4a O 227/07 – Abzugsvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1012

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Oktober 2008, Az. 4a O 227/07

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents 44 40 xxx Cx (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Entschädigungspflicht und der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 14.11.1994 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 15.05.1996 offengelegt, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 02.10.1996 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte hat hinsichtlich des Klagepatents mit Schriftsatz vom 06.05.2008 Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.

Das Klagepatent bezieht sich auf eine Abzugsvorrichtung für Kunststoffschlauchfolien. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

1. Abzugsvorrichtungen für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoff-Schlauchfolie mit mindestens einer Umlenkwalze und/oder Wendestange,
dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Umlenkwalze und/oder Wendestange über ihre Länge einen unterschiedlichen Durchmesser aufweist.

Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung abgebildet. Die Figur 2 zeigt eine Abzugsvorrichtung in perspektivischer Ansicht. Während in der Figur 4 eine Wendestange aus dem Stand der Technik zu sehen ist, werden in den Figuren 1, 5 und 6 verschiedene Ausführungsformen einer erfindungsgemäßen Umlenkwalze (Figur 1) beziehungsweise Wendestange (Figur 5 und 6) dargestellt.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A-T“ Abzugsvorrichtungen (angegriffene Ausführungsform). Eine solche ist Teil der im Blasverfahren arbeitenden Schlauchfolienextrusionsanlage „A“ und weist so genannte B-Luftwendestangen auf. Auf der Rückseite der Wendestange, wo die Folie herumreicht, ist ein elliptischer Bereich in die ansonsten zylindrische Stange eingefräst. Die Einfräsung ist symmetrisch, an ihrer tiefsten Stelle in der Mitte der Stange 2 mm tief und flacht zu ihren Rändern hin ab. An ihrer breitesten Stelle überdeckt sie etwa 170° des Umfangs der Wendestange. Dieser Wert nimmt nach außen zu den beiden Enden der Stange hin ab. Nachstehend werden Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben. In den ersten beiden Abbildungen ist die beanstandete Abzugsvorrichtung der Beklagten dargestellt. Die anschließende Zeichnung zeigt eine schematische Ansicht einer B-Luftwendestange einmal im Längsschnitt und einmal im Querschnitt, wie er sich durch die Einfräsung ergibt.

Am 04.06.2003 hielt Herr C, ein Mitarbeiter der Beklagten, im Rahmen einer vom VDI veranstalteten Fachtagung zur Kunststofftechnik einen Vortrag, der in diesem Zusammenhang vom VDI veröffentlicht und den Teilnehmern der Tagung ausgehändigt wurde. Der schriftlich ausgearbeitete Vortrag liegt als Anlage K6 vor, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird. An der Tagung nahm auch Herr D, Leiter des Produktbereichs Extrusion bei der Klägerin, als Dozent teil. Er hielt unmittelbar vor Herrn C einen Vortrag. Erst im Jahr 2006 erhielten Herr E, Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung Extrusion bei der Klägerin, und Herr F, Leiter der Patentabteilung, Kenntnis von dem Inhalt des Vortrags.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäßen Gebrauch. Durch die eingefräste Nut weise die B-Luftwendestange fortlaufend unterschiedliche Durchmesser im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs auf.
Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass Herr D vom Inhalt des schriftlichen Beitrags von Herrn C Kenntnis erlangt habe. Sie ist der Ansicht, Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie keine Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt habe. Soweit Herr D Kenntnis gehabt habe, könne ihr dieses Wissen nicht zugerechnet werden, weil er nicht für die Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen verantwortlich gewesen sei. Diese Aufgabe habe bei Herrn E und Herrn F gelegen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
Abzugsvorrichtungen für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoff-Schlauchfolie mit mindestens einer Wendestange
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Wendestange über ihre Länge einen unterschiedlichen Durchmesser aufweist.
2. ihr unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses vollständig darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15.06.1996 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
und unter Vorlage der Rechnungs- und Verkaufsbelege (Rechnungen und Lieferscheine),
wobei ferner die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 02.11.1996 zu machen sind und
wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger nicht der Klägerin, sondern einem von ihr zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die Kosten seiner Einschaltung trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin auf Befragen Auskunft darüber zu geben, ob ein bestimmt bezeichneter Name oder eine bestimmte bezeichnete Anschrift in der Auskunft enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. ihr für die zu I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 15.06.1996 bis zum 01.11.1996 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 02.11.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) abzuwenden,

