4a O 17/13 – Torantriebsvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2145

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. November 2013, Az. 4a O 17/13

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 574 XXX B 1 (im Folgenden Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents. Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 05.06.2003; die Erteilung wurde am 01.09.2010 bekannt gegeben. Das Klagepatent steht in Kraft. Ein von der Beklagten eingeleitetes Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent blieb vor dem Europäischen Patentamt erfolglos. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Beklagte Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Antriebsvorrichtung für ein Tor“. Der Patentanspruch 1, den die Klägerin vorliegend geltend macht, lautet wie folgt:

„Antriebsvorrichtung für ein Tor, mit einer in Bewegungsrichtung des Tores verlaufenden Führungseinrichtung, mit einen an dieser fahrbaren, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten zum Betätigen eines Torblatts, und mit Stromzuleitungsmitteln zur Verbindung des Elektromotors mit einer Stromquelle, wobei die Stromzuleitungsmittel ein mit dem Elektromotor in Eingriff stehendes Zugmittel (17) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die Stromzuleitungsmittel zudem einen ersten und einen zweiten Einsatzkörper (8, 10) aufweisen, welche wahlweise, nach einer Wende um einen Winkel von 180° in eines der längsseitigen Enden der Führungseinrichtung einsteckbar sind, wobei der erste und zweite Einsatzkörper (8, 10) jeweils eine Zugmittelspannvorrichtung (13, 14) mit einem das Zugmittel verriegelnden Teil aufweist, welches in Form eines Hakens oder welches bajonettartig ausgebildet ist, und wobei das Zugmittel (17) über die Zugmittelspannvorrichtung des ersten Einsatzkörpers (8) mit einem Anschlusskabel (11) verbunden ist.“

Die nachfolgend (verkleinert) wiedergegebene Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt eine Seitenansicht einer bevorzugten Ausführungsform des Klagepatents mit Anschluss an der von dem Tor abgewandten Seite, während Figur 2 eine Seitenansicht mit Anschluss von der dem Tor zugewandten Seite zeigt:

Die Beklagte bietet an und vertreibt eine Antriebsvorrichtung mit der Bezeichnung E (nachfolgend angegriffene Ausführungsform I). Wegen der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut LS III-6 und 7 inhaltlich Bezug genommen. Zudem bietet sie unter anderem zusammen mit der angegriffenen Ausführungsform I einen sogenannten Wandbefestigungskit an, der einen Einsatzkörper mit einem verbundenen Stromkabel umfasst (angegriffene Ausführungsform II). Die Einsatzkörper der angegriffenen Ausführungsform I werden nachfolgend eingeblendet, wobei die Lichtbilder von der Klägerin gefertigt, teilweise beschriftet und teilweise der Akte des Verfahrens 4a O 179/10 entnommen wurden.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt unter teilweiser Rücknahme des Unterlassungsantrags und Ergänzung des Rechnungslegungs-, Vernichtungs- und Rückrufanspruchs nunmehr,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

(1) Antriebsvorrichtungen für ein Tor,
(2) mit einer in Bewegungsrichtung des Tores verlaufenden Führungseinrichtung,
(3) mit einem an dieser fahrbaren, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten zum Betätigen eines Torblatts,
(4) und mit Stromzuleitungsmitteln zur Verbindung des Elektromotors mit einer Stromquelle,
(5) wobei die Stromzuleitungsmittel ein mit dem Elektromotor in Eingriff stehendes Zugmittel aufweisen,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder einzuführen, bei denen

(6) die Stromzuleitungsmittel zudem einen ersten und einen zweiten Einsatzkörper aufweisen,
(7) welche wahlweise, nach einer Wende um 180° in eines der längsseitigen Enden der Führungseinrichtung einsteckbar sind,
(8) wobei der erste und der zweite Einsatzkörper jeweils eine Zugmittelspannvorrichtung mit einem das Zugmittel verriegelnden Teil aufweist,
(8.b) oder welches bajonettartig ausgebildet ist,
(9) und wobei das Zugmittel über die Zugmittelspannvorrichtung des ersten Einsatzkörpers mit einem Anschlusskabel verbunden ist;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.10.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe

(a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

(b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

(c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege, nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.10.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe

(a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

(b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

(c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

(d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

– wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1 bezeichneten Vorrichtungen auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

5. die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.10.2010 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit den hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 01.10.2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Wegen der seitens der Klägerin geltend gemachten „insbesondere“-Anträge wird auf den Schriftsatz vom 06.02.2013 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über das gegen das Klagepatent anhängige Einspruchsbeschwerdeverfahren beim Europäischen Patentamt auszusetzen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletze. Sie weise keine zwei Einsatzkörper auf, welche wahlweise, nach einer Wende um 180°, in das gegenüberliegende Ende der Führungseinrichtung einsteckbar sei. Aufgrund der Aufgabe des Klagepatents, den Austausch zu vereinfachen, ergebe sich, dass die Wende um 180° die einzige Maßnahme darstelle, um ein Einstecken auf der gegenüberliegenden Seite zu ermöglichen. Ein solches Verständnis habe die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vertreten und auch die Klägerin im Einspruchsverfahren. Eine zusätzliche Drehung des Einsatzkörpers um 180° um sich selbst herum scheide aus. Zudem reiche es nicht aus, dass der erste und zweite Einsatzkörper auf der gegenüberliegenden Seite schlicht eingeschoben werden könne. Vielmehr verlange das Klagepatent, dass die Funktion der ersten und zweiten Einsatzkörper im Rahmen der Gesamtkonstruktion auch nach dem Wenden um 180° und Einstecken gewahrt bleibe. Dieses Verständnis ergebe sich vor dem Hintergrund, dass das Klagepatent die Einsatzkörper als Bestandteil der Stromzuleitungsmittel verstehe. Die Einsatzkörper müssten deshalb nicht nur auf der gegenüberliegenden Seite einsteckbar sein, sondern dort auch die Funktion als Stromzuleitungsmittel ausüben können. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei aber der zweite Einsatzkörper bestimmungsgemäß mit einem Höcker versehen, so dass ein Einstecken des zweiten Einsatzkörpers auf der gegenüberliegenden Seite bei einer Wende um 180° technisch verhindert werde. Der zweite Einsatzkörper könne nur dann in die Führungsschiene eingeschoben werden, wenn der Einsatzkörper zusätzlich noch in sich um 180° gedreht würde. Dann könne der Einsatzkörper aber nicht mehr mit dem Zugmittel verbunden werden. Im Übrigen sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Wenn der zweite Einsatzkörper um 180° gedreht werde, nämlich bezüglich einer Drehachse, die senkrecht zur Befestigungsebene der Führungsschiene verläuft, könne der Einsatzkörper trotz des Höckers problemlos ohne weitere 180° Drehung um sich selbst in das andere Ende der Führungsschiene eingesteckt werden. Jedenfalls liege deshalb eine unmittelbare Verletzung vor, weil die Beklagte das sogenannte Wandbefestigungskit ausliefere. Das „Wandbefestigungskit“ werde stets als Zubehör angeboten. Der im „Wandbefestigungskit“ enthaltene Einsatzkörper ohne Höcker könne dann ausgetauscht werden. Die Kette werde jedoch allein und ausschließlich mit dem bajonettförmigen Verriegelungsteil verbunden, indem eine „twist-and-lock“-Verbindung gebildet werde.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzleistung dem Grunde nach gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9, 139 Abs. 1, 2, § 140a Abs. 1, 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents keinen wortsinngemäßen Gebrauch.

A.
Soweit die Klägerin in ihrem Unterlassungsantrag I. 1. zunächst alternativ begehrt hat, den Vertrieb einer Antriebsvorrichtung zu untersagen, die eine Zugmittelspannvorrichtung mit einem das Zugmittel verriegelnden Teil aufweist, welches die Form eines Hakens hat, hat sie diesen Antrag zurückgenommen.

