4a O 192/12 – Drospirenon II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2058

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. April 2013, Az. 4a O 192/12

Rechtsmittelinstanzen: 2 U 23/13, 2 U 25/13

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 918 XXX B3 (nachfolgend: Verfügungspatent), das am 11.08.1997 in deutscher Verfahrenssprache unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 19633XXX vom 12.08.1996 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Erteilung des Verfügungspatents erfolgte am 03.04.2002. Der deutsche Teil des Verfügungspatents ist in Kraft. Auf Antrag der Verfügungsklägerin durchlief das Verfügungspatent allerdings ein Beschränkungsverfahren, das jedoch allein den hier nicht streitgegenständlichen Patentanspruch 4 betraf. Gegen die Erteilung des Verfügungspatents wurde kein Einspruch erhoben. Die Einspruchsfrist ist abgelaufen.

Das Verfügungspatent trägt die Bezeichnung „Verfahren zur Herstellung von Drospirenon und Zwischenprodukte davon“. Sein vorliegend allein streitgegenständlicher Patentanspruch 1 lautet in der eingetragenen Fassung:

„Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17α-pregn-4-ene-21,17-carbolactone, G)

durch katalytische Hydrierung von 17α-(3-hydroxy-1-propynyl)-6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-androstane-3β, 5, 17β-triol (ZK 34506)

in das 7α-(3-hydroxy-1-propyl)-6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-androstane-3β, 5, 17β-triol (ZK 92836)

anschließende Oxidation in Gegenwart eines Rutheniumsalzes in das 6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstane-21, 17-carbolactone (ZK 90965)

und anschließende Wasserabspaltung.“

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass es sich bei dem in der eingetra-genen Fassung des Patentanspruchs genannten 7α-(3-hydroxy-1-propyl)-6β,7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-androstane-3β, 5,17β-triol (ZK 92836) tatsäch-lich um 17α-(3-hydroxy-1-propyl)-6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-androstane-3β, 5, 17β-triol (ZK 92836) handelt.

Die Verfügungsklägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Einer ihrer Haupt-Geschäftsbereiche ist die Frauengesundheit, wobei insbesondere Pro-dukten zur Empfängnisverhütung, sogenannten Kontrazeptiva, große Bedeu-tung zukommt. Ihre auf einer Kombination der Wirkstoffe Ethinylestradiol und Drospirenon (nachfolgend: G) beruhenden Produkte „A®“, „B®“ und „Aelle®“ sind erfolgreich am Markt etabliert.

Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um eine Herstellerin von Gene-rika. Zu ihren Produkten gehören unter den Namen „C“ und „D“ angebotene und vertriebene orale Kontrazeptiva (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen). Die angegriffenen Ausführungsformen werden durch das Unternehmen E F S.r.l. (nachfolgend: G) hergestellt. Dabei wird Dimethylenpropanol in Gegenwart von 2, 2, 6, 6-Tetramethylpiperidine-N-oxid (H) oxidiert. Dadurch entsteht 5-β-OH-G. In einem zweiten Schritt wird Pyridin mit Wasser zu 5-β-OH-G hinzugefügt, um G zu gewinnen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Herstellungsverfahrens wird auf die Anlage ASt 6 Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin meint, es handele sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um unmittelbare Verfahrenserzeugnisse des durch das Verfügungspatent beanspruchten Verfahrens. Bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen würden alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens bis auf das Erfordernis der Gegenwart eines Rutheniumsalzes wortsinngemäß verwirklicht. Bei der Verwendung von „H“ statt eines Rutheniumsalzes handele es sich jedoch um ein äquivalentes Mittel.

Gegenstand des Verfügungspatents sei ein neues Verfahren zur Herstellung von Drospirenon. Dieses bestehe gemäß Patentanspruch 1 aus einer katalyti-schen Hydrierung des Dimethylenpropinols (ZK 34506) zu dem Dimethylenpropanol (ZK 92836), dessen anschließender Oxidation zu 5-β-OH-G (ZK 90965) in Gegenwart eines Rutheniumsalzes und der anschließenden Abspaltung von Wasser aus 5-β-OH-G, um zu G zu gelangen. Aufgrund der zeitlichen Trennung von Oxidation und Wasserabspaltung sei es möglich, die Säureeinwirkung und daraus resultierende Wassereliminierung am entstehenden 5-β-OH-G während der Oxidation zu vermeiden. Mit dem von G zur Oxidation eingesetzten Austauschmittel „H“ werde genau diese Wirkung erzielt, weil es bei der Oxidation keine gleichzeitige Wasserelimination bewirke.

