4a O 181/12 – Aufrichtrollstuhl

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2106

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. August 2013, Az. 4a O 181/12

Rechtsmittelinstanz: 15 U 30/14

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Aufrichtrollstühle mit einem Fahrgestell und einem einen Sitz und eine Rückenlehne aufweisenden Aufrichtgestell, welches verschwenkbar am Fahrgestell angelenkt ist und einer Fußstütze, welche beim Übergang von der Sitzstellung in die Aufrichtstellung auf den Boden abgesenkt wird,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Fußstütze mindestens einen Schaft aufweist, der im Rahmen des Fahrgestells translatorisch geführt ist, und das Aufrichtgestell über ein Verbindungsglied mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig verbunden ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziff. I bezeichneten Handlungen seit dem 07.02.1998 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

wobei

– zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
– die Verkaufsstellen, Einkaufspreise und Verkaufspreise nur für die Zeit seit dem 01.09.2008 anzugeben sind;

III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die in Ziff. I bezeichneten Handlungen seit dem 07.02.1998 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen der Namen der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;
c) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen – unter Einschluss von Typenbezeichnungen – sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Angaben zu lit. e) erst ab dem 20.02.1999 verlangt werden und der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin, einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziff. I beschriebenen Aufrichtrollstühle zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zweck der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

V. Die Beklagte wird verurteilt, die vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten, seit dem 30.04.2006 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

VII. Es wird festgestellt, dass

1. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in Ziff. I bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 07.02.1998 bis zum 19.02.1999 eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. I bezeichneten Handlungen und seit dem 20.02.1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

VIII. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IX. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

X. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.000.000,- vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem europäischen Patent EP 0 815 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin und ausschließlich Verfügungsberechtigte sie ist, auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Veröffentlichung des Urteils und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 13.06.1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der Schweizer Patentschrift CH 1XXX/96 vom 27.06.1996 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 07.01.1998. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 20.01.1999 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Aufrichtrollstuhl“. Sein durch die Klägerin geltend gemachter Patentanspruch 1 lautet:

„Aufrichtrollstuhl mit einem Fahrgestell (11) und einem Sitz (17) und eine Rückenlehne (19) aufweisenden Aufrichtgestell, welches verschwenkbar am Fahrgestell (11) angelenkt ist, und einer Fussstütze (23), welche beim Uebergang von der Sitzstellung in die Aufrichtstellung auf den Boden abgesenkt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Fussstütze (23) mindestens einen Schaft (37) aufweist, der im Rahmen (25,27,28) des Fahrgestells (11) translatorisch geführt ist, und dass das Aufrichtgestell (21) über ein Verbindungsglied (39) mit dem Schaft (37) der Fussstütze (23) gelenkig verbunden ist.“

Die nachfolgend verkleinert dargestellten Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Aufrichtrollstuhls in Sitzstellung und Aufrechtstellung.

Figur 3 illustriert ein Detail des Mechanismus zum Absenken der Fußstütze von vorne gesehen.

Die Klägerin produziert und vertreibt selbst so genannte Stehrollstühle, mit deren Hilfe eine Person aus einer sitzenden Position in eine stehende Position aufgerichtet werden kann.

Die Beklagte ist das deutsche Tochterunternehmen der A Corp. mit Sitz in den USA. Sie vertreibt bundesweit Hilfsmittel, wie zum Beispiel Rollstühle, für körperlich behinderte Menschen. Über eine auf ihrer Internetseite www.A.de abrufbare Produktübersicht bot sie unter der Produktkategorie „Manuelle Rollstühle“ und der Unterkategorie „Medium Aktiv Rollstühle“ unter der Bezeichnung „B“ einen Rollstuhl an (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform), der zu einem Grundpreis von € 3.995,00 bestellt werden konnte (Anlagen SSM 6 und SSM 7).

