4a O 136/07 – Spender für Tücher oder Tupfer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 839

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Juni 2008, Az. 4a O 136/07

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monate, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
Spender für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer, die aus einem Behälter mit einer Vielzahl von Wänden bestehen, die einen Hohlraum für Tücher oder Tupfer in gestapelter oder aufgerollter Form begrenzen, mit einer Öffnung in einer der Wände zur Entnahme der Tücher oder Tupfer,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der Behälter mit einem Verschlussstück versehen ist, wobei das Verschlussstück eine Einlassöffnung passend abdeckt, und das Verschlussstück nach Entleerung des Behälters entfernt werden kann, so dass eine Einlassöffnung freigegeben wird, an der gebrauchte medizinische Artikel – insbesondere Kanülen, Nadeln, Spritzen oder dergleichen – abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt sowie durch sie in den Behälter befördert oder dort gelagert werden können,
2. der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Namen und Anschriften der Empfänger der Behälter gemäß Ziffer 1., ferner dieser Rechnung zu legen für alle Handlungen gemäß Ziffer 1., welche die Beklagte seit dem 15.01.1996 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei lediglich solche Gemeinkosten abgezogen werden dürfen, welche den Verletzerprodukten unmittelbar zugerechnet werden;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 15.01.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.674,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.014,00 EUR seit dem 11.06.2007 und aus weiteren 3.660,00 EUR seit dem 13.05.2008 zu zahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 10 % und der Beklagten zu 90 % auferlegt.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 450.000,00 EUR, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 355 xxx B1 (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Zudem macht sie Abmahnkosten gegen die Beklagte geltend. Die Klägerin erwarb mit Lizenzvertrag vom 15.01.1996 eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent von Frau A. Diese ist unter der Firma A Metallwarenherstellung, Inhaberin A, eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 18.07.1989 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 19.07.1988 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 10.06.1992 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29.10.2007 gegen die Klagepatentinhaberin Nichtigkeitsklage erhoben mit dem Antrag, das Klagepatent für nichtig zu erklären.

Das Klagepatent bezieht sich auf einen Behälter zur Abgabe von Tüchern. Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

1. Ein Spender für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer, der aus einem Behälter mit einer Vielzahl von Wänden besteht, die einen Hohlraum für die Tücher oder Tupfer in gestapelter oder aufgerollter Form begrenzen, mit einer Öffnung (5) in einer der Wände zur Entnahme der Tücher oder Tupfer,
dadurch gekennzeichnet, dass der Behälter mit einer oder mehreren materialgeschwächten Stelle(n) (8) in mindestens einer Wand oder mit mindestens einem Verschlussstück versehen ist, wobei das Verschlussstück eine Einlassöffnung (10) überlappend oder passend abdeckt, dass die materialgeschwächten Stellen oder das Verschlussstück nach Entleerung des Behälters entfernt werden kann, so dass eine Einlassöffnung (10) freigegeben wird, durch die gebrauchte medizinische Artikel in den Behälter befördert oder dort gelagert werden können.

Wegen der „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 5, 6, 8 und 9 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen. Die Patentinhaberin hat im Nichtigkeitsverfahren einen Hilfsantrag angekündigt, auf den die Klägerin ihr Klagebegehren stützt. Unter Hervorhebung der Änderungen im Verhältnis zum ursprünglich erteilten Patentanspruch 1 lautet der Wortlaut des geltend gemachten Patentanspruchs (nachfolgend als Klagepatentanspruch bezeichnet) wie folgt:

1. Ein Spender für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer, der aus einem Behälter mit einer Vielzahl von Wänden besteht, die einen Hohlraum für die Tücher oder Tupfer in gestapelter oder aufgerollter Form begrenzen, mit einer Öffnung (5) in einer der Wände zur Entnahme der Tücher oder Tupfer,
dadurch gekennzeichnet, dass der Behälter mit einer oder mehreren materialgeschwächten Stelle(n) (8) in mindestens einer Wand oder mit mindestens einem Verschlussstück versehen ist, wobei das Verschlussstück eine Einlassöffnung (10) überlappend oder passend abdeckt, dass die materialgeschwächten Stellen oder das Verschlussstück nach Entleerung des Behälters entfernt werden kann, so dass die Einlassöffnung (10) freigegeben wird, an der gebrauchte medizinische Artikels abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt sowie durch sie die gebrauchte medizinische Artikel in den Behälter befördert oder dort gelagert werden können.

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche in verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammen. Die Figuren 1 bis 4 zeigen verschiedene Ansichten eines Ausführungsbeispiels: Figur 1 eine perspektivische Darstellung; Figur 2 eine Seitenansicht im Schnitt; Figur 3 eine Draufsicht mit Entnahmeöffnung vor dem Herausziehen der Tücher und Figur 4 eine Draufsicht auf die Einlassöffnung nach Entfernen des Teils mit der Entnahmeöffnung. Die Figur 5 zeigt ein anderes Ausführungsbeispiel als Explosionszeichnung.

Die Beklagte stellt in der Produktreihe „B“ Entsorgungsboxen für Spritzen (angegriffene Ausführungsform) her und vertreibt sie. Die Entsorgungsboxen werden ohne Befüllung mit Tüchern oder Tupfern ausgeliefert. Die nachstehende Abbildung zeigt eine der angegriffenen Entsorgungsboxen. Sie stammt aus dem Internetauftritt (Anlagen K5 und K14) der Firma C, die die Box mit Tüchern bestückt und dann an ihre Endkunden ausliefert. Noch am 24.05.2006 warb die Firma C unter der Überschrift „Alkoholtupfer in sicherheitsgeprüfter Entsorgungsbox“ mit den Worten: „Nach dem Verbrauch der Alkoholtupfer wird der Spendeadapter in die Box eingedrückt und ist dann der (…) Sicherheitsbehälter für die anwender- und umweltfreundliche Entsorgung von spitzen, scharfen und gefährlichen Gegenständen“ (vgl. Anlage K14). Bei der Firma C handelt es sich um eine Abnehmerin der Beklagten. Diese teilte der Klägerin am 06.06.2006 mit Bezug auf ein Telefonat vom 01.06.2006 anlässlich einer Unterlassungserklärung, die die Klägerin der Firma C zugestellt hatte, mit, dass sie – die Beklagte – „diese Boxen und das Plättchen für die Tupfer ausschließlich für und an C produzieren und liefern“ (vgl. Anlage K13). In der Folgezeit wurde der Internetauftritt der Firma C geändert. Nunmehr warb die Firma C nur noch unter der Überschrift „Entsorgungsbox für Spritzen“ für den „Sicherheitsbehälter für die anwender- und umweltfreundliche Entsorgung von spitzen, scharfen und gefährlichen Gegenständen“ (vgl. Anlage K5). Die zwei weiteren Abbildungen (Anlagen K6 und K7) zeigen jeweils die Oberseite einer Entsorgungsbox in etwas verkleinerter Form. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie mit der im Internetauftritt der Firma C abgebildeten Box identisch ist.

