4a O 158/07 – Metall-Schneidwerkzeug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 845

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. April 2008, Az. 4a O 158/07

Rechtsmittelinstanz: 2 U 47/08

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Schneidwerkzeuge, die mittels eines Verfahrens zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche hergestellt wurden, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen werden und das Muster im geringen Abstand zur Schneidkante angebracht wird,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen, einführen zu lassen oder zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23.01.1999 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten, oder bei Fremdbezug: der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 19.08.2000 zu machen sind,

der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und nichtgewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass

1. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 23.01.1999 bis zum 18.08.2000 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 19.08.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 885 xxx (nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 13.05.1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 19724xxx vom 10.06.1997 angemeldet, die Anmeldung wurde am 23.12.1998 offengelegt. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 19.07.2000.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen“. Sein Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster (20, 32) versehen werden, dadurch gekennzeichnet, dass das Muster (20, 32) im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.03.2008 in Bezug auf das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage B 6 nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Nachfolgend werden einige Figuren aus der Klagepatentschrift wiedergegeben, welche bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung betreffen. Figur 1 zeigt perspektivisch eine Wendeschneidplatte mit einer Bearbeitung nach dem erfindungsgemäßen Verfahren. Der Darstellung ist zu entnehmen, dass parallel zur Schneidkante 18 im relativ geringen Abstand dazu eine Spur 20 geformt ist, bestehend aus einer Anzahl von Strichen 22, die im Abstand parallel zueinander verlaufen. Die Striche erstrecken sich annähernd senkrecht zur Schneidkante 18 und werden durch Laserbestrahlung erzeugt. Figur 2 bildet perspektivisch eine Spitze eines Schaftfräsers ab, die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren bearbeitet wurde.

Die Beklagte stellt in einem in ihrer deutsch- und englischsprachigen Internetpräsentation als „A“ bezeichneten Verfahren Schneidwerkzeuge her, welche sie auch vertreibt. Gemäß der als Anlage K 5 überreichten Internetwerbung der Beklagten führt diese im Wege der „Dienstleistung Werkzeug Optimierung“ für Drittunternehmen an deren Schneidwerkzeugen das „A“ Verfahren ebenfalls aus.

Ein Exemplar eines Schneidewerkzeugs der Beklagten ist wie folgt gestaltet:

Des Weiteren offenbart Figur 6 des als Anlage K 7 vorgelegten deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2006 002 827 der Beklagten ebenfalls ein Schneidwerkzeug, bei dem der sogenannte Spanbrecher wellenförmig ausgeführt ist. Anspruch 1 dieses Gebrauchsmusters lautet:

Schneidwerkzeug zur spanenden Bearbeitung von Metallen oder dergleichen mit einer Schneide und einem Spanbrecher und einer dazwischen angeordneten Spanfläche, wobei die Schneide und die Spanfläche und/oder der Spanbrecher aus Diamant oder kubischem Bornitid bestehen, dadurch gekennzeichnet, dass der Spanbrecher (3) vorgeschobene Bereiche (5) und zurückgezogene Bereiche (6) aufweist und/oder die Spanfläche (4) erhöhte Bereiche (8) und vertiefte Bereiche (9) aufweist.

Figur 6 der DE 2006 002 xxx U1 zeigt ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Schneidplatte, welche wie folgt gestaltet ist:

Es handelt sich dabei um ein besonderes Ausführungsbeispiel, bei dem die Schneide (2), die Spanfläche (4) und der Spanbrecher (3) aus Diamant oder kubischem Bornitrid ausgeführt sind. Der Spanbrecher (3) und die Spanfläche (4) sind wellenförmig ausgebildet (vgl. Anlage K 7, Abschnitt [0018]).

Die Klägerin vertritt die Ansicht, in dem von der Beklagten vertriebenen Schneidwerkzeug sei die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß verwirklicht. Insbesondere würden die Spanflächen ein geometrisches, nämlich schlangenlinienförmiges Muster aufweisen, welches in geringem Abstand zur Seitenkante angebracht sei und zwangsläufig die ursprüngliche Oberflächenstruktur verändere.