Die nachstehend verkleinert eingeblendeten Fotografien der angegriffenen Ausführungsform wurden von der Klägerin gefertigt, beschriftet und als Anlagenkonvolut SSM 8 zur Akte gereicht.
Die angegriffene Ausführungsform besteht aus einem Fahrgestell und einem Aufrichtgestell mit Sitz und Rückenlehne, welches mit Drehgelenken verschwenkbar an dem Fahrgestell angelenkt ist. Außerdem verfügt sie über eine Fußstütze mit zwei Schäften, die im Fahrgestell translatorisch geführt werden. An den beiden gegenüberliegenden Rahmenteilen des Fahrgestells sind Metallgehäuse angeordnet, in denen sich jeweils ein Getriebe aus drei Zahnrädern befindet. Zwischen dem rechten und dem linken Rahmenteil befindet sich zudem eine Welle, die in das jeweilige Metallgehäuse hineinragt und dort drehend gelagert ist. An dieser Welle sind drei Kolben angebracht, die beim Auf- und Abrichten eine Drehbewegung der Welle bewirken. Die Drehbewegung der Welle überträgt sich auf das erste, im Metallgehäuse an der Welle angebrachte Zahnrad. Das erste Zahnrad gibt die Drehbewegung der Welle an das zweite Zahnrad weiter, durch welches die Drehbewegung wiederrum auf das dritte Zahnrad übertragen wird. Das dritte Zahnrad greift in eine am Schaft angeordnete Zahnstange, wodurch der Schaft der Fußstütze beim Aufrichten des Stuhls ausgefahren und beim Wiederherstellen der Sitzposition des Stuhls eingefahren wird.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Dies sei der Fall, weil das Aufrichtgestell über die Kolben, die Welle und die drei Zahnräder mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig verbunden sei. Dabei stelle insbesondere das dritte Zahnrad ein Verbindungsglied im Sinne des Klagepatentanspruchs dar, über welches das Aufrichtgestell mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig, und zwar gelenkig im Zahneingriff von Zahnrad 3 und gezahntem Schaft verbunden sei.

Die Klägerin beantragt nach Konkretisierung ihrer Anträge zuletzt,

zu erkennen wie geschehen und ihr zu gestatten, Urteilskopf und Urteilstenor auf Kosten der Beklagten durch eine in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschrift „Rollstuhl-Kurier“ erscheinende ganzseitige Anzeige öffentlich bekannt zu machen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch macht.

Aus dem Wortlaut von Patentanspruch 1, wonach die Fußstütze mindestens einen Schaft aufweisen müsse, ergebe sich, dass die Formulierung, nach der das Aufrichtgestell über ein Verbindungsglied mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig verbunden sei, bedeute, dass es sich um genau ein Verbindungsglied handele. Zudem sei eine „gelenkige Verbindung“ zwischen dem Aufrichtgestell und dem Schaft der Fußstütze über ein Verbindungsglied nach dem Verständnis des maßgeblichen Fachmanns mit entsprechenden Kenntnissen in der Getriebelehre eine solche, bei der das Verbindungsglied ein starres Koppelglied eines Führungsgetriebes sei. Dieses habe zwei Gelenkelemente, von denen eines über ein Gelenkelement des Aufrichtgestells unmittelbar mit diesem verbunden sei, das andere über ein Gelenkelement des Schaftes unmittelbar mit diesem. „Gelenkig verbunden“ bedeute für den Fachmann „durch Gelenk verbunden“, nicht aber „durch Gelenk und weitere Glieder verbunden“.

Dies werde insoweit bestätigt, als sowohl die Beschreibung des Klagepatents, als auch die in dem Klagepatent als Stand der Technik beschriebenen Patentschriften, nur solche Verbindungen als Verbindungsglieder bezeichneten, die eine zweigelenkige Anordnung darstellen, das heißt eine solche, die aus einem starren Glied und zwei Gelenkelementen bestände. Vor diesem Hintergrund könnten die in der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Zahnräder keine Verbindungsglieder im Sinne des Klagepatents darstellen. Das Zahnrad 3 sei zwar durch ein Gelenk mit dem Schaft der Fußstütze verbunden, aber es handele sich nicht um ein Zweigelenk, bei welchem das Zahnrad direkt mit einem weiteren Gelenk, nämlich dem Gelenk des Aufrichtgestells, verbunden sei. Stattdessen bilde das Zahnrad 3 mit dem zweiten Zahnrad eine weitere Gelenkverbindung. Auch die anderen Zahnräder seien nicht unmittelbar jeweils über ein Gelenk mit dem Aufrichtgestell und dem Schaft der Fußstütze verbunden. Auch die Welle und die drei Kolben würden eine mehrgelenkige Anordnung mit mehreren Gliedern bilden und wiesen nicht nur ein Verbindungsglied auf. Schließlich müsse das Verbindungsglied nach dem Verständnis des Fachmanns ein Koppelglied sein, d.h. es müsse zwei bewegliche Glieder verbinden, ohne selbst mit dem Gestell des Rollstuhls verbunden zu sein. Das Zahnrad 3 sei jedoch über seine Lagerachse mit dem Metallgehäuse und daher auch mit dem Fahrgestell verbunden.