B.
Die Klage ist auch im Übrigen unbegründet.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 eine Antriebsvorrichtung für ein Tor.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, bei bekannten Vorrichtungen dieser Art können die Zuleitungsmittel als Schleppkabel oder aus einem Anschlusskabel und mit diesem verbundene Stromführungsschienen bestehen. Diese werden parallel zur Führungsschiene geführt und an diesen wird der Strom für den Elektromotor abgenommen.

Ferner ist auch bekannt, ein Zugmittel in der Führungsschiene längs anzuordnen und an deren Enden zu haltern sowie diese Kette als Stromzuführungsmittel für einen Elektromotor zu verwenden, der auf einem Schlitten an einer Führungsschiene entlang läuft. Das Zugmittel erhält dabei über eine an dem einen Ende der Führungsschiene für die Zugmittel angebrachte Spannvorrichtung den Antriebsstrom für den Elektromotor. Der Betrieb mit einem Schleppkabel ist für den Benutzer sehr störend, während in den Fällen der Stromschieneneinspeisung und der stromführenden Zugmittel die Stromeinspeisung nur von einem Ende der Führungsschiene möglich ist, in dessen Nähe die für die Stromeinspeisung nötige Netzsteckdose angeordnet ist. Soll der Antriebsstrom von dem anderen Ende der Führungsschiene eingespeist werden, weil die Steckdose in dessen Nähe liegt, so muss die Stromeinspeisung an der Führungsschiene aufwendig geändert werden.

Eine Antriebsvorrichtung der eingangs genannten Art ist aus der DE 198 08 696 A1 bekannt. Diese bildet einen elektromechanischen Garagentorantrieb, der aus einer an der Garagendecke montierten Führungsschiene, einer mit dem Tor mittels Gelenkstange gekoppelten, einen Schlitten und einen Antriebsmotor aufweisenden Antriebseinheit und einer parallel zur Führungsschiene laufenden, an dieser befestigten und mit dem Antriebsmotor im Eingriff stehenden Kette besteht. Die Stromzuführung für den Antriebsmotor erfolgt über die Führungsschiene und ein der Führungsschiene parallel liegendes Stromzuführungsmittel. Die Führungsschiene ist durch die bestehende Deckenschiene für die Aufnahme des Tors gebildet. Die Kette ist an einem Ende der Deckenschiene fest eingespannt. Am anderen Ende der Deckenschiene ist ein Deckel aufgeclipst. Durch den Deckel ist ein Gewindebolzen geführt, wobei dieser im Innern der Deckenschiene mit der Kette verbunden ist. Auf den Gewindebolzen ist eine Schraubendruckfeder geschoben, die sich einerseits am Deckel und andererseits über eine Öse an einer Mutter abstützt. Die Kette kann durch die Mutter gespannt werden. Nachteilig hierbei ist, dass zur Ankopplung des Gewindebolzens an die Kette Werkzeuge benötigt werden, wobei diese zudem in den Bereich der Deckenschiene eingeführt werden müssen, was umständlich und zeitaufwändig ist.

Die CH 678964 A5 betrifft einen Garagentorantrieb, mit einem das Tor in Öffnungs- und Schließrichtung antreibenden Motor, der auf einem gelenkig mit dem Tor verbundenen Schlitten gehalten ist, mit einer Profilschiene zur Führung und Halterung des Schlittens und mit einem vorzugsweise als Kette ausgebildeten, beidseitig eingespannten Vortriebselement für den Schlitten. Die Antriebsvorrichtung ist im Wesentlichen ortsfest in einer Profilschiene angeordnet.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Antriebsvorrichtung der eingangs genannten Art bereitzustellen, bei welcher die genannten Nachteile beseitigt sind.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