Die Klägerin beantragt daher,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundespatentgerichts auszusetzen, für den Fall, dass die Kammer die Klage nicht schon wegen mangelnder Patentverletzung als abweisungsreif ansehen sollte.

Sie rügt zunächst die Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf. Ausweislich des Internetauftritts der Beklagten richte sich deren Angebot nicht an Interessenten in Deutschland, es handele sich insbesondere um ein österreichisches Unternehmen.

In der Sache bestreitet die Beklagte, dass das Klagepatent für die Bundesrepublik Deutschland nationalisiert und aufrecht erhalten wurde. Auch sei das Klagepatent nicht schutzfähig, da die Lehre des Klagepatents nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

Schließlich fehle es an einer Verletzung des Klagepatents. Weder seien zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Merkmal versehen, noch sei das durch die Beklagte eingesetzte Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass das Muster (29, 32) im geringen Abstand zur Schneidekante (16, 18, 36) angebracht sei.

Die Klägerin tritt dem entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadenersatz zu, weil die Beklagte durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform ein durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestelltes Erzeugnis anbietet, in Verkehr bringt oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder einführt oder besitzt, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9 S. 2 Nr. 3, 14, 33 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140 b PatG, 242 BGB. Für eine Aussetzung im Hinblick auf die durch die Beklagte erhobene Nichtigkeitsklage besteht keine hinreichende Veranlassung.

A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für den vorliegenden Rechtstreit ist durch Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung der Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen begründet (Gerichtsort der unerlaubten Handlung).

Das Anbieten von mittels des „A“-Verfahrens hergestellten Produkten im deutschsprachigen Internetauftritt der Beklagten stellt ein Anbieten auch in der Bundesrepublik Deutschland dar, durch welches – wie im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu unterstellen ist – das Klagepatent nach dem Vortrag der Klägerin verletzt wird. Soweit die Beklagte darauf verweist, die Angebotshandlungen in ihrem Internetauftritt seien nicht an Anbieter in Deutschland gerichtet, was sich insbesondere daran zeige, dass es sich bei der Beklagten um ein österreichisches Unternehmen handele, welches auf seiner Internetseite ausschließlich die österreichische und die britische Flagge zur Kennzeichnung der Sprachversionen verwende, überzeugt dies nicht. Es bestehen keine Anhaltspunkte, warum sich nicht zumindest der deutschsprachige Teil des Internetauftritts auch an deutschsprachige Abnehmer richtet. Die bloße Verwendung einer österreichischen Flagge zur Kennzeichnung der Sprachversion führt ebenso wenig zu einem anderen Ergebnis wie die Tatsache, dass die Domain der Beklagten nicht mit „de“ endet. Insbesondere enthält der Internetauftritt der Beklagten keinerlei Hinweis darauf, dass die angegriffenen Ausführungsformen bei entsprechendem Abnehmerinteresse nicht auch nach Deutschland (oder positiv gewendet: ausschließlich an Abnehmer in Österreich sowie im englischsprachigen Raum) geliefert werden. Aus der objektiven Sicht eines verständigen Betrachters kann die textliche und bildliche Darstellung des „A“-Verfahrens einschließlich der damit erzeugten Produkte daher auch als Angebotshandlung, bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verstanden werden.

Aus Sicht der Kammer bestehen darüber hinaus keine durchgreifenden Bedenken, dass sich der als Anlagen K 4 und K 5 vorgelegte Internetauftritt auf das streitgegenständliche „A“-Verfahren bezieht und mithin ein Angebot desselben darstellt. Da die Beklagte zu Recht nicht in Abrede gestellt hat, dass es sich bei der Darstellung der mittels des „A“-Verfahrens hergestellten Produkte um eine Angebotshandlung im weiten patentrechtlichen Sinne handelt (vgl. nur Benkard/Scharen, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10. Auflage 2006, § 9 PatG, Rz. 41), begründet die von Deutschland aus abrufbare Internetwerbung den internationalen Gerichtsort der unerlaubten Handlung, Art. 5 Nr. 3 VO (RG) Nr. 44/2001, in Deutschland. Insbesondere der als Anlage K 5 vorgelegte Ausdruck verdeutlicht, dass die Beklagte auf Anfrage in die bereitgestellten PKD-Monoblockwerkzeuge, PKD Fräs- und Drehmeissel und Sonderschneidplatten maßgeschneiderte 3D-Spanleitstufen lasert. Da der Internetauftritt der Beklagten durch potentielle Abnehmer auch von Nordrhein-Westfalen aus eingesehen werden kann, ist zudem die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf nach § 32 ZPO in Verbindung mit der Verordnung über die Zuweisung von Patentstreitsachen, Gebrauchsmustersachen und Topografieschutzsachen an das Landgericht Düsseldorf vom 13.01.1998 gegeben.