hilfsweise das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagte ist der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht wortsinngemäß verletzt. Der geltend gemachte Klagepatentanspruch setze voraus, dass die Wendestange rotationssymmetrisch sei und dadurch die Unterschiede im Durchmesser über den gesamten Umfang der Wendestange vorhanden seien. Die Wendestange der angegriffenen Ausführungsform – das ist unstreitig – weise aber lediglich eine Vertiefung auf, die maximal 170° des Umfangs der Stange umfasse, und werde mindestens zu 180° von der Kunststoffschlauchfolie umschlungen.

Weiterhin erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, die schriftlich ausgearbeiteten Beiträge der Dozenten seien den Teilnehmern am selben Tag – also am 04.06.2003 – ausgehändigt worden, was von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten wird. Herr D habe von den Patenten der Klägerin Kenntnis gehabt, weil er sonst nicht als Produktbereichsleiter Extrusion beschäftigt gewesen wäre.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung einer angemessenen Entschädigung und von Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 33 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht wortsinngemäß Gebrauch.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 eine Abzugsvorrichtung für Kunststoffschlauchfolien.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass im Stand der Technik solche Abzugsvorrichtungen für den Abzug einer von einem Extruder im Blasverfahren hergestellten Kunststoffschlauchfolie bekannt sind. In der EP 0 191 114 B1 wird beschrieben, wie die Schlauchfolie nach dem Flachlegen über Wendestangen und Umlenkwalzen, die in der Regel reversierend angeordnet sind, geführt wird.

Im Stand der Technik werden die Wendestangen häufig derart ausgeführt, dass sie auf der Mantelfläche mit Bohrungen versehen sind, aus denen Pressluft aus dem Innern der Wendestange austritt, damit zwischen der Oberfläche der Wendestange und der über diese Oberfläche abgezogenen Kunststoffschlauchfolie ein Luftpolster gebildet wird. Vor allem bei der Verarbeitung von haftenden und klebenden Folien ist der Einsatz großer Luftpolster wünschenswert, weil dadurch die über die Wendestange geführt Folie auf der ganzen Breite der Wendestange schwimmt.

Laut Klagepatentschrift ist an dieser Vorgehensweise nachteilig, dass bei hohen Luftpolstern in der Mitte der Bahn eine Mittelfalte auftritt. Diese Falte verhindert ein einwandfreies Aufwickeln der Kunststoffschlauchfolie. In der Praxis erfolgt daher der Abzug der Folie mit weniger großen Luftpolstern, was zwar der Bildung von Falten im Mittelteil der Wendestange entgegenwirkt, aber gerade bei der Verarbeitung von haftenden bis klebenden Folien zu einer mehr oder weniger starken Berührung zwischen der Folie und der Wendestange führt. Die aus dem Stand der Technik bekannten zylindrischen Wendestangen, die neben den zuvor genannten Luftaustrittsbohrungen auch Rillen, Nuten oder ähnliches aufweisen, lösen das Problem der Mittelfalte nicht.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, eine Abzugsvorrichtung für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoffschlauchfolie derart weiterzubilden, dass eine störungsfreie Verarbeitung auch von haftenden bis klebenden Folien ermöglicht wird und dabei insbesondere die Bildung einer Mittelfalte bei der abgezogenen Kunststoffschlauchfolie verhindert wird.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Abzugsvorrichtungen für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoff-Schlauchfolie
2. mit mindestens einer Umlenkwalze und/oder Wendestange,
3. die mindestens eine Umlenkwalze und/oder Wendestange weist über ihre Länge einen unterschiedlichen Durchmesser auf.

II.
Zwischen den Parteien ist allein streitig, ob die angegriffene Ausführungsform eine Wendestange mit einem über ihre Länge unterschiedlichen Durchmesser aufweist (Merkmal 3).