(1) Antriebsvorrichtungen für ein Tor,
(2) mit einer in Bewegungsrichtung des Tores verlaufenden Führungseinrichtung,
(3) mit einem an dieser fahrbaren, einen Elektromotor aufweisenden Schlitten zum Betätigen eines Torblatts,
(4) und mit Stromzuleitungsmitteln zur Verbindung des Elektromotors mit einer Stromquelle,
(5) wobei die Stromzuleitungsmittel ein mit dem Elektromotor in Eingriff stehendes Zugmittel (17) aufweisen,
(6) die Stromzuleitungsmittel zudem einen ersten und einen zweiten Einsatzkörper (8, 10) aufweisen,
(7) welche wahlweise, nach einer Wende um 180O in eines der längsseitigen Enden der Führungseinrichtung einsteckbar sind,
(8) wobei der erste und der zweite Einsatzkörper (8, 10) jeweils eine Zugmittelspannvorrichtung mit einem das Zugmittel (17) verriegelnden Teil aufweist,
(8b) welches bajonettartig ausgebildet ist,
(9) und wobei das Zugmittel (17) über die Zugmittelspannvorrichtung des ersten Einsatzkörpers (8) mit einem Anschlusskabel (11) verbunden ist.

Danach ist patentgemäß eine leichte, anpassbare Montage der Stromzuleitung einer Antriebsvorrichtung möglich. Bei der erfindungsgemäßen Antriebsvorrichtung wird ein werkzeugloses Befestigen und Lösen des Zugmittels ohne Verwendung eines zusätzlichen Zugmittelschlosses ermöglicht. Hakenartige oder bajonettartige Verriegelungsteile werden dem Einsatzkörper hinzugefügt, um den Anschluss einer stromleitenden Kette einer Antriebsvorrichtung zu vereinfachen (vgl. Abschnitte [0008, 0018]).

Die Führungsschiene kann durch einfaches Umstecken des ersten Einsatzkörpers mit dem anderen Einsteckkörper durch eine 180° Wende an den Ort der vorhandenen Steckdose angepasst werden (vgl. Abschnitte [0009, 0017]). Es ist ein in die Führungsschienenenden steckbarer zweiter Einsatzkörper ohne Anschlusskabel vorgesehen, dessen sonstiger Aufbau dem des ersten Einsatzkörpers entspricht und der an demjenigen Führungsschienenende angeordnet ist, das dem für den ersten Einsatzkörper vorgesehenen Führungsschienenende gegenüber liegt (vgl. Abschnitt [0010]). Mit den beiden auswechselbaren Einsatzkörpern wird mit wenigen Bauelementen sicher gestellt, dass der Stromanschluss der Führungsschiene durch einfaches Umstecken – in Form einer 180° Wende – des ersten Einsatzkörpers an den Ort der Steckdose angepasst werden kann.

II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Es fehlt an einer wortsinngemäßen Verwirklichung von Merkmal 7.

1.
Von seinem Wortlaut her verlangt Merkmal 7 zwei Einsatzkörper, die wahlweise nach einer Wende um 180° in eines der längsseitigen Enden der Führungseinrichtung einsteckbar sind.

Soweit die Beklagte in Ansehung von Merkmal 6 der Auffassung ist, es dürfe nur eine Wende um 180° der Einsatzkörper vorgenommen werden, um sie in das jeweils andere Ende der Führungseinrichtung einzustecken, kann dem nicht beigetreten werden. Insofern erlauben die Ausführungen der Beklagten keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 – bodenseitige Vereinzelungsanlage).

Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGH, GRUR 2011, 318 Rz.13 – Crimpwerkzeug IV; BGH, BGHZ 172, 88 – Ziehmaschinenzugeinheit). Dafür ist entscheidend, wie der Patentanspruch nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht zu bewerten ist. Es ist der Sinngehalt eines Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der patentierten Erfindung beitragen, unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen, durch Auslegung zu ermitteln. Dass die beiden Einsatzkörper nur durch eine Wende um 180° als einzige Maßnahme in die gegenüberliegende Seite der Führungseinrichtung eingesteckt werden dürften, verlangt der Klagepatentanspruch nicht. Zwar erkennt der Fachmann, dass mit der Formulierung „einer Wende“ auch eine „einzige“ Wende der Einsatzkörper gemeint sein könnte, indes ist der Wortlaut nicht als eine zahlenmäßige Begrenzung der Anzahl der Wenden zu verstehen. Der Fachmann entnimmt dem Anspruchswortlaut keine Vorgabe, wie eine Wende um 180° ausgeführt werden muss. Dies ist in das Belieben des Fachmanns gestellt. Aufgabe des Klagepatents ist es, eine leichte, anpassbare Montage der Stromzuleitung einer Antriebsvorrichtung zu gewährleisten, indem die beiden Einsatzkörper, wovon der erste Einsatzkörper gemäß Merkmal 9 mit einem Anschlusskabel versehen ist, wahlweise an ein Ende der Führungsschiene eingesteckt werden können. Damit wird es ermöglicht, wie es in Abschnitt [0009] der allgemeinen Beschreibung zum Ausdruck kommt, dass der erste Einsatzkörper an den Ort der vorhandenen Steckdose umgesteckt werden kann, mithin beide Einsatzkörper flexibel den örtlichen Gegebenheiten der Lage der Steckdose angepasst werden können. Die Austauschmöglichkeit der beiden Einsatzkörper, welche auch in Abschnitt [0017] zum Ausdruck kommt, führt den Fachmann allerdings nicht dazu, Merkmal 7 im Sinne der Beklagten zu verstehen. Auch bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschreibung des Klagepatents entnimmt der Fachmann dem Anspruchswortlaut nicht, dass lediglich eine Wende zulässig wäre. Technisch-funktional müssen die beiden Einsatzkörper durch Wenden austauschbar in die Führungsschiene eingesetzt werden können, um die Flexibilität der Einsatzkörper zu gewährleisten.

Merkmal 7 verlangt deshalb, dass die beiden Einsatzkörper nach einer Wende um 180° nicht nur an der gegenüberliegenden Seite einsteckbar sein müssen, sondern dort auch ihre Funktion als Stromzuleitungsmittel sicherstellen müssen. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn eine Verbindung mit dem Zugmittel hergestellt werden kann. Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs definiert den Begriff „Stromzuleitungsmittel“ nicht. Soweit sich der Anspruch über Stromzuleitungsmittel verhält (Merkmale 4, 5, 6, 7 und 8), gibt der Patentanspruch dem Fachmann vor, das Stromzuleitungsmittel einen ersten und zweiten Einsatzkörper umfassen, welche wahlweise an den Enden der Führungseinrichtung einsteckbar sind und die Einsatzkörper wiederum jeweils eine Zugmittelspannvorrichtung mit einem das Zugmittel verriegelnden Teil aufweisen. Technischer Hintergrund ist neben der Austauschbarkeit der Einsatzkörper ein werkzeugloses Befestigen und Lösen des Zugmittels, ohne dass der Nutzer ein zusätzliches Zugmittelschloss verwenden muss (vgl. Abschnitt [0008]). Technisch funktional weist deshalb eine erfindungsgemäße Vorrichtung austauschbare Einsatzkörper auf, die eine Zugmittelspannvorrichtung mit einem das Zugmittel verriegelnden Teil aufweisen, um den Einsatzkörper mit dem Zugmittel verbinden zu können. Anderenfalls könnte die Zugmittelspannvorrichtung des Einsatzkörpers nicht als Spannvorrichtung des Zugmittels verwendet werden. Um die Funktionsfähigkeit der Einsatzkörper und gleichzeitig die Austauschbarkeit derer zu gewährleisten, erkennt der Fachmann, dass Vorrichtungen, bei denen Umbauarbeiten der Kette erforderlich sind, grundsätzlich keine erfindungsgemäße Antriebsvorrichtung darstellen. In Abschnitt [0009] der allgemeinen Patentbeschreibung wird ausgeführt, dass durch „einfaches Umstecken des ersten Einsatzkörpers“ dieser an den Ort der vorhandenen Steckdose angepasst werden kann. Für eine solche einfache Montage entspricht deshalb der Aufbau des zweiten Einsatzkörpers fast dem des Ersten, so wie es in den Abschnitten [0010 und 0023] zum Ausdruck kommt.