B.
I.
Das sich ausweislich des als Anlage K 9 vorgelegten Registerauszugs auch auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckende Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide.

Die Geometrie von Schneidwerkzeugen wird unter anderem danach ausgelegt, dass ein günstiges Spanflussverhalten erzielt wird. Erwünscht sind Späne, die nach Form und Länge so gebildet sind, dass sie leicht und schnell abgeführt werden können. Ein Spanstau, der die Kontinuität der Bearbeitung beeinträchtigt und unerwünschte Temperaturbeeinflussungen auf die Oberfläche des Werkstücks sollen vermieden werden. Für das Spanflussverhalten ist jedoch nicht allein die Geometrie des Schneidwerkzeugs maßgeblich, sondern auch die Beschaffenheit des Schneidstoffes selbst. Die Schneidstoffe unterscheiden sich nicht nur nach ihrer Härte und Standfestigkeit, sondern auch in ihrem Reibkoeffizienten. Dieser wird aber auch entscheidend durch die Oberflächenrauhigkeit beeinflusst (Anlage K 1, Spalte 1, Zeile 13 – 30).

Zur Erhöhung der Standfestigkeit von Schneidwerkzeugen ist, etwa aus der US 4 708 542, bekannt, diese mit einer oder mehrerer Hartstoffschichten zu beschichten. Durch eine derartige Beschichtung kann das Spanflussverhalten zum Teil erheblich verändert werden, auch wenn an der Geometrie des Werkzeugs nichts verändert wird. Eine derartige Beschichtung hat zumeist einen geringeren Reibkoeffizienten als herkömmliche Schneidstoffe. Die erhöhte Fließgeschwindigkeit aufgrund der Beschichtung führt zu einer Spanbildung, welche die Spanabfuhr beeinträchtigen kann (Anlage K 1, Spalte 1, Zeile 31 – 43).

Zur Behebung des letztgenannten Nachteils lehrt die DE 43 19 xxx C2, die Spanfläche nach dem Beschichten des Werkzeugs zu schleifen, um eine günstigere Spanabfuhr zu erzielen. Nachteilig sind jedoch der zusätzliche Bearbeitungsgang und geringere Werkzeugstandzeiten. Außerdem fehlt es an Erfahrungen, in welcher Form und in welchem Umfang das Abschleifen der Beschichtung erfolgen muss, um ein optimales Spanflussverhalten zu erreichen (Anlage K 1, Spalte 1, Zeile 44 – 52).

Es ist allgemein bekannt, Werkzeuge im Sinterpressverfahren herzustellen, wobei der Spanfläche eine bestimmte Topographie verliehen wird, welche auf den Spanfluss der Schneidplatte Einfluss nimmt. Zur Beeinflussung der Rauhigkeit im Bereich der Flächen, an denen die Späne entlang gleiten, ist in diesem Zusammenhang aus der DE 44 31 796 A1 oder der W095/29782 A 1 bekannt geworden, der Spanfläche eine bestimmte Topographie zu verleihen, welche auf den Spanfluss der Schneidplatte Einfluss nimmt. Nachteilig an dem Verfahren ist, dass es nur für durch Sinterpressen geformte Werkzeuge angewendet werden kann, welche jedoch häufig an mangelnder Präzision leiden (Anlage K 1, Spalte 1, Zeile 53 – Spalte 2, Zeile 5).

Nach dem Stand der Technik ist es weiterhin bekannt, mittels Laser Werkzeuge zu bearbeiten, um deren Oberfläche in den Randzonen zu härten oder auch bestimmte verschleißschützende Schichten aufzubringen. Darüber hinaus ist es bekannt, mittels Laser im Randbereich von Kreissägeblättern Laserspuren vorzusehen mit dem Ziel, hohe Zugspannungen im Randbereich der Werkzeuge zu induzieren, um zur Kompensation von Lastspannungen beizutragen (Anlage K 1, Spalte 2, Zeile 8 – 20).

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, ein Verfahren anzugeben, bei dem mit den Spänen in Berührung kommende Flächen von spangebenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide in ihrem den Spanfluss bestimmenden Verhalten in wirtschaftlicher Weise verändert werden.

Diese Aufgabe wird durch eine Kombination folgender Merkmale gelöst:

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide

1. durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche,

2. wobei

2.1. mit Hilfe der Laserbestrahlung
2.2. zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Merkmal versehen werden,

3. dadurch gekennzeichnet, dass das Muster (20, 32) im geringen Abstand zur Schneidekante (16, 18, 36) angebracht wird.

II.
Zwischen den Parteien ist zurecht nicht umstritten, dass das angegriffene Verfahren Merkmal 1 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklicht. Auch bei dem durch die Beklagte eingesetzten „A“-Verfahren handelt es sich um ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidekanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind in der angegriffenen Ausführungsform auch die Merkmale 2 und 3 von Patentanspruch 1 des Klagepatents verwirklicht.

1.
Die Beklagte bestreitet die Verwirklichung des Merkmals 2, weil die angegriffene Ausführungsform eine komplexe Form von Spanfläche und Spanbrecher mit erhöhten und vertieften Bereichen sowie vorgeschobenen und zurückgezogenen Bereichen verwende, die in der Draufsicht eine Wellenform ergäben und damit keinen definierten (einheitlichen) Winkel zur Schneidkante bilden, sondern sich vielmehr kontinuierlich verändern.

Darin ist ihr nicht zuzustimmen. Dem Klagepatent ist zum Begriff des geometrischen Musters, welches mit Hilfe der Laserbestrahlung auf den Spanflächen des Werkzeugs aufzubringen ist, zu entnehmen, dass dieses aus einer Reihe von Strichen und/oder Punkten bestehen kann, etwa aus einem Streifen oder einer Spur aus Strichen und/oder Punkten (vgl. Anlage K 1, Spalte 2, Zeile 35 – 39). Für den Fachmann ergibt sich daraus, dass unter einem geometrischen Muster ein durch eine geometrische Form definiertes Muster zu verstehen ist, wie etwa eine Gerade oder Kurve, bestehend aus einer Reihe von Punkten oder Strichen. Denn mit Hilfe eines solchen geometrischen Musters kann das Spanflussverhalten – wie erfindungsgemäß angestrebt – in einer vorhersehbaren Weise verändert werden (vgl. Anlage K 1, Spalte 2, Zeile 24 – 29). Hingegen ist Patentanspruch 1 nicht darauf beschränkt, dass das Muster aus einzelnen Strichen und/oder Punkten gebildet ist oder mindestens eine Spalte oder eine Spur aus parallelen Strichen und/oder punktförmigen parallelen Zeilen sich annähernd parallel zur Schneidkante erstreckt. Diese speziellen Ausgestaltungen sind erst Gegenstand der Unteransprüche 2 und 3.

Den Anforderungen des Merkmals 2 entspricht die angegriffene Ausführungsform, welche ein in der Draufsicht im Wesentlichen gleiches Wellenmuster aufweist. Der Umstand, dass die angegriffene Ausführungsform einen Spanbrecher mit vorgeschobenen und zurückgezogenen Bereichen und eine Spanfläche mit erhöhten und vertieften Bereichen aufweist, steht dem auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten nicht entgegen, denn diese Strukturen sind gleichfalls definiert und nicht zufällig. So wird beispielsweise in dem als Anlage K 7 vorgelegten Gebrauchsmuster der Beklagten ausgeführt, dass die vorgeschobenen und zurückgezogenen Bereiche des Spanbrechers ein Profil bilden, welches den auf den Spanbrecher auftreffenden Span in eine „definierte Richtung“ umlenkt (vgl. Anlage K 7, Abschnitt 0005]). Auch insoweit handelt es sich um ein geometrisch definiertes Muster.

