4a O 10/13 – Verbundvliesstoff

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2142

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. November 2013, Az. 4a O 10/13

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

saugfähiges, hydroverhaktes Verbund-Faservlies in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,

welches eine vorverfestigte Gespinstverbundschicht (A) und eine saugfähige Pulpeschicht (B) in Kontakt mit der vorverfestigten Gespinstverbundschicht (A) besitzt, wobei die vorverfestigte Gespinstverbundschicht Endlosfilamente mit einem Durchmesser (DI) von weniger als oder gleich 15 μm sowie Bindungspunkte aufweist, wobei die Dichte (DD) der genannten Bindungspunkte höher oder gleich 90 Punkte pro cm2 ist,

2. der Klägerin unverzüglich schriftlich und vollständig Auskunft zu erteilen und darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang, sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 28. November 2009 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses, unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten und -preisen unter Einschluss von Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer und Verkaufssteilen, für die sie bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen unter Einschluss von Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungsund Vertriebskosten und des erzielten Gewinns,

sowie zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs und Verkaufsbelege (Rechnungen und – soweit Rechnungen für einzelne Lieferungen nicht erhältlich sind – die Lieferscheine) in Kopie vorzulegen;

3. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigenen Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennende Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten,

a) seit dem 28. November 2009 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird,

b) mit ihnen gemäß Ziffer I. 3. zu verfahren.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der seit dem 28. November 2009 begangenen Handlungen gemäß Ziffer I. 1. entstanden ist und noch entstehen wird

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Bezug auf den Urteilsausspruch zu Ziffer I. 2. in Höhe von 100.000,- EUR vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.400.000,- EUR.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 961 XXX B 1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents, nachdem sie im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen von der Muttergesellschaft, der A SpA, deren Betriebsstätten übernommen und das hier geltend gemachte Klagepatent übertragen bekommen hatte. Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 22.02.2007; die Eintragung wurde am 28.10.2009 bekannt gegeben. Das Klagepatent steht in Kraft. Ein Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent blieb vor dem Europäischen Patentamt ohne Erfolg. Beschwerde hiergegen wurde nicht eingelegt.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Wasserstrahlverfestigter Verbundflies mit Spinnvliesschicht und saugfähiger Zellstoffschicht, Verfahren und kontinuierliches System zur Herstellung dieses Verbundstoffes“. Die Erfindung betrifft einen neuartigen wasserstrahlverbundenen oder -verwirbelten (hydro-verhakten oder hydro-verursachtem Verfangen) Verbundvliesstoff zum Absorbieren von Flüssigkeiten. Dieser umfasst zumindest eine vorverdichtete Spinnvlieslage und eine absorbierende Pulpelage. Die Erfindung betrifft außerdem ein Verfahren und ein kontinuierliches System zur Herstellung des neuartigen absorbierenden Verbundvliesstoffs.

Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 20, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, lautet in seiner deutschen Fassung wie folgt:

„Saugfähiges, hydroverhaktes Verbund-Faservlies, umfassend eine vorverfestigte Gespinstverbund-Schicht (A) und eine saugfähige Pulpe-Schicht (B) in Kontakt mit der vorverfestigten Gespinstverbund-Schicht (A), dadurch gekennzeichnet, dass die vorverfestigte Gespinstverbund-Schicht (A) Endlos-Mikrofilamente mit einem Durchmesser (Dl) von weniger als oder gleich 15 μm sowie Bindungspunkte (210b) aufweist, wobei die Dichte (DD) der genannten Bindungspunkte (210b) höher als oder gleich 90 Punkte/cm2 ist.“

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Herstellung von Verbundvliesstoffen, die im Bereich der Körperhygiene Anwendung finden. Verbundvliesstoffe bestehen aus mehreren Schichten. Üblicherweise bestehen sie aus einem Spinnvlies als Trägerschicht, einer flüssigkeitsaufsaugenden Faser- bzw. Pulpeschicht und einer Deckschicht. Neben dem Aufbau eines Verbundvliesstoffes selbst befasst sich das Klagepatent auch mit der Herstellung der Spinnvliesschicht und des unmittelbaren Verbindens mit den weiteren Schichten auf der gleichen Anlage zum fertigen Produkt. Nachfolgend ist Figur 2 als ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der technischen Lehre des Klagepatents wiedergegeben, welche der Klagepatentschrift entnommen worden ist und die „B“-Produktionslinie darstellt.

Figur 2 gibt in schematischer Darstellung ein durchgängiges System zur Herstellung des Verbundvliesstoffes wieder.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, welches Kunststofffasern und Vliese herstellt und vertreibt. Die Beklagte stellt her und vertreibt Feuchttücher, deren Verpackung die Aufschrift „babylove“ aufweisen (angegriffene Ausführungsform). Gemäß dem Materialhinweis der Beklagten wird bei dem Feuchttuch ein Materialaufbau Spinnvlies – Pulpe – cardierte Schicht eingesetzt. Die angegriffene Ausführungsform verletzt den Klagepatentanspruch 20 zumindest bis Ende 2012.

