4c O 13/13 – Muldenförmigen Bodenablauf

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2125

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. September 2013, Az. 4c O 13/13

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird auf 400.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 1 287 XXX (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent), das in deutscher Übersetzung beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 601 15 XXX (Anlage K 3) geführt wird. Das Klagepatent ist am 26. März 2001 unter Inanspruchnahme einer dänischen Priorität vom 24. März 2000 (DK 200000XXX) angemeldet und als Anmeldung am 5. März 2003 veröffentlicht worden; der Hinweis auf seine Erteilung ist am 7. Dezember 2005 veröffentlicht worden. Es betrifft einen Ablauf und eine Gebäudestruktur mit einem Ablauf. Mit Schriftsatz vom 16. November 2011 (Anlage B 2) hat die Beklagte zu 1) das Klagepatent durch Erhebung der Nichtigkeitsklage angegriffen, über die noch nicht entschieden ist.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„Länglicher muldenförmiger Bodenablauf (100) zur Verwendung angrenzend an einer Wand in einem Nassbereich in einer Gebäudestruktur, wie in einem Badezimmer oder einer Badekabine, wobei ein Boden des Nassbereichs im Gebrauch des Nassbereichs fließendem Wasser ausgesetzt ist, wobei die Wand und der Boden eine wasserdichte Abdeckung (7, 8, 9, 17, 18) aufweisen, wobei der Boden vorzugsweise zur Wand hin geneigt ist, um es zu ermöglichen, dass das Wasser durch die Schwerkraft zur Wand hin fließt und durch den Bodenablauf (100) abgelassen wird, der angrenzend an die Wand angeordnet ist, wobei der Bodenablauf (100) aufweist:
a) ein Unterteil (4), das mindestens eine Abflussöffnung aufweist,
b) eine Vorderwand (3), die integral mit dem Unterteil (4) ist und aufweist:
ein erstes Teil (3b), das zum Unterteil (4) unter einem Winkel von mindestens 30°, vorzugweise etwa 90° geneigt ist, und einen Flanschteil (3a), das horizonal ist oder zur Horizontalen unter einem Winkel geneigt ist, der kleiner als 20° ist, wobei das Flanschteil (3a) angepasst ist, mindestens teilweise durch die wasserdichte Abdeckung (7, 9, 18) des Bodens abgedeckt zu werden,
c) zwei Seitenwände (2), die integral mit dem Unterteil (4) und dem ersten Teil (3b) sind, und
d) ein Gitter (12), das über dem Unterteil (4) gehalten wird, wobei das Gitter (12) eine Oberseite aufweist, die sich über dem Niveau des Flanschteils (3a) erstreckt, wodurch im Gebrauch des Ablaufs die Oberseite des Gitters (12) sich im wesentlichen auf gleichem Niveau mit dem Niveau der wasserdichten Abdeckung (7, 9, 18) des Bodens befindet,
dadurch gekennzeichnet, dass der Bodenablauf (100) aufweist:
e) ein Hinterteil (1), das integral mit dem Unterteil (4) ist, wobei sich das Hinterteil (1) vertikal vom Unterteil (4) durch und über die Ebene erstreckt, die durch das Flanschteil (3a) definiert wird, wobei das Hinterteil (1) angepasst ist, mindestens teilweise durch ein Teil der wasserdichten Abdeckung (7, 8, 17) der Wand abgedeckt zu werden.“

Nachstehend wiedergegeben sind die dem Klagepatent entnommenen Figuren 1 und 2, welche zwei bevorzugte Ausführungsformen der klagepatentgemäßen Vorrichtung jeweils von schräg oben perspektivisch darstellen:

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vertreibt unter der Bezeichnung „A“ eine Duschrinne (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Nachstehend werden Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben, und zwar einmal in einer Explosionsdarstellung, sodann als Lichtbild in der Einbausituation und schließlich nochmals in Explosionsdarstellung mit einer Beschriftung versehen, welche die Beklagte zu 1) in einem Prospekt vorgenommen hat, mit dem sie die angegriffene Ausführungsform bewirbt:

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatents vollständig wortsinngemäß, jedenfalls in äquivalenter Weise. Insbesondere sei die oberseitige Abdeckung der angegriffenen Ausführungsform als Gitter im Sinne des Klagepatents zu beurteilen. Dem Klagepatent sei nicht zu entnehmen, dass ein Gitter im Sinne seiner technischen Lehre über Öffnungen verfügen müsse.

