4a O 183/11 – Apfelsorte (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1997

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Februar 2013, Az. 4a O 183/11

I.
Die einstweilige Verfügung vom 07.11.2011 wird aufrechterhalten.

II.
Die Verfügungsbeklagten tragen die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt von den Verfügungsbeklagten im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens Unterlassung und Auskunft aus dem unionsrechtlichen Sortenschutz.

Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um die eingetragene Inhaberin des Gemeinschaftssortenschutzes für die Apfelsorte A (EU 1XXX, nachfolgend: Verfügungssorte). Das gemeinschaftliche Sortenamt erteilte der Verfügungsklägerin mit Beschluss vom 15.10.1996 die Verfügungssorte.

Die Verfügungsorte weist folgende Ausprägungsmerkmale auf, deren Auflistung der Antragsschrift der Verfügungsklägerin entnommen ist:

Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist als Gärtner tätig. Die Verfügungsbeklagten kultivieren sowohl in den Niederlanden als auch in der Bundesrepublik Deutschland Apfelpflanzen. Sie kultivierten Apfelpflanzen insbesondere auf dem Grundstück, Gemarkung Erkelenz, Flur 9, Flurstück 68. Die Verfügungsbeklagten sind keine Lizenznehmer der Verfügungsklägerin.

Mit eMail vom 10.11.2011 meldete sich ein Mitarbeiter der Firma B C bei der Verfügungsklägerin. In der eMail heißt es, die Verfügungsbeklagte zu 1) kultiviere in der Bundesrepublik Deutschland Pflanzen der Verfügungssorte. Aufgrund richterlich angeordneter Beschlagnahme wurde am 24.11.2011 nach Identifizierung durch einen Sachverständigen der Baumbestand auf obigem Grundstück beschlagnahmt. Das Feld der Verfügungsbeklagten, auf dem sich die verfahrensgegenständlichen Pflanzen befanden, war mit einem Schild mit der Aufschrift „A“ gekennzeichnet. Wegen der genauen Beschriftung wird auf die von der Verfügungsklägerin eingereichte Fotodokumentation Bezug genommen. Ausweislich der ebenfalls von der Verfügungsklägerin vorgelegten Kopie eines eMail-Ausdrucks teilte ein Mitarbeiter der Polizei NRW am 04.09.2012 mit, dass die Apfelbäume auf dem streitgegenständlichen Feld entfernt worden sind.

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Verfügungsbeklagten hätten sowohl in den Niederlanden als auch in der Bundesrepublik Deutschland Pflanzen der Verfügungssorte kultiviert. Sie hätten diese in der Bundesrepublik Deutschland vermehrt, in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt, gewerbsmäßig angekündigt, angeboten oder verkauft oder in sonstiger Weise über sie verfügt.

Mit Beschluss vom 07.12.2011 hat die Kammer den Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

I. Pflanzen der in der Europäischen Union sortenschutzrechtlich geschützten Apfelsorte EU 1XXX A, gekennzeichnet durch die nachstehend wiedergegebenen, für die Sorte festgestellten Ausprägungen der Merkmale
in der Bundesrepublik Deutschland zu vermehren und/oder vermehren zu lassen und/oder in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen, dort gewerbsmäßig anzukündigen, anzubieten oder zu verkaufen oder in sonstiger Weise über diese zu verfügen, insbesondere die in der Gemarkung Erkelenz, Flur 9, Flurstück 68, in Kultur stehenden Bäume der Sorte A zu roden.

II. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, der Antragstellerin unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg des in der Gemarkung Erkelenz, Flur 9, Flurstück 68, in Kultur stehenden Pflanzenmaterials der Sorte A zu erteilen.

Hiergegen haben die Verfügungsbeklagten Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 07.12.2011 aufrechtzuerhalten und den Verfügungsbeklagten die weiteren Kosten aufzuerlegen.

Der Verfügungsbeklagten beantragen,

die einstweilige Verfügung vom 07.12.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,

Sie sind der Auffassung, bei den in Frage stehenden Apfelpflanzen handele es sich nicht um solche der Verfügungssorte. Die von der Verfügungsklägerin festgestellten Ausprägungen der Merkmale der Verfügungssorte ließen sich bei den hier in Rede stehenden Pflanzen nicht feststellen. Da in der Merkmalsbeschreibung der Verfügungsorte eine Vielzahl von Attributen aufgeführt sei, sei eine definitive Aussage über Unterscheidungsmerkmale sei nur mit einem Abgleich der Früchte möglich. Dass die fraglichen Pflanzen Früchte getragen hätten, ergebe sich nicht aus dem Sachvortrag der Verfügungsklägerin. Ein zweijähriger Baum der Verfügungssorte trage keine Früchte. Die Angaben über den Baum bezögen sich auf einen Baum im 5.Standjahr. Vorliegend ginge es nach dem Vortrag der Verfügungsklägerin um eine zweijährige Pflanze.