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nach der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht zwingend erforderlich, dass die Wendestange einer erfindungsgemäßen Abzugsvorrichtung rotationssymmetrisch ist, also über ihren gesamten Umfang einen Durchmesser aufweist, der sich vom Durchmesser anderer Abschnitte der Stange unterscheidet. Vielmehr genügt es, wenn die Wendestange zwar über ihre gesamte Länge, aber nur über einen Teil ihres Umfangs unterschiedliche Durchmesser aufweist. Allerdings muss der Durchmesser zumindest dort über die gesamte Länge variieren, wo die Kunststoffschlauchfolie zur Auflage auf der Wendestange kommt beziehungsweise kommen könnte. Dies ergibt die Auslegung des Klagepatentanspruchs, wobei gemäß § 14 PatG die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind. Die Auslegung dient nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der Erfindung. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube).

a) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich die hier vertretene Auslegung aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs und seiner Beschreibung. Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs enthält lediglich die Anweisung, dass die Wendestange über ihre Länge einen unterschiedlichen Durchmesser aufweist. Damit ist jedoch keine Aussage darüber verbunden, ob die für die gesamte Länge der Wendestange verlangten Unterschiede zwischen den Durchmessern auch über den gesamten Umfang der Stange auftreten müssen. Stellt man sich die Mantelfläche zweidimensional (also quasi „ausgerollt“) vor, hat Merkmal 3 zur Folge, dass die Mantelfläche zwar in ihrer gesamten Breite (das ist nach der Wortwahl des Klagepatentschrift die Länge der Wendestange), aber nur bezogen auf einen Teil der gesamten Länge (das ist der Umfang der Wendestange) nicht eben, sondern gekrümmt ist.

Diese Auslegung des Klagepatentanspruchs kann zwar dazu führen, dass eine Wendestange über ihre gesamte Länge in einem Bereich ihres Umfangs den gleichen Durchmesser und im jeweils anderen Bereich ihres Umfangs unterschiedliche Durchmesser aufweist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Stange mit einem in ihren äußeren Bereichen kreisförmigen Querschnitt in einen elliptischen Querschnitt im mittleren Bereich übergeht, so dass der Durchmesser der Stange in der Horizontalen gleich bleibt, in der Vertikalen aber variiert. Gleichwohl widerspricht diese Auslegung nicht dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs, weil dort nicht angeordnet ist, dass die Stange in Umfangsrichtung den gleichen Durchmesser – sprich: einen kreisförmigen Querschnitt – und über die gesamte Länge der Stange einen unterschiedlichen Durchmesser hat. Der Klagepatentanspruch spricht nur eine „Dimension“, die Länge der Stange, an und äußert sich zur anderen Dimension, dem Umfang, nicht.

b) Diese Auslegung wird durch die Beschreibung des Klagepatents gestützt. In der Klagepatentschrift wird am Stand der Technik kritisiert, dass bei den herkömmlich zylinderförmigen Umkehrwalzen und Wendestangen eine Mittelfalte in der Kunststoffschlauchfolie auftritt, wenn zwischen der Walze oder Stange ein größeres Luftpolster erzeugt wird (Sp. 1 Z. 25-27; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K1). Wird der Abzug der Folie hingegen mit einem kleineren Luftpolster betrieben, kommt die Folie eher in Kontakt mit der Oberfläche der Umlenkwalze oder Wendestange, was insbesondere bei der Produktion von haftenden oder klebenden Folien möglichst verhindert werden soll (Sp. 1 Z. 28-34).