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche jedenfalls mit äquivalenten Mitteln sämtliche Merkmale des Klagepatents. Eine U-förmige Abdeckung ohne Öffnungen, wie bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden, gleichwirkend, sei zur Ausführung eines Gitters jedenfalls naheliegend und gleichwertig. Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, das Klagepatent werde sich im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, längliche muldenförmige Bodenabläufe anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wenn der Bodenablauf zur Verwendung angrenzend an einer Wand in einem Nassbereich in einer Gebäudestruktur, wie in einem Badezimmer oder einer Badekabine, wobei ein Boden des Nassbereichs im Gebrauch des Nassbereichs fließendem Wasser ausgesetzt ist, wobei die Wand und der Boden eine wasserdichte Abdeckung aufweisen, wobei der Boden vorzugsweise zur Wand hin geneigt ist, um es zu ermöglichen, dass das Wasser durch die Schwerkraft zur Wand hin fließt und durch den Bodenablauf abgelassen wird, wobei der Bodenablauf der angrenzend an die Wand angeordnet ist, dient, wobei der Bodenablauf aufweist:
a) ein Unterteil, das mindestens eine Abflussöffnung aufweist,
b) eine Vorderwand, die integral mit dem Unterteil ist und aufweist:
ein erstes Teil, das zum Unterteil unter einem Winkel von mindestens 30°, vorzugweise etwa 90° geneigt ist, und
einen Flanschteil (3a), das horizonal ist oder zur Horizontalen unter einem Winkel geneigt ist, der kleiner als 20° ist, wobei das Flanschteil angepasst ist, mindestens teilweise durch die wasserdichte Abdeckung des Bodens abgedeckt zu werden,
c) zwei Seitenwände, die integral mit dem Unterteil und dem ersten Teil sind, und
d) eine Abdeckung, die über dem Unterteil gehalten wird, wobei die Abdeckung eine Oberseite aufweist, die sich über dem Niveau des Flanschteils erstreckt, wodurch im Gebrauch des Ablaufs die Oberseite der Abdeckung sich im wesentlichen auf gleichem Niveau mit dem Niveau der wasserdichten Abdeckung des Bodens befindet,
dadurch gekennzeichnet, dass der Bodenablauf (100) aufweist:
e) ein Hinterteil, das integral mit dem Unterteil ist, wobei sich das Hinterteil vertikal vom Unterteil durch und über die Ebene erstreckt, die durch das Flanschteil definiert wird, wobei das Hinterteil angepasst ist, mindestens teilweise durch ein Teil der wasserdichten Abdeckung der Wand abgedeckt zu werden;

insbesondere wie im Produkt „A“ der Beklagten verwirklicht und auf der folgenden Abbildung dargestellt:

2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen, gegen das Verbot gemäß Ziffer I.1. zu verstoßen;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. Januar 2006 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer und Verkaufsstellen,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

4. die im Besitz bzw. im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziff. I. 1 zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben,

5. die unter Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 1. September 2008 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie der Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird,

6. die Abmahnkosten in Höhe von 7.145,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen,

II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 7. Januar 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtkräftigen Erledigung der gegen das Klagepatent DE 601 15 XXX erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen;

weiter hilfsweise den Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn zugleich ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob eine bestimmt bezeichnete Lieferung oder ein bestimmt bezeichneter Empfänger eines Angebots in der Rechnung enthalten ist;

hilfsweise der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagten bestreiten, dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents verwirklicht. Sie weise kein Gitter im Sinne des Klagepatents auf. Soweit die Klägerin eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln geltend macht, erheben die Beklagten den Formstein-Einwand. Außerdem erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung. Schließlich sind sie der Auffassung, das Klagepatent werde mit hoher Wahrscheinlichkeit mangels Neuheit vollständig vernichtet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