2.
Merkmal 7 ist nicht wortsinngemäß verwirklicht.

a)
Zwar weist die angegriffene Ausführungsform I austauschbare Einsatzkörper auf, indes hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform, soweit die jeweiligen Einsatzkörper in das jeweilige andere Ende der Führungseinrichtung einzustecken wäre, bestimmungsgemäß ihre Funktion ausüben können, damit letztendlich das Torblatt über den Schlitten zur Gänze geöffnet und geschlossen werden kann.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihren Sachvortrag dahingehend präzisiert, dass es konstruktionsmäßig möglich sei, die Kette – bei lediglich einer Wende der Einsatzkörper um 180° – mit der Zugmittelspannvorrichtung zu verbinden ohne die Funktion der Einsatzkörper zu beeinträchtigen. Dies hat sie mittels einer in der mündlichen Verhandlung übergebenen Zeichnung, die nachfolgend verkleinert wiedergegeben ist und mit Anmerkungen der Kammer versehen ist, verdeutlicht.

Zwar ist es unstreitig, dass nach einer Wende der Einsatzkörper um 180° die Kette ab dem jeweiligen Schaltschieber diagonal zum jeweiligen Einsatzkörper verläuft, indes – so der weitere Vortrag der Klägerin – beeinträchtige dies die Funktion der zwischen den Einsatzkörpern angeordneten Kette und den darauf fahrenden durch Motor angetriebenen Schlitten nicht. Der Motor des Schlittens könne 120 kg ziehen. Diesen Sachvortrag hat die Beklagte bestritten. Die Kräfte, die der Motor aufzubringen habe, um gegebenenfalls entgegen der Spannrichtung der Kette das Torblatt in eine Richtung zu bewegen, seien zu groß, um diese zu überwinden. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, dass die Schaltschieber (Abstandsmesser) beliebig angeordnet werden könnten, sei dies unzutreffend. Die Anordnung werde vielmehr von dem Fahrweg des Schlittens bestimmt, um das Torblatt zur Gänze zu öffnen und zu schließen.

Der nunmehr seitens der Klägerin präzisierte Sachvortrag ist in Bezug auf die Verwirklichung von Merkmal 7 nicht hinreichend konkret. Zwar mag es nach dem Sachvortrag der Parteien und der Inaugenscheinnahme der angegriffenen Ausführungsform I in der mündlichen Verhandlung möglich sein, die Einsatzkörper auszutauschen. Die weitergehende Schlussfolgerung der Klägerin, die Funktionsweise der Einsatzkörper und letztendlich des Schlittens bleibe ebenfalls aufrechterhalten, hat die Beklagte bestritten, ohne dass die Klägerin dem substantiiert entgegen getreten wäre. Augenscheinlich bestimmt sich die Position des Schaltschiebers und damit der Winkel der Kette in dem Bereich zwischen dem Schaltschieber und dem jeweiligen Einsatzkörper danach, inwieweit das Torblatt zur Gänze geöffnet und geschlossen werden kann. Je nach Position des Schaltschiebers ist der Winkel der zum Teil diagonal verlaufenden Kette von der Führungsschiene aus gesehen größer oder kleiner. Welche Kräfte dann jeweils auf den Motor des Schlittens einwirken, um das Torblatt zu öffnen und zu schließen, legt die Klägerin nicht konkret dar. Zwar behauptet sie, der Motor des Schlittens könne 120 kg bewegen, indes reicht dies für einen hinreichenden Sachvortrag nicht aus. Denn aus dem Sachvortrag der Parteien ergibt sich nicht, welcher Kraftaufwand grundsätzlich erforderlich ist, um ein Torblatt bewegen zu können. Darüber hinaus ist es nicht ersichtlich, ob nicht ein höherer Kraftaufwand, der einer größeren Zahl als 120 kg entspricht, erforderlich ist, um je nach Winkel der Kette das Torblatt zu bewegen. Somit fehlen bereits die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für eine Beweiserhebung zumal seitens der Klägerin nicht hinreichend vorgetragen wird, inwiefern die Beklagte Schlitten mit unterschiedlicher Motorenstärke vertreiben würde. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass der Motor des Schlittens der angegriffenen Ausführungsform 120 kg bewegen könne, und auch geeignet wäre, den kleinst möglichen Winkel einer Kette und den damit auftretenden Widerstand zu überwinden. Mithin kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Vortrag der Klägerin erheblich ist oder nicht.