Die Beklagte kaufte aus der Insolvenzmasse eines zur Muttergesellschaft der Klägerin, der A SpA, gehörendem Unternehmen, der A Germany C GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin), einzelne Produktionsanlagen. Die D E GmbH (im Folgenden: D) und die F G GmbH verschmolzen im April 2008 zur Gemeinschuldnerin. Am 03.02.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet.

Mit notariellem Vertrag vom 10.09.2009 erwarb die Beklagte von dem Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin Produktionsanlagen einschließlich des entsprechenden Teils des Betriebsgrundstücks. Eine dieser Anlagen trägt die Bezeichnung „B“ und dient der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform. Die Produktionslinie „B“ ist in dieser Form die weltweit einzige existierende Anlage. Unter anderem heißt es auszugsweise in dem notariellen Vertrag wie folgt:

„A § 2 Verkauf
2.1. Der Verkäufer verkauft den unter Ziffer A § 1 Ziffer 1.1. bezeichneten Grundbesitz mit allen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör an den dies annehmenden Käufer zu Alleineigentum.

2.2. Mitverkauft wird das gesamte, auf dem Vertragsanwesen vorhandene Anlagevermögen gemäß Anlage 1 (insbesondere die dort aufgeführten Produktionszentren D, B) zum alleinigen Eigentum. Die Käuferin hat das in Anlage 1 aufgeführte und hiermit mitverkaufte Anlagevermögen im Vorfeld besichtigt und geprüft.

Soweit die Gemeinschuldnerin Inhaber von Rechten ist, werden diese mit übertragen.

Der Notar hat die Beteiligten darüber belehrt, dass der Inhalt dieses Verzeichnisses (Anlage 1) als Teil ihrer Vereinbarungen mit Abschluss dieses Vertrages für sie verbindlich ist. Die Beteiligten erklärten, dass sie den Inhalt‘ des Verzeichnisses kennen und dass sie auf das Vorlesen der Anlage 1 verzichten. Die Anlage wurde den Beteiligten zur Kenntnisnahme und Unterzeichnung vorgelegt. Alle Beteiligten unterzeichneten das Verzeichnis auf jeder Seite einzeln.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Eigentum an dem gemäß Anlage 1 mitverkauftem Anlagevermögen aufschiebend bedingt erst mit vollständiger Kaufpreishinterlegung auf den Käufer übergeht.“

Weiter heißt es unter Ziffer A. § 6:

„6.3. Der Verkäufer ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand und vor dem Hintergrund insolvenzrechtlicher Anmeldeerfordernisse im Besitz der für den augenblicklichen Betrieb / die zurzeit laufende Produktion notwendigen Lizenzen und Erlaubnisse.

Fremdrechtsanmeldungen liegen erstmals durch den Alleingesellschafter seit dem 12.05.2009 vor. Dieses Schreiben ist dem Käufer bekannt.

Die daraufhin zwischenzeitlich veranlassten Patentrecherchen haben ergeben, dass lediglich auf dem hier in Rede stehenden Kaufgegenstand zugunsten der Gesellschafterin (A SpA. Italien) eine Anmeldung auf europäische Patenterteilung zur Eintragungsnummer Anmeldenummer EP 1 961 XXX A1 vorliegt. Die entsprechenden Stellungnahmen der Patentanwälte H, München, vom 26.08.2009 und vom 07.09.2009 liegen dem Käufer vor (Anlage 5a und 5b)).

Der Verkäufer verpflichtet sich, gegen das gegebenenfalls zur Eintragung beim vom Europäischen Patentamt zu München gelangende Patent (Nummer 1,961,XXX A1), in der Weise vorzugehen, dass er vorsorglich und fristgerecht sowie auf eigene Kosten bei sämtlichen deutschen Landgerichten Schutzschriften hinterlegen lässt. Der Verkäufer wird den Käufer in vollem Umfang Kenntnis über diese Verfahren geben und ihm alle relevanten Unterlagen dazu übergeben, damit der Käufer so in die Lage versetzt wird später gegebenenfalls notwendige Prozesse selbst führen zu können.

Mit Abschluss dieses Kaufvertrages genehmigt der Verkäufer vorsorglich die gegebenenfalls relevante Nutzung der Patente durch den Käufer.“

Wegen des weitergehenden Inhalts des notariellen Vertrages wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.

Ende des Jahres 2005 wurde auf einer Gesellschafterversammlung der D als neues Projekt die Entwicklung der Produktionslinie „B“ beschlossen. Dies führte in diesem Zusammenhang schließlich zur Anmeldung der Erfindung, die dem Klagepatent zugrunde liegt.