I.
Das Klagepatent betrifft einen länglichen muldenförmigen Bodenablauf, der in einer Gebäudestruktur installiert wird.

Aus dem Stand der Technik ist das Problem bekannt, den Bodenablauf in einer Gebäudestruktur wie beispielsweise dem Nassbereich eines Badezimmers in einer Weise installieren zu müssen, die es verhindert, dass Wasser in die Wand- und Bodenkonstruktion der Gebäudestruktur eindringt. Dabei ist namentlich die Flüssigkeitsabdichtung um den Ablauf herum als schwierig bekannt. Herkömmlich werden Abläufe in quadratischer oder in Kreisform in einem Abstand zu den Wänden angeordnet, so dass eine abfallende Oberfläche geschaffen werden kann, über die das Wasser zum Auslass strömt. Das bereitet eine Reihe von Nachteilen und Schwierigkeiten bei der Installation, etwa die schwierige Befestigung des Ablaufs oder die Schwierigkeit, das Gitter des Ablaufs bündig mit der Bodenabdeckung auszuführen. Aus der GB 2 282 156 ist ein herkömmlicher Bodenablauf bekannt, bei dessen Einbau in eine rechteckige Öffnung in ein Bodenmaterial geschnitten werden muss, der allerdings nicht gegen eine Wand hin abgedichtet und deshalb nicht unmittelbar an der Wand installiert werden kann. Die GB 2 215 598 offenbart eine vorgefertigte Duschwanne mit einem unteren Teil und einem aufrechten Flansch, der wenigstens teilweise von einer wasserdichten Abdeckung einer angrenzenden Wand abgedeckt werden kann. Die GB 2 271 128 schließlich lehrt einen Bodenablauf mit sichtbaren, aufrechten, sich über das Bodenniveau erstreckenden Abschnitten, die, weil bei diesem Ablauf kein Gitter verwendet werden kann, aus ästhetisch ansprechenden Materialien sowie in einer zur Bodenverkleidung passenden Farbe gefertigt werden müssen.

Das Klagepatent stellt sich vor diesem technischen Hintergrund die Aufgabe, einen Ablauf mit einem Flanschteil und darüber liegenden Teilen zu schaffen, bei der diese Teile dafür sorgen, dass der Ablauf derart in die Gebäudestruktur integriert werden kann, dass eine gute Wasserdichtung zwischen den Wänden, dem Boden und dem Ablauf leicht erzielt werden kann.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

a) Länglicher muldenförmiger Bodenablauf (100)

a1) zur Verwendung angrenzend an einer Wand in einem Nassbereich in einer Gebäudestruktur, wie in einem Badezimmer oder einer Badekabine, wobei ein Boden des Nassbereichs im Gebrauch des Nassbereichs fließendem Wasser ausgesetzt ist,

a2) wobei die Wand und der Boden eine wasserdichte Abdeckung (7, 8, 9, 17, 18) aufweisen,

a3) wobei der Boden vorzugsweise zur Wand hin geneigt ist, um es zu ermöglichen, dass das Wasser durch die Schwerkraft zur Wand hin fließt und durch den Bodenablauf (100) abgelassen wird,

a4) wobei der Bodenablauf (100) angrenzend an die Wand angeordnet ist,

wobei der Bodenablauf (100) aufweist:

b) ein Unterteil (4), das mindestens eine Abflussöffnung aufweist,

c) eine Vorderwand (3), die integral mit dem Unterteil (4) ist und aufweist:

d) ein erstes Teil (3b), das zum Unterteil (4) unter einem Winkel von mindestens 30°, vorzugweise etwa 90° geneigt ist, und

e) einen Flanschteil (3a), das horizonal ist oder zur Horizontalen unter einem Winkel geneigt ist, der kleiner als 20° ist, wobei das Flanschteil (3a) angepasst ist, mindestens teilweise durch die wasserdichte Abdeckung (7, 9, 18) des Bodens abgedeckt zu werden,

f) zwei Seitenwände (2), die integral mit dem Unterteil (4) und dem ersten Teil (3b) sind, und