Hinsichtlich der Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach erhebt die Beklagte zudem die Einrede die Verjährung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Da die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, ohne dass die Beklagte zur Nutzung des Klagepatents berechtigt wäre, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs.1, 140b PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gestattung der öffentlichen Bekanntmachung des Urteils gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 e PatG hat die Klägerin hingegen nicht dargelegt.

I.
Das Klagepatent betrifft einen Aufrichtrollstuhl, der über ein Fahrgestell, ein Aufrichtgestell und eine Fußstütze verfügt. Das Aufrichtgestell ist verschwenkbar an das Fahrgestell angelenkt und die Fußstütze wird beim Übergang von der Sitzstellung in die Aufrechtstellung auf den Boden abgesetzt.

Wie das Klagepatent einleitend ausführt, sind derartige Aufrichtrollstühle im Stand der Technik bekannt. So beschreibe die Schrift EP-A-0 065 XXX einen Aufrichtrollstuhl mit einem Fahrgestell mit zwei Haupträdern und zwei Lenkrädern und einem am Fahrgestell gelagerten, durch einen Antriebsmechanismus relativ um eine Drehachse verschwenkbaren Aufrichtgestell. Das Aufrichtgestell weise einen Sitz und eine Rückenlehne auf. Die Fußstützen seien dergestalt an den Sitz angelenkt, dass sie in der Aufrichtstellung des Stuhls auf dem Boden auflägen. Dem Aufrichten und Absenken des Aufrichtgestells diene ein Elektromotor.

Ein ähnlicher Aufrichtrollstuhl, der jedoch keinen Elektromotor aufweise, werde durch die EP-A-0 159 XXX beschrieben. Bei diesem Aufrichtrollstuhl sei eine Gasfeder vorgesehen, die auf das Aufrichtgestell eine Kraft ausübe, um dem Gewicht des Benutzers entgegenzuwirken und so die Aufrichtbewegung seine Aufrichtbewegung zu unterstützen. Damit sich der Benutzer aufrichten könne, seien Handgriffe vorhanden, auf welche er eine Kraft ausüben könne, um das auf den Sitz wirkende Gewicht zu verkleinern. Durch eine Blockiervorrichtung könne der Sitz in der Sitzstellung bzw. einer Aufrichtstellung blockiert werden. Da dieser Aufrichtrollstuhl keinen Elektromotor und auch keine zu dessem Antrieb notwendige Batterien aufweise, habe er ein wesentlich kleineres Gewicht als der in der EP-A-0 065 XXX beschriebene Aufrichtrollstuhl.

Das Klagepatent führt weiter aus, dass in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen worden seien, um das Gewicht von Aufrichtrollstühlen weiter zu verkleinern. Dies sei in erster Linie durch den Ersatz von Stahlrohrkonstruktionen durch Aluminiumrohrkonstruktionen erreicht worden. Teilweise sei das verminderte Gewicht aber auch durch eine verminderte Stabilität der Konstruktion erkauft worden. Bereits bei den in den genannten Schriften EP 0 065 XXX und EP 0 159 XXX genannten Aufrichtrollstühlen sei die geringe Stabilität der Fußstützen von den Benutzern der Aufrichtrollstühle als störend befunden worden. Bei diesen Aufrichtrollstühlen wiesen die Fußstützen einen Schaft auf, der etwa in Kniehöhe des Benutzers am Aufrichtgestell angelenkt sei und etwas weiter unten mit einem Verbindungsglied gelenkig mit dem Fahrgestell verbunden. Diese Konstruktion habe den Nachteil, dass die Fußstützen eine geringe Stabilität auwiesen. Bereits geringe Kräfte genügten, um eine seitliche Pendelbewegung auszulösen, was den Benutzer des Aufrichtstuhls verunsichern könne. Den gleichen Nachteil weise auch der in der PCT-Anmeldung WO 79/00XXX offenbarte Aufrichtrollstuhl auf. Bei diesem sei jeweils der obere Teil einer zweiteiligen Fußstütze etwa in Kniehöhe des Benützers am Fahrgestell angelenkt und etwas weiter unten sei der teleskopisch verschiebbare untere Teil mit einem Verbindungsglied mit dem Aufrichtgestell verbunden.

Bei dem Stuhl entsprechend der FR-A-2,697,XXX sei die zweiteilige Fußstütze gelenkig mit dem Sitz (4) verbunden. Dieser wiederum sei mit einem Support gelenkig verbunden, der seinerseits mit dem Fahrgestell gelenkig verbunden sei. Es seien somit zwischen der Fußstütze und dem Fahrgestell drei Gelenkstellen vorhanden, welche der Stabilität abträglich seien.