Im Rahmen einer Zusammenarbeit im Konzern der A SpA wurde die Produktionslinie „B“ in Zusammenarbeit der A SpA und der D errichtet. Es bestand zwischen beiden Gesellschaften im Bereich der Forschung und Entwicklung eine Zusammenarbeit. Im diesem Zusammenhang wurde ein Dienstleistungsvertrag vom 18.12.2001 mit Änderungsvereinbarung vom 20.12.2005 geschlossen. Im Dienstleistungsvertrag zwischen der A SpA und der D heißt es unter anderem wie folgt:

„§1
Gegenstand des Vertrages

Im Hinblick auf die Produktionsabläufe von Vliesstoff im Werk des Leistungsempfängers in Aschersleben ist es notwendig in Abstimmung bzw. auf Anfrage des Leistungsempfängers, in folgenden Bereichen Leistungen gegen Vergütung durch jeweils entsprechend qualifiziertes Fachpersonal zu erbringen:

a) Überlassung von technischem Personal zur Begleitung des Produktionsprozesses sowie der Ausbildung der Arbeitskräfte im Produktionsbetrieb des Leistungsempfängers.

b) Die technische Optimierung der Produktionslinien zur Erhöhung der Produktionskapazitäten

c) Hilfestellung bei der Verbesserung der Qualitätsstandards im Bereich der zu verarbeitenden Rohstoffe sowie der Fertigprodukte, und die Qualitätssicherung des Produktionsprozesses in Abstimmung mit der Qualitätskontrolle innerhalb des Werkes des Leistungsempfängers.“

Für die Dienstleistungen zahlte die D Vergütungen an die A SpA. Wegen des genauen Inhalts des Dienstleistungsvertrages wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen. Der Dienstleistungsvertrag wurde durch sogenannte „Cost Share Agreements“ ergänzt. Diesbezüglich wird wegen des genauen Inhalts auf das Anlagenkonvolut B 4 verwiesen.

Neben den Dienstleistungen erwarb die D von der A SpA im Jahr 2006 eine gebrauchte Carding-Anlage mit Zubehör, die in die Produktionslinie „B“ integriert wurde. Weitere Neukomponenten mussten ebenfalls angeschafft werden. Zur Gegenfinanzierung der Investitionen wurden seitens der D unter anderem verschiedene Kredite aufgenommen. Wegen der Einzelheiten dieser Kredite wird auf die Anlagen B 7 und B 8 inhaltlich Bezug genommen. Der genaue Umfang der Zusammenarbeit in Bezug auf die Entwicklung der technischen Lehre des Klagepatents und des jeweiligen finanziellen Einsatzes hierfür ist zwischen den Parteien streitig.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.05.2009, wegen dessen Inhalt auf die Anlage B 10 verwiesen wird, kündigten die anwaltlichen Vertreter der A SpA gegenüber dem Insolvenzverwalter vorsorglich etwaig entstandene Nutzungsvereinbarungen. Mit Schreiben vom 25.07.2013 kündigten die anwaltlichen Vertreter Klägerin gegenüber der Beklagten erneut etwaige Nutzungsvereinbarungen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die Beklagte habe kein Recht zur Nutzung der technischen Lehre des Klagepatents.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen und darüber hinaus

(II. b)) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund des Angebots, Verkaufs und sonstigen Inverkehrbringens von Produkten im Zusammenhang mit den seit dem 28.11.2009 begangenen Handlungen gemäß Ziffer I. 1. entstanden ist und noch entstehen wird.

Wegen der von der Klägerin geltend gemachten „insbesondere“-Anträge wird auf die Klageschrift verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, eine Verletzung des Klagepatents liege nicht vor, weil der Beklagten ein Recht zur Benutzung in Form einer ausschließlichen Lizenz zustehe. Die A SpA habe im Rahmen der „Cost Share Agreements“ Forschungs- und Entwicklungsleistung zu erbringen gehabt, die in der Errichtung und Konfigurierung der Produktionsanlage „B“ bestanden. Hierbei handele es sich um die Herstellung eines Werkes, wozu auch gehöre, die Anlage zu nutzen, was die notwendige Gewährung von Nutzungsrechten mit einschließe. Diese Werkleistungen habe die D vergütet. Das Klagepatent hänge unmittelbar mit der Produktionslinie „B“ zusammen. Die Nutzung einer solchen einzigartigen Produktionsanlage setze bei Patenten, die aus ihrer Entwicklung hervorgegangen seien, voraus, dass eine ausschließliche Lizenz eingeräumt werde. Aufgrund der Investitionskosten von mehreren Millionen Euro sei das Risiko einer jederzeit kündbaren einfachen Lizenz nicht gerechtfertigt. Die Kreditgeber hätten sich in einem solchen Fall nicht auf eine Finanzierung der Produktionslinie eingelassen. Daher sei eine dinglich wirkende, ausschließliche und unwiderrufliche Patentlizenz auch im Rahmen des Zweckübertragungsgrundsatzes notwendig gewesen.

Die von der A SpA der D oder der Gemeinschuldnerin eingeräumte Lizenz habe nicht gekündigt werden können. Die vorsorglich ausgesprochene Kündigung der Lizenzvereinbarung durch die Vorgängergesellschaft der Klägerin sei unzulässig gewesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei bereits das Insolvenzverfahren eröffnet gewesen, so dass die Kündigungssperre des § 112 InsO eingreifen würde.