g) ein Gitter (12), das über dem Unterteil (4) gehalten wird, wobei das Gitter (12) eine Oberseite aufweist, die sich über dem Niveau des Flanschteils (3a) erstreckt, wodurch im Gebrauch des Ablaufs die Oberseite des Gitters (12) sich im wesentlichen auf gleichem Niveau mit dem Niveau der wasserdichten Abdeckung (7, 9, 18) des Bodens befindet,

dadurch gekennzeichnet, dass der Bodenablauf (100) aufweist:

h) ein Hinterteil (1), das integral mit dem Unterteil (4) ist,

i) wobei sich das Hinterteil (1) vertikal vom Unterteil (4) durch und über die Ebene erstreckt, die durch das Flanschteil (3a) definiert wird,

j) wobei das Hinterteil (1) angepasst ist, mindestens teilweise durch ein Teil der wasserdichten Abdeckung (7, 8, 17) der Wand abgedeckt zu werden.

II.
Zwischen den Parteien steht – zu Recht – alleine die Verwirklichung des Merkmals g) im Streit. Dessen Verwirklichung lässt sich jedoch nicht feststellen.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal g) nicht wortsinngemäß. Sie verfügt über kein Gitter im Sinne des Klagepatents.

a)
Das Klagepatent verwendet den Begriff des Gitters (in der englischen Verfahrenssprache: „grating“) sowohl in den Ansprüchen als auch in der Beschreibung vielfältig, allerdings ohne ihn näher zu erläutern. Der durchschnittliche Fachmann, der – wie vom BPatG im frühen gerichtlichen Hinweis vom 23. Juli 2013 ausgeführt – als Bau- oder Maschinenbautechniker mit einigen Jahren Berufserfahrung in der Konstruktion und Fertigung von vorgefertigten Einbauteilen im Sanitärbereich zu bestimmen ist, erhält keinen Anhaltspunkt dafür, wie der Begriff des Gitters im Sinne des Klagepatents zu bestimmen ist. Derlei Anhaltspunkte bieten weder die Haupt- und Unteransprüche in ihrem Zusammenhang, noch die Beschreibung in der Erläuterung des allgemeinen Erfindungsgedankens oder vorzugswürdiger Ausführungsbeispiele, noch die Darstellungen in den Zeichnungen. Fehlt es an derlei Anhaltspunkten vollständig, ist es für die Auslegung eines im Patentanspruch gebrauchten Begriffs statthaft, den allgemeinen technischen Sprachgebrauch zu berücksichtigen (BGH GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; BGH GRUR 2007, 410 – Kettenradanordnung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl. Rdn. 31). Dabei ist zwar stets zu beachten, dass die Patentschrift ihr eigenes Lexikon bildet, ein in ihr gebrauchter Begriff also grundsätzlich einen vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch abweichenden Sinngehalt haben kann, im Vergleich zu diesem nämlich sowohl einen engeren als auch einen weiteren (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube; Kühnen a.a.O. Rdn. 30f.). Für ein solches Verständnis eines im Patent gebrauchten Begriffs, welches vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch abweicht, bedarf es aber für den Fachmann erkennbarer Anhaltspunkte. Insbesondere bei der Verwendung eines technischen Begriffs, der – wie die Beklagten durch Inbezugnahme der früher gültigen technischen Norm DIN EN 1253-1 (Anlage B 22) belegt haben – einen weithin einheitlich anerkannten Sinngehalt hat, und der zugleich ein eher einfaches, bloß mechanisch wirkendes Strukturelement bezeichnet, erwartet der Fachmann deutliche Anhaltspunkte innerhalb einer Patentbeschreibung, um von dem allgemein anerkannten Sinngehalt abzuweichen.