Die Klägerin beauftragte Rechts- und Patentanwälte mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.07.2006 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 21.07.2006 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Die Frist lief ohne Erfolg ab. Durch die Inanspruchnahme rechts- und patentanwaltlicher Hilfe entstanden unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 500.000,00 EUR und einer Geschäftsgebühr von 1,5 Gebühren zuzüglich einer Auslagenpauschale von jeweils 20,00 EUR Kosten in Höhe von insgesamt 9.028,00 EUR.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Auf die tatsächliche Befüllung der angegriffenen Ausführungsform mit Tüchern oder Tupfern komme es nicht an. Es reiche, dass sich die angegriffene Ausführungsform für eine Befüllung eigne. Das weiße Plastikteil innerhalb des ringförmigen Kragens des Behälterdeckels stelle das Verschlussstück dar. Es decke eine halbkreisförmige Öffnung und weitere, unterschiedlich konfigurierte Öffnungen ab. Dieses Verschlussstück könne nach Entleerung des Behälters entfernt werden. So entstehe eine halbkreisförmige Öffnung für die Aufnahme von Spritzen und anderen medizinischen Artikeln.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt zu entscheiden, allerdings
mit dem weitergehenden Antrag zu I. 2., die Beklagte für seit dem 10.07.1992 begangene Handlungen zur Auskunft und Rechnungslegung zu verurteilen,
mit dem weitergehenden Antrag zu II., die Schadensersatzpflicht der Beklagten für seit dem 10.07.1992 begangene Handlungen festzustellen und
mit dem weitergehenden Antrag zu III., die Beklagte zur Zahlung von 9.028,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.014,00 € seit dem 11.06.2007 und aus weiteren 4.014,00 € seit dem 13.05.2008 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen das Klagepatent EP 0 355 391 erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie ist der Ansicht, die Klägerin könne die Klage nicht auf einen Patentanspruch stützen, für den kein Patent erteilt worden sei.

Im Übrigen werde durch die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht wortsinngemäß verletzt. Die angegriffene Ausführungsform diene allein der Entsorgung gebrauchter medizinischer Artikel, nicht aber der Aufnahme von Tüchern. Auf der Abbildung aus dem Internetauftritt der Firma C (Anlage K5) sei nicht zu erkennen, ob das Tuch dem Behälter entnommen oder darin entsorgt werde. Die angegriffene Ausführungsform weise weder eine materialgeschwächte Stelle, noch ein Verschlussstück im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs auf. Das sei in der Abbildung aus dem Internetauftritt der Firma C nicht erkennbar.

Die Beklagte behauptet, das von der Firma C im Internet angebotene Produkt entspreche nicht dem Produkt, das in den beiden anderen Abbildungen gezeigt werde (Anlage K6 und K7). Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, dass das in Anlage K6 und K7 angebotene Produkt von ihr – der Beklagten – stamme und in Verkehr gebracht worden sei.

Die Beklagte hält den geänderten Klagepatentanspruch für nicht schutzfähig, weil durch die Ergänzung der Gegenstand der Erfindung unzulässig erweitert worden sei. Im Übrigen sei die technische Lehre weder neu, noch erfinderisch.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet

A
Die Klageanträge zu I. und II. sind überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte im zuerkannten Umfang einen Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9 S. 1 und 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 2, §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist aktivlegitimiert (I.). Durch die von der Beklagten angebotenen Entsorgungsbox für Spritzen (II.) macht die Beklagte von der Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch (III.). Gleichwohl kann die Klägerin Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung nur für seit dem 15.01.1996 begangene Handlungen verlangen (IV.).

I.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat im Hinblick auf das Klagepatent eine ausschließliche Lizenz, durch die sie zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen einschließlich der zugehörigen Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche aus eigenem Recht berechtigt ist.

II.
Die Beklagte stellt her und vertreibt Entsorgungsboxen für Spritzen, wie sie in den Anlagen K5 bis K7 und K14 abgebildet sind. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die im Internetauftritt der Firma C abgebildeten Entsorgungsboxen für Spritzen und die in der Anlage K6 und K7 abgebildeten Produkte von gleicher Bauart sind. Ob es sich auch um dasselbe Produkt handelt, was von der Beklagten bestritten wird, kann dahinstehen. Die Beklagte hat zumindest nicht im Einzelnen dargelegt, dass die von ihr hergestellten und angebotenen Entsorgungsboxen für Spritzen von anderer Bauart sind. Die Beklagte hat dazu lediglich vorgetragen, der in der Anlage K6 dargestellte Deckel weise ein weißes Plättchen auf, das in der Abbildung im Internetauftritt (Anlage K5) nicht erkennbar sei. Dies genügt nicht für ein substantiiertes Bestreiten im Hinblick auf den klägerischen Vortrag.

Die im Internetauftritt der Firma C dargestellten Produkte (Anlagen K5 und K14) werden ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 06.06.2006 (Anlage K13) unstreitig von der Beklagten hergestellt und ausschließlich an die Firma C vertrieben. Es handelt sich um eine Entsorgungsbox mit einem Plättchen für Tupfer (vgl. Anlage K13), wobei das Plättchen auf den Abbildungen im Internetauftritt der Firma C nicht zu sehen ist. Bei dem im Schreiben der Beklagten vom 06.06.2006 (Anlage K13) erwähnten Plättchen für die Tupfer handelt es sich um den im ursprünglichen Internetauftritt der Firma C erwähnten Spendeadapter, der nach dem Verbrauch der Alkoholtupfer in die Box eingedrückt wird, um dadurch einen Sicherheitsbehälter für die Entsorgung von spitzen und gefährlichen Gegenständen zu erhalten (Anlage K14). Bereits aus diesem Umstand erklärt sich ohne weiteres, dass ein Plättchen zu dem im Internetauftritt der Firma C (Anlage K5) angebotenen Produkt gehört, aber nicht zu sehen ist.

Ein Deckel mit einem Plättchen ist in den Anlagen K6 und K7 abgebildet. Es handelt sich dabei um den weißen Einsatz, der mittig in dem gelben Deckel angebracht ist. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass mit dem „Plättchen für Tupfer“ im Schreiben vom 06.06.2006 (Anlage K13) beziehungsweise dem im Internetauftritt erwähnten Spendeadapter ein Einsatz gemeint ist, wie er in den Anlagen K6 und K7 abgebildet ist. Die Klägerin hat zwar nicht ausdrücklich erklärt, dass die im Internetauftritt und in den Anlagen K6 und K7 abgebildeten Produkte von identischer Bauart sind, insbesondere das gleiche Plättchen verwenden. Dies ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang des Klagevortrags. Denn die Klägerin hat die Konstruktion der im Internetauftritt dargestellten Entsorgungsbox unter Zuhilfenahme der Anlagen K6 und K7 erläutert und dazu erklärt, dass mit dem Fotokopierer erstellte Abbildungen des (in der Anlage K5 erkennbaren) Grunddeckels mit Aufsatz und eingesetztem Verschlussstück als Anlagen K6 und K7 beigefügt sind (vgl. Bl. 9 der Klageschrift).