Durch die patentgemäße Lehre wird allgemein das Problem der Bildung einer Mittelfalte gelöst, indem mindestens eine Umlenkwalze und/oder Wendestange einer Abzugsvorrichtung über ihre Länge unterschiedliche Durchmesser aufweist (Merkmal 3). Ob die mit dem Klagepatentanspruch beschriebene Abzugsvorrichtung mit Luftpolstern zwischen der Umlenkwalze oder Wendestange einerseits und der Kunststoffschlauchfolie andererseits arbeitet, ist für die unter Schutz gestellte technische Lehre unbeachtlich. Im Klagepatentanspruch ist lediglich von einer Abzugsvorrichtung mit einer Umlenkwalze und/oder Wendestange die Rede, die über ihre Länge einen unterschiedlichen Durchmesser aufweist. Dementsprechend wird in der Klagepatentschrift selbst als (subjektive) Aufgabe formuliert, die Bildung einer Mittelfalte bei der abgezogenen Folie zu verhindern (Sp. 1 Z. 45-48). Nach der Beschreibung des Klagepatents besteht die Lösung darin, dass eine Umlenkwalze oder Wendestange in der Abzugsvorrichtung über ihre gesamte Länge unterschiedliche Durchmesser aufweist (Sp. 1 Z. 49-54). Auch zu einem der Ausführungsbeispiele wird in der Klagepatentschrift ausgeführt, dass durch eine konkave Ausgestaltung der Umlenkwalze die Faltenbildung im Mittelbereich der Kunststoffschlauchfolie wirksam verhindert werde (Sp. 2 Z. 44-47).

aa) Aus den vorstehenden Ausführungen wird für den Fachmann deutlich, dass die patentgemäße Veränderung des Durchmessers einer Umlenkwalze oder Wendestange dazu führt, dass die Kunststoffschlauchfolie in Querrichtung gekrümmt wird. Stellt man sich wiederum die Mantelfläche quasi „ausgerollt“ vor, haben die unterschiedlichen Durchmesser zur Folge, dass die Mantelfläche in der vollen Breite (also über die Länge der Walze oder Stange) gekrümmt ist, was sich dementsprechend auch auf die aufliegende Folie auswirkt. Die Bildung von Mittelfalten kann mit anderen Worten dadurch vermieden werden, dass die Kunststoffschlauchfolie gekrümmt wird. Daraus folgt aber zugleich, dass eine Krümmung der Mantelfläche dort technisch nicht erforderlich ist, wo die Kunststoffschlauchfolie gar nicht in Kontakt mit der Mantelfläche gelangt. Hier kann eine Durchmesservariation keine Krümmung bewirken. Dementsprechend muss eine Umlenkwalze oder Wendestange zwar über die gesamte Länge, aber nur in den Umfangsbereichen unterschiedliche Durchmesser aufweisen, in denen die Kunststoffschlauchfolie auf der Walze oder Stange aufliegt.

bb) Die vorstehenden Ausführungen gelten im Fall der Verwendung von Luftpolstern mittels Pressluft gleichermaßen. Über die gesamte Länge der Walze oder Stange müssen sich die Durchmesser in den Bereichen unterscheiden, über denen die Kunststoffschlauchfolie mittels eines Luftpolsters schwimmt. Hier kommt es zwar nicht zwingend zu einer Krümmung der Kunststoffschlauchfolie, weil diese sich nicht unmittelbar der Form der Umlenkwalze oder Wendestange anpasst, sondern auf dem Luftpolster schwimmt. Gleichwohl ist für den Fachmann erkennbar, dass die Krümmung der Mantelfläche der Walze oder Stange zu einer Veränderung des darüber befindlichen Luftpolsters führt, die sich wiederum auf die Kunststoffschlauchfolie auswirkt und Mittelfalten verhindert. Dementsprechend muss die Umlenkwalze beziehungsweise Wendestange überall dort unterschiedliche Durchmesser aufweisen, wo Luftpolster gebildet werden und die Kunststoffschlauchfolie auf diesen Luftpolstern schwimmt, um einen möglichen Kontakt mit der Walze oder Stange so weit wie möglich zu verhindern.

c) Es ist unmittelbar ersichtlich, dass für die Frage, in welchen Bereichen sich die Durchmesser unterscheiden müssen, danach zu differenzieren ist, ob es sich um eine rotierende Umlenkwalze oder um eine nicht drehende Wendestange handelt. Bei einer rotierenden Umlenkwalze müssen sich die Durchmesser im gesamten Umfangsbereich über die gesamte Länge unterscheiden, weil im Laufe der Drehung die gesamte Mantelfläche einer rotierenden Walze als Auflage für die Kunststoffschlauchfolie dient. Stellt man sich wiederum die Mantelfläche in „ausgerollter“ Form vor, muss die Fläche über die gesamte Breite (das heißt die gesamte Länge der Walze) gekrümmt sein, und zwar in jedem Abschnitt ihrer Länge (das ist der Umfang der Walze). Anders verhält es sich mit einer feststehenden Wendestange, bei der nur ein Teil der Mantelfläche dauerhaft, der andere Teil hingegen gar nicht in Kontakt mit der Kunststoffschlauchfolie kommen kann. In einem solchen Fall muss nur der Teil, auf dem die Folie zur Auflage kommt beziehungsweise auf dem die Folie mittels eines Luftpolsters schwimmt, unterschiedliche Durchmesser aufweisen.