Des Weiteren sei „H“ als Mittel zur Oxidation zwecks Erhalt des 5-β-OH-G aus Dimethylenpropanol für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt auch ohne Weiteres als gleichwirkend auffindbar gewesen. Denn die Verwendung von „H“ als Oxidationsmittel zur Herstellung von Laktonen aus den ent-sprechenden Diolen sei zum Beispiel aus dem „Journal of Organic Chemistry“, Bd. 54 (12), (1989), Seiten 2970 – 2972, bekannt gewesen.

Dass der Fachmann „H“ zur Oxidation von Dimethylenpropanol zu 5-β-OH-G vor der Wasserabspaltung zu G im Prioritätszeitpunkt mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens habe ohne Weiteres als erkennbar gleichwirkend auffinden können, habe im Übrigen bereits das Europäische Patentamt im Rahmen eines Prüfungsverfahrens in Bezug auf ein Patent der Verfügungsklägerin bestätigt, bei dem „H“ als Oxidationsmittel für die Drospirenon-Herstellung eingesetzt werde. Die Verwendung von „H“ sei durch die Prüfungsabteilung, ausgehend vom Verfügungspatent, dem Grunde nach als naheliegend angesehen worden. Erst mit dem Nachweis von Vorteilen aus Vergleichsversuchen, die sich aus der dort konkret beanspruchten und entsprechend getesteten Kombination von Parametern ergeben hätten, sei die Lehre als erfinderisch angesehen worden.

Schließlich habe der Fachmann den Einsatz von „H“ auf der Basis des Sinngehalts der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre auch als gleichwertige Lösung in Betracht gezogen. Das Verfügungspatent gebe dem Fachmann die technische Lehre an die Hand, dass der Oxidations-schritt zur Herstellung von 5-β-OH-G und der Wasserabspaltungsschritt zur Herstellung von G nicht gleichzeitig, das heißt mittels eines Stoffes mit einer Oxidations-/Eliminierungs-Doppelfunktion, erfolgen müssten, sondern zeitlich aufgetrennt werden könnten. Damit sei die bei dem im Stand der Technik durchgehend verwendeten Pyridiniumdichromat unvermeidbare frühzeitige Wassereliminierung überwunden worden. Der Anspruch schlage eine Oxidation in Gegenwart des nicht wasserabspaltenden Rutheniumsalzes vor, gefolgt von einer „anschließenden“, das heißt nicht gleichzeitigen Wassereliminierung. Die Wahl des konkreten Mittels zur Oxidation sei demgegenüber nicht Kern der Erfindung. Dieser liege vielmehr in der Schlüsselreaktion, erst die Oxidation und anschließend die Wasserabspaltung durchzuführen. Denn dadurch könnten insbesondere die Rahmenbedingungen für die Oxidation und die Wasserabspaltung unabhängig voneinander bestimmt werden. Das Oxidationsmittel sei demgegenüber lediglich ein Mittel zur Ausführung des patentgemäßen Verfahrens.

Nach Auffassung der Verfügungsklägerin ist die Angelegenheit in zeitlicher Hinsicht dringlich. Sie habe erstmalig am 19.11.2012 durch ein Schreiben der Verfügungsbeklagten genaue Kenntnis des Herstellungsverfahrens für das bei den angegriffenen Ausführungsformen eingesetzten Drospirenons erhalten. Sie habe daraufhin das Vorliegen eines Verletzungstatbestandes durch ihre Rechts- und Patentanwälte sowie durch einen eingeschalteten Gutachter prüfen lassen. Letzteres habe zu einer gutachterlichen Stellungnahme vom 04.12.2012 geführt. Vor dem 19.11.2012 habe die Verfügungsklägerin über keine hinreichenden Beweismittel, die ein auf das Verfügungspatent gestütztes gerichtliches Vorgehen gegen die Verfügungsbeklagte gerechtfertigt hätten, verfügt. Auch wenn die angegriffenen Ausführungsformen seit Ende September 2012 in Verkehr gebracht worden seien und die Verfügungsklägerin davon Ende September / Anfang Oktober 2012 Kenntnis erlangt habe, hätten ihr jedoch noch genaue Kenntnisse über das für das Drospirenon angewandte Herstellungsverfahren gefehlt.

Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Produkteinführung durch die Verfügungsbeklagte wenige Wochen vor der mündlichen Verhandlung über die Beschwerde gegen das EP 1 149 XXX, dessen Stammpatent das Verfügungspatent ist, erfolgt sei. Nachdem die Verfügungsklägerin Anfang Oktober 2012 keine gesicherten Erkenntnisse über das genaue Verfahren der Herstellung von G habe gewinnen können, habe sie zunächst das Rechtsbestandsverfahren vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes durchlaufen, bevor in der Folgezeit weitere Schritte erfolgt seien. Nachdem die Beschwerdekammer das Patent mit Unteranspruch 2 und einer Klarstellung am 17.10.2012 bestätigt habe, habe die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte – unstreitig – mit Schreiben vom 26.10.2012 wegen Verstoßes gegen das Teilungspatent abgemahnt.

Mit Schreiben vom 02.11.2012 habe die Verfügungsbeklagte daraufhin mitge-teilt, dass ihre Produkte „D“ und „C“ nicht nach dem Verfahren, das Gegenstand eines Urteils der Kammer in einem Parallelverfahren war (Az. 4a O 49/12), hergestellt würden. Wenige Tage später habe die Verfügungsbe-klagte über ein bei einem Schwesterunternehmen am 05.11.2012 eingegange-nes Schreiben Kenntnis des neuen Herstellungsverfahrens von Drospirenon bei G erhalten. Dass dieses Verfahren auch bei der Herstellung der angegrif-fenen Ausführungsformen zum Einsatz komme, habe die Verfügungsbeklagte auf Nachfrage mit Schreiben vom 19.11.2012 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2012 hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

I. der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu insgesamt 2 Jahren, zu untersagen,

Arzneimittel mit Drospirenon (6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17α-pregn-4-ene-21,17-carbolactone, G)

unmittelbar hergestellt durch katalytische Hydrierung von 17α-(3-hydroxy-1-propynyl)-6β, 7β; 15β,16β-dimethylene-5β-androstane- 3β, 5, 17β-triol (ZK 34506)

in das 17α-(3-hydroxy-1-propynyl)-6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β- androstane-3β, 5, 17β-triol (ZK 92836)

anschließende Oxidation in Gegenwart von 2, 2, 6, 6-Tetramethyl-piperidine-N-oxid (H) in das 6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β- hydroxy-3-oxo-17α-androstane-21‚ 17-carbolactone (ZK 90965)

und anschließende Wasserabspaltung

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu brin-gen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

II. der Verfügungsbeklagten aufzugeben, sämtliche in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, in Ziffer I. beschriebenen Erzeugnisse auf ihre Kosten zum Zweck der Verwahrung an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben, wobei die Verwahrung andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen;

hilfsweise:
die Beibringung einer Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Streitwerts der einstweiligen Verfügung anzuordnen.

Sie meint, es fehle sowohl an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsan-spruchs, als auch eines Verfügungsgrundes.

Da die angegriffenen Ausführungsformen aus einer Kombination der beiden Wirkstoffe Drospirenon und Ethinylestradiol bestehen würden, handele es sich bereits aus diesem Grund um keine unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse des beanspruchten Verfahrens. Die angegriffenen Ausführungsformen hätten als Kombinationsprodukte notwendigerweise andere charakteristische Eigenschaften als Drospirenon.

Zudem falle ein Gemisch aus 5-β-OH-G und Drospirenon nicht in den Schutzbereich des Verfügungspatents. Das Verfügungspatent grenze sich von einem Stand der Technik ab, bei dem die Wassereliminierung bei einem Stoffgemisch aus 5-β-OH-G und Drosperinon vorgenommen worden sei. Vor diesem Hintergrund müsse patentgemäß zunächst Dimethylenpropanol (ZK 92836) vollständig in 5-β-OH-G (ZK 90965) umgesetzt werden. Erst an-schließend solle in einem separaten Reaktionsschritt 5-β-OH-G zu G weiterreagieren. Demgegenüber erfolge bei der Herstellung der Drospirenon-Komponente der angegriffenen Ausführungsformen keine eindeutige Separierung des Oxidationsschritts zum Erhalt von reinem 5-β-OH-G und an-schließender Wasserabspaltung zum Erhalt von Drospirenon. Vielmehr würden bei Analyse des nach dem Oxidationsschritt erhaltenen Zwischenproduktes bereits erhebliche Anteile von Drospirenon gefunden (18,8 Prozent). Dieses Gemisch werde im weiteren Verlauf des Verfahrens einer Eliminierungsreaktion unterworfen.

Zudem handele es sich bei dem Einsatz von „H“ auch um kein gegenüber dem beanspruchten Rutheniumsalz äquivalentes Mittel, da es insoweit sowohl an der Gleichwirkung, als auch am Naheliegen und der Gleichwertigkeit fehle.