Das einfache Bestreiten eines Zusammenhangs zwischen den Anlagen K6 und K7 einerseits und der Anlage K5 andererseits mit der Bemerkung, das weiße Plättchen sei in der Anlage K5 nicht erkennbar, ist nicht erheblich. Die Klägerin hat ihren Vortrag zur Bauweise der angegriffenen Ausführungsform durch die Vorlage der Anlagen K5 bis K7 näher konkretisiert. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, im einzelnen darzulegen, inwiefern sich der in den Anlagen K6 und K7 abgebildete Grunddeckel von dem im Internetauftritt der Firma C dargestellten Grunddeckel (Anlage K5) unterscheidet, zumal beide ein Einsatzstück in Form eines Plättchens verwenden. Bereits ein Vergleich der Abbildungen im Internetauftritt (Anlage K5) mit den Anlagen K6 und K7 zeigt, dass der Grunddeckel in beiden Abbildungen identisch gestaltet ist. Zwar ist die in der Anlage K6 abgebildete Oberseite des Grunddeckels teilweise durch das weiße Plättchen verdeckt. Der verdeckte Teil ist aber in der Anlage K7 von der Rückseite ohne Abdeckung sichtbar. Der in der Anlage K7 abgebildete Deckel entspricht vom Aufbau und der Anordnung genau dem Deckel der im Internetauftritt der Firma C beworbenen Entsorgungsbox (in der Anlage K5 links in liegender Position) mit dem Unterschied, dass die Abbildung der Anlage K7 spiegelverkehrt ist, da es sich um die Rückseite des Deckels handelt. Dies wird erst recht durch die Abbildungen bestätigt, die Gegenstand der von der Klägerin ursprünglich „insbesondere“ geltend gemachten Klageanträge (S. 2 und 3 der Klageschrift) sind.

III.
Die angegriffene Ausführungsform, wie sie in den Anlagen K5 bis K7 und K14 abgebildet ist, macht von der Lehre des (durch das zusätzliche Merkmal eingeschränkten) Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Soweit die Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.05.2008 die Ansicht vertritt, die Klägerin könne mit ihrer Klage keinen Erfolg haben, weil für den durch das zusätzliche Merkmal eingeschränkten Klagepatentanspruch kein Schutzrecht bestehe, vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Mit dem Klagepatent besteht ein Schutzrecht, aus dem die Klägerin gegen die Beklagte wegen einer von ihr vorgetragenen Patentverletzung vorgehen kann. Der Klägerin steht es frei, ob sie den durch das Klagepatent vermittelten Schutz im vollen Umfang oder nur eingeschränkt in Anspruch nimmt. Letzteres kommt vor allem dann in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass sich der erteilte Klagepatentanspruch im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen wird und der Verletzungsprozess auf den Antrag der Gegenseite ausgesetzt wird. Der Beklagten ist zuzugeben, dass in einem solchen Fall zwar kein geprüftes Schutzrecht besteht. Der Sachverhalt unterscheidet sich aber nicht von der Fallkonstellation, in der der Inhaber eines – ebenfalls ungeprüften – Gebrauchsmusters im Verletzungsprozess aufgrund des zweifelhaften Rechtsbestands des Schutzrechts nur eingeschränkten Schutz geltend macht, ohne dass eingeschränkte Schutzansprüche zur Eintragung gelangten. Dazu hat der Bundesgerichtshof in der für das Gebrauchsmusterrecht ergangenen Entscheidung „Momentanpol“ ausgeführt, es genüge in einem solchen Fall zu prüfen, ob sich der Schutzrechtsinhaber auf eine durch die maßgebliche ursprüngliche Offenbarung gestützte und im Rahmen der eingetragenen Schutzansprüche liegende Fassung des Schutzbegehrens zurückgezogen hat, von der die angegriffene Handlung erfasst wird (BGH GRUR 2003, 867 – Momentanpol). Soweit daher im vorliegenden Fall das beanstandete Verhalten der Beklagten vom nur eingeschränkt geltend gemachten Klagepatentanspruch erfasst wird, ist nur noch im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu untersuchen, ob sich der geltend gemachte Klagepatentanspruch als schutzfähig erweisen wird, insbesondere ob er bereits in der ursprünglichen Patentanmeldung hinreichend offenbart wurde.

Weil der Schutzbereich des Klagepatents nicht erweitert werden darf, geschieht der Beklagten im Fall der Verurteilung auf Grundlage des eingeschränkten Schutzumfangs kein Unrecht, wenn das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren nur mit dem eingeschränkt geltend gemachten Klagepatentanspruch (Hilfsantrag) aufrechterhalten bleibt. Sollte sich hingegen sowohl der ursprünglich erteilte Patentanspruch, als auch der eingeschränkt geltend gemachte Klagepatentanspruch im Nichtigkeitsverfahren als nicht schutzfähig erweisen, wird die Beklagte gleichwohl im Fall einer Verurteilung im Verletzungsprozess nicht unzumutbar beeinträchtigt. Denn dieser Fall unterscheidet sich nicht von der Konstellation, in der das Verletzungsgericht einen Aussetzungsantrag mit der Begründung zurückweist, dass keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Fehlen der Schutzfähigkeit eines geprüften und erteilten Patents besteht, und das Schutzrecht nachfolgend gleichwohl vernichtet wird. Im vorliegenden Fall ist daher lediglich zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des mit dem zusätzlichen Merkmal versehenen Klagepatentanspruchs Gebrauch macht.

2.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 einen Behälter zur Abgabe trockener oder vorbefeuchteter Tücher. In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass eine Reihe von Spendern bekannt sei, denen man Tupfer oder dergleichen entnehmen könne. Die Offenlegungsschrift DE 30 31 418 A1 beschreibe einen Behälter, in dem sich in einem auswechselbaren Magazinbeutel gefaltete Tupfer befänden, die mit dem Deckel verschraubt würden. Die Klagepatentschrift sieht den Nachteil dieser Erfindung darin, dass beim Auswechseln der Magazine eine Kontaminierung nicht zu vermeiden sei. Andere Spender würden meist aus einem Behälter bestehen, der nur kleine, meist runde Öffnungen zur Entnahme der Tupfer oder dergleichen aufweise. An diesen Spendern kritisiert die Klagepatentschrift, dass sie nach dem Gebrauch nutzlos seien und weggeworfen würden.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, einen Spender zu schaffen, durch den das Müllvolumen verringert werden kann. Dies soll durch den ursprünglich erteilten Patentanspruch 1 des Klagepatents erreicht werden. Diesen Anspruch hat die Klägerin im Rahmen eines Hilfsantrages im Nichtigkeitsverfahren durch ein weiteres Merkmal ergänzt, so dass die Merkmale des nunmehr beschränkten Klagepatentanspruchs 1 wie folgt gegliedert werden können:

1. Spender für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer,
2. der aus einem Behälter mit einer Vielzahl von Wänden besteht,
a) die einen Hohlraum für die Tücher oder Tupfer in gestapelter oder aufgerollter Form begrenzen,
b) mit einer Öffnung (5) in einer der Wände zur Entnahme der Tücher oder Tupfer;
3. der Behälter ist mit einer oder mehreren materialgeschwächten Stelle(n) (8) in mindestens einer Wand oder mit mindestens einem Verschlussstück versehen;
4. das Verschlussstück deckt eine Einlassöffnung (10) überlappend oder passend ab;
5. die materialgeschwächten Stellen oder das Verschlussstück kann nach Entleerung des Behälters entfernt werden,
a) so dass die Einlassöffnung (10) freigegeben wird,
b) an der gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt sowie
c) durch sie in den Behälter befördert oder dort gelagert werden können.

Die Klagepatentschrift führt dazu aus, dass der erfindungsgemäße Spender vorwiegend in Arztpraxen, Krankenhäusern, Laboren und Unfallstationen zum Einsatz komme, wo auch Injektionen verabreicht und Blut abgenommen werde. Die Erfindung ermögliche es, dass die nutzlosen leeren Spender durch einen Handgriff in einen Abfallbehälter für gebrauchte Einmalkanülen, Nadeln, Spritzen oder dergleichen verwandelt werden könnten. Dadurch werde die Gebrauchszeit der Behälter verlängert und das Müllvolumen verringert.