Da solche fehlen, ist der allgemeine technische Sprachgebrauch des Begriffs des Gitters zugrunde zu legen. Hiernach stellt ein Gitter eine räumlich, flächige Struktur dar, die eine Vielzahl von Öffnungen aufweist, und die dazu dient, einerseits den Durchtritt fester Gegenstände, die größer als die Öffnungen sind, zu verhindern, andererseits den Durchtritt von Flüssigkeiten und Gasen sowie kleineren festen Gegenständen zu gestatten, also eine Funktion des auswählenden Absperrens und Siebens auszuüben. Dieses Verständnis vom Begriff des Gitters auch der Auslegung des Klagepatents zugrunde zu legen, wird dem Fachmann zusätzlich dadurch nahegelegt, dass das Klagepatent einen Ablauf für Wasser lehrt, also eine Vorrichtung, durch die Wasser bestimmungsgemäß ablaufen soll, ohne sich in einer schlichten Öffnung zu erschöpfen. Ein solcher Ablauf soll vielmehr, namentlich in dem durch das Klagepatent näher beschriebenen Bereich der Wasserabläufe für Duschzellen und Nassbereiche, nach oben hin in einer Weise abgedeckt werden, die einerseits den Durchtritt des ablaufenden Wassers gestattet, die andererseits aber auch gewährleistet, dass größere Gegenstände und namentlich Körperteile der Nutzer der Duschzelle oder des Nassbereichs nicht in den Ablauf geraten können.

Dieses Verständnis legt auch die genannte technisch Norm DIN EN-1253-1 (B22) zugrunde, die sich, anders als von der Klägerin angeführt, nicht auf die Definition der Ablaufleistung eines Gitters / „grating“ beschränkt, sondern dieses Bauteil näher definiert als

„Removable component with apertures which permit the discharge of waste water“ (Anlage B 22, Seite 5, bei 3.4),

zu deutsch etwa

„Entfernbares Bauteil mit Öffnungen, die den Abfluss von Abwasser gestatten“.

Demnach charakterisiert auch diese Norm das Bauteil des Gitters durch das Vorhandensein von Öffnungen zum Abfluss des Wassers.

Ferner gestützt in diesem Verständnis wird der Fachmann durch die Erkenntnis, dass klagepatentgemäß das ablaufende Wasser in Richtung der Wand der Gebäudestruktur abfließen, die Wand aber nur in möglichst geringem Umfang erreichen soll, um so die Aufgabe zu erleichtern, ein Einsickern von Wasser in die Wand dadurch zu erleichtern, dass die dort befindliche Abdichtung von abfließendem Wasser entlastet wird. Das wird am einfachsten durch eine Oberfläche des Ablaufs erreicht, die eine Vielzahl von Öffnungen aufweist, durch die das Wasser in den Abfluss hinein fließen kann, die also ein Gitter im genannten Sinne aufweist. Ein Gitter nach diesem Verständnis ermöglicht es dem abfließenden Wasser, einen einfachen Weg von der Oberfläche des Ablaufs her in den Ablauf hinein nach unten zum Unterteil mit der Abflussöffnung gemäß Merkmal b) zu nehmen.

Dass dieser Ablaufweg des Wassers gewünscht und damit ein Gitter als flächige Struktur mit einer Vielzahl von Öffnungen klagepatentgemäß gelehrt ist, ergibt sich – worauf die Beklagten zu Recht hinweisen – auch aus dem Zusammenhang des Unteranspruchs 4 des Klagepatents mit dessen vorliegend streitgegenständlichem Hauptanspruch 1. Zwar ist es, was die Klägerin insoweit einwendet, in der Tat nicht möglich, den Schutzbereich eines Hauptanspruchs durch die Merkmale eines naturgemäß enger gefassten Unteranspruchs einschränkend auszulegen. Wohl aber gestattet es der Zusammenhang zwischen Haupt- und Unteranspruch, Merkmale des Hauptanspruchs näher zu bestimmen, nämlich in dem Sinne, dass ein Unteranspruch an Merkmale anknüpft, deren Sinngehalt durch den Unteranspruch verdeutlicht wird. Vorliegend lehrt Unteranspruch 4 als zusätzliches Merkmal das Vorsehen von Auflageflächen an allen vier vertikal begrenzenden Wänden des Bodenablaufs, und dass das Gitter von diesen Auflageflächen gehalten wird. Daraus folgt, dass nach einer solchen Ausführung der Ablaufweg des Wassers zwischen dem Gitter und den vertikal begrenzenden Wänden hindurch entweder vollständig versperrt oder zumindest stark eingeengt ist, und dass also der Ablaufweg durch das Gitter hindurch offenstehen, das Gitter also im Sinne des dargelegten Verständnisses über ein Vielzahl von Öffnungen verfügen muss.