Die Verfügungsklägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Par-teien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin das Vorliegen eines Verfü-gungsgrundes glaubhaft gemacht hat. Jedenfalls fehlt es an der Glaubhaft-machung eines Verfügungsanspruchs. Da das bei den angegriffenen Ausfüh-rungsformen eingesetzte Drospirenon nach einem Verfahren hergestellt wird, das von dem durch das Verfügungspatent beanspruchten Verfahren weder wortsinngemäß, noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch macht, stehen der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Sequestration aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m.
§ 139 Abs. 1 PatG nicht zu.

I.
Die Erfindung betrifft Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β,16β-Dimethylene-3-oxo-17a-pregn-4-ene-21‚ 17-carbolactone, G), sowie 6β, 7β, 15β, 16β-DimethyIene-5-hydroxy-3-oxo-17a-androstane-21‚ 17-carbolactone (ZK 90965) als Zwischenprodukt des Verfahrens.

Drospirenon ist nach der Beschreibung des Verfügungspatents als steroidaler Wirkstoff, etwa aus der DE 26 52 761 C2 und der DE 30 22 337 A1, seit länge-rem bekannt. Dabei erfolge die Herstellung der letzten vier Schritte im Eintopf-verfahren, bei dem nach der Hydrierung von Dimethylenpropinol (ZK 34506) keine der durchlaufenen Zwischenstufen Dimethylenpropanol und 5-β-OH-G isoliert würden (siehe nachfolgendes Schema).

Eine analoge Synthese, jedoch unter Anwendung einer Pyridiniumdichromat-Oxidation, sei aus dem Stand der Techik bekannt (Angew. Chemie, 21, 9, (1982), Seiten 696-697). Ähnliche Synthesen zur Herstellung von steroidalen 17, 21-Carbolactonen würden auch in der EP-A-0 075 189 und der EP-A-0 051 143 beschrieben, jedoch unter Beteiligung von mikrobiologischen Reaktionen. Oxidationen unter Beteiligung von Rutheniumverbindungen würden dort nicht offenbart.

Das Dimethylenpropinol (ZK 34506) werde in Tetrahydrofuran mit Wasserstoff an Palladium-Kohle zum Dimethylenpropanol (ZK 92836) hydriert. Die so er-haltene Hydrierlösung, die das Propanol (ZK 92836) als Hauptprodukt und schwankende Anteile an Lactol enthalte, werde ohne Isolierung und Zwischenaufarbeitung zum Drospirenon (ZK 30595) umgesetzt.

Hierzu werde zuerst ein Lösungsmittelwechsel von Tetrahydrofuran zu Dimethylformamid vollzogen und anschließend das Propanol bei 40 °C mit ei-nem Überschuß von 3,7 Equivalenten Pyridiniumdichromat (PDC) zu einem Gemisch von G und 5-β-OH-G oxidiert. Die 5-β-OH-Funktion im Oxida-tionsprodukt sei labil gegenüber Säuren, Lewissäuren und basischen Bedin-gungen bei erhöhten Temperaturen, da in allen Fällen mit der Ausbildung des ∆-4,5-ungesättigten Ketons im Drospirenon ein thermodynamisch stabileres Produkt erhalten werde. Die Eliminierung der β-OH-Funktion im 5-β-OH-G verlaufe zum thermodynamisch stabileren Drospirenon und habe nicht unter-drückt werden können.

Die Mischung enthalte in der Regel wechselnde Anteile der beiden Komponenten, wobei das 5-β-OH-G im Allgemeinen als Hauptkomponente im Verhältnis von 2-3:1 vorliege. In der letzten Stufe der Eintopfsequenz werde das Zweikomponenten-Gemisch durch Zugabe von halbkonzentrierter Salzsäure in das G, roh, überführt.

Dem Verfügungspatent liegt die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, ein neues Herstellungsverfahren für Drospirenon bereitzustellen, das selektiver und einfacher in der Durchführung ist als das aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren. Zudem soll das Verfahren durch die Einsparung einer Chromtrioxid-Oxidation ökologischer sein.

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

1. Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17α-pregn-4-ene-21,17-carbolactone, G)

2. durch katalytische Hydrierung von 17α-(3-hydroxy-1-propynyl)-6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-androstane-3β, 5, 17β-triol (ZK 34506)

in das 17α-(3-hydroxy-1-propyl)-6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-androstane-3β, 5, 17β-triol (ZK 92836)

3. anschließende Oxidation in das 6β, 7β; 15β, 16β-dimethylene-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstane-21, 17-carbolactone (ZK 90965)

4. in Gegenwart eines Rutheniumsalzes und

5. anschließende Wasserabspaltung.