Dem Klagepatent liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, einen Aufrichtstuhl der erwähnten Art derart zu verbessern, dass er trotz eines geringen Gewichts eine hohe Stabilität aufweist. Zugleich soll er aber auch ästhetischen Ansprüchen genügen, indem Hebelmechanismen möglichst versteckt unter den Sitz zu liegen kommen.

Dies verwirklicht das Klagepatent gemäß Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

1. Aufrichtrollstuhl mit einem Fahrgestell (11), einem Aufrichtgestell (21) und einer Fußstütze (23).

2. Die Fußstütze (23)

2.1 wird beim Übergang von der Sitzstellung in die Aufrechtstellung auf den Boden abgesenkt und

2.2 weist mindestens einen Schaft (37) auf, der im Rahmen (25, 27, 28) des Fahrgestells (11) translatorisch geführt ist.

3. Das Aufrichtgestell (21)

3.1 weist einen Sitz (17) und eine Rückenlehne (19) auf,

3.2 ist verschwenkbar am Fahrgestell (11) angelenkt und

3.3 ist über ein Verbindungsglied (39) mit dem Schaft (37) der Fußstütze (23) gelenkig verbunden.

II.
Entgegen der Auffassung der Beklagten macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Zu Recht hat die Beklagte dies in Bezug auf die Merkmale 1. bis 3.2 nicht bestritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf. Darüber hinaus handelt es sich bei dem in der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen sogenannten Zahnrad 3 um ein Verbindungsglied, über das das Aufrichtgestell mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig verbunden ist (Merkmal 3.3).

1.
Wie der Fachmann dem Patentanspruch entnimmt, soll das Aufrichtgestell über ein Verbindungsglied mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig verbunden sein.

a)
Die Formulierung des Patentanspruchs lässt insoweit zunächst offen, ob die offenbarte Art der Verbindung, wie die Beklagte meint, mit einem einzigen, festen zweigelenkigen Verbindungsglied in der Art eines Gestänges realisiert werden muss, oder ob, wie die Klägerin meint, eine Verbindung ausreicht, bei der ein oder mehrere Verbindungsglieder das Aufrichtgestell und den Schaft gelenkig miteinander verbinden.

Zwar ließe sich die Formulierung „ein Verbindungsglied“ im Sinne einer zahlenmäßigen Beschränkung verstehen, bei der genau ein Verbindungsglied und nicht zwei oder mehr Verbindungsglieder vorgesehen sind. Hierfür könnte sprechen, dass der Patentanspruch in Merkmal 3.3 abweichend von der in Merkmal 2.2 für die Offenbarung des translatorisch im Rahmen des Fußgestells geführten Schaftes gewählten Terminologie nicht von „mindestens einem“, sondern von „einem“ Verbindungsglied spricht. Insoweit kann aber nicht außer Betracht bleiben, dass schon bei einer rein philologischen Betrachtung der dem Begriff „ein“ zukommende Bedeutungsgehalt nicht zwingend so zu verstehen ist, dass es sich um ein mit der Zahl „Eins“ gleichzusetzendes Zahlwort handelt. Ebenso möglich und nicht weniger wahrscheinlich wird das Wort „ein“ lediglich als unbestimmter Artikel verwendet, der dem Begriff „Verbindungsglied“ vorangestellt ist und dem eine zahlenmäßige Bedeutung nicht ohne weiteres entnommen werden kann.

Auch soweit die Beschreibung des Klagepatents den Begriff „Verbindungsglied“, sowohl bei der Erläuterung und Illustration des bevorzugten Ausführungsbeispiels (vgl. Spalte 3, Zeilen 44ff., Zeilen 56ff., Fig. 1 – 3), als auch in Bezug auf die Darstellung des diskutierten Standes der Technik (vgl. Spalte 1, Zeilen 46 –50, Zeilen 56 bis Spalte 2, Zeile 3) ausschließlich für solche Ausgestaltungen eines Aufrichtrollstuhls verwendet, bei denen das Verbindungsglied aus jeweils einem starren Element, das mittels zweier Gelenke jeweils unmittelbar an die zu verbindenden Bauteile angelenkt ist, besteht, lässt sich dem ein den Wortlaut des Merkmals einschränkendes Verständnis nicht entnehmen. Denn alleine aus den Figuren oder dem Beschreibungstext lässt sich nicht herleiten, dass die technische Lehre des Klagepatents auf eine entsprechende, einteilige und unmittelbar angelenkte Ausgestaltung des Verbindungsgliedes eingeengt werden darf (vgl. BGH GRUR 2011, 701, 704 – Okklusionsvorrichtung).