Die Produktionslinie „B“ sei zusammen mit den Nutzungsrechten durch den notariellen Kaufvertrag auf die Beklagte übergegangen. Der Übergang der Lizenz sei im Teil I, Abschnitt A, § 6.3 des notariellen Kaufvertrages geregelt. Die zeitlich nachfolgende Übertragung der Klagepatente auf die Klägerin habe auf den Bestand des Patentlizenzvertrages wegen § 15 Abs. 3 PatG keine Auswirkungen.

Im Übrigen erweise sich das Klagepatent nicht als rechtsbeständig. Die technische Lehre sei zum Teil nicht neu und nicht erfinderisch. Schließlich sei der Streitwert von 5.000.000,- EUR überhöht.

Die Klägerin tritt diesen Ausführungen entgegen. Aus der Zusammenschau des Dienstleistungsvertrages, der „Cost Share Agreements“, der Einzelabrechnungen und der Bankkredite sei nicht zu entnehmen, dass die A SpA Nutzungsrechte an dem Klagepatent eingeräumt hätte. Eine konkludente Lizenzgewährung an der technischen Lehre des Klagepatents scheide vor der Erteilung des Klagepatents aus. Betriebliche Gründe seien für eine Einräumung von Nutzungsrechten nicht ersichtlich. Auch eine konkludente Lizenzgewährung im Zeitpunkt der Patentanmeldung bzw. der Erteilung scheide aus. Eine quasi „automatische“ Einräumung von Nutzungsrechten sei nicht erfolgt. Die Patentinhaberin habe keine Veranlassung gehabt, eine kostenlose Lizenz zu gewähren. Im Zeitpunkt der Anmeldung der technischen Lehre des Klagepatents sei eine Einräumung von Nutzungsrechten nicht erforderlich gewesen, weil die Produktionsanlage im Aufbau befindlich gewesen sei. Im Zeitpunkt der Erteilung des Klagepatents, im Oktober 2009, seien die Produktionsstätten bereits an die Beklagte veräußert gewesen. Nach den Grundsätzen der Zweckübertragungsregel sei die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz nicht erforderlich gewesen. Die Entwicklung der Technik sei ausschließlich durch die A SpA erfolgt. Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der A SpA und der D sei die Unterstützung beim Aufbau und Betrieb der entsprechenden Produktionsanlage in Aschersleben gewesen. Die Einräumung von Nutzungsrechten sei hierfür nicht erforderlich gewesen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend zulässig und begründet. Der Beklagten steht ein Recht zur Nutzung der technischen Lehre des Klagepatents nicht zu.

A.
Ohne Erfolg macht die Klägerin den Feststellungsantrag zu Ziffer II. b) geltend. Dieser Klageantrag ist nicht ist hinreichend bestimmt und damit unzulässig.

Hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist der Klageantrag, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar abgrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt und die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, GRUR 2008, 357, 358 – Planfreigabesystem; Zöller/Greger, ZPO 29. Aufl., § 253 Rn. 13). Diesen Voraussetzungen wird der von der Klägerin gestellte Antrag nicht gerecht. Die Klägerin erläutert trotz gerichtlichen Hinweises nicht, inwiefern sich der Antrag zu Ziffer II. b) vom Antrag zu Ziffer II. a) inhaltlich unterscheidet. Mit Letztgenannten begehrt die Klägerin den Ersatz der Schäden, die durch die patentverletzenden Handlungen entstanden sind oder noch entstehen werden. In Ziffer II. b) werden die „Handlungen“ einzeln aufgeführt, nämlich Anbieten, Verkaufen und Inverkehrbringen. Diese Handlungen sind bereits durch die Inbezugnahme zu Ziffer I. 1. Im Antrag zu Ziffer II. a) umfasst, so dass ein inhaltlich eigenständiger Regelungsgehalt für den Antrag zu Ziffer II. b) nicht zu erkennen und somit auch nicht vollstreckungsfähig ist. Die Reichweite eines dahingehend tenorierten Feststellungsantrags ist nicht abgrenzbar, weil aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht hinreichend deutlich wird, was sie inhaltlich mit „Produkten im Zusammenhang mit den begangen Handlungen“ meint. Solche Produkte konkretisiert sie in ihrem Sachvortrag nicht und grenzt sie auch nicht zur angegriffenen Ausführungsform ab.

B.
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie begründet.

I.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die Klägerin hat unter Vorlage von Untersuchungen aufgezeigt, dass die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht. Gegen die Verletzung der technischen Lehre des Klagepatents erinnert die Beklagte nichts. Sie gilt damit als zugestanden. Die gilt zumindest bis Ende Dezember 2012.