Den Gegenstand von Patentanspruch 1 bildet somit ein Verfahren zur Herstel-lung von Drospirenon, bei dem zunächst Dimethylenpropinol durch katalytische Hydrierung in Dimethylenpropanol umgewandelt und anschließend in 5-β-OH-G in Anwesenheit eines Rutheniumsalzes oxidiert wird. Im Anschluss soll schließlich Wasser abgespalten werden, so dass Drospirenon hergestellt wird.

Die Erfindung beinhaltet demnach als eine Schlüsselreaktion die Ruthenium- katalysierte Oxidation von Dimethylenpropanol zu 5-β-OH-G und die an-schließende Wassereliminierung zum Drospirenon in einem zweistufigen Ver-fahren (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitt [0012]).

Wie der Fachmann sowohl der Formulierung des Patentanspruchs, als auch der Patentbeschreibung entnimmt (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitte [0001] und [0012]) ist es für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre darüber hinaus zwingend, dass das Dimethylenpropanol zunächst in 5-β-OH-G oxidiert und anschließend das Wasser abgespalten wird.

II.
Dies vorausgeschickt wird das beanspruchte Verfahren bei der Herstellung des in den angegriffenen Ausführungsformen eingesetzten Drospirenons weder wortsinngemäß, noch mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.

Davon, dass es mangels Verwendung eines Rutheniumsalzes an einer wort-sinngemäßen Verwirklichung der durch das Verfügungspatent beanspruchten technischen Lehre fehlt, geht zurecht auch die Verfügungsklägerin aus, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf. Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin fehlt es damit jedoch nicht nur an der wortsinngemäßen Verwirklichung dieses Merkmals. Vielmehr ist dieses Merkmal auch nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.

1.
Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Äquivalenz kann eine vom Wortsinn abweichende Ausführungsform nur dann in den Schutzbereich einbezogen werden, wenn sie das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit abge-wandelten, aber objektiv im Wesentlichen gleichwirkenden Mitteln löst und seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als im Wesentlichen gleichwirkend aufzufinden, wobei die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fach-mann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. BGH GRUR 2002, 511 ff. – Kunststoffhohlprofil; BGH GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. – Custodiol II; GRUR 2007, 410, 415 f. – Kettenradanordnung; GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung; GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallzeitmessgerät). Die Einbeziehung einer vom Wortsinn des Patentan-spruchs abweichenden Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents setzt danach dreierlei voraus:

1. Das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden (Gleichwirkung).

2. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (Naheliegen).

3. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit).

Bei der Diskussion der Äquivalenz ist dabei auf den Gesamtzusammenhang der durch den Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre abzustellen. Eine Erforschung des Inhalts einzelner Merkmale kann demgegenüber nur dazu dienen, schrittweise den allein maßgeblichen Wortsinn des Patentanspruchs als Einheit zu ermitteln (BGH GRUR 2006, 313, 315 – Baumscheibenabdeckung; BGH GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung).

2.
Es mag sein, dass der Fachmann dank seines Fachwissens und gestützt auf den Stand der Technik grundsätzlich in der Lage war, anstelle des bean-spruchten Rutheniumsalzes auch einen organischen Katalysator wie „H“ bei der Herstellung von Drospirenon zu verwenden. Hierfür findet er jedoch – was Voraussetzung für die erforderliche Gleichwertigkeit wäre – weder einen Anhaltspunkt im vorliegend interessierenden Patentanspruch, noch in der Pa-tentbeschreibung.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin lässt sich der Kern der Erfindung nicht darauf reduzieren, das Verfügungspatent gebe dem Fachmann die technische Lehre an die Hand, dass der Oxidationsschritt zur Herstellung von 5-β-OH-G und der Wasserabspaltungsschritt zur Herstellung von G nicht gleichzeitig, das heißt mittels eines Stoffes mit einer Oxidations/Eliminierungs-Doppelfunktion, erfolgen muss, sondern zeitlich aufgetrennt werden kann.