Hieran ändert sich nichts, berücksichtigt man die Fachterminologie, die ein für die Lehre des Klagepatents maßgeblicher Fachmann im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents verwendet hat, und die sich nach dem Vortrag der Beklagten aus dem als Anlage B 4 vorgelegten Auszug aus dem Lehrbuch „Einführung in die Getriebelehre“ erschließen soll. Denn unabhängig von der Frage, ob es sich nach der „Getriebelehre“ bei Schaft und Aufrichtgestell um bewegliche Getriebeglieder eines Führungsgetriebes handelt und bei dem Fahrgestell um ein festes Getriebeglied, führt die Betrachtung aus einem entsprechend fachterminologischen Blickwinkel im vorliegenden Fall nicht zu einem Erkenntnisgewinn bei der Frage, welche Anforderungen an die Ausgestaltung sich dem maßgeblichen Wortlaut des Patentanspruchs entnehmen lassen. Insbesondere ist vor dem Hintergrund des im vorangegangenen Absatz Gesagten ohne Relevanz, ob ein Fachmann die im Ausführungsbeispiel oder in den Figuren des Klagepatents illustrierte Möglichkeit einer Ausgestaltung des Verbindungselements als Koppelglied begreift, das ausschließlich die beweglichen Getriebeglieder „Schaft der Fußstütze“ und „Aufrichtgestell“ miteinander verbindet, nicht aber auch mit dem unbeweglichen Getriebeglied „Fahrgestell“ verbunden sein darf. Eine entsprechende Einschränkung lässt sich dem Wortlaut des Patentanspruchs nämlich nicht entnehmen.

b)
Entscheidend ist daher, was der Fachmann unter Berücksichtigung der gebotenen funktionsorientierten Auslegung unter einer gelenkigen Verbindung des Aufrichtgestells mit dem Schaft der Fußstütze über ein Verbindungsglied versteht. Anspruchsmerkmale sind dabei so zu begreifen, wie es die ihnen aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns zugedachte technische Funktion bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens verlangt (LG Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2007 – 4b O 297/06).

Nach Spalte 2, Zeile 11ff. ist es Aufgabe des Klagepatents, einen im Stand der Technik bekannten Aufrichtrollstuhl dergestalt zu verbessern, dass er trotz eines geringen Gewichts eine hohe Stabilität aufweist. Dabei soll auch ästhetischen Gesichtspunkten genügt werden, indem Hebelmechanismen möglichst versteckt unter dem Sitz zum Liegen kommen.

Dass es dem Klagepatent insoweit nicht um die Einzelheiten der Ausgestaltung der gelenkigen Verbindung zwischen Schaft und Gestell gehen kann, verdeutlicht dem Fachmann sowohl der in der Klagepatentschrift gewürdigte Stand der Technik, als auch die allgemeine Patentbeschreibung. So kritisiert das Klagepatent an den im Stand der Technik bekannten Lösungen, bei denen die Fußstütze mit einem Verbindungsglied – ausschließlich – gelenkig mit dem Fahrgestell (EP 0 065 XXX, EP 0 159 XXX) oder zusätzlich – ausschließlich gelenkig mit dem Aufrichtgestell verbunden ist (WO 79/00XXX), dass die Fußstütze in der Folge nur eine geringe Stabilität aufweist. Hierdurch genügten bereits geringe Kräfte, um eine seitliche Pendelbewegung auszulösen, was den Benutzer verunsichern könne. Das – ausschließliche – Vorsehen von Gelenkstellen für die Verbindung sei der Stabilität abträglich (vgl. Spalte 1, Zeilen 42ff., Spalte 2, Zeilen 8 10, Spalte 2, Zeilen 23 30).

Von diesen, im Stand der Technik bekannten Lösungen möchte sich das Klagepatent somit abgrenzen, indem eine Ausgestaltung bereitgestellt wird, bei der, statt einer ausschließlich gelenkigen Verbindung mit dem Fahrgestell und/oder dem Aufrichtgestell, der Schaft zusätzlich im Rahmen des Fahrgestells translatorisch geführt wird. Da die Fußstütze eine solche Führung im Fahrgestell aufweist, besitzt sie eine wesentlich höhere Stabilität als eine gelenkig verbundene Fußstütze, wodurch die von Benutzern gefürchtete Pendelbewegung der Fußstütze vermieden wird, weil keine der Stabilität abträglichen Gelenkstellen zwischen Fahrgestell und Fußstütze vorhanden sind (vgl. Spalte 2, Zeilen 18 30). Insoweit stimmen die Parteien völlig zu Recht darin überein, dass die Stabilisierung der Fußstütze allein dadurch erreicht wird, dass der Schaft im Rahmen des Fahrgestells geführt wird.