Die Verfügungsklägerin tritt dem entgegen. Auch bei einem zweijährigen Kulturstatus könnten bei der Verfügungssorte aufgrund der Merkmale Wuchsstärke, Baumtyp und Wuchsform sowie aufgrund der Charakteristika der Blätter Abgrenzungen zu anderen Pflanzensorten vorgenommen werden. Dies sei vorliegend der Fall. Aufgrund des Gesamtbildes sei unzweifelhaft festzustellen, dass es sich bei den hier in Frage stehenden Pflanzen um solche der Sorte A handele.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da sie sachlich gerechtfertigt ist. Ein Verfügungsgrund und –anspruch liegen vor. Der Verfügungsklägerin stehen gegen die Verfügungsbeklagten der geltend gemachte Unterlassungs- und Auskunftsanspruch zu.

I.
Ein Verfügungsgrund liegt vor.

1.
Da vorliegend eine Regelungsverfügung angestrebt ist, mit der ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilen geregelt werden soll, richten sich die Voraussetzungen des Verfügungsgrundes nach § 940 ZPO. Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern sie insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheinen. Eine einstweilige Regelung muss also dringend erforderlich sein (OLG Naumburg, NJOZ 2005, 3686).

Dies ist der Fall. Die Verfügungsklägerin hat mit eMail vom 10.11.2011 von einem Mitarbeiter der Firma B C Kenntnis darüber erhalten, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland Pflanzen der Verfügungssorte kultiviert. Am 07.12.2011 stellte die Verfügungsklägerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um die weitere Verletzung ihrer Verfügungssorte zu verhindern.

2.
Zweifel am Rechtsbestand der Verfügungsorte bestehen nicht, da die Verfügungsbeklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen haben, den Rechtsbestand der Verfügungssorte angegriffen zu haben.

II.
Ein Verfügungsanspruch liegt vor. Die Verfügungsklägerin hat sowohl den Unterlassungsanspruch als auch den Drittauskunftsanspruch nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagten haben diesen Sachvortrag nicht erheblich bestritten.

1.
Die Verfügungsklägerin macht mit Erfolg gegenüber den Verfügungsbeklagten den Anspruch auf Unterlassung aus Art.94 Abs.1 lit.a) GemSortVO i.V.m. Art.13 Abs.2 GemSortVO (Verordnung [EG/2100/94] des Rates vom 27.07.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz) geltend. Nach Art. 94 Abs.1 lit.a) GemSortVO ist zur Unterlassung verpflichtet, wer hinsichtlich einer Sorte, für die ein gemeinschaftlicher Sortenschutz erteilt wurde, eine der in Art. 13 Abs.2 GemSortVO genannten Handlungen vornimmt, ohne dazu berechtigt zu sein.

Der Schutzbereich einer geschützten Sorte wird durch die Kombination der im Erteilungsbeschluss festgelegten Ausprägungsmerkmale bestimmt; die Ausprägungsmerkmale charakterisieren die geschützte Sorte. Dem Schutzbereich einer Sorte unterliegen damit zunächst alle Pflanzen, die die Kombination dieser Ausprägungsmerkmale verwirklichen. Erfasst werden darüber hinaus aber auch Abweichungen, die im Rahmen der zu erwartenden und zu tolerierenden Variationen liegen. Denn der Sortenschutz bezieht sich nicht – wie etwa der Patentschutz – auf stets identisch herstellbare Gegenstände oder Stoffe, sondern auf lebendes Material, dessen konkrete Ausprägungen von vielfältigen äußeren Faktoren beeinflusst werden können, wie etwa der Mutterpflanzenhaltung, der Qualität des verwendeten Stecklings, dem Stutztermin, dem Einsatz von Fungiziden und Insektiziden, dem Substrat, der Höhe der Düngung und der Wassergaben, der Temperatur und dem Lichtangebot. Daher ist allgemein anerkannt, dass zum Schutzumfang einer geschützten Sorte außer dem Identitätsbereich auch ein sogenannter Toleranzbereich gehört, dem die zu erwartenden Variationen unterliegen (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2004, 281, 282 – Lemon Symphony/Seimora).

