4a O 271/07 – Abzugsvorrichtung II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1013

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Oktober 2008, Az. 4a O 271/07

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 711 xxx B1 (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Entschädigungspflicht und der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 16.10.1995 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 14.11.1994 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 15.05.1996 offengelegt, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 05.04.2000 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte hat hinsichtlich des Klagepatents mit Schriftsatz vom 06.05.2008 Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.

Das Klagepatent bezieht sich auf eine Abzugsvorrichtung für Kunststoffschlauchfolien. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache deutsch ist, lautet wie folgt:

1. Abzugsvorrichtung (5) für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoff-Schlauchfolie (12) mit einem den extrudierten Folienschlauch (12) flachlegenden Abzugswalzenpaar und mit mindestens einer diesem nachgeordneten rotierenden Umlenkwalze (10) und mindestens einer nicht rotierenden mit Pressluft durchströmbaren Wendestange (14), wobei die Pressluft durch über den Mantel der Wendestange (14) verteilte Bohrungen austritt,
dadurch gekennzeichnet, dass die Oberfläche der mindestens einen Wendestange (14) konkav ausgebildet ist.

Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung abgebildet. Die Figur 2 zeigt eine Abzugsvorrichtung in perspektivischer Ansicht. Während in der Figur 4 eine Wendestange aus dem Stand der Technik zu sehen ist, werden in den Figuren 1 und 5 verschiedene Ausführungsformen einer erfindungsgemäßen Wendestange (Figur 1 und 5) dargestellt.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A-T“ Abzugsvorrichtungen (angegriffene Ausführungsform). Eine solche ist Teil der im Blasverfahren arbeitenden Schlauchfolienextrusionsanlage „A“ und weist so genannte B-Luftwendestangen auf. Auf der Rückseite der Wendestange, wo die Folie herumreicht, ist ein elliptischer Bereich in die ansonsten zylindrische Stange eingefräst. Die Einfräsung ist symmetrisch, an ihrer tiefsten Stelle in der Mitte der Stange 2 mm tief und flacht zu ihren Ränden hin ab. An ihrer breitesten Stelle überdeckt sie etwa 170° des Umfangs der Wendestange. Dieser Wert nimmt nach außen zu den beiden Enden der Stange hin ab. Nachstehend werden Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben. In den ersten beiden Abbildungen ist die beanstandete Abzugsvorrichtung der Beklagten dargestellt. Die anschließende Zeichnung zeigt eine schematische Ansicht einer B-Luftwendestange einmal im Längsschnitt und einmal im Querschnitt.

Am 04.06.2003 hielt Herr C, ein Mitarbeiter der Beklagten, im Rahmen einer vom VDI veranstalteten Fachtagung zur Kunststofftechnik einen Vortrag, der in diesem Zusammenhang vom VDI veröffentlicht und den Teilnehmern der Tagung ausgehändigt wurde. Der schriftlich ausgearbeitete Vortrag liegt als Anlage K6 vor, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird. An der Tagung nahm auch Herr D, Leiter des Produktbereichs Extrusion bei der Klägerin, als Dozent teil. Er hielt unmittelbar vor Herrn C einen Vortrag. Erst im Jahr 2006 erhielten Herr E, Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung Extrusion bei der Klägerin, und Herr F, Leiter der Patentabteilung, Kenntnis von dem Inhalt des Vortrags.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Durch die eingefräste Nut sei die B-Luftwendestange in einem Bereich, der von der Kunststoffschlauchfolie umschlungen sei, konkav ausgebildet.
Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass Herr D vom Inhalt des schriftlichen Beitrags von Herrn C Kenntnis erlangt habe. Sie ist der Ansicht, Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie keine Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt habe. Soweit Herr D Kenntnis gehabt habe, könne ihr dieses Wissen nicht zugerechnet werden, weil er nicht für die Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen verantwortlich gewesen sei. Diese Aufgabe habe bei Herrn E und Herrn F gelegen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
Abzugsvorrichtungen für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoff-Schlauchfolie mit einem den extrudierten Folienschlauch flachlegenden Abzugswalzenpaar und mit mindestens einer diesem nachgeordneten rotierenden Umlenkwalze und mindestens einer nicht rotierenden mit Pressluft durchströmbaren Wendestange, wobei die Pressluft durch über den Mantel der Wendestange verteilte Bohrungen austritt,
im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents 0 711 xxx B1 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Oberfläche der mindestens einen Wendestange konkav ausgebildet ist;
2. ihr unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses vollständig darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15.06.1996 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
und unter Vorlage der Rechnungs- und Verkaufsbelege (Rechnungen und Lieferscheine),
wobei ferner die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 05.05.2000 zu machen sind und
wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger nicht der Klägerin, sondern einem von ihr zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die Kosten seiner Einschaltung trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin auf Befragen Auskunft darüber zu geben, ob ein bestimmt bezeichneter Name oder eine bestimmte bezeichnete Anschrift in der Auskunft enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. ihr für die zu I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 15.06.1996 bis zum 04.05.2000 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 05.05.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) abzuwenden,