3.
Der Gegenstand der Erfindung, wie er sich nunmehr aus dem in der geänderten Fassung geltend gemachten Klagepatentanspruch ergibt, ist durch Auslegung des Klagepatentanspruchs zu ermitteln, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ heranzuziehen sind. Dabei dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Maßgeblich ist die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt (BGHZ 105, 1 (11) – Ionenanalyse).

a) Der Klagepatentanspruch betrifft Spender für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer (Merkmal 1). Die Parteien sind sich mittlerweile einig, dass eine Befüllung des Behälters mit Tüchern oder Tupfern nicht erforderlich ist, um die Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß zu verwirklichen. Vielmehr genügt es, dass sich der im Klagepatentanspruch beschriebene Behälter als Spender für Tücher oder Tupfer eignet. Die Wendung „für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer“ im Merkmal 1 stellt lediglich eine Zweckangabe dar. Diese ist grundsätzlich nicht geeignet, den durch das Patent gewährten Schutz auf den im Patentanspruch genannten Zweck zu beschränken, wenn das Erzeugnis als solches beansprucht wird (Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 14 PatG Rn 41 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Es handelt sich um ein Erzeugnispatent. Der Fachmann entnimmt der Anordnung „für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer“ lediglich, dass der in den weiteren Merkmalen des Klagepatentanspruchs beschriebene Behälter räumlich-körperlich so ausgestaltet sein muss, dass er sich als Spender für Tücher oder Tupfer eignet. Wie diese Ausgestaltung zu erfolgen hat, ist dem Fachmann überlassen, soweit der Patentanspruch keine konkreten Anweisungen enthält. Diese beschränken sich im vorliegenden Fall auf einige konkrete räumlich-körperliche Merkmale.

b) Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs besteht der Spender aus einem Behälter mit einer Vielzahl von Wänden (Merkmal 2), die einen Hohlraum für die Tücher oder Tupfer in beliebiger Form begrenzen (Merkmal 2a)). Weiterhin bedarf es einer Öffnung in einer der Wände, um die Tücher oder Tupfer entnehmen zu können (Merkmal 2b)). Damit ist bereits die im Merkmal 1 genannte Zweckangabe „für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer“ hinreichend beschrieben.

c) Darüber hinaus soll der erfindungsgemäße Behälter eine oder mehrere materialgeschwächte Stellen in mindestens einer Wand aufweisen oder mit mindestens einem Verschlussstück versehen sein (Merkmal 3). Damit gibt der Klagepatentanspruch zwei mögliche Alternativen zur weiteren Gestaltung des Behälters vor, wobei das Verschlussstück dahingehend weiter eingegrenzt wird, dass es eine Einlassöffnung abdecken soll (Merkmal 4). Letztlich besteht darin aber kein Unterschied zur materialgeschwächten Stelle. Denn beide, sowohl die materialgeschwächte Stelle als auch das Verschlussstück, müssen so gestaltet sei, dass sie entfernt werden können (Merkmal 5), um eine Einlassöffnung am Behälter freizugeben (Merkmal 5a)). Vor diesem Hintergrund kann die materialgeschwächte Stelle vom Verschlussstück dahingehend abgegrenzt werden, dass erstere einstückig mit dem Behälter verbunden ist, das Verschlussstück hingegen nicht. Diese Abgrenzung findet sich auch in den Figuren 3 und 4 einerseits und der Figur 5 andererseits wieder. Die Einlassöffnung im Falle der materialgeschwächten Stelle entsteht dadurch, dass ein Stück der Behälterwand entfernt wird. Um dieses bewerkstelligen können, bedarf es einer Stelle, in der ein bestimmter Bereich des Behälters durch eine Verzahnung, Perforation, Rinne oder ähnlicher Materialschwächung abgegrenzt ist (vgl. S. 2 fünftletzter Absatz der Anlage K1). Im Falle des Verschlussstücks besteht bereits eine Einlassöffnung im Behälter, die jedoch durch das Verschlussstück abgedeckt ist und durch die Entfernung des Verschlussstücks freigegeben wird.

d) „Entfernung“ der materialgeschwächten Stelle beziehungsweise des Verschlussstücks (Merkmal 5) bedeutet nicht, dass die Materialteile oder das Verschlussstück vollständig vom übrigen Behälter getrennt sein müssen. Es genügt vielmehr, dass die Einlassöffnung freigegeben wird, so dass an ihr gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt und durch sie in den Behälter befördert werden können. Denn der Fachmann erkennt, dass die Entfernung der materialgeschwächten Stelle oder des Verschlussstücks keine andere Funktion hat, als die Einlassöffnung freizugeben. Damit sind nach der Lehre des Klagepatentanspruchs zwei Öffnungen in einem erfindungsgemäßen Spender zu unterscheiden, zum einen (mindestens) eine Auslassöffnung zur Entnahme von Tüchern oder Tupfern und zum anderen eine Einlassöffnung, an der gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt sowie durch sie in den Behälter befördert werden können. Auch die Beschreibung des Klagepatents unterscheidet zwischen der Auslassöffnung und der Einlassöffnung.

Das bedeutet aber nicht, dass der Behälter zwingend zwei Öffnungen aufweisen muss, von denen eine – die Einlassöffnung – bis zur Entleerung des Behälters verschlossen ist. Vielmehr kann der Behälter auch so gestaltet sein, dass die Einlassöffnung durch materialgeschwächte Stellen oder das Verschlussstück so abgedeckt ist, dass lediglich ein Teil der Einlassöffnung als Auslassöffnung für Tücher und Tupfer zurückbleibt. Wenn der Behälter geleert ist, kann die Auslassöffnung dann durch Entfernung der materialgeschwächten Teile oder des Verschlussstücks quasi „aufgeweitet“ werden. Dies kommt in den Unteransprüchen 5 und 10 beziehungsweise in den Ausführungsbeispielen der Klagepatentbeschreibung zum Ausdruck. Ebenso ist es möglich, dass ein erfindungsgemäßer Behälter mehrere Einlassöffnungen enthält. Dies wird aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs deutlich, wonach der Behälter „mit einer oder mehreren materialgeschwächten Stelle(n) in mindestens einer Wand oder mit mindestens einem Verschlussstück“ versehen ist. Da jede materialgeschwächte Stelle beziehungsweise jedes Verschlussstück auch eine Einlassöffnung abdecken kann, kann es durchaus mehrere Einlassöffnungen geben, auch wenn im Klagepatentanspruch im Übrigen nur von „einer“ und „der“ Einlassöffnung die Rede ist. Der Fachmann erkennt jedoch, dass eine weitere Einlassöffnung unschädlich ist, da die Funktion, gebrauchte medizinische Artikel abzustreifen oder abzuschrauben und aufzunehmen, weiterhin erfüllt wird.

e) Wie die Auslass- und Einlassöffnungen geformt sein müssen, wird durch den Klagepatentanspruch nicht festgelegt. Ihre räumlich-körperliche Beschaffenheit wird lediglich durch ihre Funktion vorgegeben. Alles weitere bleibt dem Fachmann überlassen. Dieser erkennt, dass durch die Auslassöffnung Tücher oder Tupfer entnommen werden. Dementsprechend muss die Auslassöffnung eine Größe aufweisen, die die Entnahme von Tüchern oder Tupfern erlaubt. Ob die Öffnung jedoch rund, oval, schlitz- oder sternförmig geformt ist, ist unbeachtlich.