II.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 20 verwirklicht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

1.
Der Unterlassungsanspruch ist nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs.1 i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG begründet.

a)
Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin hergestellt und angeboten. Sie hat es danach auch zu unterlassen, die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und zu den genannten Zwecken einzuführen und zu besitzen.

b)
Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, dass ihr ein ausschließliches oder einfaches Recht zur Nutzung der technischen Lehre des Klagepatents zusteht. Als Verletzer ist die Beklagte darlegungs- und beweislastet dafür, dass dem Rechteinhaber eine Duldungspflicht aus Lizenzvertrag obliegt (BGH, NJW 2002, 1276, 1277; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 15 Rz. 52; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rz. 32; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl., Rz. 1406).

aa)
Soweit die Beklagte vorträgt, aus den Gesamtumständen der Zusammenarbeit der A SpA und der D sei letzterer eine ausschließliche, dingliche Lizenz zum Betrieb der Produktionslinie an dem Klagepatent eingeräumt worden, kann dem nicht gefolgt werden. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts durch die A SpA auf einer werkvertraglichen Nebenpflicht oder einem Vertrag eigenen Charakters beruht.

(1)
Eine ausdrückliche Rechteeinräumung behauptet die Beklagte nicht.

An eine konkludente Lizenzerteilung dürfen grundsätzlich keine zu niedrigen Anforderungen gestellt werden. Da sich der Patentinhaber seiner Rechte begibt, bedarf es eines unzweideutigen Verhaltens, mit dem er eindeutig zu erkennen gibt, dass er ein Nutzungsrecht tatsächlich einräumen will und nicht lediglich eine faktische Duldung vorliegt. Auch eine konkludente Rechteeinräumung durch vertragliche Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Willenserklärungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, mit dem für die Auslegung maßgeblichen Umständen vertrauter objektiver Beobachter sie versteht (BGH, NJW 2011, 1434, 1435; 1990, 1656, 1658). Zwar steht fehlendes Erklärungsbewusstsein der Annahme einer Willenserklärung auch dann nicht entgegen, wenn diese aus einem schlüssigen Verhalten gefolgert wird. Es reicht vielmehr aus, wenn der Erklärende fahrlässig nicht erkannt hat, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden konnte, und wenn der Empfänger es tatsächlich auch so verstanden hat (BGH, NJW 2002, 3629 Rz. 14, juris). So setzt eine Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts durch schlüssiges Verhalten regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen (BGH, NJW 2004, 2736 Rz. 24, juris; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 133 Rz. 11; Staudinger/Singer, BGB, 2011, § 133 Rz. 26). Diese Rechtsgrundsätze sind auch bei der Einräumung einer ausschließlichen Lizenz durch Verfügung anzuwenden.

(2)
Unter Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der D ein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Klagepatent eingeräumt worden ist.

Die Beklagte beruft sich auf den Dienstleistungsvertrag vom 18.12.2001 mit Änderungsvertrag vom 20.12.2005 (Anlage B 2), der „Cost Share Agreements“ 2006 und 2007 vom 10.01.2006 und 10.05.2007 (Anlage B 4), der verschiedenen Einzelabrechnungen aus den Jahren 2006 und 2007 (Anlagenkonvolut B 5) sowie auf Bankkredite vom 17.07.2006 und 08.06.2006 (Anlage B 6 und B 7). Aus einer Gesamtschau ergebe sich, dass die A SpA der D eine ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent eingeräumt habe. Die A SpA habe die werkvertragliche Verpflichtung gehabt, der D eine vollständige und funktionsfähige Produktionslinie zum Betrieb mit Zustimmung der A SpA zur Verfügung zu stellen. Sie habe sicher zu stellen, dass die D die Anlage betreiben konnte. Entsprechend seien die hierfür notwendigen Nutzungsrechte zum Betrieb der dort eingesetzten Produktionsanlagen einzuräumen. Dies sei auch wegen der Kreditverpflichtung eine ausschließliche Lizenz gewesen.

Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergibt sich bereits nicht hinreichend, welches konkrete Verhalten der A SpA ein rechtlich verbindliches Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages darstellen soll, welches die D angenommen haben könnte. Vorliegend geht die Beklagte ersichtlich davon aus, dass die A SpA ein konkludentes Vertragsangebot gemacht habe, welches die D konkludent angenommen hat. Zu welchem Zeitpunkt dieser konkludente Vertragsschluss von den vertragsschließenden Parteien vorgenommen worden sein soll, ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht hinreichend konkret. Eine zeitliche Einordnung eines solchen Vertragsschlusses ist vorliegend jedoch nicht unbedeutend, da die technische Lehre, die dem Klagepatent zugrunde liegt, zunächst entwickelt, dann angemeldet und dann als erteiltes Schutzrecht im Raume stand und somit unterschiedliche Vertragsgegenstände zur Disposition gestanden hätten. Auch variieren die unterschiedlichen Verträge zeitlich, die die Beklagte für einen konkludent geschlossenen Lizenzvertrag heranzieht, ohne dass diese inhaltlich aufeinander Bezug nehmen.