Zwar handelt es sich bei der zeitlichen Trennung von Oxidation und Wasserabspaltung um einen wesentlichen Aspekt der Erfindung (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitt [0012]). Jedoch erkennt der Fachmann bereits aus der Formulierung des Patentanspruchs, dass dies allein nicht ausreicht, sondern dass es dem Verfügungspatent in gleicher Weise darauf ankommt, hierfür einen bestimmten Stoff, nämlich das Rutheniumsalz, zu verwenden. Die zeitliche Trennung von Oxidation und anschließender Wasserabspaltung ergibt sich nämlich bereits aus der Formulierung der Merkmale 3. und 5. („anschließende Wasserabspaltung“). Käme es für eine Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungspatents demnach allein darauf an, das in den Abschnitten [0004] und [0005] beschriebene Verfahren, bei dem die Oxidation und Wasserabspaltung zeitlich nebeneinander abliefen, unabhängig von dem eingesetzten Katalysator in ein zweistufiges Verfahren zu überführen, hätte es der Benennung eines bestimmten Katalysators nicht bedurft.

Geht man davon aus, kann dem im Patentanspruch genannten Rutheniumsalz, anders als die Verfügungsklägerin meint, nicht lediglich eine „Platzhalterfunktion“ für jeden Stoff zukommen, der als Katalysator bei der Oxidation von Dimethylenpropanol in 5-β-OH-G eingesetzt werden kann, ohne die Zweistufigkeit (Oxidation und anschließende Wasserabspaltung) zu gefährden. Dies gilt umso mehr, als sich in Patentanspruch 1 für die Oxidation, nicht aber für die Wasserabspaltung ein konkretes Mittel genannt wird.

Eine Einordnung des in Patentanspruch 1 genannten Rutheniumsalzes als „Platzhalter“ für sämtliche Stoffe, die eine getrennte Oxidation und Wasserab-spaltung im Sinne der Merkmale 3. und 5. erlauben, erscheint zudem auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit bedenklich. Denn Patentanspruch 1 ist eng gefasst. Er beschreibt ein konkretes Verfahren zur Herstellung von Drospirenon, bei dem die Oxidation in Gegenwart eines Rutheniumsalzes erfolgt, so dass eine wortsinngemäße Verwirklichung des beanspruchten Verfahrens regelmäßig nur in Betracht kommen wird, wenn auch tatsächlich ein Rutheniumsalz zum Einsatz kommt. Ein Äquivalenzbereich, bei dem das Rutheniumsalz nunmehr lediglich eine „Platzhalterfunktion“ für sämtliche, die Zweistufigkeit von Oxidation und Wasserabspaltung im Sinne der Merkmale 3. und 5. ermöglichenden Katalysatoren einnimmt, würde demgegenüber zu einer extremen Ausweitung des Schutzbereichs führen, gegenüber der der eigentliche Wortsinn des Pa-tentanspruchs in seiner Bedeutung weit zurücktritt.

Dass es für die Verwirklichung der technischen Lehre von Patentanspruch 1, der nicht das unstreitig als Stoff bekannte Drospirenon als Erzeugnis, sondern ein ganz spezifisches Herstellungsverfahren schützt, gerade auch auf den Einsatz eines Rutheniumsalzes als Katalysator ankommt, bestätigt dem Fachmann überdies die Beschreibung des Verfügungspatents, wo als Schlüsselreaktion der Erfindung gerade die Ruthenium-katalysierte Oxidation bezeichnet wird (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitt [0012]). Zwar legt sich das Verfügungspatent nicht fest, um welches Rutheniumsalz es sich für eine Verwirklichung der technischen Lehre handeln muss. Jedoch werden dem Fachmann in der Beschreibung des Verfügungspatents als mögliche Katalysatoren ausschließlich Rutheniumsalze genannt (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitt [0011]). Zudem findet auch in den in den Abschnitten [0013] und [0021] ff. beschriebenen Beispielen lediglich Rutheniumtrichlorid und damit ein Rutheniumsalz Verwendung.

Dem Fachmann ist somit klar, dass es für die Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungspatents maßgeblich darauf ankommt, die Zweistufigkeit des Verfahrens in Abgrenzung zu dem in den Absätzen [0004] und [0005] be-schriebenen Verfahren, wo ein chromhaltiger Katalysator zum Einsatz kommt, gerade dadurch zu ermöglichen, dass die Oxidation in Anwesenheit eines Rutheniumsalzes erfolgt, so dass die bislang eingesetzten Pyridiniumdichromat-Salze durch katalytische Mengen eines Metalls ersetzt werden (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitt [0019]). Ob es sich möglicherweise bei dem Einsatz anderer Metalle statt der im Anspruch genannten Rutheniumsalze um äquivalente Mittel handelt, kann dahinstehen. Denn jedenfalls handelt es sich bei „H“ unstreitig gerade um kein Metall, sondern um einen organischen Katalysator.

Soweit die Verfügungsklägerin insbesondere unter Bezugnahme auf die Ent-scheidung „Staubsaugersaugrohr“ des Bundesgerichtshofes (GRUR 2005, 41, 42) darauf verweist, Patentanspruch 1 fordere lediglich die Anwesenheit von Rutheniumsalzen, so dass in den Patentanspruch lediglich eine Stoffgruppe und damit kein konkreter Stoff aufgenommen worden sei, ist ihr insoweit zuzu-stimmen, als dass in Patentanspruch 1 kein spezieller Stoff genannt ist. Vielmehr genügt die Anwesenheit eines Rutheniumsalzes. Patentanspruch 1 stellt es somit in das Belieben des Fachmanns, welches Rutheniumsalz er einsetzt. Erforderlich ist jedoch gleichwohl, dass es sich um ein Rutheniumsalz handelt, das Salz also Ruthenium enthält. Beispiele für der-artige Rutheniumsalze finden sich in Abschnitt [0011] der Verfügungspatentbeschreibung (etwa RuCl3, RuO2 oder KRuO4). Dem Fachmann ist somit, insbesondere unter Berücksichtigung von Abschnitt [0012], wo als Schlüsselreaktion die Ruthenium-katalysierte Oxidation von Dimethylenpropanol in 5-β-OH-G bezeichnet wird, klar, dass es für die Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungspatents maßgeblich auf das Vorhandensein von Ruthenium ankommt. Zwar weist die Verfügungsklägerin zurecht darauf hin, dass der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Staubsaugersaugrohr“ aus der Vorgabe einer Werkstoffgruppe im Patentanspruch (Polyamid) den Schluss gezogen hat, der Fachmann erkenne daraus, dass er eine Auswahl treffen müsse, die sich an Aufgabe und Funktion des entsprechenden Bauteils zu orientieren habe (vgl. BGH GRUR 2005, 41, 42 – Staubsaugersaugrohr). Diese Ausführungen beziehen sich jedoch auf einen, ein teloskopierbares Rohr betreffenden Erzeugnisanspruch, der neben einer Vielzahl räumlich-körperlicher Merkmale lediglich die weitere Vorgabe enthielt, die Dichtungshülse solle aus Polyamid bestehen. Bereits aus diesem Grund lassen sich die dortigen, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofes auf den vorliegenden Fall, der ein spezifisches Herstellungsverfahren eines medizinischen Stoffes betrifft, nicht übertragen.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin rechtfertigen auch die Entscheidungen „Okklusionsvorrichtung“ (BGH GRUR 2011, 701) und „Diglycidverbindung“ (BGH GRUR 2012, 45) keine andere Bewertung. Zwar kommt danach dann, wenn die Beschreibung eines Patents mehrere Möglich-keiten offenbart, wie eine bestimmte Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen wurde, eine Verletzung eines Patents mit äquivalenten Mitteln nur dann in Betracht, wenn sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der unter Schutz gestellten Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösung unterscheidet. Dies bedeutet aber nicht, dass im Umkehrschluss dann, wenn in der Patentschrift lediglich im Anspruch und der Beschreibung ein bestimmtes Mittel genannt wird, nunmehr jedes Mittel, welches die gleiche Wirkung wie das beanspruchte Mittel (hier: Ermöglichung eines zweistufigen Verfahrens) aufweist, zugleich ein äquivalentes Mittel darstellt. Vielmehr spricht bereits die Angabe eines bestimmten Mittels dafür, dass es für eine Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungspatents gerade auf den Einsatz dieses Mittels ankommt. Das gilt umso mehr, wenn – wie hier – ein ganz konkretes Verfahren zur Herstellung eines bestimmten, an sich bekannten und für sich genommen als Erzeugnis nicht schutzfähigen Stoffes beansprucht wird.

Im Rahmen der Beurteilung der Gleichwertigkeit hat die Kammer weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich bei dem im Anspruch genannten Rutheniumsalz um eine chemische Verbindung handelt. Zwar ist auch im Chemie- und insbesondere im Pharmabereich eine Verwirklichung der technischen Lehre eines Patents mit äquivalenten Mitteln nicht von vornherein ausgeschlossen. Jedoch sieht sich der Fachmann nicht selten durch unterschiedliche Eigenschaften auch verwandter Stoffe und Verbindungen gehindert, einen bestimmten Stoff durch einen anderen zu ersetzen. Zu einem solchen Austausch wird er daher nur dann greifen, wenn ihn die Patentschrift deutlich darauf hinweist, dass der betreffende Ersatzstoff in seinen im Rahmen der Erfindung maßgeblichen Eigenschaften mit dem im Patentanspruch ausdrücklich genannten Stoff übereinstimmt und mögliche abweichende Eigenschaften für die unter Schutz gestellte technische Lehre keine Bedeutung haben (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2012, Az. I-2 U 111/10). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich bei dem jeweiligen Anspruch um einen Erzeugnisanspruch handelt oder ob der Anspruch – wie hier – ein Herstellungsverfahren schützt. Denn die beschriebenen unterschiedlichen Eigenschaften der Stoffe wirken sich in beiden Fällen aus. Geht man davon aus, sieht sich der Fachmann vorliegend am Austausch des Rutheniumsalzes bereits deshalb gehindert, weil sich die gesamte Patentschrift lediglich mit dem Einsatz eines Rutheniumsalzes beschäftigt und sich ein Hinweis auf die Verwendung alternativer Stoffe allenfalls in Bezug auf andere Metalle (vgl. Anlage ASt 1, Abschnitt [0019]), nicht aber hinsichtlich des Einsatzes organischer Katalysatoren findet.

Das Vorbringen der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung, sie befände sich, würde man bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit maßgeblich auf die Patentbeschreibung abstellen, in einer „Zwickmühle“, überzeugt nicht. Die Verfügungsklägerin hat die aus ihrer Sicht bestehende „Zwickmühlensituation“ damit begründet, dass dann, wenn sich in der Patentbeschreibung ein Stoff finde, der jedoch nicht beansprucht sei, eine Äquivalenz bereits nach der Entscheidung „Okklusionsvorrichtung“ (BGH GRUR 2011, 701) ausscheide. Sei ein Stoff demgegenüber nicht in der Beschreibung genannt, scheitere eine Äquivalenz, stelle man bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit allein auf die Patentbeschreibung ab, ebenfalls. Dass die durch die Verfügungsklägerin beschriebene „Zwickmühle“, aufgrund derer nach Auffassung der Verfügungsklägerin eine Äquivalenz in Fällen wie dem Vorliegenden faktisch immer scheitert, tatsächlich nicht besteht, zeigt bereits die Erwähnung von Metallen in Abschnitt [0019]. Denn der Einsatz eines anderen Metalls als ein Rutheniumsalz könnte – ohne dass die Kammer dies an dieser Stelle zu entscheiden braucht – unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung durchaus unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz auch bei einer Orientierung an der Beschreibung des Verfü-gungspatents im Rahmen der Beurteilung der Gleichwertigkeit eine Verletzung des Verfügungspatents begründen.

Auch der weitere Hinweis der Verfügungsklägerin auf die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer in Bezug auf das Teilungspatent EP 1 149 XXX vermag die Gleichwertigkeit nicht zu begründen. Zwar führt die Technische Beschwerdekammer in Bezug auf die Stammanmeldung des Verfügungspatents aus, dort werde die Oxidation in Gegenwart eines Rutheniumsalzes zu 5-β-OH-G offenbart (vgl. Anlage ASt 17, S. 14, Ziffer 5.2.1.). Sodann beschäftigt sich die Technische Beschwerdekammer jedoch mit der Frage der Offenbarung der Wasserabspaltung. Soweit die Verfügungsklägerin darauf verweist, nach Auffassung der Beschwerdekammer lasse es die Beschreibung des Verfügungspatents offen, welches Oxidationsmittel zum Einsatz kommen solle, erschließt sich nicht, worin die Verfügungsklägerin insoweit im Zusammenhang mit Abschnitt [0012] eine unzulässige Erweiterung sehen will. Denn auch dort wird kein Oxidationsmittel genannt. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, welcher Rückschluss sich daraus auf den Ersatz eines, in Abschnitt [0012] aus-drücklich genannten, Rutheniumsalzes ergeben soll.

Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass das Berufungsgericht Turin in der als Anlage ASt 13 vorgelegten Entscheidung „H“ als äquivalentes Mittel angesehen hat (vgl. die Übersetzung der Anlage ASt 13, S. 27 ff.), bereits deshalb keine andere Bewertung, weil sich das Berufungsgericht in dieser Entscheidung maßgeblich auf Sachverständigengutachten bezieht, welche der Kammer nicht zur Verfügung stehen. Ausführungen zur Gleichwertigkeit, welche im vorliegenden Verfahren Berücksichtigung finden könnten, finden sich in der Entscheidung demgegenüber nicht.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 (1. Hs) ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 6 ZPO i. V. m. §§ 711 S. 1 und 2, 108 ZPO vor-läufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 2.500.000,- EUR festgesetzt.