Jedenfalls kann nach alledem nicht festgestellt werden, dass es sich bei der von der Klägerin vorgetragenen Verwendungsmöglichkeit noch um einen bestimmungsgemäßen gleichwertigen Gebrauch handelt, wie er durch die in Merkmal 7 vorgesehene wahlweise Einsteckbarkeit gewährleistet sein soll. Denn nach dem Abknicken der Kette an den Schaltschiebern ergibt sich offenkundig eine Zug und Reibungsbeanspruchung für Kette, Schaltschieber und Motor, die von der Verwendung vor dem Umstecken der Einsatzkörper erheblich abweicht und die dauerhafte Funktionsfähigkeit fraglich erscheinen lässt. Allein diese Sichtweise steht auch in Einklang mit den als fachkundige Stellungnahme zu berücksichtigenden Ausführungen der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes (Anlage LS III-1, S. 7), nach denen bei einer – wie bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten – exzentrischen Anordnung der Kette eine erfindungsgemäß gleichwertige wahlweise Einsteckbarkeit nicht mehr angenommen werden kann.

b)
Auch die angegriffene Ausführungsform II verwirklicht Merkmal 7 nicht wortsinngemäß.

Die Klägerin trägt vor, in der Kombination der angegriffenen Ausführungsform I und dem „Wandbefestigungskit“ würde ebenfalls eine unmittelbare Patentverletzung vorliegen, da die Kombination von Gegenständen eine unmittelbare Patentverletzung darstelle (angegriffene Ausführungsform II). Das „Wandbefestigungskit“ werde von der Beklagten als Gesamtlieferung angeboten und vertrieben. Dann könne der Belieferte unschwer die fehlende Zutat selber zufügen und die gelieferten Gegenstände zu einer patentgeschützten Gesamtvorrichtung zusammenzubauen. In einem solchen Fall sei wertungsmäßig von einer unmittelbaren Patentverletzung auszugehen (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl., Rz. 237).

In dem Fall, indem der zweite Einsatzkörper ohne Anschlusskabel durch einen ersten Einsatzkörper des Kits mit Anschlusskabel ersetzt wird, sind zwar die beiden – ersten – Einsatzkörper jeweils mit einem Anschlusskabel verbunden und könnten auch ausgetauscht werden. Insoweit kann aber schon nicht angenommen werden, dass es einer erfindungsgemäßen Ausführungsform entspricht, wenn zwei erste Einsatzkörper mit Anschlusskabel vorliegen. Denn in diesem Fall bedarf es von vornherein nicht mehr eines Austausches der Einsatzkörper, um – wie es in Abschnitt [0009] der allgemeinen Patentbeschreibung zum Ausdruck kommt – durch einfaches Umstecken des ersten Einsatzkörpers, diesen an den Ort der vorhandenen Steckdose anzupassen. Unabhängig davon handelt es sich hierbei aber auch nicht um eine zu berücksichtigende Montagemöglichkeit. In diesem Fall liegt nämlich keine für sich funktionsfähige Ausführungsform mehr vor, da bei der angegriffenen Ausführungsform der zweite Einsatzkörper nach dem in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten erforderlich ist, um die Führungsschiene an der Seite des zweiten Einsatzkörpers überhaupt am Sturz befestigen zu können. Dies ergibt sich auch aus Bedienungsanleitung, welche die Klägerin gemäß Anlage LS III-15, Abbildungen 1 – 3 zur Akte gereicht habe. Die angegriffene Ausführungsform II ist damit objektiv nicht geeignet, als eine Antriebsvorrichtung für ein Torblatt verwendet zu werden, da bestimmungsgemäß der zweite Einsatzkörper erforderlich ist, um die mit einer in Bewegungsrichtung des Torblattes verlaufenden Führungseinrichtung am Sturz zu befestigen. Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatzkörper des Wandbefestigungskits im Sinne von Merkmal 7 ausgetauscht und jeweils in das andere Ende der Führungseinrichtung funktionserhaltend eingesteckt werden kann.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 300.000,- EUR.