Schließlich wird der Fachmann im gezeigten Verständnis vom klagepatentgemäßen Sinngehalt des Begriffs des Gitters dadurch bestärkt, dass die Ausführungsbeispiele, in denen das Gitter dargestellt wird, allesamt über ein Gitter als flächige Struktur mit einer Vielzahl von Öffnungen verfügen.

Gegen das dargestellte Verständnis spricht nicht, dass in der Beschreibung des in Figur 2 des Klagepatents dargestellten Ausführungsform erläutert wird (Abschnitt [0043]), das Gitter ruhe auf der Auflagefläche, welche sich über die Ebene des Bodenfliesenbelags erstrecke, so dass auch das Gitter über das Niveau der Oberfläche des Bodenfliesenbelags angehoben wird. Damit ist zwar eine klagepatentgemäße Ausführungsform dargestellt, bei der die vom Gitter gebildete Oberfläche höher liegt als die umgebende Oberfläche der umgebenden Bodenfliesen. Der Fachmann erkennt indes, dass auch bei einer solchen Gestaltung der Abflussweg des Wassers durch Öffnungen des Gitters hindurch hinreichend gewährleistet ist und kein anderer Abflussweg zur Verfügung steht. Denn erstens ist auch bei dieser Gestaltung das Gitter (12) gleichwohl so angebracht, dass sich gemäß Merkmal g) im Gebrauch seine Oberseite im Wesentlichen auf dem gleichen Niveau mit dem Niveau der wasserdichten Abdeckung des Bodens (9) befindet. Der Höhenunterschied zwischen den die wasserdichte Abdeckung bildenden Bodenfliesen (9) einerseits und der Oberfläche des Gitters (12) andererseits ist demnach kein wesentlicher, steht also dem Abfluss des Wassers durch das Gitter hindurch nicht entgegen. Zum anderen erkennt der Fachmann, dass um die Oberfläche des Gitters herum keine Öffnungen verbleiben, durch die hindurch das Wasser abfließen könnte. Rund um das Gitter (12) und die Auflagenflächen (15), auf denen es ruht, sind Fugen (10) ausgeführt, die etwaige Spalten oder dergleichen gegen den Durchtritt von Wasser abdichten.

b)
Nach alledem verfügt die angegriffene Ausführungsform nicht über ein Gitter im Sinne des Klagepatents. Die Abdeckung zur Oberseite der angegriffenen Ausführungsform hin besteht aus einem U-förmigen Profil mit einer breiten und zwei jeweils rechtwinklig daran anschließenden schmalen Seiten. Die breite Seite weist nach oben und deckt den Auslass ab, die schmalen Seiten stützen diese Oberseite, indem sie in den rinnenförmigen Auslass eingesetzt werden. Das Profil ist einstückig und ohne Öffnungen gefertigt. Der Abfluss des Wassers geschieht bei der angegriffenen Ausführungsform in der Weise, dass es über die obere breite Seite hinweg und um die seitlichen schmalen Seiten herum und unter diesen hindurch fließt durch einen Spalt, der zwischen den Schmalseiten und der Unterseite des Abflusses offensteht. Ein Gitter im Sinne des Klagepatents ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erforderlich und nicht ausgeführt. Die bei der angegriffenen Ausführungsform ausgeführte Abdeckung erfüllt zwar womöglich dieselbe Funktion wie ein Gitter im klagepatentgemäßen Sinne, doch das begründet keine Verwirklichung des Merkmals g). Ein bloß funktionales Verständnis eines räumlich-körperlich bestimmten Merkmals ist nicht statthaft, da der Schutzbereich sonst nicht mit Rechtssicherheit bestimmbar wäre.