Ähnliches gilt für die Einlassöffnung. Der Klagepatentanspruch ordnet lediglich an, dass an ihr gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt (Merkmal 5b)) sowie durch sie in den Behälter befördert werden können (Merkmal 5c)). Der Fachmann wird daher die Einlassöffnung entsprechend ihrer Funktion ausgestalten. Diese besteht darin, zum einen an ihr gebrauchte medizinische Artikel abschrauben, abstreifen oder abhebeln zu können und zum anderen durch sie hindurch die gebrauchten medizinischen Artikel entfernen zu können.

Der Fachmann wird unter gebrauchten medizinischen Artikeln nur solche verstehen, die nur einmal verwendet werden und von einer Vorrichtung, die anderweitige Verwendung findet, abgelöst werden sollen und können. Es handelt sich dabei typischerweise um die in der Klagepatentbeschreibung genannten Kanülen, Spritzen und Nadeln. Auch wenn dies im Klagepatentanspruch nicht ausdrücklich erwähnt wird, ergibt sich eine solche Auslegung des Begriffs „gebrauchte medizinische Artikel“ aus der Anordnung, dass die Artikel an der Einlassöffnung abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt und dann in den Behälter befördert werden sollen. Dies ist nur dann sinnvoll, wenn sie an einer anderen Vorrichtung befestigt sind, die nicht zu dem mit Hilfe der Vorrichtung zu entsorgenden Abfall gehört.

Die konkrete Ausgestaltung der Einlassöffnung wird im Klagepatentanspruch lediglich funktional umschrieben. In der Beschreibung des Klagepatents finden sich aber Hinweise auf eine mögliche Ausgestaltung von Einlassöffnungen, die dem Abschrauben, Abstreifen oder Abhebeln gebrauchter medizinischer Artikel dienen. Es handelt sich zum einen um eine Öffnung, deren gegenüberliegende Seiten in einen engeren und in einen weiteren Radius münden. Die gegenüberliegenden Wandränder sind gabelschlüsselartig angeordnet und können zum Abschrauben von Kanülen von Einwegspritzen benutzt werden. Zum anderen sind schräg angeordnete Materialerhöhungen an den Wandrändern zum Abstreifen von Einmalkanülen und Nadeln möglich (S. 2 fünftletzter Absatz der Anlage K1). In ähnlicher Weise schlägt die Beschreibung des Klagepatents für das zweite Ausführungsbeispiel (Figur 5) eine Einlassöffnung vor, mit der Kanülen, Nadeln, Spritzen und dergleichen abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können (S. 2 viertletzter Absatz der Anlage K1). Beide Vorrichtungen sind auch in den Figuren 4 und 7 der Klagepatentschrift dargestellt. Außerdem sind solche Ausgestaltungen der Einlassöffnung aus dem Stand der Technik, der jedoch in der Klagepatentschrift keine Erwähnung findet, bekannt (vgl. Anlage B5). Soweit ein Behälter eine Einlassöffnung aufweist, die diesen Anforderungen genügt und zugleich so beschaffen ist, dass durch sie die gebrauchten medizinischen Artikel in den Behälter befördert werden können, handelt es sich um eine Einlassöffnung im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs.

4.
Vor dem Hintergrund dieser Auslegung macht der in den Anlagen K5 bis K7 und K14 abgebildete Behälter von der Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch.

Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um einen Spender für trockene oder vorbefeuchtete Tücher oder Tupfer (Merkmal 1). Die dafür erforderlichen Anforderungen an einen erfindungsgemäßen Spender werden von der angegriffenen Ausführungsform erfüllt. Denn unstreitig handelt es sich um einen Behälter mit einer Vielzahl von Wänden, die einen Hohlraum für Tücher und Tupfer in gestapelter oder aufgerollter Form begrenzen (Merkmal 2 und 2a)). Dies wird auch von der Beklagten nicht angegriffen.

Weiterhin weist der Behälter eine Öffnung in einer der Wände zur Entnahme der Tücher oder Tupfer auf. Die Auslassöffnung wird durch die sternförmig angeordneten Schlitze in dem weißen Plastikteil gebildet, die in der Anlage K7 ohne weiteres als Öffnung zu erkennen sind. Durch diese Öffnung können Tücher und Tupfer entnommen werden. Für die Form der Auslassöffnung genügt – wie bereits ausgeführt worden ist – die Eignung zur Entnahme von Tüchern oder Tupfern. Das ist hier der Fall. Es ist gerichtsbekannt, dass Öffnungen von Spendern für Tücher oder Tupfer regelmäßig in dieser Form ausgebildet sind. Eine kreuzförmige Anordnung von Schlitzen wird auch in den Gebrauchsmustern G 81 23 069 (Anlage B2, dort S. 2 erster Absatz) und G 78 23 509.3 (Anlage B4, dort S. 4 erster Absatz, S. 9 dritter Absatz und Figur 2) als Auslassöffnung erwähnt. Ein Zipfel des ersten Tuches ragt aus der Öffnung über das Deckeloberteil. An diesem Zipfel kann das gesamte Tuch aus dem Behälter gezogen werden. Passieren dickere oder breitere Stellen des Tuches die Öffnung, federn die durch die Schlitze der Öffnungen gebildeten Laschen des weißen Plastikteils auf, um das Tuch passieren zu lassen. Umgekehrt federn sie nach der Entnahme des Tuches wieder in die Ausgangsstellung zurück und halten aufgrund dieser Klemmwirkung den bereits aus dem Deckeloberteil ragenden Zipfel des nächsten Tuchs fest.

Unbeachtlich ist, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Öffnung nicht unmittelbar in einer der gelben Behälterwände selbst angeordnet ist, sondern durch das weiße Plastikteil gebildet wird, das eine größere, halbkreisförmige Öffnung an der Deckeloberseite abdeckt. Wie unter Ziffer III. 3d) ausgeführt worden ist, kann die Auslassöffnung auch dadurch gebildet werden, dass sie im Verschlussstück angeordnet ist, das wiederum die Einlassöffnung abdeckt. So liegt der Fall hier. Denn das weiße Plastikteil bildet das Verschlussstück im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs. Es deckt die halbkreisförmige Öffnung im Behälteroberteil überlappend ab, die an ihrer geraden Seite noch zwei Einkerbungen enthält. Ebenso wird eine weitere kleine runde Öffnung abgedeckt, in die acht etwa dreieckige Zacken oder Zungen des gelben Behälteroberteils hineinragen. Beide Öffnungen bilden Einlassöffnungen und sind in der Anlage K7 innerhalb des gelben Behälteroberteils, abgedeckt durch das weiße Plastikteil, zu erkennen.

Das Verschlussstück kann von dem Behälteroberteil der angegriffenen Ausführungsform entfernt werden. Wie die Klägerin ausgeführt hat und wie auch anhand der Abbildung in Anlage K7 erkennbar ist, ist das weiße Plastikteil mit einem Rastknopf, der unter die in die kleine runde Öffnung ragenden Zungen des Behälteroberteils greift, verrastet. Ebenso untergreift das weiße Plastikteil mittels eines Flansches auf der anderen Seite, am Rand der halbkreisförmigen Öffnung, die Behälteroberseite. Die Klägerin hat unbestritten dargelegt, dass sich der Rastknopf löst, wenn auf das weiße Plastikteil im Bereich der Auslassöffnung gedrückt wird. Das Plastikteil kippt nach innen und fällt in den Behälter. Wird das Verschlussstück in dieser Weise entfernt, werden die beiden Einlassöffnungen freigegeben.