hilfsweise das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagte ist der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht wortsinngemäß verletzt. Der geltend gemachte Klagepatentanspruch setze voraus, dass die Wendestange rotationssymmetrisch sei und insofern die Oberfläche der Wendestange über den gesamten Umfang konkav ausgebildet sei. Die Wendestange der angegriffenen Ausführungsform – das ist unstreitig – weise aber lediglich eine Vertiefung auf, die maximal 170° des Umfangs der Stange umfasse, und werde mindestens zu 180° von der Kunststoffschlauchfolie umschlungen.

Weiterhin erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, die schriftlich ausgearbeiteten Beiträge der Dozenten seien den Teilnehmern am selben Tag – also am 04.06.2003 – ausgehändigt worden, was von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten wird. Herr D habe von den Patenten der Klägerin Kenntnis gehabt, weil er sonst nicht als Produktbereichsleiter Extrusion beschäftigt gewesen wäre.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung einer angemessenen Entschädigung und von Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, Art. 2 § 1 Abs. 1 S. 1 IntPatÜG, §§ 242, 259 BGB. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht wortsinngemäß Gebrauch.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 eine Abzugsvorrichtung für Kunststoffschlauchfolien.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass im Stand der Technik solche Abzugsvorrichtungen für den Abzug einer von einem Extruder im Blasverfahren hergestellten Kunststoffschlauchfolie bekannt sind. In der EP 0 191 114 B1 wird beschrieben, wie die Schlauchfolie nach dem Flachlegen über Wendestangen und Umlenkwalzen, die in der Regel reversierend angeordnet sind, geführt wird.

Im Stand der Technik werden die Wendestangen häufig derart ausgeführt, dass sie auf der Mantelfläche mit Bohrungen versehen sind, aus denen Pressluft aus dem Innern der Wendestange austritt, damit zwischen der Oberfläche der Wendestange und der über diese Oberfläche abgezogenen Kunststoffschlauchfolie ein Luftpolster gebildet wird. Vor allem bei der Verarbeitung von haftenden und klebenden Folien ist der Einsatz großer Luftpolster wünschenswert, weil dadurch die über die Wendestange geführt Folie auf der ganzen Breite der Wendestange schwimmt.

Laut Klagepatentschrift ist an dieser Vorgehensweise nachteilig, dass bei hohen Luftpolstern in der Mitte der Bahn eine Mittelfalte auftritt. Diese Falte verhindert ein einwandfreies Aufwickeln der Kunststoffschlauchfolie. In der Praxis erfolgt daher der Abzug der Folie mit weniger großen Luftpolstern, was zwar der Bildung von Falten im Mittelteil der Wendestange entgegenwirkt, aber gerade bei der Verarbeitung von haftenden bis klebenden Folien zu einer mehr oder weniger starken Berührung zwischen der Folie und der Wendestange führt. Die aus dem Stand der Technik bekannten zylindrischen Wendestangen, die neben den zuvor genannten Luftaustrittsbohrungen auch Rillen, Nuten oder ähnliches aufweisen, lösen das Problem der Mittelfalte nicht.