Die Beklagte begründet im Ausgangspunkt ihre Auffassung einer von Seiten der A SpA eingeräumten ausschließlichen Lizenz mit einem Werkvertrag über die Errichtung und Konfiguration der Produktionsanlage „B“. Im Rahmen dessen seien Forschungs- und Entwicklungsleistungen seitens der A SpA erbracht worden, welche von der D umfassend vergütet worden seien. Die von der Beklagten herangezogenen einzelnen Verträge verhalten sich über die Einräumung von Nutzungsrechten an dem Know-How der technischen Lehre des Klagepatents, der dem Klagepatent vorangegangenen Patentanmeldung und dem Klagepatent selbst, nicht. Allein der Umstand, dass die Beklagte Leistungen der A SpA vergütet hat, ändert hieran nichts.

Der Dienstleistungsvertrag hat zum Gegenstand die Überlassung von technischem Personal zur Begleitung des Produktionsprozesses sowie der Ausbildung der Arbeitskräfte im Produktionsbetrieb der D, die technische Optimierung der Produktionslinien zur Erhöhung der Produktionskapazitäten und der Hilfestellung bei der Verbesserung der Qualitätsstandards im Bereich der zu verarbeitenden Rohstoffe sowie der Fertigprodukte (§ 1 des Dienstleistungsvertrages). Über eine Übertragung von technischem Know-How bzw. der Einräumung von Nutzungsrechten verhält sich der Dienstleistungsvertrag nicht im Ansatz. Vielmehr ergibt sich aus den sog. Cost-Share-Agreements aus den Jahren 2006 und 2007 etwas anderes: „Services concerning R &D (the study and implementation of new production technologies and new products) is exclusivly carried out by A“. Mithin erfolgte die Forschung und Entwicklung innerhalb der Firma A SpA, was sich auch daran zeigt, dass der gesetzliche Vertreter der A SpA Erfinder der technischen Lehre des Klagepatents ist. Die Cost-Share-Agreements verhalten sich ebenfalls nicht über Nutzungsrechte oder über Umstände, die eine Einräumung von Nutzungsrechten erforderlich gemacht hätte, wie zum Beispiel ein drohender Verletzungsstreit. Derartiges ergibt sich aus dem Sachvortrag der Parteien nicht. Aus diesen Umständen konnte die D nicht den Schluss ziehen, dass die A SpA unzweideutig zum Ausdruck gebracht habe, sie wolle der D ein ausschließliches Nutzungsrecht einräumen.

Die in Zusammenhang mit der Einrichtung der Produktionslinie „B“ begründeten Kreditverbindlichkeiten setzten nicht voraus, dass der D ausschließliche Nutzungsrechte an dem Klagepatent eingeräumt wurden. Dies ergibt sich weder aus dem Punkt „Kreditverwendung“ noch aus dem Punkt „Voraussetzung der Kreditgewährung“ beim Kreditvertrag der IKB Deutsche Industriebank (vgl. Anlage B 7). Erster sah lediglich vor, dass der Kredit unmittelbar und ausschließlich bestimmt ist zur Mitfinanzierung der beabsichtigten Investition der D. Auch letzterer verhält sich über eine Lizenzierung von technischen Schutzrechten nicht. Gleiches gilt im Ergebnis für den Kreditvertrag mit der Deutschen Bank (vgl. Anlage B 8) unter dem Punkt „Sicherheiten“. Die Kreditverbindlichkeiten gegenüber der IKB Deutsche Industriebank und der Deutschen Bank stammen vom 17.07.2006 und 08.06.2006, mithin vor dem Datum der Anmeldung der technischen Lehre des Klagepatents, welche am 22.02.2007 erfolgte, so dass sie ohne konkrete Anknüpfungspunkte nichts dafür hergeben, dass die jeweiligen Kreditinstitute die Kreditgewährung von der Anmeldung der technischen Lehre zum Patent abhängig gemacht hätten. Mithin können diese Kreditverträge auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür liefern, dass das Verhalten der A SpA, die die Kreditverträge nicht abgeschlossen hatte, so zu deuten wäre, sie würde der die Kreditverträge abschließenden D Lizenzen einräumen wollen. Objektive Anhaltspunkte, dass zwischen den Parteien die Frage von Schutzrechten überhaupt Erwähnung findet, ergeben sich nur aus den R&D Reports vom Januar 2007 und Februar 2007. Dort wird ausgeführt, dass technische Unterstützung für die neue Patentanmeldung geleistet werde, um die Investition in Aschersleben, dem Sitz der D, zu schützen. Die Einräumung von Lizenzen stand dabei nicht im Raume.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern die A SpA ein Angebot zur Einräumung von Nutzungsrechten und die D eine Annahme des Angebots konkludent getätigt hätten. Die A SpA musste aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten auch nicht erkennen, dass ihr Verhalten als ein Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags über eine ausschließliche Lizenz gedeutet werden würde. Objektive Anhaltspunkte hierfür bestanden nicht, die die D auch als Angebot hätte verstehen dürfen, zumal die A SpA die Schutzrechte zentral in Italien verwaltet.