d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es für die Lösung des technischen Problems ausreichend ist, lediglich Teile der Auflagefläche – also einen Teilbereich der Fläche einer Wendestange, die mit der Kunststoffschlauchfolie in Kontakt kommt beziehungsweise kommen kann – so zu gestalten, dass sie über die Länge der Stange unterschiedliche Durchmesser aufweisen. Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass andere Teilbereiche, auf denen die Kunststoffschlauchfolie aufliegt oder zur Auflage kommen könnte, weiterhin über die gesamte Länge der Stange den selben Durchmesser aufweisen. Die Kunststoffschlauchfolie würde in diesem Bereich nicht durch die Wendestange gekrümmt. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie der Fachmann anhand der Klagepatentschrift und mit Hilfe seines Fachwissens zu der Erkenntnis gelangen kann, dass die Bildung von Mittelfalten auch dann verhindert werden kann, wenn nur Teilbereiche der Auflagefläche der Folie auf der Stange einen unterschiedlichen Durchmesser aufweisen und die Folie infolgedessen über zylindrische, nicht gekrümmte Bereiche der Wendestange verläuft. Da die herkömmlichen zylindrischen Wendestangen und Umlenkwalzen nach den Schilderungen in der Patentschrift zur Bildung einer Mittelfalte beitragen, besteht ausgehend von der Klagepatentschrift vielmehr Grund zu der Annahme, dass eine Folie Mittelfalten aufwirft, wenn nicht ihre gesamte Auflagefläche über die Länge der Stange unterschiedliche Durchmesser aufweist und insofern gekrümmt ist.

Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen im Fall der Verwendung von Luftpolstern, mit denen der Kontakt zwischen der Kunststoffschlauchfolie und der Wendestange möglichst verringert werden soll. Bei den aus dem Stand der Technik bekannten Luftwendestangen führt die Verwendung hoher Luftpolster zur Bildung einer Mittelfalte. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sich eine Mittelfalte verhindern lässt, wenn die Wendestange nur in einem Teilbereich einer möglichen Auflagefläche der Kunststoffschlauchfolie über ihre Länge unterschiedliche Durchmesser aufweist. Anhaltspunkte für eine solche Wirkung ergeben sich nicht aus der Klagepatentschrift. Es liegt vielmehr der Schluss nahe, dass die Folie in den Bereichen der Stange mit gleichen Durchmessern aufgrund der Pressluft wie bei den aus dem Stand der Technik bekannten Wendestangen aufgeworfen wird und Falten bildet (vgl. Figur 4), während es bei der Verwendung kleiner Luftpolster zum Kontakt der Folie mit der Wendestange kommt, was ebenfalls möglichst verhindert werden soll.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen, durch die Variation der Durchmesser über die Länge der Wendestange werde vermieden, dass die Seitenränder der Folie nach innen wandern, wenn die Wendestange mit Luftpolstern arbeitet. Auch wenn dieser Vortrag eine Erklärung dafür bietet, warum die Bildung einer Mittelfalte bei der Verwendung einer Wendestange mit gekrümmter Oberfläche verhindert wird, rechtfertigt er keine andere Auslegung. Denn es ist nicht dargelegt, dass für den Fachmann ausgehend von der Klagepatentschrift erkennbar ist, eine Mittelfalte auch dann verhindern zu können, wenn nicht die gesamte (potentielle) Auflagefläche der Folie auf der Wendestange unterschiedliche Durchmesser über die Länge der Stange aufweist.

e) Eine andere Auslegung des Klagepatentanspruchs ergibt sich nicht durch die Ausführungen in der Klagepatentschrift zum Stand der Technik, in dem „neben den (…) Austrittsbohrungen [für die Pressluft] auch teilweise Nuten, Rillen oder ähnliches vorgesehen sind“ (Sp. 1 Z. 36-38), ohne aber Abhilfe für das Problem der Mittelfalte zu schaffen. Allgemein können „Nuten, Rillen oder ähnliches“ als längliche Vertiefungen in der Mantelfläche der Umlenkwalze oder Wendestange – sei es in axialer Richtung oder in Umfangsrichtung – verstanden werden. Bei einer länglichen Vertiefung in axialer Richtung bleibt der Durchmesser über die Länge der Umlenkwalze oder Wendestange grundsätzlich gleich groß. Hingegen weist eine Walze oder Stange mit einer Rille oder Nut in Umfangsrichtung teilweise unterschiedliche Durchmesser auf. Allerdings sind die Unterschiede im Durchmesser auf bestimmte Abschnitte der Umlenkwalze beziehungsweise Wendestange begrenzt. Insofern unterscheidet sich der Stand der Technik von den erfindungsgemäßen Walzen und Stangen, die über ihre Länge unterschiedliche Durchmesser aufweisen müssen. Es reicht nicht, wenn die Walze oder Stange eine Zylinderform hat und nur an einigen Stellen Nuten, Rillen oder ähnliches eingefräst sind, wodurch die Walze oder Stange an dieser Stelle einen geringeren Durchmesser erhält. Über die gesamte Länge der Umlenkwalze beziehungsweise Wendestange betrachtet, unterscheiden sich die Durchmesser nicht.

f) Die Kammer hat bei der hier vertretenen Auslegung nicht verkannt, dass nach der erfindungsgemäßen Lehre Berührungen zwischen der Folie und der Wendestange nicht zwingend ausgeschlossen werden sollen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, es sei nach der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht erforderlich, dass eine Wendestange über ihre Länge auf der gesamten Auflagefläche der Folie unterschiedliche Durchmesser aufweise, weil es ausweislich der Klagepatentschrift (vgl. beispielhaft Sp. 1 Z. 58-67; Sp. 2 Z. 24-32) auch bei der Verwendung von Luftpolstern zumindest in den Randbereichen der Folien zum Kontakt mit der Umlenkwalze oder Wendestange komme. Diese Auffassung greift nicht durch. Durch die patentgemäße Erfindung soll das Problem der Bildung einer Mittelfalte gelöst werden. Bei einer Wendestange, die nicht mit Luftpolstern arbeitet, liegt die Folie ohnehin auf der Mantelfläche auf. Durch die Krümmung dieser Fläche wird verhindert, dass sich eine Mittelfalte bildet. Wird die Wendestange hingegen mit Pressluft betrieben, bildet sich – anders als im Stand der Technik – selbst dann keine Mittelfalte, wenn hohe Luftpolster verwendet werden. Dadurch kann der Kontakt der Folie mit der Wendestange so gering wie möglich gehalten werden. Dass er nicht vollständig verhindert werden kann, versteht sich von selbst. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass nicht alle Bereiche der Wendestange, in denen die Folie zur Auflage kommt bzw. kommen kann, unterschiedliche Durchmesser aufweisen müssen. Eine solche Auffassung ließe außer acht, dass es dem Klagepatent darum geht, die Bildung einer Mittelfalte zu verhindern. Im Übrigen ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass mit Luftpolstern gearbeitet wird, dass der Kontakt der Schlauchfolie mit der Wendestange möglichst vermieden werden soll. In gleicher Weise hat selbst die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Berührung minimiert werden solle.

2. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht wortsinngemäß Gebrauch. Die streitgegenständliche Abzugsvorrichtung hat keine Umlenkwalze und/oder Wendestange mit einem über ihre Länge unterschiedlichen Durchmesser im Sinne des Klagepatentanspruchs 1 (Merkmal 3). In Streit steht lediglich, ob eine der für die angegriffene Ausführungsform verwendeten Wendestangen im Sinne der unter Schutz gestellten Lehre geformt ist. Unstreitig weist diese Wendestange über ihre gesamte Länge eine Vertiefung – von der Beklagten als Nut bezeichnet – auf, die von den beiden Enden der Stange zu ihrer Mitte hin immer tiefer verläuft. Allerdings umfasst die Vertiefung in Umfangsrichtung höchstens 170° der Stange. Da die Vertiefung in Richtung der beiden Enden geringer wird, umfasst sie dort auch nur einen immer geringer werdenden Teil des Umfangs. Infolgedessen ist die Wendestange nicht rotationssymmetrisch geformt, weil die Vertiefung nur in einem Teilbereich eingebracht ist. In diesem Bereich weist die Stange über die Länge einen unterschiedlichen Durchmesser auf. Der übrige Teil der Wendestange hat denselben Durchmesser.

In dem Bereich mit demselben Durchmesser kommt die Kunststoffschlauchfolie auf der Wendestange der angegriffenen Ausführungsform zur Auflage. Unbestritten kann die beanstandete Wendestange im Betrieb auch zu 180° von der Kunststoffschlauchfolie umschlossen werden. Die Vertiefung umfasst hingegen maximal 170° der Wendestange. Es ist das erklärte Ziel der Beklagten, dass die Vertiefung durch die Kunststoffschlauchfolie im Hinblick auf die verwendete Druckluft abgedichtet wird. Dadurch soll nach dem Vortrag der Beklagten Pressluft gespart werden, weil sich infolge der Abdichtung zwischen der Wendestange und der Kunststoffschlauchfolie in der Vertiefung ein Luftpolster bilden kann, das an den Rändern aufgrund der auf der Mantelfläche der Wendestange aufliegenden Folie abgeschlossen ist. Die Lehre des Klagepatentanspruchs wird durch eine solche angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht, weil die beanstandete Wendestange in Bereichen ihrer Mantelfläche, die von der Kunststoffschlauchfolie umschlungen ist, über ihre Länge keinen unterschiedlichen Durchmesser aufweist. Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs muss jedoch der gesamte Bereich der Mantelfläche, der in Kontakt mit der Kunststoffschlauchfolie kommt beziehungsweise kommen kann, über die Länge der Stange einen unterschiedlichen Durchmesser aufweisen.

Es ist unbeachtlich, wenn die Beklagte nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin mit der bei der angegriffenen Ausführungsform eingebrachten Vertiefung in der Wendestange auch das Ziel erreicht, die Mittelfalte in der Folie zu vermeiden. Denn für eine Verletzung des Klagepatents kommt es nicht darauf an, ob die angegriffene Ausführungsform dasselbe technische Problem löst, das auch der unter Schutz gestellten Lehre zugrunde liegt. Ebenso ist es unschädlich, wenn die angegriffene Ausführungsform Funktionen aufweist, die auch die erfindungsgemäße Abzugsvorrichtung erfüllen soll. Maßgeblich ist allein, ob die beanstandete Abzugsvorrichtung die Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht, wobei der Inhalt des Klagepatentanspruchs durch Auslegung – wie zuvor unter Ziffer 1. ausgeführt – zu bestimmen ist. Da die Wendestange der angegriffenen Ausführungsform nicht über ihre Länge unterschiedliche Durchmesser aufweist, ist der Klagepatentanspruch im vorliegenden Fall nicht verwirklicht.

3. Der Vortrag der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.10.2008 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Grundsätzlich ist der Vortrag gemäß § 296a ZPO verspätet. Im Übrigen liegt kein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO vor. Das Vorbringen der Klägerin zur Auslegung des Klagepatentanspruchs stellt eine Wiederholung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung dar, mit dem sich die Kammer im vorliegenden Urteil auseinandergesetzt hat. Gleiches gilt für den Vortrag, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform keine Mittelfalten bilden würden. Unbeachtlich ist auch, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform – so der Vortrag der Klägerin – trotz des gleichbleibenden Durchmessers im Ein- und Auslaufbereich der Stange Luftpolster unter der Folie bilden und die Folie nicht zwingend zur Auflage auf der Stange kommt. Dies ist für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatentanspruchs unbeachtlich.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 500.000,00 EUR