Die Verfügungsklägerin hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die hier in Frage stehenden Pflanzen in den Schutzbereich der Verfügungssorte fallen. Die Verfügungsklägerin stützt sich zur Substantiierung der Sortenschutzverletzung auf die Merkmale 1-3 der Sortenbeschreibung; an Hand dieser Merkmale ist eine hinreichende Feststellung möglich, dass die hier in Rede stehenden Pflanzen in den Schutzbereich der Verfügungssorte fallen. Dass es sich bei den in Frage stehenden Apfelbäumen um solche der Verfügungssorte gehandelt hat, konnte Herr Ds an Hand des Gesamterscheinungsbildes der Pflanzen aufgrund seiner langjährigen Berufserfahren als Lizenzkontrolleur ein Eides statt versichern. Dieser Sachvortrag wird durch den unbestrittenen Vortrag der Verfügungsklägerin ergänzt, der Sachverständige im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe die in Frage stehenden Apfelbäume als zur Verfügungssorte gehörige Pflanzen identifiziert. Aufgrund dessen sei die Beschlagnahme angeordnet worden. Dem steht nicht entgegen, dass zur Feststellung der Verletzungsfrage nicht das Merkmal der Blüten herangezogen werden konnte. Ein Vergleich aller Merkmale ist zur Feststellung, ob die im Streit stehenden Apfelpflanzen in den Schutzbereich der Verfügungssorte fallen, nicht erforderlich. Schließlich ist es unstreitig, dass die Verfügungsbeklagten die auf dem betreffenden Feld stehenden Apfelpflanzen mit einem Schild „A“ gekennzeichnet haben, mithin die Apfelpflanzen nach außen für Dritte erkennbar der Verfügungssorte zugeordnet haben.

Diesen Sachvortrag haben die Verfügungsbeklagten nicht erheblich bestritten. Soweit sie vortragen, an Hand der Merkmale der Sortenbeschreibung seien die in Streit stehenden Apfelpflanzen nicht der Verfügungssorte eindeutig zuzuordnen, vermag dies allein den Vortrag der Verfügungsklägerin nicht zu erschüttern. Hierzu hätte es eines substantiierten Sachvortrags bedurft. Die Substantiierungslast der Verfügungsbeklagten an ein Bestreiten des Verletzungsvorwurfs hat sich insbesondere deshalb erhöht, weil die Verfügungsklägerin unstreitig vorgetragen haben, dass der Anbau der Verfügungsbeklagten mit einem Schild mit der Beschriften „A“ gekennzeichnet gewesen ist. Dass diese Kennzeichnung der in Streit stehenden Apfelpflanzen nicht durch die Verfügungsbeklagten erfolgte, haben diese nicht behauptet. Unstreitig ist auch, dass auf dem fraglichen Feld Apfelbäume angepflanzt wurden. Da sich die Verfügungsbeklagten nicht darüber erklärt haben, um welche (andere) Pflanzensorte es sich bei den hier in Frage stehenden Apfelpflanzen gehandelt hat, ist das schlichte Bestreiten der Verfügungsbeklagten vor dem Hintergrund der gerichtlich angeordneten Beschlagnahme nach Identifizierung der Apfelpflanzen als solche der Verfügungssorte durch einen Sachverständigen unerheblich.

c)
Die von den Verfügungsbeklagten zu unterlassenen Handlungen ergeben sich aus der Gemeinschaftssortenschutzverordnung. Die Verfügungsbeklagten haben hiergegen nichts erinnert.

2.
Der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Drittauskunftsanspruch besteht nach Art.97 Abs.1 GemSortVO i.V.m. § 37b Abs.1 und 7 SortSchG (vgl. Keukenschrijver, SortSchG, 2001, Vorb. § 37 Rz.5; Leßmann/Würtenberger, Deutsches und Europäisches Sortenschutzrecht, 2.Aufl., § 7 Rz.54).

Danach kann der Verletzte den Verletzer auf unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg des rechtsverletzenden Materials in Anspruch nehmen. Diesen Drittauskunftsanspruch kann die Verfügungsklägerin auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzen, weil ein Fall der offensichtlichen Rechtsverletzung vorliegt.

Es ist davon auszugehen, dass ein Fall von Offensichtlichkeit vorliegt, da nach bisherigem Sach- und Streitstand davon auszugehen ist, dass die in Streit stehenden Apfelpflanzen der Verfügungsbeklagten der Verfügungssorte zuzuordnen sind. Anderenfalls wäre eine gerichtliche Beschlagnahme nach Identifizierung durch einen Sachverständigen im Strafverfahren nicht erfolgt. Zwar haben die Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung die Tatbestandsvoraussetzung der Offensichtlichkeit mit der Begründung in Frage gestellt, die bisherigen Untersuchungsergebnisse des Bundessortenamtes ließen nicht eindeutig darauf schließen, dass die in Streit stehenden Apfelpflanzen den Merkmalen der Verfügungssorte entsprechen würden. Damit setzen sich die Verfügungsbeklagten zu dem unstreitigen Sachvortrag der Verfügungsklägerin in Widerspruch, sie hätten selbst die in Streit stehenden Pflanzen als solche der Verfügungssorte gekennzeichnet. Auf gerichtliche Nachfrage konnten die Verfügungsbeklagten diesen Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten nicht aufklären, zumal sie sich noch nicht einmal darüber erklärt haben, welche Apfelsorte sie stattdessen angepflanzt haben.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Vollziehung der einstweiligen Verfügung war nicht auszusprechen, da auf Seiten der Verfügungsklägerin aufgrund der unstreitigen Vernichtung von Beweismitteln ein überwiegendes Interesse an einer sofortigen Vollziehung der einstweiligen Verfügung besteht.

Streitwert: 250.000,- EUR