Die Einräumung von einem ausschließlichen Nutzungsrecht war auch nicht zum Betrieb der in Aschersleben eingesetzten Produktionsanlagen erforderlich. Dies gilt insbesondere für eine ausschließliche Lizenz. Eine ausschließliche Lizenz bedeutet, dass neben dem Patentinhaber auch der Lizenznehmer die Benutzung des Patentgegenstandes verbieten und Ansprüche wegen Verletzung erheben kann (Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., § 40, V, c, aa). Die Rechte aus dem Patent treten jedoch erst mit Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung im Patentblatt ein, § 58 Abs. 1 S. 3 PatG bzw. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Dies war aber erst im Oktober 2009, zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Beklagte bereits die Nutzungsrechte übertragen bekommen haben will. Zudem standen in dem Zeitraum bis zur vermeintlichen Übertragung der Lizenz an die Beklagte Schutzrechtsverletzungen des Klagepatents nach dem Vortrag der Parteien nicht im Raume. Mithin kam es für die Abwehr von Rechtsverletzung der technischen Lehre des Klagepatents nicht darauf an, wer Inhaber des Schutzrechts gewesen ist. Zum Schutz der Produktionslinie war eine Einräumung von Nutzungsrechten nicht erforderlich. Der Betrieb der Produktionslinie „B“ bei Anwendung eines Verfahrens, um Gegenstände entsprechend der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 20 herzustellen, erforderte keine Einräumung von ausschließlichen Nutzungsrechten. Denn auch die A SpA wäre in der Lage gewesen, gegen mögliche Schutzrechtsverletzungen vorzugehen. Für den eigentlichen Betrieb der Anlage war es keine rechtliche Voraussetzung, dass die D Inhaberin von Abwehrrechten ist. Eine dahingehende Notwendigkeit lässt sich auch nicht aus den Kreditverpflichtungen herleiten und auch nicht aus dem Antrag auf Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (Anlage B 9), da dies nicht Voraussetzung für eine Mittelgewährung gewesen ist.

Diesem Auslegungsergebnis steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in seiner „Rohrschweißverfahren“-Entscheidung (GRUR 2007, 773) entgegen. Dort führt der Bundesgerichtshof aus, dass in der Lieferung erfindungsgemäßer Fittings seitens der Lizenznehmer der Rechteinhaberin die (stillschweigende) Erlaubnis für die Abnehmer – bei der Frage einer mittelbaren Patentverletzung – zu sehen sei, das geschützte Verfahren anzuwenden, um auf diese Weise Rohrleitungen mittels der von den Lizenznehmern gelieferten Teile und Karten nach dem erfindungsgemäßen Verfahren herzustellen. Ob derjenige, der vom Inhaber des Patents eine zur Ausübung des geschützten Verfahrens erforderliche Vorrichtung erworben hat, zum Gebrauch der Vorrichtung und infolgedessen zur Durchführung des patentgeschützten Verfahrens berechtigt ist, beantwortet sich allein danach, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Erwerber mit dem Verkauf der Vorrichtung eine stillschweigende Erlaubnis zur Verfahrensbenutzung erteilt worden ist. Die A SpA hat der D kein patentgeschütztes Verfahren verkauft. Vielmehr hat die D in einem konzernrechtlichen Verbund Leistungen zur Unterstützung des Aufbaus und des Betriebs der Produktionsanlage anderer konzernangehöriger Unternehmen nach bestimmten vertraglichen Regelungen vergütet. Aufbau- und Einstellungsarbeiten an der B-Produktionsline sind von dem italienischen Entwicklerteam vorgenommen worden und von der D bezahlt worden. Für den Betrieb der Anlage und den Vertrieb möglicher patentgemäßer Gegenstände war es wegen der konzernrechtlichen Verbindung auch nicht erforderlich, dass die D Inhaberin von ausschließlichen Nutzungsrechten hätte sein müssen. Hierfür hätte, wenn überhaupt eine einfache Lizenz ausgereicht. Unter Berücksichtigung der im Patentrecht ebenfalls anzuwendenden Grundsätze der Zweckübertragungsregel (vgl. Benkard/Ullmann, PatG, 10. Aufl., § 15 Rz. 117 und 25), wonach im Zweifel nur die erforderlichen Nutzungsrechte vom Schutzrechtsinhaber Dritten eingeräumt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der D ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt worden ist.