Soweit die Beklagte zudem die Auffassung vertritt, hieraus ergebe sich, dass das Verbindungsglied gemäß Merkmal 3.3 einen Beitrag zu der ebenfalls durch das Klagepatent beschriebenen Aufgabe leiste, durch eine möglichst unter dem Sitz versteckte Anordnung auch ästhetischen Anforderungen zu genügen, kann sie sich nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Beschreibungsstelle in Spalte 2, Zeilen 48 57 berufen. Denn an der genannten Stelle beschreibt das Klagepatent zum einen lediglich eine vorteilhafte Ausführungsform, zum anderen wird die Ästhetik der unter dem Sitz erfolgenden Positionierung des Verbindungsgliedes nach der Beschreibungsstelle nicht durch das Verbindungsglied selbst verwirklicht, sondern durch die besondere Art seiner Anlenkung an ein anderes Bauteil, nämlich den erst in Unteranspruch 5 beanspruchten Zapfen (47).

Die technische Funktion des Verbindungsgliedes eröffnet sich vielmehr, wie auch die Bekagte ausgeführt hat, an anderer Stelle, nämlich bei der Beschreibung des bevorzugten Ausführungsbeispiels (Spalte 3, Zeilen 56ff. bis Spalte 4, Zeile 6). Dem Fachmann ist danach klar, dass die gelenkige Ausgestaltung der Verbindung über ein Verbindungsstück zwischen dem Aufrichtgestell und dem Schaft der Fußstütze dem Zweck dienen kann, die durch das Aufrichten des Aufrichtgestells ausgeübte Kraft dergestalt auf die Fußstütze zu übertragen, dass diese sich nach unten bewegt, und eine umgekehrte Bewegung der Fußstütze zu ermöglichen, wenn eine Bewegung aus der Aufrichtstellung in die Sitzstellung erfolgt. Dafür ist es jedoch weder erforderlich, dass genau ein Verbindungsglied vorgesehen ist, noch dass dieses aus einem starren Glied und zwei Gelenkelementen besteht, noch dass dieses in keinerlei Verbindung zum Fahrgestell des Rollstuhls stehen darf.

Soweit die Figuren der Patentschrift eine derartige Ausgestaltung zeigen, handelt es sich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, auf das die Erfindung nicht reduziert werden darf.

Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass das Tribunal de Grande Instance de Paris in der als Anlage B 6 in deutscher Übersetzung vorgelegten Entscheidung festgestellt hat, dass ein der angegriffenen Ausführungsform entsprechender Rollstuhl kein Verbindungsorgan oder –element enthalte, das im Sinne des Klagepatents auf gelenkige Weise das Aufrichtgestell mit dem Schaft der Fußstütze verbinde, keine andere Bewertung. Dies ist bereits deshalb nicht der Fall, weil sich dem Urteil keine im vorliegenden Verfahren berücksichtigungsfähigen Ausführungen entnehmen lassen, die begründen, wie das Tribunal de Grande Instance zu seiner abweichenden Einschätzung gelangt ist.

2.
Ausgehend von diesen Überlegungen macht die angegriffene Ausführungsform auch von Merkmal 3.3 wortsinngemäß Gebrauch, da in den beiden am Rahmen angebrachten Metallkästen in Form des Zahnrades 3 ein Verbindungsglied ausgebildet ist, das das Aufrichtgestell mit dem Schaft der Fußstütze gelenkig verbindet.

Dem steht wie dargelegt nicht entgegen, dass das Zahnrad 3 nicht als Teil eines Zweigelenkes der Getriebelehre begriffen werden kann und nicht unmittelbar mit dem Aufrichtgestell, sondern mit dem Zahnrad 2 eine Gelenkverbindung bildet. Auch schadet nicht, dass die Zahnräder 1 bis 3, für sich alleine betrachtet jeweils nicht unmittelbar über ein Gelenk mit dem Aufrichtgestell und dem Schaft der Fußstütze verbunden, sondern Teil einer mehrgelenkigen Anordnung sind. Schließlich ist ohne Relevanz, dass das Zahnrad 3 auch kein Koppelglied ist, weil es nicht zwei bewegliche Glieder verbindet ohne selbst – im vorliegenden Fall über seine Lagerachse mit dem Gestell des Rollstuhls verbunden zu sein. Für die genannten, von der Beklagten behaupteten zusätzlichen Anforderungen, lässt sich der Lehre des Klagepatents – wie ausgeführt – keine Grundlage entnehmen.

Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass das Zahnrad 3 jedenfalls ein Verbindungsglied ausbildet, über welches die Aufricht- und Absenkbewegungen des Aufrichtgestells auf den Schaft der jeweiligen Fußstütze übertragen werden und dass die beiden Endpunkte dieser Übertragung gelenkig miteinander verbunden sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn – wie bei der angegriffenen Ausführungsform neben dem Zahnrad 3 weitere Bauteile vorhanden sind, die als Verbindungsglieder an der Übertragung der Bewegung mitwirken.

III.
Da die von den Beklagten angebotene angegriffene Ausführungsform somit von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt sind, stehen der Klägerin folgende Ansprüche zu:

1.
Die Beklagte macht durch das Angebot der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet sind (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadensersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz beschränkt sich nicht auf die Zeit ab dem – von ihr behaupteten – erstmaligen Vertrieb der angegegriffenen Ausführungsform, sondern besteht für den gesamten möglichen Schadensersatzzeitraum, das heißt ab Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung (BGHZ 117, 264, 278 f – Nicola; BGH GRUR 2007, 877 – Windsor Estate).

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (§ 140b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00). Soweit die Beklagte ohne Begründung behauptet hat, die Klägerin habe im Hinblick auf den geltend gemachten Auskunftsanspruch kein Rechtsschutzinteresse, weil dieser durch den Rechnungslegungsanspruch vollständig erfasst werde, verkennt sie, dass sich die in Frage stehenden Ansprüche inhaltlich und in ihrer Zielrichtung unterscheiden (vgl. hierzu instruktiv Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 6. Aufl., Rdn 1053 bis 1193). Dass bei der Erfüllung beider Ansprüche betreffende Einzeldaten ggf. sowohl im Rahmen des Auskunftsanspruchs als auch für die Rechnungslegung zu machen sind, liegt in der Natur der Sache und bleibt ohne Auswirkung für das Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten, der beide Ansprüche zustehen und die beide Ansprüche nebeneinander geltend machen kann.

4.
Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜG im zuerkannten Umfang eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

5.
Der Anspruch auf Vernichtung folgt aus aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG.

6.
In dem tenorierten Umfang steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen zu. Der Anspruch folgt – für ab dem 01.09.2008 in Verkehr gelangte Gegenstände – aus § 140a Abs. 3 PatG. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG. Für die Zeit vor dem 01.09.2008 steht der Klägerin ein solcher Anspruch aus §§ 139 Abs. 1 PatG, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i. V. m. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) zu. Nach Art. 10 der Durchsetzungsrichtlinie, welche bis zum 29.04.2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen. Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen (OLG Düsseldorf, I – 2 U 18/09, Urteil vom 27.01.2011; Hoge Raad, GRUR-Int. 2008, 955, 958 – De Endstra Tapes). Darunter ist auch der Rückruf patentverletzender Ware zu verstehen. Entsprechend sieht § 140a Abs. 3 PatG in Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie einen Anspruch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse vor.

Die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückruf aus den Vertriebswegen ist nicht unverhältnismäßig.

Soweit die Beklagte eine Unverhältnismäßigkeit damit zu begründen versucht, die Klägerin habe seit Anfang 2008 gewusst, dass ein Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland stattgefunden habe und habe diesen geduldet, hat die Beklagte bereits keine hinreichenden Umstände dargelegt, aus denen sich die von der Klägerin bestrittene Kenntnis über mindestens ein in Deutschland tatsächlich erfolgtes Angebot oder einen Verkauf der angegriffenen Ausführungsform erkennen ließe. Hierfür genügt weder, dass die Beklagte in einer, von der Klägerin in ein Gerichtsverfahren in Frankreich eingeführten Betriebsanleitung für die angegriffene Ausführungsform einen Ansprechpartner in Deutschland benannt hat (Anlage B 7), noch die Ausstellung der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe C in Düsseldorf im Oktober 2008, bei der auch der deutsche Vertragshändler der Klägerin teilgenommen hat. Zum einen ergibt sich aus der Angabe einer deutschen Firmenanschrift in einer französischsprachigen Bedienungsanleitung nicht, dass ein Angebot oder ein Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland erfolgt ist. Auch ist die in der in Frage stehenden Bedienungsanleitung für Deutschland benannte Firma nicht die Beklagte selbst, sondern ein Unternehmen mit der Bezeichnung A D. Zum anderen belegt die Teilnahme des deutschen Vetragshändlers an einer Messe, auf der auch die angegriffene Ausführungsform präsentiert worden ist, weder, dass dieser tatsächlich Kenntnis von der Präsentation erlangt hat, noch dass er, was für einen möglichen Beginn einer Verwirkung oder Verjährung von Ansprüchen der Klägerin als der maßgeblichen Rechtsinhaberin zwingend erforderlich wäre, eine solche Kenntnis mit der Klägerin geteilt hätte.