Ebenso wenig werde durch die konvex ausgebildeten Wendestangen, wie sie aus der EP 0 658 506 A1 bekannt seien, das durch die Verwendung hoher Luftpolster verursachte Problem der Bildung einer Mittelfalte gelöst. Vielmehr werde dadurch die Tendenz zur Faltenbildung verstärkt.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, eine Abzugsvorrichtung für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoffschlauchfolie derart weiterzubilden, dass eine störungsfreie Verarbeitung auch von haftenden bis klebenden Folien ermöglicht wird und dabei insbesondere die Bildung einer Mittelfalte bei der abgezogenen Kunststoffschlauchfolie verhindert wird.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Abzugsvorrichtung (5) für eine im Blasverfahren von einem Extruder hergestellte Kunststoff-Schlauchfolie (12);
2. mit einem den extrudierten Folienschlauch (12) flachlegenden Abzugswalzenpaar;
3. mit mindestens einer diesem Abzugswalzenpaar nachgeordneten rotierenden Umlenkwalze (10);
4. mit mindestens einer nicht rotierenden mit Pressluft durchströmbaren Wendestange (14);
5. wobei die Pressluft durch über den Mantel der Wendestange (14) verteilte Bohrungen austritt;
6. die Oberfläche der mindestens einen Wendestange (14) ist konkav ausgebildet.

In der Klagepatentschrift wird als Vorteil der Erfindung angegeben, dass durch eine entsprechend konkave Ausbildung der Wendestange mit dem darüber aufgebauten Luftpolster die Kunststoffschlauchfolie im mittleren Bereich aus der in der Figur 1 dargestellten nach innen durchgebogenen Lage lediglich horizontal ausgerichtet werde und nicht, wie die Figur 4 zeige, überstreckt werde, was zur Entstehung von Falten führen würde.

II.
Zwischen den Parteien ist allein streitig, ob die angegriffene Ausführungsform eine Wendestange aufweist, deren Oberfläche konkav ausgebildet ist (Merkmal 6).

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nach der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht zwingend erforderlich, dass die Wendestange einer erfindungsgemäßen Abzugsvorrichtung rotationssymmetrisch ist, also über ihren gesamten Umfang eine konkav ausgebildete Oberfläche aufweist. Vielmehr genügt es, wenn nur ein Teil der Oberfläche der Wendestange über die Länge der Stange konkav ausgebildet ist. Allerdings muss die Oberfläche zumindest dort eine konkave Form aufweisen, wo die Kunststoffschlauchfolie zur Auflage auf der Wendestange kommt beziehungsweise kommen könnte. Dies ergibt die Auslegung des Klagepatentanspruchs, wobei gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind. Wie aus dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ hervorgeht, dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Maßgeblich ist dabei die Sicht des Fachmanns. (BGHZ 105, 1 (11) – Ionenanlyse).

a) Der Begriff „konkav“ hat allgemein die Bedeutung „nach innen gewölbt“ oder „eingewölbt“. Bezogen auf die Oberfläche einer Wendestange folgt daraus, dass die Mantelfläche der Stange in Längsrichtung eingewölbt oder vertieft ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Wendestange über ihren gesamten Umfang die konkave Form der Oberfläche aufweist. Vielmehr genügt es, wenn der Bereich der Wendestange, auf dem die Kunststoffschlauchfolie mittels eines Luftpolsters schwimmt, eine konkave Form aufweist. Zu einer Auslegung, nach der die Wendestange rotationssymmetrisch und ihre gesamte Oberfläche konkav geformt sein müsse, zwingt der Wortlaut des Klagepatentanspruchs nicht. Andererseits reicht es nicht, dass irgendein Teil der Wendestange konkav geformt sein muss. Vielmehr müssen alle Bereiche, mit denen die Kunststoffschlauchfolie in Kontakt kommen kann und über denen sie daher mit Hilfe eines Luftpolsters schwimmt, konkav ausgebildet sein.

b) Diese Auslegung wird durch die Beschreibung des Klagepatents gestützt. In der Klagepatentschrift wird am Stand der Technik kritisiert, dass bei den aus dem Stand der Technik bekannten Wendestangen eine Mittelfalte in der Kunststoffschlauchfolie auftritt, wenn hohe Luftpolster verwendet werden (Sp. 1 Z. 29-31; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K7). Wird der Abzug der Folie hingegen mit einem kleineren Luftpolster betrieben, kommt die Folie eher in Kontakt mit der Oberfläche der Wendestange, was insbesondere bei der Produktion von haftenden oder klebenden Folien möglichst verhindert werden soll (Sp. 1 Z. 33-38).