Die angegriffene Ausführungsform weist nach Entfernung des Verschlussstücks Einlassöffnungen im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs auf. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass die halbkreisförmige Öffnung geeignet ist, durch sie gebrauchte medizinische Artikel in den Behälter zu befördern. Die halbkreisförmige Öffnung in der Behälteroberseite hat darüber hinaus an ihrem Rand zwei Aussparungen. Diese sind geeignet, im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs gebrauchte medizinische Artikel abzulösen. Zum einen handelt es sich um eine längliche Aussparung, die halbkreisförmig endet. Gerade diese Form der Aussparung wird auch im Klagepatent beschrieben, lediglich mit dem Unterschied, dass dort die Einlassöffnung auf beiden Seiten (gabelschlüsselartig) jeweils eine Vorrichtung zum Abschrauben von Kanülen hat, indem sie in unterschiedlichen Radien an beiden Seiten mündet. Diese Form der Einlassöffnung eignet sich zum Abschrauben von Kanülen (S. 2 fünftletzter Absatz a.E.). In ähnlicher Weise kann auch die weitere, sich stufenweise verjüngende Aussparung genutzt werden. Durch die stufenweise sich verengende Aussparung werden quasi unterschiedliche Radien geschaffen, in die Spritzen unterschiedlicher Breite passen, so dass die Kanülen und Nadeln abgelöst werden können. Dieses Prinzip liegt auch der aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtung zum Ablösen von Injektionsnadeln (Anlage B5) zugrunde. Dass die Aussparungen der angegriffenen Ausführungsform sogar zum Ablösen von Kanülen und Spritzen bestimmt sind, ergibt sich aus dem Internetauftritt der Firma C (Anlage K5). Dort ist eine Spritze dergestalt abgebildet ist, dass sie mit der Kanüle durch die Aussparung ragt, damit die Kanüle entfernt und entsorgt werden kann. Ob schließlich auch die runde Öffnung, in die die etwa dreieckigen Zacken der Behälterwand hereinragen, dem Abschrauben von Kanülen dient, kann dahinstehen, da es genügt, dass die übrigen Öffnungen dem Ablösen gebrauchter medizinischer Artikel dienen.

IV.
Da die Beklagte mit den angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs in unberechtigter Weise Gebrauch macht, ist sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG.

Da die Beklagte auch schuldhaft gehandelt hat, ist sie der Klägerin zum Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG verpflichtet. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.

Die Klägerin kann Schadensersatz jedoch nur für patentverletzende Handlungen seit dem 15.01.1996 verlangen. Ihr kann nur ab diesem Zeitpunkt ein Schaden entstanden sein, weil sie vorher noch nicht ausschließliche Lizenznehmerin war. Sie hat im Übrigen nicht dargelegt, dass ihr etwaige Schadensersatzansprüche, die der Patentinhaberin vor dem 15.01.1996 durch Handlungen der Beklagten entstanden, abgetreten wurden.

Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet. Allerdings kann Rechungslegung und Auskunft nur für die seit dem 15.01.1996 begangenen Handlungen verlangt werden. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im vorherigen Absatz verwiesen.

B
Der Klageantrag zu III. ist teilweise begründet.

I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 8.674,00 EUR aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB bzw. § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagte hat von der Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch gemacht und ist der Klägerin zur Erstattung der mit der außergerichtlichen Rechtsverfolgung verbundenen Kosten verpflichtet.

Regelmäßig sind die Kosten einer berechtigten Abmahnung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. aus Schadensersatzgesichtspunkten zu erstatten. Vorliegend wurde die Beklagte aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung einzugehen. Die Abmahnung war berechtigt, weil die Beklagte durch den Vertrieb der „Entsorgungsbox für Spritzen“ das Klagepatent verletzt. Zur Begründung kann auf die Ausführungen unter (A) Bezug genommen werden. Die Abmahnung war objektiv nützlich und entspricht dem mutmaßlichen Willen der Beklagten, die mit der außergerichtlichen Unterwerfung die gerichtliche Inanspruchnahme und damit verbundene höhere Kosten hätte vermeiden können.

Die Klägerin kann jedoch die Rechtsanwaltskosten nicht in voller Höhe verlangen. Der Gegenstandswert ist vielmehr mit 450.000,00 EUR anzusetzen. Der von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugrunde gelegte Gegenstandswert von 500.000,00 EUR ist überhöht, weil darin auch Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung für Handlungen im Zeitraum vom 10.07.1992 bis zum 15.01.1996 umfasst sind. Die Klägerin ist jedoch mangels Aktivlegitimation nicht berechtigt, diese Ansprüche geltend zu machen. Ohne diesen Zeitraum wäre ein Gegenstandswert von nur 450.000,00 EUR berechtigt.

Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 450.000,00 EUR betragen die Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten bei Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG und einer Auslagenpauschale von jeweils 20,00 EUR gemäß Nr. 7002 VV RVG insgesamt 8.674,00 EUR. Mehrwertsteuer wurde nicht berechnet, da die Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt ist.

II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte außerdem einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Zinsbeginn für einen Betrag von 5.014,00 EUR ist der 11.06.2007, da zu diesem Zeitpunkt die Klage mit dem Antrag auf Zahlung dieses Betrages zugestellt worden ist. Der Zahlungsantrag mit dem Restbetrag wurde erst in der mündlichen Verhandlung am 13.05.2008 mit der Klageerweiterung rechtshängig.

C
Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin die Feststellung der Schadensersatzpflicht und Rechnungslegung und Auskunft für einen Zeitraum vor dem 15.01.1996 geltend macht und Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten über einen Betrag von 8.674,00 EUR hinaus verlangt. Zur Begründung wird auf die Ausführungen in den Abschnitten C und D verwiesen.

D
Für eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf die von der Beklagten als Anlage B1 und B10 vorgelegte Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent besteht kein hinreichender Anlass.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt daher nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder die Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

I.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das Klagepatent mit dem durch die Hinzufügung des weiteren Merkmals geänderten Patentanspruch 1 wegen unzulässiger Erweiterung gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG vernichtet wird.

Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents – gegebenenfalls in seiner verteidigten Fassung – mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist in diesem Sinne die durch die Patentansprüche definierte Lehre, wohingegen zum Inhalt der ursprünglichen Unterlagen die gesamte technische Information gehört, soweit sie in den Anmeldungsunterlagen dem Fachmann als zur Erfindung gehörig offenbart wird.

