignet, die Aussagekraft des von den Klägerinnen vorgelegten Untersuchungsberichts in Zweifel zu ziehen. Dafür, dass das im Rahmen der von den Klägerinnen in Auftrag gegebenen Analyse in den Lysin-Proben aufgefundenen E.coli-DNA-Spuren von E.coli-Bakterien stammt, die infolge einer Verunreinigung in das Lysin bzw. die untersuchten Proben gelangt sind, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Die Beklagte behauptet insbesondere nicht, dass sie ihr von A, B bzw. Cstammendes Lysin untersucht und hierbei keine E.coli-DNA gefunden habe. Allein eine bloß theoretische Möglichkeit einer Kontamination von Trinkwasser und/oder Lebensmitteln mit E.coli-Bakterien liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine derartige Verunreinigung bei der Herstellung und/oder Untersuchung des hier in Rede stehenden Lysins tatsächlich erfolgt sein könnte. Abgesehen davon, sind auch in den in Belgien und den Niederlanden untersuchten Lysin-Proben E.coli-DNA-Spuren identfifiziert worden (dazu sogleich). Die Beklagte will wohl kaum ernsthaft behaupten, dass sämtliches von A oder einem anderen demselben Herstellerverbund angehörigen Unternehmen wie B oder Chergestelltes Lysin Verunreinigungen aufweist. Vor allem handelt es sich bei dem in den Lysin-Proben nachgewiesenen E.coli-Bakterium – wie noch ausgeführt wird – nicht um den E.coli-Wildtyp, sondern um ein modifiziertes E.coli-Bakterium. Wie ein modifiziertes E.coli-Bakterium infolge einer „Verunreinigung“ in das Lysin geraten sein sollte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Letztlich haben – wie bereits ausgeführt – A, B und C, welche das von der Beklagten vertriebene Lysin produzieren, in dem in den Niederlanden anhängigen Verfahren selbst angegeben, dass sie für die Herstellung von Lysin einen E.coli-Stamm verwenden (vgl. Anlage K 4, Seite 14 Ziff. 5.27). Vor diesem Hintergrund kann eine Verunreinigung mit E.coli ausgeschlossen werden.

dd)
Scheidet eine Verunreinigung aus, kann das Vorhandensein der E.coli-DNA-Spuren nur eine Ursache haben, nämlich dass es sich hierbei um Materialien handelt, die im Herstellungsprozess verwendet und nicht vollständig entfernt wurden.

b)
Der Untersuchungsbericht des Instituts TNO aus dem Jahre 2008 rechtfertigt ferner den Schluss, dass das zur Herstellung des Lysins eingesetzte Bakterium der Gattung Escherichia eine DNA enthält, die dem Idc-Gen entspricht,, von dem ein Teil deletiert wurde und die mit dem in der Merkmalsgruppe 3 definierten Anforderungen übereinstimmt. Das folgt insbesondere aus dem Experiment 4 des TNO-Berichts (vgl. Anlage K 10a, Seiten 40 bis 45).

aa)
In diesem Experiment ist untersucht worden, ob das Idc-Gen von E.coli anspruchsgemäß modifiziert worden ist. Dazu sind die beiden genannten Proben mit einer Probe von der Klägerin hergestellten Lysins und einem E.coli-Wildtyp verglichen worden, der die anspruchsgemäße Modifikation naturgemäß nicht aufweist. Die Untersuchungen haben ergeben, dass das Amplikon beim nicht modifizierten Wildtyp um ein vielfaches größer war als bei den durch Deletion modifizierten Proben. Der nur beim Wildtyp vorhandene Deletionsbereich ist von den passenden Primern beim modifizierten Typ nicht erkannt worden; die Primer banden nicht an. Das belegt, was auch schon der Mengenvergleich implizierte, nämlich dass bei der DNA-Sequenz der untersuchten Proben gegenüber dem Wildtyp ein Bereich durch Deletion weggelassen war. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, aus den Untersuchungen lasse sich nicht ablesen, dass die Aminosäuresequenz diejenige war, wie sie im Sequenzprotokoll zu SEQ ID NO: 4 beschrieben ist. Nicht in Abrede gestellt worden ist, dass Gegenstand der Untersuchung das Idc-Gen war. Aus der Klagepatentbeschreibung (Übersetzung Abs. [0017] bis [0020]) ergibt sich, dass das erfindungsgemäße Idc-Gen grundsätzlich der Aminosäuresequenz Nr. 4 entspricht; das bedeutet, dass eine andere Aminosäuresequenz grundsätzlich auch zu einem anderen Gen führt. Die einzige Ausnahme ist die in Anspruch 1 angegebene Sequenz (B), von der die Klagepatentbeschreibung sagt, die dortige Sequenz sei im wesentlichen das gleiche wie das Idc-Gen (Absätze [0018] und [0019]). Der Untersuchungsbericht Anlage K 10 zeigt auf Seite 41 oben, dass mit dem Experiment 4 gezielt das Idc-Gen auf das Vorhandensein einer Deletion untersucht worden ist, die eingesetzten Primer waren spezifische Primer in Bezug auf das modifizierte Idc-Gen. Wenn sie anbinden, hat das Landgericht zu Recht daraus gefolgert, dass es sich um ein Idc-Gen handelt, das für die Lysindecarboxylase gemäß der Sequenz Nr. 4 kodiert. Wenn ein modifiziertes Idc-Gen vorhanden ist, spricht dies dafür, dass zuvor ein aktives Enzym Lysindecarboxylase vorgelegen hat, anderenfalls eine Modifikation überflüssig wäre. Dass nach der Deletion nicht mehr festgestellt werden kann, welche Teilsequenz der aus der ursprünglichen Sequenz deletierte Abschnitt hat, liegt auf der Hand, weil er nach der Deletion eben nicht mehr vorhanden ist. Gleichwohl halte ich diese Lücke für unschädlich, weil bisher kein Zweifel daran bestand, dass tatsächlich das Idc-Gen untersucht worden ist, von dem die Klagepatentschrift ausdrücklich sagt, es habe die Aminosäuresequenz Nr. 4. Das bedeutet, dass man aus einem Untersuchungsbefund, der ein durch Deletion modifziertes Idc-Gen feststellt, darauf rückschließen kann, dass dieses Gen vor der Deletion der Aminosäuresequenz Nr. 4 entsprach. Unter diesen Umständen wäre es Sache der Beklagten gewesen, aufzuzeigen, dass es entgegen den Ausführungen der Klagepatentschrift auch ein Idc-Gen mit einer anderen Aminosäuresequenz innerhalb des Bakterienstammes Escherichia coli gibt.

bb)
Ergänzend ergibt sich das auch aus dem – von dem niederländischen Gericht in Bezug genommenen (vgl. Anlage K 4, Seite 14 Ziffn. 5.26, 5.28 und 5.29) – TNO-Bericht aus dem Jahre 2006 (Anlage K 22; deutsche Übersetzung Anlage K 22a) betreffend die Proben mit den Nummern 1016 und 1017. Dass die Lieferung, aus der diese Proben entnommen worden sind, von der Beklagten stammt, war im niederländischen Parallelverfahren unstreitig; dort hatte die Beklagte lediglich eingewandt, die Klägerinnen hätten diese Lieferung provoziert (vgl. Anlage K 4, Seiten 7 f. Ziff 5.1). Die Klägerinnen haben darüber hinaus auch belegt, dass das Lysin tatsächlich aus der Lieferung der Beklagten stammt. Ausweislich der Rechnung gemäß Anlage K 21 hat die Beklagte 15.000 kg Lysin aus der Herstellung von A Chemical Traders in Amsterdam geliefert, wobei die Ware nach Vlaardingen geliefert werden sollte und ausweislich des als Anlage BB 5 vorgelegten Frachtbriefes auch nach dorthin zur Firma I geliefert worden ist. Der Gerichtsvollzieher nahm ausweislich des als Anlage BB 5 vorgelegten Berichtes einen der bei I vorgefundenen 600 Säcke mit, während für die Klägerin zu 1. ihr niederländischer Rechtsanwalt Mr. J 5 Säcke mitnahm und dass die vorgelegten Urkunden tatsächlich mit den in den Ablichtungen dokumentierten Inhalt erstellt worden sind, zieht die Beklagte ersichtlich nicht in Zweifel. In den seinerzeit untersuchten Proben mit den Nummer 1016 und 1017 ist ebenfalls DNA von E.coli identifiziert worden, bei der es sich nicht um DNA des Wildtyps von E.coli handelte. Das Experiment 4 führte auch dort zu dem Ergebnis, dass beide Proben DNA aus dem dapA-Gen von Escherichia coli enthalten und eine vergleichbare Deletion in dem Idc-Gen wie diejenige in dem montierten klagepatentgemäßen Material aufweisen (vgl. Anlage K 22a, Seite 22-25).

cc)
Eine Untersuchung, ob neben den gefundenen E.coli-DNA-Spuren auch DNA-Material des Corynebakteriums in dem Lysin vorhanden ist, war und ist – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht erforderlich. Wenn anspruchsgemäß mutierte E.coli-Bakterien zur Herstellung des Lysins verwendet werden, wovon nach den vorliegenden Untersuchungsberichten auszugehen ist, ist weder ein technischer noch ein wirtschaftlicher Sinn für die Verwendung eines weiteren Mikroorganismus zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb in den nach den eigenen Angaben im niederländischen Verfahren von A, B und Czur Herstellung des Lysins verwendeten E.coli-Stamm neben der an dem dapA-Gen vorgenommen patentgemäßen Mutation auch ein heterologes Gen aus einem Bakterium der Gattung Corynebakterium eingeführt worden sein sollte, was die Beklagten im Übrigen auch gar nicht behaupten. Der Senat vermag im Übrigen nicht zu erkennen, dass das Klagepatent eine solche zusätzliche Maßnahme ausschließt. Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend bemerkt hat, erschließt sich auch nicht, weshalb es im vorliegenden Rechtsstreit auf die genaue Feststellung der Menge der Organismen in den Proben ankommen soll. Insbesondere kommt es für die Frage der Patentverletzung nicht darauf an, ob in dem untersuchten Lysin auch DNA vorhanden ist, die für nicht desensibilisierte DDPS kodiert. Entscheidend ist, dass in bedeutendem Maße DNA identifiziert worden ist, die der DNA-Sequenz für desensibilisierte DDPS mit der anspruchsgemäßen Mutation entspricht. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, weshalb es hier auf die Kenntnis der vollständigen DNA des zur Herstellung des Lysins eingesetzten Mikroorganismus ankommen sollte.

dd)
Soweit die Beklagte auf die EuGH-Entscheidung „Monsanto/Cefetra“ (GRUR 2010, 989, 990 = GRUR Int. 2010, 841), der dort ausgesprochen hat, DNA-Sequenzen ohne eine funktionale Angabe seien dem Patentschutz nicht zugänglich, verweist und meint, dementsprechend müsse auch das von den Klägerinnen getestete Lysin selbst die Funktion erfüllen, für die die DNA-Sequenz, die das Lysin enthalte, Patentschutz genieße, was auf das Lysin der Klägerin jedoch nicht zutreffe, weil es keine DNA-Sequenzen enthalte, die über eine Funktionsangabe verfügten, verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg. Das genannte Urteil des EuGH befasst sich mit der Reichweite des Stoffschutzes auf Gensequenzen gerichteter Patentansprüche. Es ging um Patentschutz für eine Gensequenz, deren Einschleusung in die DNA Soja-Pflanzen resistent gegen das Herbizid Glyphosat machte, während die im dortigen Patent enthaltenen relevanten Verfahrensansprüche auf die Herstellung glyphosat-resistenter Pflanzen gerichtet waren und das aus den Bohnen entsprechend veränderter Sojapflanzen hergestellte Sojamehl kein Verfahrensprodukt im Sinne des § 9 Nr. 3 PatG war. Hier geht es jedoch nicht um Stoffschutz für eine Gensequenz, sondern um ein Verfahrensprodukt, das unter Benutzung des klagepatentgeschützten Verfahrens hergestellt worden ist. Im Streitfall dienen die im untersuchten Lysin aufgefundenen DNA-Spuren des Herstellungsorganismus nur als Nachweis, dass der zur Herstellung verwendete E.coli-Stamm anspruchsgemäß modifiziert wurde, sie bilden aber nicht den Grund der Patentverletzung.

4.
Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Verfassung ist das angegriffene Lysin als unmittelbar nach den in den geltend gemachten Ansprüchen des Klagepatentes beschriebenen Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis nach § 9 Nr. 3 PatG vom Schutz des Klagepatentes erfasst. Vergeblich wendet die Beklagte in diesem Zusammenhang ein, das angegriffene Lysin unterscheide sich in seinen stofflichen Eigenschaften nicht von außerhalb des patentgeschützten Verfahrens hergestellten Lysin. Der Schutz des § 9 Nr. 3 PatG erfordert lediglich, dass das patentgeschützte Verfahren einen Gegenstand hervorgebracht hat, der vorher noch nicht vorhanden war und in diesem Sinne neu sein muss, sich aber in seinen Eigenschaften nicht von auf anderem Wege hergestellten gleichartigen Gegenständen zu unterscheiden braucht (vgl. RGSt 46, 262, 263; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 9, Rdnr. 100; Benkard/Scharen, PatG GebrMG, 10. Aufl., § 9, Rdnr. 53). Dass das als unmittelbares Verfahrenserzeugnis geschützte Produkt keine von gleichartigen Gegenständen abweichende Eigenschaften aufzuweisen braucht, ergibt sich nicht zuletzt aus § 139 Abs. 3 PatG, der für Erzeugnisse mit neuen Eigenschaften eine Beweiserleichterung vorsieht, indem bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche von einem anderen hergestellte Erzeugnis als nach dem patentierten Verfahren hergestellt gilt. Diese Regelung hätte nicht auf neuartige Erzeugnisse beschränkt zu werden brauchen, wenn ohnehin keine anderen Erzeugnisse vom Schutz des § 9 Nr. 3 PatG erfasst wäre.

Dass im Streitfall das angegriffene Lysin durch das zu seiner Herstellung angewandte Verfahren körperlich erst hervorgebracht wird, kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen und wird ersichtlich auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es auch ohne Bedeutung, dass der eigentliche Fermentationsprozess, aus dem das Lysin hervorgeht, durch die in der geltend gemachten Patentanspruchskombination gelehrten Maßnahmen nicht berührt wird. Auch mikrobiologische Verfahren sind Herstellungsverfahren, die unmittelbare Verfahrenserzeugnisse hervorbringen können (Benkard/Scharen, a.a.O., Rdnr. 53, letzter Abs., Busse/Keukenschrijver, Rdnrn. 102-104; Schulte/Kühnen, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 82). Dieses Verfahren muss lediglich die Schutzvoraussetzungen erfüllen, ohne dass es darauf ankommt, an welcher Stelle des Verfahrens seine unter Schutz gestellte Besonderheit liegt. § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG schafft einen bedingten Erzeugnisschutz und erfasst jedes Erzeugnis, das durch das geschützte Verfahren unmittelbar hergestellt wird, so, als seien sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt (Benkard/Scharen a.a.O., Rdn. 53, Abs. 1 a.E. m.w.N.). Hierbei kommt es nicht nur auf die einzelnen Verfahrensschritte an, die zur Herstellung des unmittelbaren Erzeugnisses ausgeführt werden müssen, sondern die Besonderheit kann auch darin bestehen, dass andere Randbedingungen des Verfahrens verändert werden und der Erfolg dieser Veränderung darin besteht, dass die ansonsten gleich gebliebenen Verfahrensschritte zu einer höheren Erzeugnisausbeute führen oder den Herstellungsvorgang beschleunigen. Zur erstgenannten Kategorie gehört auch das im Klagepatent unter Schutz gestellte Verfahren, bei dem der Mikroorganismus, aus dem Lysin hergestellt wird, ein Gen besitzt, dessen Lysin-Dekarboxylaseaktivität beseitigt oder zumindest verringert worden ist; hierdurch erhöht sich die Lysinausbeute, indem der sonst stattfindende Abbau von Lysin zu Cadaverin verringert oder beseitigt wird. Auch diese Beeinflussung der Erzeugnisausbeute kann Teil eines unter Schutz gestellten Verfahrens sein.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem auch nicht entgegen, dass sich der Schutz des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG auf unmittelbar durch das geschützte Verfahren hergestellte Erzeugnisse beschränkt. Auch diese Eigenschaft weist das angegriffene wie das nach dem schutzbeanspruchten Verfahren hergestellte Lysin auf. Unmittelbar durch das geschützte Verfahren hervorgebracht worden ist jedes Erzeugnis, für dessen Entstehung das unter Schutz gestellte Verfahren einen wesentlichen Ursachenbeitrag geleistet hat und das keinen weiteren Bearbeitungs- oder Behandlungsschritten unterzogen worden ist, die seine Selbständigkeit und nach der Verkehrsauffassung prägenden Eigenschaften nicht verändert oder beseitigt haben (OLG Karlsruhe, InstGE 11, 15 – SMD-Widerstand, RGZ 152, 113; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2005 – U(Kart) 44/01; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4.Aufl., Rdnrn. 118-120; Schulte/Kühnen, a.a.O., Rdnr. 84). Unter welchen Voraussetzungen anschließende Bearbeitungs- oder Weiterbearbeitungsmaßnahmen den nach dem geschützten Verfahren hergestellten Erzeugnis die Selbständigkeit oder seine prägenden Eigenschaften nehmen oder in relevanter Weise beeinträchtigen, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, denn ein Endprodukt, das aus einem geschützten Verfahren hervorgeht, wie es auf das hier angegriffene Lysin und das unter Schutz gestellte Verfahren zutrifft, ist in jedem Fall ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 (Schulte/Kühnen, a.a.O. Rdnr. 84 a.E. Abs. 4).

5.
Dass die Beklagte, nachdem sie entgegen § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG ein Erzeugnis in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und in den Verkehr gebracht hat, das als unmittelbares Produkt des im Klagepatent beschriebenen Verfahrens vom Klagepatent mit unter Schutz gestellt ist, der Klägerin in zuerkanntem Umfang zur Unterlassung, zum Schadenersatz, zur Rechnungslegung, zur Auskunft und zur Vernichtung der im Eigentum oder im Besitz der Beklagten stehenden und in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Erzeugnisse verpflichtet sind, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt (Abschnitt III.1.-4. der Entscheidungsgründe; Bl. 22-25 des Urteilsumdruckes); auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Allerdings war der zu Ziffer I.4. des Urteilsausspruches zuerkannte Rückrufanspruch auf Erzeugnisse zu begrenzen, die nach dem 30. April 2006 in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden. Mit der entsprechenden Beschränkung ihres diesbezüglichen Klageantrags haben die Klägerinnen dem Umstand Rechnung getragen, dass der durch die Richtlinie 2004/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29. April 2004 in das Patentgesetz eingefügte Rückrufanspruch nach § 140a Abs. 3 nur Verletzungshandlungen erfasst, die von dem Tag an begangen worden sind, an dem die Durchsetzungsrichtlinie spätestens in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen. Dies ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 823, 1004 BGB. Für vor dem 30. April 2006 liegende Zeiträume kommt mangels besonderer Überleitungsbestimmungen und mit Blick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot die Anwendung der genannten Bestimmungen nicht in Betracht (vgl. BGH GRUR 2009, 515 – Motorradreiniger). Im Hinblick auf die in zweiter Instanz ferner erfolgte teilweise Beschränkung des auf Belegvorlage gerichteten Klageantrages hat der Senat auch den diesbezüglichen Ausspruch zu I. 2. Im landgerichtlichen Urteil dahin abgeändert, dass nur Rechnungen vorzulegen sind.

6.
Zutreffend hat das Landgericht beide Klägerinnen als zur Geltendmachung der von ihm zuerkannten Ansprüche aktivlegitimiert angesehen. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Urteil (Abschnitt III.1. und 2., Umdruck S. 22-25 oben) Bezug genommen, denen der Senat in vollem Umfang beitritt.

a)
Hinsichtlich der Klägerin zu 1. ergibt sich ihre Aktivlegitimation bereits aus ihrer Stellung als eingetragene Inhaberin des Klagepatentes. Auch für die Klägerin zu 2. gilt nichts anderes. Wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, kann auch sie als ausschließliche Lizenznehmerin eigenständig Ansprüche aus dem Klagepatent geltend machen; daneben bleibt auch die Klägerin zu 1. hierzu befugt, und zwar schon deshalb, weil sie nicht sämtliche Rechte aus dem Klagepatent aus der Hand gegeben, sondern sich vorbehalten hat, selbst Lysin in das Vertragsgebiet zu liefern, falls die Klägerin zu 2. die Nachfrage nicht decken kann. Ausschließliche Lizenznehmerin ist die Klägerin zu 2. jedenfalls mit Wirkung vom 5. Dezember 2006, denn mit Wirkung von diesem Tag ist das Klagepatent durch das Memorandum vom 20. Januar 2008 (Anlage BB 4) ausdrücklich in den Kreis der Lizenzschutzrechte einbezogen worden.

b)
Die Frage, welcher Sinngehalt den Regelungen des Lizenzvertrages und des Memorandums nach dem ursprünglich gewählten französischen Recht zukommt, bedarf keiner Entscheidung mehr, nachdem die Parteien des Lizenzvertrages durch den Ergänzungsvertrag vom 25. August 2010 (Anlage BB 1; deutsche Übersetzung Anlage BB 1a) das Vertragswerk in Bezug auf den deutschen Anteil des Klagepatents bzw. auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dem deutschen Recht unterstellt haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht ersichtlich, in welchen Punkten diese Abreden unklar sein sollen. Die nachträgliche Änderung der Rechtswahl ist auch zulässig. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I.) unterliegt ein Vertrag mit europäischem Auslandsbezug dem von den Parteien gewählten Recht, wobei den Vertragsparteien die Möglichkeit offen steht, die Rechtswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben zu treffen und diese Rechtswahl auch nachträglich ganz oder teilweise zu verändern. Dies entsprach auch schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 17. Juni 2008 der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH NJW 1991, 1293; NJW-RR 2000, 1002, 1004; s. ferner Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., Rom I 3 (IPR) Rdnr. 11 m.w.N.). Gründe, weshalb die Vertragsparteien im Streitfall ausnahmsweise an die ursprünglich getroffene Wahl des französischen Rechts gebunden sein sollten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c)
Da der Ergänzungsvertrag erst nach Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens abgeschlossen wurde und der Vertragsschluss mit dem dokumentierten Inhalt von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, ist er in zweiter Instanz zu berücksichtigen; das diesbezügliche Vorbringen der Klägerinnen ist nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil der Vertrag während des landgerichtlichen Verfahrens noch nicht vorgelegt werden konnte. Für den Unterlassungsanspruch genügt es, dass die Klägerin zu 2. jedenfalls bei Schluss der mündlichen Verhandlung ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klageschutzrecht ist. Dass dem hier so ist, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.

d)
In Bezug auf den geltend gemachten Schadenersatzanspruch beschränkt sich die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. als ausschließlicher Lizenznehmerin allerdings auf den vom Landgericht zuerkannten Zeitraum ab dem 5. Dezember 2006. Das Landgericht ist bei der Anerkennung der Aktivlegitimation für die Klägerin zu 2. von einer Konstellation ausgegangen, bei der der Lizenznehmer bei dem von ihm eingeräumten Erlaubnis auch Gebrauch macht, so dass der unberechtigte Vertrieb schutzrechtsverletzender Erzeugnisse durch einen Dritten die Stellung des ausschließlichen Lizenznehmers in gleicher Weise beeinträchtigt wie diejenige eines Schutzrechtsinhabers, der die in Vorbehaltungen Ausschließlichkeitsrechte selbst ausübt. Die dortigen Ausführungen (Urteilsumdruck S. 34) dienen zwar in erster Linie dazu, die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1. als Inhaberin des Schutzrechtes für den Schadenersatzanspruch zu begründen, die gegeben ist, wenn der Schutzrechtsinhaber an der Ausübung der Lizenz wirtschaftlich partizipiert und die Beeinträchtigung der Marktaussichten des Lizenznehmers durch Verletzungshandlungen auch das Lizenzgebührenaufkommen des Schutzrechtsinhabers in Mitleidenschaft ziehen. Das setzt zwingend voraus, dass das Landgericht auch angenommen hat, dass die Klägerin jedenfalls in dem zuerkannten Zeitraum die ihr überlassene Erlaubnis benutzt hat. Insoweit hat die Beklagte auch keine konkreten Berufungsangriffe erhoben. Sie hat zwar beanstandet, dass das Landgericht beide Klägerinnen nebeneinander für aktivlegitimiert hält (S. 10 ff. ihrer Berufungsbegründung vom 22. März 2010, Bl. 196 ff. d.A.), sie leitet ihre Bedenken insoweit aber ausschließlich aus den Abreden im Lizenzvertrag ab, denen sie entnimmt, dass nur eine der beiden Klägerinnen die gemeinsamen Ansprüche geltend machen kann.

7.
Für den mit der Anschlussberufung geltend gemachten Zeitraum vom 22. März 2006 bis zum 4. Dezember 2006 ist die Klägerin zu 2. zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung des Klagepatentes nicht aktivlegitimiert.

a)
Aus Art. 1 (B) des ursprünglichen Lizenzvertrages vom 14. September 1994 kann die Klägerin zu 2. insoweit nichts für sich herleiten. Der ursprüngliche Lizenzvertrag ist nach § 125 BGB in Verbindung mit § 34 GWB in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung unwirksam. Nach dieser Bestimmung bedurften Lizenzverträge, die Beschränkungen im Sinne der §§ 18, 20 und 21 GWB a.F. enthielten, der Schriftform, wobei der Formzwang bereits durch die vertragliche Pflicht zur Zahlung von Lizenzgebühren ausgelöst wurde (BGH GRUR 2003, 896 f. – chirurgische Instrumente; 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung; Schulte/Kühnen, a.a.O., § 15 Rdnr. 32; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., Rdnr. 149). Dass die Vertragsparteien seinerzeit die Geltung des französischen Rechts vereinbart hatten (vgl. Art. 18) und diese Rechtswahl damals noch nicht aufgehoben war, steht der Anwendung des § 34 GWB a.F. nicht entgegen, denn die Bestimmungen des deutschen Kartellrechts gelten im öffentlichen Interesse an einer Verhinderung unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen und sind deshalb für alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Lizenzverträge zwingend und unabdingbar. Ist ein Vertrag formunwirksam, hat die Aufhebung des § 34 GWB a.F. diesen Formmangel nicht geheilt (BGH GRUR 1999, 796; Coverdisk; 1999, 602 – Markant; 2002, 647 – Sabet/Massa; 2003, 896 – chirurgische Instrumente; Schulte/Kühnen, a.a.O. Rdnr. 16; Kühnen/Geschke a.a.O, Rdnr. 544). Eine Bestätigung im Sinne des § 141 BGB kann in der faktischen Ausübung der Lizenz nach dem Außerkrafttreten des Formzwanges nur dann gesehen werden, wenn die Parteien bei der Ausübung der Lizenz die Formnichtigkeit des Vertrages zumindest für möglich gehalten haben. Letzteres scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil die Parteien diese Frage bisher nicht diskutiert haben und erst der Senat sie in der mündlichen Berufungsverhandlung auf diese Vorschrift hingewiesen hat. Der in dem Abschluss des Memorandums liegende Neuabschluss hat die Lizenzvertragsbeziehungen zwischen den Parteien zwar hergestellt, entfaltet aber mangels entsprechender ausdrücklicher Vereinbarungen in die Zeit vor dem 5. Dezember 2006 keine Wirkungen.

Verträge, die der Schriftform bedurften, mussten mit ihrem gesamten Inhalt einschließlich aller Nebenabreden schriftlich abgefasst sein, weil nur dies den Kartellbehörden und Gerichten die vollständige Erfassung des Ausmaßes, der Tragweite und der Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkungen gestattete. Es genügte nicht, dass sich der Gegenstand des Lizenzvertrages nur aus einer Anlage zum Vertrag ergab, die nicht als Anlage zu einem bestimmten Vertrag bezeichnet und mit ihm weder fest verbunden noch sonst als dessen Bestandteil kenntlich war; Busse/Keukenschrijver, a.a.O. § 15 Rdnr. 149 m.w.N). Für die Anwendung der Grundsätze der unschädlichen Falschbezeichnung war kein Raum (BGH NJW-RR 1986, 724 – Rosengarten; GRUR 1997, 781 – sprengwirkungshemmende Bauteile). Für die grundsätzlich zulässige Auslegung konnte im Revisionsverfahren ausschließlich auf den schriftlichen Vertragstext zurückgegriffen werden (BGH WM 1992, 1437 – Windsurfausstattungen).

Diesen Anforderungen genügt der hier in Rede stehende ursprüngliche Lizenzvertrag nicht. Wenn das Klagepatent bzw. die von ihm unter Schutz gestellte technische Lehre schon damals vom Lizenzgegenstand hätte umfasst sein sollen, hätte dies so in den Lizenzvertrag aufgenommen werden müssen, dass dies eindeutig erkennbar ist. Dazu hätte die technische Lehre so genau bezeichnet werden müssen, dass eine Verwechslung mit verwandten mit lizenzierten Schutzrechten ausgeschlossen war. Dem genügt die Formulierung in dem von der Klägerin zu 2. herangezogenen Artikel 1.B des Lizenzvertrages in keiner Weise, denn dort findet sich nur die unbestimmte Definition, dass zu dem Begriff „Patente“ u.a. diejenigen Patente und Patentanmeldungen gehören, die in der Anlage 3 des Lizenzvertrages aufgeführt sind oder auf Verlangen der Klägerin zu 2. aufgeführt werden können und alle Patente, die der Klägerin zu 1. auf solche Patentanmeldungen hin erteilt werden. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte Lehre kann anhand dieser Definition nicht identifiziert werden. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im September 1994 nicht einmal die japanische prioritätsbegründende Anmeldung vom 9. Dezember 1994 existierte und erst recht nicht die knapp ein Jahr später eingereichte Anmeldung des Klagepatents vom 5. Dezember 1995.

b)
Auch die Klarstellung in Ziffer 2. des Lizenzvertrages vom 25. August 2010, dass die am Klagepatent bestehende ausschließliche Lizenz rückwirkend ab dem Datum der Patenterteilung gültig sein soll, verleiht der Klägerin zu 2. für den mit der Anschlussberufung geltend gemachten Zeitraum keine Aktivlegitimation. Eine rückwirkende Erteilung einer Lizenz ist zwar unbedenklich, wenn der Lizenznehmer sie in dem erfassten Zeitraum faktisch ohnehin im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber ausgeübt und von der unter Schutz gestellten technischen Lehre Gebrauch gemacht hat. Eine nachträgliche Lizenz für diesen Zeitraum sanktioniert bei dieser Sachlage nur die faktisch ohnehin bestehende Sachlage. Die nachträgliche Lizenzierung entspricht dann einer nachträglichen Genehmigung der bis dahin geübten Praxis, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Lizenznehmer faktisch ohnehin schon dieselbe Stellung hatte, wie später unter der Geltung des ausschließlichen Lizenzvertrages. Diese Ausschließlichkeitsstellung rechtfertigt es, ihn auch als zur Geltendmachung in diesem Zeitraum fallender Schadensersatzansprüche legitimiert anzusehen.

Lässt sich dagegen nicht feststellen, dass der Lizenznehmer in dem von der Rückwirkung erfassten Zeitraum die später lizensierte technische Lehre bereits im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber genutzt hat, fehlt es an einer mit der Position eines Schutzrechtsinhabers vergleichbaren Ausschließlichkeitsstellung des späteren Lizenznehmers, die es rechtfertigt, ihn im Patentverletzungsprozess einem Schutzrechtsinhaber gleichzustellen. Die im abgelaufenen Zeitraum unterbliebene Benutzung im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber kann bedingt durch den Zeitablauf auch später nicht mehr nachgeholt werden. Infolgedessen können dem späteren Lizenznehmer mangels Ausschließlichkeitsstellung auch keine Schadenersatzansprüche entstanden sein, die eine solche Ausschließlichkeitsstellung voraussetzen. Es genügt nicht, dass die Klägerin zu 2. die von der Klägerin zu 1. überlassene Technologie mit deren Erlaubnis nutzte, denn daraus ergibt sich noch nicht, welche einzelnen Schutzrechte diese Technologie umfasste; die Ausschließlichkeitsstellung, die zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Klagepatent berechtigt, muss sich auch und gerade auf dieses Schutzrecht beziehen; auch dass sie für andere Patente gegeben war, genügt nicht, um sie nachträglich auch auf das damals nicht umfasste Klagepatent zu erstrecken.

Die vorstehend dargelegte Problematik einer nachträglichen Aktivlegitimierung durch rückwirkende Erteilung der ausschließlichen Lizenz ist mit den Parteien in der mündlichen Berufungsverhandlung erörtert worden. Die Klägerin zu 2. hat auf den entsprechenden Hinweis des Senats erklärt, sie könne sich nicht konkret dazu äußern, ob sie dem hier fraglichen Zeitraum, beginnend mit dem 22. März 2006 im Rahmen der bereits für andere Schutzrechte bestehenden ausschließlichen Lizenz auch die im Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre mit Erlaubnis der Klägerin zu 1. und Inhaberin des Schutzrechts benutzt hat. Eine Schriftsatzfrist, die ihr auf entsprechende Bitte hin hätte gewährt werden müssen und auch gewährt worden wäre, um sich zu erstmals durch den Hinweis des Senats erörterten Problematik abschließend zu äußern, hat die Klägerin zu 2. nicht erbeten, so dass nur ihr mündliches Vorbringen in der Berufungsverhandlung zugrunde gelegt werden konnte.

III.

Eine Aussetzung der Verhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahrens (§ 148 ZPO) kommt nicht in Betracht.

Nach ständiger, vom Bundesgerichtshof (vgl. GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligter Rechtsprechung des Senats ist bei der Aussetzung eines Patentverletzungsrechtsstreits wegen eines gegen das Klagepatent ergriffenen Rechtsbehelfs Zurückhaltung geboten. Eine zu großzügige Aussetzung hätte zur Folge, dass das ohnehin zeitlich begrenzte Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers praktisch suspendiert und Rechtsbehelfe gegen erteilte Patente geradezu herausgefordert würden. Sie stünde überdies im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Rechtsbehelfen gegen Patente kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt. Deshalb sieht sich der Senat im Allgemeinen in derartigen Fällen nur dann zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO veranlasst, wenn die Vernichtung bzw. der Widerruf des Klagepatents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist, zum Beispiel, weil das Klagepatent im Stand der Technik entweder neuheitsschädlich vorweggenommen oder die Erfindungshöhe so fragwürdig geworden ist, dass sich für ihr Zuerkennung kein vernünftiges Argument finden lässt. An diesen Grundsätzen hat sich auch durch die Entscheidung „Steinknacker“ des Senats (Mitt. 1997, 257 – 261) im Kern nichts geändert. Nach dieser Entscheidung ist die Frage der Aussetzung des Patentverletzungsstreites in zweiter Instanz lediglich unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten zu beurteilen, wenn – wie hier – bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. So kann in einer solchen Situation der Umstand, dass ein gegen ein erteiltes Patent ergriffener Rechtsbehelf sich nur auf bereits gewürdigten Stand der Technik stützt, nicht von vornherein eine Zurückweisung des Aussetzungsbegehrens rechtfertigen. Aber auch nach dieser Entscheidung ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist (vgl. z. B. Senat, InstGE 7, 139 = GRUR-RR 2007, 259, 263 – Thermocycler; Mitt. 2009, 400, 401 f. – Rechnungslegungsanspruch).

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte lediglich die ursprüngliche japanische Anmeldung des Klagepatents in englischer Übersetzung vorgelegt, so dass nunmehr überprüft werden kann, ob Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung eine unzulässige Erweiterung darstellt oder nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine unzulässige Erweiterung nicht gegeben. Diese soll sich daraus ergeben, dass der ursprüngliche Patentanspruch 3 eine unbeeinträchtigte Lysindecarboxilaseaktivität vorsah, während der aufrecht erhaltene Anspruch 1 auch geringfügige Beeinträchtigungen umfasst, sofern sie nicht als wesentlich zu klassifizieren sind. Die Beklagte räumt selbst ein (Seite 14 ihrer Berufungsbegründung, Bl. 200 d.A.), dass auch ursprünglich eine äquivalente Aktivität zur unbeeinträchtigten verlangt wurde, was auch die Auslegung zulässt, dass die zulässige äquivalente Aktivität derjenigen ohne wesentliche Beeinträchtigung entspricht.

Eine weitere unzulässige Erweiterung soll sich daraus ergeben, dass die in dem Anspruch 1 eingefügte Änderung „ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lysindecarboxilaseaktivität“ keine Grundlage in der ursprünglichen Beschreibung bzw. ursprünglichen Anmeldung findet. Der ursprüngliche Anspruch 3 beschreibt ein Gen, das für Lysindecarboxilase mit der Aminosäuresequenz Nr. 4 kodiert (vgl. Anspruch 1) worin diese Aminosäuresequenz eine Substitution, Deletion oder Insertion eines oder mehrerer Aminosäurereste ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lysindecarboxilase aufweist. Der einzige Unterschied zwischen dem von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Anspruch 1 und dem ursprünglichen Anspruch 3 besteht darin, dass die Wendung „ein oder mehrere Aminosäurereste“ im ursprünglichen Anspruch 3 durch „drei Aminosäurereste oder weniger“ ersetzt wurde. „Ein oder eine Mehrzahl“ umfasst offensichtlich auch den aufrecht erhaltenen Wortlaut „drei oder weniger“, und ist insofern sogar etwas enger, als ursprünglich auch mehr als drei Aminosäurereste vorhanden sein konnten, weil der Ausdruck Mehrzahl die konkrete Anzahl offen ließ. Die ursprüngliche Beschreibung erörtert im dortigen Ausführungsbeispiel die Varianten mit zwei oder drei Aminosäureresten, die dritte Variante, nämlich nur ein Aminosäurerest, ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch

3.
Soweit die Beklagte mit ihrer Beschwerde geltend macht, die Ansprüche 5 und 6 seien nicht neu, so ist das für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant, da hier eine Kombination aus den Ansprüchen 1, 5, 8 und 9 geltend gemacht wird, deren Neuheit nicht in Frage steht.

Soweit die Beklagte meint, die unter Schutz gestellte technische Lehre sei nur unzureichend offenbart, weil es keine Standarttechnik für die Messung der Lysindecarboxilaseaktivität beschreibe, müsste gegebenenfalls ein Sachverständiger beauftragt werden. Die fachkundige Einspruchsabteilung hat insoweit offenbar keine Bedenken gesehen. Eine Beweisaufnahme zur weiteren Klärung des voraussichtlichen Erfolgs einer Nichtigkeitsklage als Grundlage für eine Aussetzungsentscheidung nach § 148 ZPO kommt jedoch nicht in Betracht. Eine solche Beweisaufnahme wäre für das Einspruchs- oder auch Nichtigkeitsverfahren nicht verbindlich, könnte den Ablauf jenes Verfahrens erheblich stören und Griffe letztlich in die Kompetenz der allein zur Entscheidung über den Einspruch oder die Nichtigkeitsklage zuständigen Stellen ein und verkehrte letztlich den Sinn einer Aussetzung, nämlich die Verhinderung überflüssiger Mehrarbeit und widersprechender Entscheidungen in parallelen Prozessen in sein Gegenteil (Senat, GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung).

Nichts anderes gilt, soweit die Beklagte geltend macht, dem Gegenstand des Klagepatents fehle im Hinblick auf die Entgegenhaltung D 3 die notwendige Erfindungshöhe. Auch hier müsste gegebenenfalls ein Sachverständiger befragt werden, wie weit für den angesprochenen Fachmann der Weg von der Entgegenhaltung zum Gegenstand des Klagepatents war, um anhand dessen Ausführungen sich ein Bild davon machen zu können, ob auf der Grundlage des am Prioritätstag vorhandenen allgemeinen Fachwissens der Schritt zum Klagepatent erfinderische Qualität besitzt. Es kommt hinzu, dass die Überprüfung der Einspruchsbeschwerde auf ihre Erfolgswahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall in besonderem Maße erschwert wird, weil die Beklagte weder von der englischsprachigen Hauptentgegenhaltung D 3 noch von den ebenfalls ausschließlich in englischer Sprache verfassten sachkundigen Stellungnahme aus dem Beschwerdeverfahren deutsche Übersetzungen vorgelegt hat. Das hier in Rede stehende Gebiet der Gentechnik ist für die technisch nicht vorgebildeten Mitglieder des erkennenden Senats schwer zugänglich, und die Gefahr von Missverständnissen ist bei fremdsprachigen Texten auf diesem Gebiet besonders hoch, so dass keine Gewähr dafür übernommen werden könnte, dass der Senat die Entgegenhaltung bzw. die fachkundigen Stellungnahmen richtig verstanden hat. Infolgedessen bleibt es bei dem Grundsatz, dass bei der Aussetzung eines Verletzungsrechtsstreits im Hinblick auf eine anhängige Nichtigkeitsklage oder einen anhängigen Einspruch große Zurückhaltung geboten ist und es an der dazu erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Vernichtung des Klagepatents fehlt, wenn der Einspruch in erster Instanz zurückgewiesen wurde und die dagegen eingelegte Beschwerde dem nichts durchschlagendes entgegenzusetzen hat (vgl. Senat GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe).

IV.
Entsprechend den Unterliegensanteilen sind die Kosten des Berufungsverfahrens nach den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 auf beide Parteien verteilt worden. Soweit die Klägerinnen den Rückrufanspruch auf die Zeit ab dem 30. April 2006 beschränkt und außerdem den im Rahmen des Auskunftsbegehrens geltend gemachten Belegvorlageanspruch betreffend die vorzulegenden Belege teilweise zurückgenommen haben, war eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO nicht zu treffen, da die zurückgenommene Zuvielforderung geringfügig war und keine besonderen Mehrkosten und auch keinen Kostensprung verursacht hat (§ 92 Abs. 2 ZPO).

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung wirft die Rechtssache keine erheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht bedürften.