bb)
Aus Vorstehendem ergibt sich auch, dass der D keine einfache Lizenz eingeräumt worden ist. Denn auch eine solche war für den Betrieb der Produktionsanlage und den Vertrieb möglicher patentverletzender Produkte nicht erforderlich. Vielmehr reichte hierfür bereits aus, dass die A SpA die Herstellung und den Vertrieb möglicher Gegenstände, die das Klageschutzrecht verletzen, duldet. Unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und der jeweiligen Interessen der damaligen Beteiligten, trägt der Sachvortrag der Beklagten keine über eine lediglich faktische Duldung von möglichen Patentverletzungen im Konzern hinausgehende Einräumung einer einfachen Lizenz. Trotz der Hinweise auf eine technische Erfindung im Zusammenhang der B-Produktionsanlage, welche in den R&D Reports Erwähnung findet, hat die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen, dass sich die D darum bemüht habe, sich die zum Betrieb der Anlage und der Produktion von Gegenständen erforderliche Lizenz einräumen zu lassen. Dem Sachvortrag der Parteien kann nicht entnommen werden, dass die Frage einer Gestattung einer Benutzung von Schutzrechten bzw. Schutzrechtsanmeldungen klärungsbedürftig gewesen sein könnte. Letzteres lässt dann unter objektiver Würdigung der Sachlage nicht den Schluss zu, dass über eine lediglich faktische Gestattung der Benutzung hinaus eine Lizenz eingeräumt wurde. Dieses Auslegungsergebnis deckt sich inhaltlich mit den Ausführungen unter Ziffer A § 6.3 des notariellen Kaufvertrages. Daraus ergibt sich, dass in Bezug auf die technische Lehre des Klagepatents eine Anmeldung auf eine europäische Patenterteilung zugunsten der A SpA vorlag. Dass die Gemeinschuldnerin Inhaberin von Nutzungsrechten hieran wäre, findet gerade keine Erwähnung. Vielmehr wird weiter ausgeführt, dass der Verkäufer – der Insolvenzverwalter – gegen das gegebenenfalls zur Eintragung gelangende Patent vorgehen werde, in dem er bei sämtlichen deutschen Landgerichten Schutzschriften hinterlegen lässt. Hieraus ergibt sich, dass die Gemeinschuldnerin mit der Gefahr rechnete, aus einem erteilten Patent – hier dem Klagepatent – in Anspruch genommen zu werden; anderenfalls wäre die vertragliche Verpflichtung, Schutzschriften bei den zuständigen Landgerichten zu hinterlegen, bedeutungslos.

cc)
Auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung der zwischen der A SpA und der D bestehenden Verträge lässt sich keine solche Lizenzeinräumung feststellen.

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht, wenn das Vereinbarte eine Vertragslücke aufweist. Eine solche Lücke kann beispielsweise darauf beruhen, dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich ändern (BGH, GRUR 2006, 401 – Zylinderrohr). Eine solche vertragliche Lücke besteht allerdings nicht, wenn sich einseitig die Motivlage ändert, und eine Vertragspartei aufgrund geändeter tatsächlicher Rahmenbedingungen nunmehr im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Vertragsänderung herbeiführen möchte. Dass die D bzw. die Gemeinschuldnerin durch den Insolvenzverwalter Teile des Betriebsvermögens an die Beklagte veräußert hat, die für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform die erforderlichen Nutzungsrechte benötigt, kann nicht dazu führen, dass die ursprünglichen Verträge der A SpA und der D in diesem Sinne ergänzt werden.

2.
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von ihm noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch und Entschädigungsanspruch zu beziffern, ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 242 BGB).

4.
Der Vernichtungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten hat seine Grundlage in Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140a Abs. 1 PatG.

5.
Der Rückrufanspruch beruht auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140a Abs. 3 PatG.

IV.
Die Frage der Aussetzung stellt sich nicht, da die Beklagte keine Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben hat.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 S. 1, 108 ZPO. Die Sicherheitsleistung war auf Antrag der Klägerin in Bezug auf den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch gesondert auszusprechen. Sie beträgt 100.000,- EUR. Gründe für eine weitergehende Aufteilung der Sicherheitsleistung an Hand der geltend gemachten Ansprüche liegen nicht vor, da die Vollstreckung der Ansprüche auf

Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen und Vernichtung einer Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs wirtschaftlich gleich kommt.

VI.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,- EUR festgesetzt. Er ist vom Gericht gemäß § 51 Abs. 1 GKG a. F. nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung ankommt. Entscheidend ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus einerseits die Verhältnisse beim Kläger (wie dessen Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden geben, andererseits Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage außerdem Ansprüche auf Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz geltend gemacht, so ist der in der Vergangenheit (bis zur Einreichung der Klage) bereits entstandene Kompensationsanspruch überschlägig zu schätzen und der entsprechende Betrag dem Streitwert für den Unterlassungsanspruch hinzuzurechnen, um einen Gesamtstreitwert zu bilden. Der Streitwertangabe des Klägers kommt für die Festsetzung regelmäßig besonderes Gewicht bei, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Angabe ersichtlich zu niedrig oder offensichtlich überhöht ist. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2010, I-2 W 10/10).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei einer Laufzeit des Klagepatents von 15 Jahren der Unterlassungsanspruch wirtschaftlich bedeutsam. Allerdings misst die Klägerin ihrem Klagepatent keine überragende wirtschaftliche Bedeutung zu, da sie diese in der Kaufvergütung (Anlage K 1 und K 2) bei der Übertragung der Rechte an die Klägerin monetär nicht gesondert bewertet hat und dieses sowie weitere Patente im Vergleichsantrag (Anlage B 12, letzte Seite) mit einem sechsstelligen Betrag wiedergibt.

Streit- und sachangemessen erscheint ein Streitwert in Höhe von 2.500.000,- EUR zu sein.