2.
Die angegriffene Ausführungsform stellt auch keine äquivalente Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents dar.

a)
Unter dem Gesichtspunkt der patentrechtlichen Äquivalenz kann eine vom Wortsinn abweichende Ausführungsform dann in den Schutzbereich einbezogen werden, wenn sie das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit abgewandelten, aber objektiv im Wesentlichen gleichwirkenden Mitteln löst (Gleichwirkung) und seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als im Wesentlichen gleichwirkend aufzufinden (Naheliegen), wobei die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart im Sinngehalt der im Schutzanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren

abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit; zu allen Voraussetzungen: BGH GRUR 2002, 511 (512) – Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2002, 515 (518) – Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 (521) – Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 527 (529) – Custodiol II; BGH GRUR 2007, 410 (415 f.) – Kettenradanordnung; BGH GRUR 2004, 758 (760) – Flügelradzähler; BGH GRUR 2007, 959 (961) – Pumpeinrichtung; BGH GRUR 2007, 1059 (1063) – Zerfallszeitmessgerät; BGH GRUR 2012, 45 – Diglyceridverbindung).

b)
Vorliegend lässt sich jedenfalls nicht darstellen, dass die angegriffene Ausführungsform ausgehend von der technischen Lehre des Klagepatents naheliegend und gleichwertig wäre.

Es liegt für den Fachmann nicht nahe, anstelle eines Gitters, also eines flächigen Bauteils mit einer Vielzahl von Öffnungen, ein U-Profil ohne Öffnungen vorzusehen und damit einen vollständig anderen Abflussweg des Wassers vorzugeben. Insbesondere von dem Vorteil, dass das ablaufende Wasser beim Überfließen des Gitters in Richtung der Wand bereits nach unten abfließen kann und deshalb zu einem erheblichen Teil die Wand gar nicht erst erreicht, müsste sich der Fachmann lösen und stattdessen nach anderen Wegen zur Lösung der Aufgabe suchen, die Wand gegen das Wasser sicher abzudichten. Überdies bemängeln die Beklagten zu Recht, dass die Klägerin nicht konkret dargelegt hat, aufgrund welcher einzelnen, rein routinemäßigen Überlegungen der Fachmann zu dem Ergebnis gelangen könnte, statt eines Gitters ein U-förmiges, oben geschlossenes Profil mit einem Abstand zum Unterbau vorzusehen.

Außerdem ist der Aufbau der angegriffenen Anführungsform der technischen des Klagepatents nicht gleichwertig, weil der Fachmann dem Klagepatent keinerlei Hinweis darauf entnehmen kann, dass das mit Öffnungen versehene Gitter ebenso gut durch eine geschlossene Oberseite und daran angrenzende Schmalseiten eines U-Profils ersetzt werden könnte. Daher kann der Fachmann nicht, was auch die Beklagten zutreffend einwenden, unter Orientierung am Sinngehalt der technischen Lehre des

Klagepatents zu einer Gestaltung wie derjenigen der angegriffenen Ausführungsform gelangen.

III.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 6. August 2013 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert war nach billigem Ermessen – § 51 Abs. 1 GKG – gemäß der klägerischen Angabe auf 400.000,00 EUR festzusetzen. Der klägerischen Wertangabe kommt im gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht indizielle Bedeutung zu, weil der Kläger, zumal wenn er die Angabe, wie vorliegend, bei Klageerhebung macht, erstens am besten in der Lage ist, sein für den Streitwert maßgebliches Angriffsinteresse zu bestimmen, und weil er zweitens bei einer anfänglichen Angabe diese ohne Kenntnis von den Erfolgschancen seiner Rechtsverfolgung machen wird (Berneke, in: Ahrens, Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 40 Rdn. 40f.). Die Klägerin hat zu ihrer von Anfang an gemachten Angabe des Streitwerts in Höhe von 400.000,00 EUR in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie dies nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits aus ihrer Sicht bemessen hat. Das setzt sich gegenüber dem Argument der Beklagten durch, schon die Abmahnung nur gegenüber der Beklagten zu 1) (Anlage K 13) habe die Klägerin mit demselben Wert bemessen, denn
die Auffassung der Klägerin zum Wert der Abmahnung muss nicht mit der zum Wert des Klageverfahrens korrelieren.