Der unter Schutz gestellten Lehre liegt das technische Problem zugrunde, die Bildung einer Mittelfalte zu verhindern. Dies soll gerade dadurch geschehen, dass die Oberfläche der Wendestange konkav ausgebildet wird. Dazu heißt es in den Vorteilsangaben der Klagepatentschrift, dass durch eine entsprechende konkave Ausbildung der Wendestange mit dem darüber aufgebauten Luftpolster die Kunststoffschlauchfolie horizontal ausgerichtet, nicht aber überstreckt wird, was zur Entstehung von Falten führen würde (Sp. 3 Z. 34-41). Demnach entstehen die Falten in der Kunststoffschlauchfolie bei der Verwendung von den aus dem Stand der Technik bekannten Abzugsvorrichtungen dadurch, dass die Folie in der Breite nicht eben gestreckt ist, sondern durch die Form der Wendestange beziehungsweise das darüber befindliche Luftpolster gekrümmt wird und infolgedessen in der Mitte Falten werfen kann, sobald der Druck durch entweichende Pressluft nachlässt. Die Figur 4 der Klagepatentschrift zeigt anschaulich, wie bei den aus dem Stand der Technik bekannten zylinderförmige Wendestangen die Folie durch das Luftpolster gebläht wird und dann in der Mitte Falten wirft (vgl. dazu auch Sp. 3 Z. 40-41). Außerdem sind im Stand der Technik Wendestangen mit konvexer Oberfläche bekannt, die ebenfalls für eine Krümmung der Folie nach außen sorgen. Es ist unmittelbar ersichtlich, dass die Folie durch ein Luftpolster noch weiter überstreckt wird und dann – ähnlich wie in der Figur 4 dargestellt – Falten wirft. In der Klagepatentschrift wird dementsprechend ausdrücklich bemängelt, dass durch eine konvexe Form der Oberfläche das Problem der Mittelfalte sogar verstärkt werde (Sp. 1 Z. 45-50).

Demgegenüber führt die Ausbildung einer konkaven Oberfläche der Wendestange dazu, dass die Folie sich nach innen zur Stange hin wölben würde, wenn kein Luftpolster verwendet würde. Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs tritt jedoch aus der erfindungsgemäßen Wendestange Pressluft aus, um einen Kontakt der Kunststoffschlauchfolie mit der Wendestange zu verhindern (vgl. Sp. 1 Z. 24-28 und Z. 35-38). Darüber hinaus führt das Luftpolster über einer konkav ausgebildeten Oberfläche einer Wendestange dazu, dass die Kunststoffschlauchfolie horizontal ausgerichtet und nicht bis zur Entstehung einer Krümmung überstreckt wird (Sp. 3 Z. 34-40). Für den Fachmann wird daraus unmittelbar erkennbar, dass die Oberfläche der Wendestange zumindest überall dort konkav ausgebildet sein muss, wo die Kunststoffschlauchfolie auf der Wendestange aufliegen könnte. In diesen Bereich muss die Folie mit Hilfe eines Luftpolsters auf der Wendestange schwimmen. Damit sie dabei nicht überstreckt, sondern horizontal ausgerichtet wird, ist eine konkave Ausbildung der Oberfläche der Wendestange erforderlich. Wäre die Wendestange hingegen in dem Umschlingungsbereich der Kunststoffschlauchfolie nicht überall konkav ausgebildet, sondern teilweise auch zylindrisch oder gar konvex, würde genau das aus dem Stand der Technik bekannte Problem der Mittelfalte auftreten, wie es in der Beschreibung der Klagepatentschrift (Sp. 3 Z. 40-41; Sp. 1 Z. 29-31; Sp. 1. Z. 45-50) und in der Figur 4 dargestellt wird.

c) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es für die Lösung des technischen Problems ausreichend ist, lediglich Teilen der Auflagefläche – also einem Teilbereich der Fläche einer Wendestange, die mit der Kunststoffschlauchfolie in Kontakt kommt beziehungsweise kommen kann – eine konkave Krümmung zu verleihen. Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass andere Teilbereiche, auf denen die Kunststoffschlauchfolie aufliegt oder zur Auflage kommen könnte, über die Länge der Stange keine Krümmung aufweisen. Die Kunststoffschlauchfolie würde in diesem Bereich durch ein Luftpolster gebläht und Falten werfen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie der Fachmann anhand der Klagepatentschrift und mit Hilfe seines Fachwissens zu der Erkenntnis gelangen kann, dass die Bildung von Mittelfalten auch dann verhindert werden kann, wenn nur Teilbereiche der Auflagefläche der Folie auf der Stange konkav gekrümmt sind und die Folie infolgedessen über zylindrische, nicht gekrümmte Bereiche der Wendestange verläuft. Da die herkömmlichen zylindrischen Wendestangen nach den Schilderungen in der Patentschrift zur Bildung einer Mittelfalte beitragen, besteht ausgehend von der Klagepatentschrift vielmehr Grund zu der Annahme, dass eine Folie Mittelfalten aufwirft, wenn nicht ihre gesamte Auflagefläche konkav geformt ist.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen, durch eine über die Länge der Wendestange konkav gekrümmte Mantelfläche werde vermieden, dass die Seitenränder der Folie nach innen wandern, wenn die Wendestange mit Luftpolstern arbeitet. Auch wenn dieser Vortrag eine Erklärung dafür bietet, warum die Bildung einer Mittelfalte bei der Verwendung einer Wendestange mit gekrümmter Oberfläche verhindert wird, rechtfertigt er keine andere Auslegung. Denn es ist nicht dargelegt, dass für den Fachmann ausgehend von der Klagepatentschrift erkennbar ist, eine Mittelfalte auch dann verhindern zu können, wenn nicht die gesamte (potentielle) Auflagefläche der Folie auf der Wendestange unterschiedliche Durchmesser über die Länge der Stange aufweist.