Die Beklagte ist der Auffassung, das zusätzliche Merkmal 5c), nach dem an der Einlassöffnung gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können, sei nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart, weil dort nur konkret von Kanülen, Nadeln und Spritzen die Rede sei, nicht aber von gebrauchten medizinischen Artikeln. Diese Ansicht trifft nicht zu. Zwar liegt die Offenlegungsschrift ebenso wenig vor wie die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen. Die Parteien gehen im Nichtigkeitsverfahren aber übereinstimmend davon aus, dass der Inhalt der Patentanmeldung mit dem Inhalt der Klagepatentschrift übereinstimmt. Mit Blick auf den Beschreibungsteil der Klagepatentschrift führt das eingefügte Merkmal 5c) nicht zu einer unzulässigen Erweiterung im Sinne von Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG. Denn im Beschreibungsteil wird ein in der Figur 5 abgebildetes Ausführungsbeispiel mit einer Einlassöffnung beschrieben, durch die (…) „gebrauchte Kanülen, Nadeln, Spritzen od dergleichen abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können“ (S. 2 drittletzter Absatz). Der Fachmann wird unter dem Zusatz „od dergleichen“ alle medizinischen Artikel verstehen, die abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können. Denn bei Spritzen, Nadeln und Kanülen handelt es sich im Gesamtzusammenhang des Klagepatents um Artikel aus dem medizinischen Bereich. Der Begriff „dergleichen“ stellt eine Verallgemeinerung dar, die mit dem Ausdruck „medizinische Artikel“ zutreffend umschrieben wird. Dass es sich um gebrauchte medizinische Artikel handeln soll, erfährt der Fachmann bereits dadurch, dass auch die Spritzen, Nadeln und Kanülen gebraucht sind und in dem Behälter entsorgt werden sollen.

Soweit die Beklagte im Nichtigkeitsverfahren vorträgt, durch die Wortwahl „an der“ im Klagepatentanspruch statt „durch die“ im Beschreibungsteil des Klagepatents sei der Gegenstand des Klagepatents unzulässig erweitert worden, kann dem nicht gefolgt werden. Technisch macht es keinen Unterschied, ob die gebrauchten medizinischen Artikel an der oder durch die Einlassöffnung gelöst werden. Dementsprechend ist auch die Beklagte jede Erklärung für ihre Auffassung schuldig geblieben.

II.
Die klagepatentgemäße Erfindung ist im Hinblick auf die mit der Nichtigkeitsklage der Beklagten vom 02.02.2007 vorgelegte Entgegenhaltung G 81 23 069.9 (Anlage B2, im Folgenden B2) neu im Sinne von Art. 54 Abs. 1 EPÜ.

Gegenstand der B2 ist ein Behälter aus Kunststoff für Tücher. Dieser weist nach Hauptanspruch 1 eine Entnahmeöffnung zur Entnahme einzelner Tücher auf. Dabei befindet sich die Entnahmeöffnung in einem Einsatz aus weichem Material, der in eine Halterungsöffnung des Behälters eingesetzt ist. Eine vorteilhafte Ausführungsform wird in der Entgegenhaltung B2 dahingehend beschrieben, dass der Behälter durch eine Dose gebildet wird und der Einsatz in einem Schraubdeckel für die Dose angeordnet ist. Dadurch ist der Einsatz durch Abschrauben des Schraubdeckels leicht zugänglich und kann bei wiederverwendbaren Dosen leicht entnommen und gereinigt werden (S. 4 der Anlage B2). Ein Ausführungsbeispiel der B2 ist in der nachstehenden Abbildung, die der Gebrauchsmusterschrift entnommen ist, zu sehen:

Als Verschlussstück im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs kann in der B2 sowohl der Einsatz (7), als auch der Schraubdeckel (2) angesehen werden, die in der Figur 1 abgebildet sind. Dieses Verschlussstück – sei es der Einsatz oder der Schraubdeckel – deckt eine Einlassöffnung ab und kann nach Entleerung des Behälters entfernt werden. Dies ist beim Schraubdeckel in der Figur 1 erkennbar. Wird der Behälter aufgeschraubt und der Deckel abgenommen, wird die Öffnung an der Oberseite des Behälters freigegeben. Ebenso kann der Einsatz (7) aus der Halterungsöffnung (4) entfernt werden, so dass die Halterungsöffnung (4) freigegeben wird. In der B2 wird jedoch nicht offenbart, dass an der so entstandenen Einlassöffnung gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können (Merkmal 5b)).

Der Auffassung der Beklagten, die Öffnung (4) in der Figur 1 der B2 biete eine hinreichend stabile Kante, um daran eine Kanüle abzustreifen, kann nicht gefolgt werden. Zum Beleg ihrer Ansicht verweist die Beklagte auf von ihr durchgeführte Versuche mit einem Behälterdeckel, von dem sie selbst sagt, dass er nicht unbedingt zum Stand der Technik gehöre, aber dem in der B2 beschriebenen Gegenstand entspreche. Wenn aber der Deckel nicht zum Stand der Technik gehört, kann er nicht maßgeblich für die Frage der Neuheit des Klagepatentanspruchs in der Fassung des Hilfsanspruchs sein. Die Neuheit ist vielmehr allein anhand der Druckschrift B2 zu überprüfen. Diese offenbart aber keine Einlassöffnung, an der gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können. In der B2 wird lediglich vorgeschlagen, dass der Behälter (1) und das Behälteroberteil (2) mit dem Schraubdeckel aus normal hartem Kunststoff gefertigt wird und der Einsatz (7) aus weichem Kunststoff in eine Halterungsöffnung (4) im Behälteroberteil eingesetzt wird. Um Klebstoff zu vermeiden wird weiterhin vorgeschlagen, dass der Einsatz mit Rippen versehen ist, die den Rand der Halterungsöffnung umgreifen (S. 3 erster Absatz der Anlage B2). Der Fachmann erfährt aber nichts darüber, wie der Rand der Halterungsöffnung im Übrigen ausgestaltet sein soll. Insbesondere wird ihm nicht vorgegeben, dass die Öffnung auch dazu dient, gebrauchte medizinische Artikel abzuschrauben, abzustreifen oder abzuhebeln. Es ist daher nicht zwingend, dass die Öffnung eine Kante aufweist, die das Abstreifen einer Kanüle ermöglicht, wie es die Beklagte in ihrem Versuch (Anlage B7 bis B9) demonstriert hat. Dies gilt auch im Hinblick auf die Figur 1 der B2, die keine Detailzeichnung darstellt und insofern nicht vorgibt, wie der Rand der Öffnung zu gestalten ist. Gleiches gilt für die Einlassöffnung, die entsteht, wenn der Deckel des Behälters abgeschraubt wird.

III.
Die in der Anlage B3 abgebildete „D-Box“ ist ebenfalls nicht geeignet, eine positive Erfolgsprognose für die Nichtigkeitsklage zu geben und eine Aussetzung der mündlichen Verhandlung zu begründen. Bei der „D-Box“ handelt es sich um eine Entsorgungsbox für medizinische Abfälle. Sie eignet sich jedoch auch zur Aufnahme von gestapelten Tüchern oder Tupfern, die durch eine der Öffnungen entnommen werden können. Der Behälterdeckel weist zwei materialgeschwächte Stellen auf, die eine Öffnung im Deckel abdecken und entlang der Perforation abgerissen und entfernt werden können. Dadurch wird eine große Öffnung freigelegt, die die Aufnahme gebrauchter medizinischer Artikel gestattet.