Eine Unverhältnismäßigkeit der Rückrufs aus den Vertriebswegen kann die Beklagte auch nicht mit dem Argument begründen, Personen, die die angegriffene Ausführungsform benützten, würden durch einen Rückruf erheblich in ihrer Mobilität beschränkt. Dies scheitert bereits daran, dass Gegenstände, die sich nicht mehr in der nachgeordneten Vertriebskette sondern bei privaten Endverbrauchern befinden, von einem Anspruch gemäß § 140a Abs. 3 PatG nicht erfasst werden.

6.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 e PatG. Voraussetzung für einen Anspruch nach § 140 e PatG ist, dass ein berechtigtes Interesse an der Bekanntmachung des Urteils besteht. Das erforderliche berechtigte Interesse ist vorliegend nicht zu erkennen. Die Darlegung eines berechtigten Interesses setzt voraus, dass die obsiegende Partei einen entsprechenden Antrag mit substantiierter Begründung gestellt hat. Das Gericht hat dann bei seiner Entscheidung zu prüfen, ob nach Abwägung der Interessen der Parteien und ggfs. der Allgemeinheit die Zuerkennung der Bekanntmachungsbefugnis geeignet und erforderlich ist, die fortdauernde Störung zu beseitigen. Dabei geht es nicht um eine Bestrafung durch öffentliche Bloßstellung, sondern um die Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes durch Information (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 140e, Rn 9). In diesem Zusammenhang spielt das Ausmaß der Beeinträchtigung eine Rolle, das wiederum von der Größe und Bedeutung des Unternehmens des Verletzers, von Art, Dauer und Schwere der Verletzung, ihrer Beachtung in der Öffentlichkeit und der seither verstrichenen Zeit abhängt und schließlich die Belastung der unterliegenden Partei aufgrund der Kosten und der geschäftlichen Auswirkung der Veröffentlichung. Ebenso können die Schwere der Schuld, die Beachtung des bekanntmachungspflichtigen Sachverhalts in der Öffentlichkeit, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sowie das (z.B. aus der Zahl ähnlicher Verletzungsfälle resultierende) Bedürfnis für ein generalpräventives Einschreiten abzuwägen sein (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, Az. 2 U 42/09).

Bei Berücksichtigung der vorgenannten Voraussetzungen hat die Klägerin nicht hinreichend dazu vorgetragen, welches Ausmaß der Beeinträchtigung durch die rechtswidrige Handlung der Beklagten eingetreten ist. Insbesondere fehlen bereits nachvollziehbare Angaben zu Größe und Bedeutung des Unternehmens der Beklagten sowie zu einer – nicht ohne weiteres ersichtlichen – Fortwirkung der Beeinträchtigung. Ebenso wenig ist zu erkennen, ob derzeit (noch) eine Marktverwirrung besteht und ob diese über das Ausmaß hinausgeht, das mit jeder Rechtsverletzung einhergeht. Demgegenüber rechtfertigen die nicht weiter substantiierte Behauptung der Klägerin, dass die A Gruppe, der die Beklagte angehöre, eines der weltweit führenden Unternehmen im Medizinbedarf und insbesondere für Rollstühle sei und es deshalb ein erhebliches Aufklärungsbedürfnis der Öffentlichkeit gebe, für sich alleine genommen ebenso wenig eine Veröffentlichung, wie der Umstand, dass die „internationale Präsenz“ der A Gruppe eine erhebliche nachwirkende Beeinträchtigung der Klägerin als mittelständisches Unternehmen im Markt befürchten lasse.

7.
Keiner der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ist verjährt, § 214 Abs. 1 BGB. Dahingehend hat die Beklagte, wie bereits ausgeführt, schon nicht substantiiert dargelegt, dass die Klägerin zu den in Frage stehenden Zeitpunkten im Jahr 2008 positive Kenntnis von den ihre Ansprüche begründenden Umständen hatte, § 199 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 BGB. Auch ist weder erkennbar noch dargelegt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkenntnisse über eine Vertriebstätigkeit eines Schwesterunternehmens der Beklagten auf dem französischen Markt mit einer einigermaßen sicheren Aussicht auf Erfolg die Beklagte in Deutschland hätte gerichtlich in Anspruch nehmen können. Hierfür hätte nicht bereits der bloße Verdacht genügt, dass entsprechende Handlungen auch auf dem deutschen Markt stattfinden (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 141 Rdnr. 22).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 709 S. 1, 108 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.