d) Eine andere Auslegung des Klagepatentanspruchs ergibt sich nicht durch die Ausführungen in der Klagepatentschrift zum Stand der Technik, in dem „neben den (…) Austrittsbohrungen [für die Pressluft] auch teilweise Nuten, Rillen oder ähnliches vorgesehen sind“ (Sp. 1 Z. 40-42), ohne aber Abhilfe für das Problem der Mittelfalte zu schaffen. Allgemein können „Nuten, Rillen oder ähnliches“ als längliche Vertiefungen in der Mantelfläche der Wendestange – sei es in axialer Richtung oder in Umfangsrichtung – verstanden werden. Sie stellen jedoch lediglich Vertiefungen in einem begrenzten Bereich einer im Übrigen beliebig gestalteten Fläche dar. Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs soll jedoch die Oberfläche selbst konkav ausgebildet sein. Dafür reicht eine stellenweise Vertiefung in Form einer Rille oder Nut nicht aus. Es ist nach den vorstehenden Ausführungen zwar auch nicht zwingend erforderlich, dass die gesamte Oberfläche einer erfindungsgemäßen Wendestange eine konkave Form aufweist. Jedoch muss zumindest der Bereich, auf dem die Kunststoffschlauchfolie mittels eines Luftpolsters schwimmt, in seiner Gesamtheit nach innen gewölbt und insofern konkav ausgebildet sein.

f) Die Kammer hat bei der hier vertretenen Auslegung nicht verkannt, dass nach der erfindungsgemäßen Lehre Berührungen zwischen der Folie und der Wendestange nicht zwingend ausgeschlossen werden sollen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, es sei nach der Lehre des Klagepatentanspruchs nicht erforderlich, die gesamte Auflagefläche einer Wendestange konkav zu formen, weil es ausweislich der Klagepatentschrift (vgl. beispielhaft Sp. 2 Z. 8-17; Sp. 3 Z. 20-28) auch bei der Verwendung von Luftpolstern zumindest in den Randbereichen der Folien zum Kontakt mit der Umlenkwalze oder Wendestange komme. Diese Auffassung greift nicht durch. Durch die patentgemäße Erfindung soll das Problem der Bildung einer Mittelfalte gelöst werden. Nach der patentgemäßen Lehre bildet sich bei der Verwendung von Pressluft selbst dann keine Mittelfalte, wenn hohe Luftpolster verwendet werden. Dadurch kann der Kontakt der Folie mit der Wendestange so gering wie möglich gehalten werden. Dass er nicht vollständig verhindert werden kann, versteht sich von selbst. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass nicht alle Bereiche der Wendestange, in denen die Folie zur Auflage kommt bzw. kommen kann, eine konkave Form aufweisen müssen. Eine solche Auffassung ließe außer acht, dass es dem Klagepatent darum geht, die Bildung einer Mittelfalte zu verhindern. Im Übrigen ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass mit Luftpolstern gearbeitet wird, dass der Kontakt der Schlauchfolie mit der Wendestange möglichst vermieden werden soll. In gleicher Weise hat selbst die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Berührung minimiert werden solle.

2. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 nicht wortsinngemäßen Gebrauch. Die streitgegenständliche Abzugsvorrichtung hat keine Wendestange, deren Oberfläche konkav ausgebildet ist (Merkmal 6). In Streit steht lediglich, ob eine der für die angegriffene Ausführungsform verwendeten Wendestangen im Sinne der unter Schutz gestellten Lehre geformt ist. Unstreitig weist diese Wendestange über ihre gesamte Länge eine Vertiefung – von der Beklagten als Nut bezeichnet – auf, die von den beiden Enden der Stange zu ihrer Mitte hin immer tiefer verläuft. Allerdings umfasst die Vertiefung in Umfangsrichtung höchstens 170° der Stange. Da die Vertiefung in Richtung der beiden Enden geringer wird, umfasst sie dort auch nur einen immer geringer werdenden Teil des Umfangs. Infolgedessen ist die Wendestange nicht rotationssymmetrisch geformt, weil die Vertiefung nur in einem Teilbereich eingebracht ist. In diesem Bereich ist die Oberfläche der Wendestange konkav ausgebildet. Der übrige Teil der Wendestange hat eine zylindrische Form.

In diesem zylindrisch geformten Bereich kommt die Kunststoffschlauchfolie auf der Wendestange der angegriffenen Ausführungsform zur Auflage. Unbestritten kann die beanstandete Wendestange im Betrieb auch zu 180° von der Kunststoffschlauchfolie umschlossen werden. Die Vertiefung umfasst hingegen maximal 170° der Wendestange. Es ist das erklärte Ziel der Beklagten, dass die Vertiefung durch die Kunststoffschlauchfolie im Hinblick auf die verwendete Druckluft abgedichtet wird. Dadurch soll nach dem Vortrag der Beklagten Pressluft gespart werden, weil sich infolge der Abdichtung zwischen der Wendestange und der Kunststoffschlauchfolie in der Vertiefung ein Luftpolster bilden kann, das an den Rändern aufgrund der auf der Mantelfläche der Wendestange aufliegenden Folie abgeschlossen ist. Die Lehre des Klagepatentanspruchs wird durch eine solche angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht, weil die beanstandete Wendestange in Bereichen ihrer Mantelfläche, in denen die Kunststoffschlauchfolie zur Auflage kommt, nicht im Sinne des Klagepatentanspruchs konkav ausgebildet ist. Nach der unter Schutz gestellten technischen Lehre muss jedoch der gesamte Bereich der Mantelfläche, der in Kontakt mit der Kunststoffschlauchfolie kommt beziehungsweise kommen kann, konkav ausgebildet sein.

Es ist unbeachtlich, wenn die Beklagte nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin mit der bei der angegriffenen Ausführungsform eingebrachten Vertiefung in der Wendestange auch das Ziel erreicht, die Mittelfalte in der Folie zu vermeiden. Denn für eine Verletzung des Klagepatents kommt es nicht darauf an, ob die angegriffene Ausführungsform dasselbe technische Problem löst, das auch der unter Schutz gestellten Lehre zugrunde liegt. Ebenso ist es unschädlich, wenn die angegriffene Ausführungsform Funktionen aufweist, die auch die erfindungsgemäße Abzugsvorrichtung erfüllen soll. Maßgeblich ist allein, ob die beanstandete Abzugsvorrichtung die Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht, wobei der Inhalt des Klagepatentanspruchs durch Auslegung – wie zuvor unter Ziffer 1. ausgeführt – zu bestimmen ist. Da die Oberfläche der Wendestange der angegriffenen Ausführungsform nicht im Umschlingungsbereich der Kunststoffschlauchfolie konkav ausgebildet ist, wird die Lehre des Klagepatentanspruchs im vorliegenden Fall nicht verwirklicht.

3. Der Vortrag der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.10.2008 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Grundsätzlich ist der Vortrag gemäß § 296a ZPO verspätet. Im Übrigen liegt kein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO vor. Das Vorbringen der Klägerin zur Auslegung des Klagepatentanspruchs stellt eine Wiederholung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung dar, mit dem sich die Kammer im vorliegenden Urteil auseinandergesetzt hat. Gleiches gilt für den Vortrag, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform keine Mittelfalten bilden würden. Unbeachtlich ist auch, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform – so der Vortrag der Klägerin – trotz der im Ein- und Auslaufbereich der Stange nicht vorhandenen konkaven Form der Oberfläche Luftpolster unter der Folie bilden und die Folie nicht zwingend zur Auflage auf der Stange kommt. Dies ist für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatentanspruchs unbeachtlich.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 500.000,00 EUR