Die Beklagte behauptet, dass sie die „D-Box“ ab dem Frühjahr 1988 von der dänischen Zulieferfirma E bezogen und erstmals im Rahmen der Messe „Interfab“ in Nürnberg zwischen dem 07. und 10.06.1988 auf dem eigenen Stand ausgestellt habe. Es habe sich dabei um das erste und einzige zum Verkauf angebotene Produkt der Beklagten gehandelt. Diese Ausführungen werden von der Klägerin bestritten. Zum Beweis ihrer Behauptung hat die Beklagte zwei Zeugen angeboten.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt hinreichend substanttiert vorgetragen hat, dass die „D-Box“ von ihr vor dem 19.07.1988 in neuheitsschädlicher Weise benutzt wurde. Denn die Aussetzungsentscheidung beruht auf einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens vor dem Bundespatentgericht. Dessen Entscheidung hängt – wenn nicht das Klagepatent aus einem anderen Grund nichtig ist – von einer Beweisaufnahme über die Behauptung der Beklagten ab, sie habe auf der Messe „Interfab“ vom 07. bis 10.06.1988 die „D-Box“ für die Öffentlichkeit zugänglich ausgestellt. Es kann nicht prognostiziert werden, ob das Bundespatentgericht überhaupt Beweis erhebt, welches Ergebnis die Beweisaufnahme haben wird und wie das Bundespatentgericht das Ergebnis würdigen wird. Diese Prognose kann auch nicht mit Hilfe einer Beweisaufnahme durch das hiesige Verletzungsgericht getroffen werden. Kann also die Beklagte nicht durch Urkunden die Vorbenutzung belegen, geht dies zu ihren Lasten, da nicht angenommen werden kann, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg haben wird und für den vorliegenden Rechtsstreit vorgreiflich ist.

IV.
Die Entgegenhaltung G 78 23 509.3 (Anlage B4, im Folgenden kurz: B4) nimmt die Lehre des Klagepatentanspruchs nicht neuheitsschädlich vorweg.

Die B4 hat einen Behälter für nasses oder feuchtes Papiertuch oder dergleichen zum Gegenstand. Dieser besteht unter anderem aus einem Gehäuse zur Aufnahme eines Papierstreifens und einer Kappe, die lösbar am Gehäuse befestigt ist und eine Entnahmeöffnung in der Größe eines punktförmigen Lochs für die Entnahme der Papierstreifen aufweist. Die Kappe kann abgenommen werden, um einen Papierstreifen und Toilettenwasser einzufüllen. Nach dem Verschließen des Behälters mit der Kappe können Papierstreifen durch die Entnahmeöffnung entnommen werden. Die Kappe zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Bereich der Entnahmeöffnung elastisch ist. Es wird vorgeschlagen, ein kuppelförmiges Teil aus Gummi mit punktförmiger Entnahmeöffnung in eine Aussparung der Kappe einzusetzen. (S. 6 der Anlage B4). Die nachstehende Figur zeigt ein Ausführungsbeispiel eines Behälters, wie er in der B4 beschrieben wird.

Der in der B4 beschriebene Behälter stellt einen Spender für Tücher oder Tupfer dar. Er besteht aus einer Vielzahl von Wänden, die einen Hohlraum für die Tücher bilden, und weist – in der Figur 3 erkennbar – ein Loch (4) zur Entnahme von Tüchern oder Tupfern auf. Darüber hinaus kann die in der Figur 3 abgebildete Kappe (2) als Verschlussstück im Sinne des Lehre des Klagepatentanspruchs angesehen werden. Sie deckt die Öffnung an der Behälteroberseite ab und kann abgeschraubt werden (S. 5 letzter Absatz der Anlage B4), so dass die Öffnung freigegeben wird. Diese Öffnung stellt jedoch keine Einlassöffnung im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs dar, weil in der B4 nicht offenbart wird, dass an ihr gebrauchte medizinische Artikel abgeschraubt, abgestreift oder abgehebelt werden können. Die B4 enthält zur räumlich-körperlichen Gestaltung der Öffnung an der Behälteroberseite keine Angaben. Der Fachmann erfährt nur, dass der Behälter aus Kunststoff bestehen kann. Wie aber bereits zur B2 ausgeführt wurde, kann daraus allein nicht gefolgert werden, dass der Fachmann eine Eignung der Öffnung zum Ablösen von gebrauchten medizinischen Artikeln als zur Erfindung gehörig ansieht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann das in der Figur 3 abgebildete kuppelförmige Teil (5) nicht als Verschlussstück im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs angesehen werden. Zwar wird das kuppelförmige Teil (5) in eine Öffnung in der Kappe (2) eingesetzt, aber die Entgegenhaltung B4 offenbart nicht, dass das kuppelförmige Teil entfernt werden kann, um diese Öffnung freizugeben. Die Beschreibung der B4 enthält dazu keinerlei Hinweise. Aus den Figuren ist lediglich erkennbar, dass das kuppelförmige Teil unter anderem dadurch am Rand des Behälters befestigt ist, indem der Rand in eine Nut zwischen zwei Flansche des kuppelförmigen Teils greift. Dem kann aber nicht entnommen werden, dass sich das Teil auch wieder entfernen lässt, da die Befestigung allein dem Fachmann überlassen ist, der das kuppelförmige Teil zum Beispiel zusätzlich mit der Kappe verkleben kann. Mit dieser Begründung kann auch nicht aus dem Umstand, dass in der B4 als Material für das kuppelförmige Teil Gummi oder ein weicher Kunststoff vorgeschlagen wird, gefolgert werden, dass es sich um materialgeschwächte Stellen handelt, die entfernt werden können. Nähere Überlegungen zur weiteren Ausgestaltung einer Einlassöffnung erübrigen sich daher ebenso.

IV.
Die Entgegenhaltungen EP 0 304 619 A2 und EP 0 278 380 A1 (Anlagen B5 und B6, nachfolgend auch als B5 und B6 bezeichnet) sind für die Frage der Neuheit nicht beachtlich. Die Beklagte selbst hat in der Nichtigkeitsklage dazu vorgetragen, dass die beiden Entgegenhaltungen den Gegenstand des Klagepatentanspruchs nicht vollständig in allen Merkmalen zeigen. Die B5 und B6 seien nur hinzugefügt worden, um zu zeigen, dass eine Vielzahl von Tücherspendern und Abfallbehältern im medizinischen Bereich bekannt gewesen seien. In Verbindung mit den B2 bis B4 fehle es daher in jedem Fall an einer erfinderischen Tätigkeit.

Aber auch dieser Ansicht der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Es bestehen durchaus Gründe, um eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Art. 56 EPÜ im Hinblick auf die Entgegenhaltungen B5 und B6 zu bejahen. Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, warum der Fachmann veranlasst sein sollte, die Entgegenhaltungen B2 oder B4 mit den aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtungen zum Abstreifen oder Abschrauben von Kanülen oder Nadeln (B5) zu kombinieren. Der Fachmann musste ausgehend von der B2 beziehungsweise B4 zu der Überlegung kommen, die Behälter nicht nur als Spender für Tupfer oder Tücher zu verwenden, sondern sie nach der Entleerung einer anderen, weiteren nützlichen Funktion zuzuführen. Dafür erhielt er durch keine der Druckschriften B2 und B4 eine Anregung, so dass es durchaus vertretbar ist, die Überlegung als erfinderisch anzusehen, den Spender auch als Abfallbehälter zu verwenden, an dem Kanülen und Nadeln abgestreift oder abgeschraubt werden können. Dass die Vorrichtungen zum Abschrauben, Abstreifen oder Abhebeln bereits bekannt waren, ist unbeachtlich. Erfinderisch ist vielmehr der Gedanke, einen Spender für Tücher und Tupfer mit einer weiteren Öffnung mit diesen Vorrichtungen zu versehen und ihn als Abfallbehälter zu verwenden.

E
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: insgesamt 500.000,00 EUR
Antrag zu I. 1. 300.000,00 EUR
Antrag zu I. 2. 40.000,00 EUR
Antrag zu II. 160.000,00 EUR
Antrag zu III. (gemäß § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend)