4a O 209/08 – Entbehrlichkeit einer Abmahnung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1005

Landgericht Düsseldorf
Schlussurteil vom 30. Oktober 2008, Az. 4a O 209/08

I. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

II. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 20 2006 020 xxx.4 (im Folgenden: Verfügungsgebrauchsmuster), welches am 20.10.2006 angemeldet und am 14.08.2008 eingetragen wurde. Auf der Grundlage des Verfügungsgebrauchsmusters beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 05.09.2008, bei Gericht eingegangen am 08.09.2008, ohne vorherige Abmahnung der Antragsgegnerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nachdem die Kammer der Antragsgegnerin daraufhin bis zum 11.09.2008 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, hat die Antragsgegnerin den durch die Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit einem am 10.09.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das Landgericht Düsseldorf hat die Antragsgegnerin daraufhin am 11.09.2008 in der Sache antragsgemäß durch ein Teil-Anerkenntnisurteil verurteilt. Zugleich hat das Landgericht Düsseldorf im Hinblick auf die Kostenentscheidung gemäß § 128 Abs. 3 ZPO die Durchführung des schriftlichen Verfahrens angeordnet.

Die Antragsstellerin beantragt daher nunmehr,

der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie trägt vor, eine vorherige Abmahnung durch die Antragstellerin sei nicht entbehrlich gewesen. Vielmehr habe es einer solchen Abmahnung bereits deshalb bedurft, weil die Eintragung des Verfügungsgebrauchsmusters – dies ist unstreitig – bis zum Tag des Anerkenntnisses noch nicht amtlich bekannt gemacht worden sei und somit die Antragsgegnerin keine Möglichkeit gehabt habe, auf irgend einem praxistauglichen Weg von der Existenz des Verfügungsgebrauchsmusters Kenntnis zu erlangen. Hätte sie diese Kenntnis gehabt, hätte sie das Verfügungsgebrauchsmuster selbstständig respektiert.

Die Antragstellerin entgegnet insoweit, eine Beachtung des Verfügungsgebrauchsmusters könne von der Antragsgegnerin unabhängig davon, ob sie das Verfügungsgebrauchsmuster kannte, ab dessen Eintragung am 14.08.2008 verlangt werden. Bereits am 16.09.2008 habe die Messe „Automechanika“ in Frankfurt am Main begonnen. Der Antragstellerin sei daher nur wenig Zeit geblieben, die Schutzrechtslage zu prüfen und ein Vorgehen gegen die Antragsgegnerin vorzubereiten. Eine Abmahnung hätte nach Auffassung der Antragstellerin die Durchsetzung der Ansprüche der Antragsgegnerin erschwert und verzögert, wenn die Antragsgegnerin eine Unterlassungserklärung nicht sofort abgegeben hätte. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im Ausland ansässig sei und eine Abstimmung über das Vorgehen aufgrund der Zeitverschiebung und aufgrund von Übersetzungserfordernissen eine gewisse Zeit in Anspruch nehme. Das Risiko, dass die Antragsgegnerin die Abgabe einer Unterlassungserklärung verweigere, auf der Messe ein schutzrechtsrelevantes Produkt ausstelle und damit eine Vielzahl von Interessenten und Kunden erreiche, ohne dass die Antragstellerin hiergegen vorgehen könne, brauche die Antragstellerin nicht einzugehen.

Im Übrigen sei eine Abmahnung auch sinnlos gewesen. Zwar habe die Antragsgegnerin nach Kenntnis des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Ansprüche anerkannt, und zwar hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs zwischenzeitlich als endgültige Regelung. Ihr Verhalten zeige jedoch, dass sie nicht bereit sei, das Schutzrecht der Antragstellerin tatsächlich zu respektieren. So habe sie weiterhin schutzrechtsverletzende Produkte über ihre Internet-Seite angeboten. Dementsprechend sei im Namen der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.09.2008 bereits ein Ordnungsmittelantrag eingereicht worden. Vor diesem Hintergrund sei es als reine Schutzbehauptung anzusehen, wenn die Antragsgegnerin behaupte, sie habe nicht vorgehabt, die streitgegenständliche Vorrichtung auf der Messe in Frankfurt am Main auszustellen.

Die Antragsgegnerin bestreitet, dass eine Abmahnung sinnlos gewesen wäre. Insbesondere stelle die Tatsache, dass allein die Gebrauchsanweisung für die streitige Vorrichtung zunächst versehentlich übersehen worden sei und noch ein paar Tage auf der Internetseite der Antragsgegnerin habe heruntergeladen werden können, keine Tatsache dar, welche auf eine Erfolglosigkeit der Abmahnung schließen lasse.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Nachdem die Antragsgegnerin die durch die Antragstellerin im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachte Forderung anerkannt hat, ist nunmehr im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese sind der Antragstellerin aufzuerlegen. Die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses im Sinne von § 93 ZPO liegen vor. Die Antragsgegnerin hat die durch die Antragstellerin im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachte Forderung mit einem am 10.09.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz innerhalb der ihr gesetzten Stellungnahmefrist und damit „sofort“ anerkannt, ohne dass sie der Antragstellerin zur Einreichung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Veranlassung gegeben hätte.

Veranlassung zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe gibt der Antragsgegner im Allgemeinen, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Antragsteller so war, dass dieser annehmen durfte, er werde ohne Anrufung des Gerichts nicht zu seinem Recht kommen (BGH NJW 1979, 2040, 2041). Ob der Antragsteller Veranlassung zur Anrufung des Gerichts gegeben hat, beurteilt sich nach seinem Verhalten vor Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe, zu dessen Bewertung auch sein anschließendes Verhalten herangezogen werden kann, denn dieses kann seine frühere Veranlassung zumindest indizieren (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Auflage, § 93 Rz. 3 m. w. N.). Ließ das vorprozessuale Verhalten des Antragsgegners allerdings noch keinen Schluss auf die Notwendigkeit der Anrufung der Gerichte zu, ist ein rückschauendes „Nachwachsen“ allein aus dem Verhalten nach Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht möglich (BGH a. a. O.). Werden Unterlassungsansprüche wegen einer Patent- oder Gebrauchsmusterverletzung geltend gemacht, besteht ebenso wie in Wettbewerbsstreitigkeiten eine Veranlassung zur Einreichung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Allgemeinen nur, wenn der als Verletzer in Anspruch Genommene auf eine vorgerichtliche Abmahnung hin kein mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrtes Unterlassungsversprechen abgibt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Auflage, § 93 Rz. 6, Stichwort: „Wettbewerbsstreitigkeiten“ m. w. N.). Die Abmahnung soll dem Verletzer Gelegenheit geben, dem Unterlassungsbegehren freiwillig zu entsprechen, um unnötige Gerichtsverfahren und Kosten zu vermeiden. Zu diesem Zweck gehört es zu den zwingenden Bestandteilen einer Abmahnung, den beanstandeten Verstoß (die gerügte Verletzungshandlung) konkret zu bezeichnen (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auflage 2007, 41. Kapitel, Rz. 14, S. 547 m. w. N.). Die Verletzungshandlung muss dem Abgemahnten in tatsächlicher Hinsicht so detailliert beschrieben werden, dass ihm deutlich wird, was konkret beanstandet wird, wobei Ungenauigkeiten zu Lasten des Abmahnenden gehen (Ottofülling, in: MK-UWG, 1. Auflage 2006, § 12 Rz. 37).

Von diesen Überlegungen ausgehend hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin vor der Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keine Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben. Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin nicht abgemahnt. Eine solche Abmahnung war auch nicht entbehrlich. Soweit sich die Antragstellerin insoweit darauf beruft, das Verfügungsgebrauchsmuster sei erst am 14.08.2008 erteilt worden, so dass ihr bis zu der am 16.09.2008 beginnenden Messe „Automechanika“ in Frankfurt am Main nur wenig Zeit zur Prüfung der Schutzrechtslage geblieben sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Gerade weil das Verfügungsgebrauchsmuster erst am 14.08.2008 eingetragen wurde, war der Antragsgegnerin ohne vorherige Abmahnung eine Reaktion auf diese Erteilung nicht möglich. Insbesondere bestand im Zeitpunkt des Anerkenntnisses unstreitig für die Antragsgegnerin noch keine Möglichkeit, von der Eintragung des Verfügungsgebrauchsmusters Kenntnis zu erlangen. Bereits aus diesem Grund hätte es der Antragstellerin oblegen, die Antragsgegnerin im Rahmen einer Abmahnung über die Eintragung des Verfügungsgebrauchsmusters zu informieren und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufzufordern. Dabei kann sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf die am 16.09.2008 beginnende Messe „Automechanika“ berufen. Selbst im Zeitpunkt der Einreichung des beim Landgericht Düsseldorf am 08.09.2008 eingegangenen Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre es – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Antragsstellerin ihren Sitz in den USA hat – möglich gewesen, die Antragsgegnerin noch mit einer, wenn auch kurzen Stellungnahmefrist abzumahnen und für den Fall, dass die Antragsgegnerin die begehrte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgibt, im Anschluss noch vor Messebeginn eine einstweilige Verfügung zu erwirken und so den befürchteten Messeauftritt der Antragsgegnerin zu verhindern.

Schließlich hatte die Antragstellerin im Zeitpunkt ihres Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Antragsgegnerin auf eine entsprechende Abmahnung hin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben bzw. eine solche nicht als endgültige Regelung anerkennen und respektieren würde. Auch wenn die Antragsgegnerin – worüber vorliegend nicht entschieden werden muss – wie von der Antragstellerin im Rahmen des von ihr eingeleiteten Ordnungsmittelverfahrens vorgetragen die angegriffene Ausführungsform auch nach Zustellung des Teil-Anerkenntnisurteils weiter angeboten haben sollte, rechtfertigt dies die Annahme einer Veranlassung zur Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne eine vorherige Abmahnung nicht. Zwar kann das spätere Verhalten eine frühere Veranlassung indizieren. Ließ das vorprozessuale Verhalten der Antragsgegnerin wie hier allerdings noch keinen Schluss auf die Notwendigkeit der Anrufung der Gerichte zu, ist ein rückschauendes „Nachwachsen“ allein aus dem Verhalten nach Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht möglich.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 250.000,- EUR festgesetzt.