2.
Die aus den Anlagen K 6 und K 8 ersichtliche angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch Merkmal 3 von Patentanspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß. Dieses verlangt, dass das Muster (20, 32) im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird. Der wellenförmige Spanbrecher der angegriffenen Ausführungsform ist von der Schneidkante beabstandet, so dass nicht die in der Beschreibung des Klagepatents erwähnte Gefahr besteht, dass durch die Umschmelzung und gegebenenfalls Oxidation das Material für die Zerspanung nicht gut geeignet ist (vgl. Anlage K 1, Spalte 2, Zeile 53 – 56).

III.
Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein unmittelbar durch ein Verfahren, welches Gegenstand des Patents ist, hergestelltes Erzeugnis darstellt, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt ist (§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 PatG), rechtfertigen sich die tenorierten Rechtsfolgen.

1.
Die Beklagte macht durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet ist (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin außerdem Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. Darüber hinaus kann die Klägerin ab der Veröffentlichung des Hinweises gemäß § 32 Abs. 5 PatG von der Beklagten, welche als Fachunternehmen hätte wissen müssen, dass die von ihr benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung war, eine nach den Umständen angemessene Entschädigung verlangen, § 33 Abs. 1 PatG.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Des Weiteren wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 b PatG). Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2. mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Auskunft und Rechnungslegung vorzunehmen sind. Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vergleiche Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

IV.
Eine Aussetzung der Verhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens gegen das Klagepatent nach § 148 ZPO war nicht veranlasst.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist.

Weder die, entgegen der im frühen ersten Termin bestimmten Auflage nicht in deutscher Sprache vorgelegte, EP-A 0425812 (Anlage K 3), noch die WO 97/03777 (Anlage B 6) oder die US-PS 5 026 960 (Anlage B 5) offenbaren die Erfindung des Verfügungspatents neuheitsschädlich. Es fehlt jedenfalls an einer Offenbarung des Merkmals 3, wonach das Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass das Muster (20, 32) im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird.

Die EP-A 0 425 xxx, welche bereits im Erteilungsverfahren von einem sachkundigen Prüfer berücksichtigt wurde, offenbart Merkmal 3 entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere nicht in Spalte 4, Zeile 50 – 52 („thereafter subjecting the edges of said patterned oversize compact blank to finishing to reduce the size thereof“).

Die Beklagte zeigt des Weiteren nicht auf, dass Merkmal 3 in der Beschreibung WO 97/03777 offenbart wird. Auch den Figuren 1 und 2 entnimmt der Fachmann nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, dass das Muster in geringem Abstand zur Schneidkante angebracht werden soll. Eine entsprechende Feststellung ist jedenfalls deshalb nicht möglich, weil die Beklagte keine deutsche Übersetzung der Entgegenhaltung vorgelegt hat. Im Übrigen ist nicht auszuschließen, dass das in den Figuren 1 und 2 gezeigte Muster nicht der Richtungsbeeinflussung des Spans dient, sondern ausschließlich die Oberflächenrauhigkeit zur Beeinflussung der Geschwindigkeit des Spans darstellt. So spricht Unteranspruch 19 davon, dass die Oberfläche eine Rauhigkeit aufweist („having a surface roughness“).

Schließlich offenbart auch die US-PS 5 026 960 Merkmal 3 nicht hinreichend. Insbesondere ist unklar, ob eine Linie in Figur 1 ein geometrisches Muster zeigt. Mit dem Bezugszeichen (12) ist ein endgültiger Rand bezeichnet (vgl. Anlage B 5, Sp. 2, Z. 46 ff.: „final outer edge“). Hingegen bleibt unklar, was die inneren Quadrate der einzigen Zeichnung darstellen sollen und weshalb sich daraus für den Fachmann ergeben soll, die Muster in geringem Abstand zur Schneidkante anzubringen.

C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 400.000,- EUR festgesetzt.