4b O 96/11 – Flaschenzerkleinerung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1937

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. Oktober 2012, Az. 4b O 96/11

Rechtsmittelinstanz: 2 U 80/12

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Vorrichtungen zum Zusammendrücken leerer Behälter, insbesondere Getränkeflaschen oder –dosen aus Kunststoff, insbesondere aus PET, oder Weißblech, umfassend

• ein Gehäuse, mit einer Einfüllöffnung sowie einer Ausgangsöffnung, und
• eine im Gehäuse angeordnete Schneid- und Presseinheit sowie
• Mittel zum Antrieb und zur Steuerung der Schneid- und Presseinheit, wobei
• die Schneid- und Presseinheit wenigstens zwei, bezüglich ihren Drehachsen zueinander beabstandet angeordnete Walzen enthält, wobei jede Walze wenigstens zwei mit axialem Abstand (Freiraum) zueinander angeordnete Scheiben besitzt,

dadurch gekennzeichnet, dass
• jede der Walzen, in Längsrichtung ihrer Drehachse gesehen, wenigstens zwei, bevorzugt mehrere Abschnitte, deren Scheibe oder Scheiben im Durchmesser und/oder in der Form unterschiedlich sind, aufweist, wobei
• die Scheiben nacheinander im Wechsel folgender Abschnitte jeweils einen anderen Durchmesser besitzen, und,
• im montierten Zustand der beiden Walzen, wenigstens die den größeren Durchmesser aufweisenden Abschnitte zueinander versetzt mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend (überlappend) nebeneinander angeordnet sind und somit Schneidscheiben bilden, in deren Umfangsfläche jeweils wenigstens eine deren Flanken durchbrechende Nut vorgesehen ist;

2. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. Dezember 2004 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Vorrichtungen, der Namen und der Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen für welche die Vorrichtungen bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflage in Höhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei

– die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 2. April 2006 zu machen sind;
– Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 1. September 2008 zu machen sind;
– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. b) und c) die entsprechenden Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Daten geschwärzt werden dürfen;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Vorrichtungen auf eigene Kosten zu vernichten oder nach Wahl der Klägerin an einen von ihr zu beauftragenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 1. September 2008 in den Besitz Dritter gelangten und dort befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatentes DE 103 25 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird sowie die zurückgegebenen Erzeugnisse nach Rückgabe wieder an sich zu nehmen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1. der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 25. Dezember 2004 bis zum 1. April 2006 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der Hermann Schwelling sowie der Klägerin durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 2. April 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 5 %, die Beklagte zu 95 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 €. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

T a t b e s t a n d
Die Klägerin, eine Herstellerin von Geräten für die Entwertung von PET-Flaschen und Dosen, Aktenvernichtern und Ballenpressen, ist ausschließliche Lizenznehmerin des zugunsten des Geschäftsführers der Komplementärin der Klägerin eingetragenen deutschen Patentes 103 25 XXX (Anlage K 3, nachfolgend Klagegebrauchsmuster), welches unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 27. April 2003 am 26. Mai 2003 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 25. November 2004; die Erteilung des Patentes wurde am 2. März 2006 veröffentlicht. Das Klagepatent, welches eine Vorrichtung zum Zusammendrücken leerer Behälter zum Gegenstand hat, steht in Kraft. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Vorrichtung zum Zusammendrücken leerer Behälter, insbesondere Getränkeflaschen oder –dosen aus Kunststoff, insbesondere aus PET, oder Weißblech, umfassend
• ein Gehäuse (1), mit einer Einfüllöffnung (2) sowie einer Ausgangsöffnung (3), und
• eine im Gehäuse (1) angeordnete Schneid- und Presseinheit (4) sowie
• Mittel zum Antrieb und zur Steuerung der Schneid- und Presseinheit (4), wobei
• die Schneid- und Presseinheit (4) wenigstens zwei, bezüglich ihren Drehachsen zueinander beabstandet angeordnete Walzen (4.1 und 4.2) enthält, wobei jede Walze wenigstens zwei mit axialem Abstand (Freiraum) zueinander angeordnete Scheiben besitzt,
dadurch gekennzeichnet, dass
• jede der Walzen (4.1 und 4.2), in Längsrichtung ihrer Drehachse (A1; A2) gesehen, wenigstens zwei, bevorzugt mehrere Abschnitte (S1 und S2), deren Scheibe oder Scheiben im Durchmesser und/oder in der Form unterschiedlich sind, aufweist, wobei
• die Scheiben nacheinander im Wechsel folgender Abschnitte (S1 und S2) jeweils einen anderen Durchschnitt (D1; D2) besitzen, und,
• im montierten Zustand der beiden Walzen (4.1 und 4.2), wenigstens die den größeren Durchmesser (D2) aufweisenden Abschnitte (S2) zueinander versetzt und mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend (überlappend) nebeneinander angeordnet sind und somit Schneidscheiben (5) bilden, in deren Umfangsfläche jeweils wenigstens eine deren Flanken durchbrechende Nut vorgesehen ist.“

Nachfolgend wiedergegeben sind die Figuren 1, 3 und 3a der Klagepatentschrift, welche in Figur 1 eine erfindungsgemäße Vorrichtung in Seitenansicht mit teilweise geöffneter Seitenfläche und Blick auf die Schneid- und Presseinheit zeigt. Figur 3 zeigt die erste (vordere) Walze in Draufsicht und Figur 3a die Lage der beiden Walzen zueinander.

Die Beklagte vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung A Compactor Geräte zur Entwertung leerer PET- und Weißblechbehälter. Von einem Mitarbeiter der Klägerin erstellte Photographien eines solchen A Compactors (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) hat die Klägerin als Anlagenkonvolut K 8 zur Gerichtsakte gereicht. Nachfolgend wiedergegeben wird Blatt 5 des Anlagenkonvoluts, welches die beiden Walzen der angegriffenen Ausführungsform zeigt.

Den Aufbau einer Walze der angegriffenen Ausführungsform in schematischer Darstellung zeigt die nachfolgende, von der Klägerin erstellte Skizze 1 (Bl. 15 der GA).
Die Anordnung der gegenüberliegenden Walzen zeigt die nachfolgend wiedergegebene Skizze 2 (Bl. 17 der GA), welche von der Klägerin erstellt wurde.

Im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform nimmt die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung des Patentanspruches 1 mit der vorliegenden Klage in Anspruch.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Klagepatent durch die angegriffene Ausführungsform in seinem Schutzbereich verletzt werde. Für die Frage der Verwirklichung der Lehre nach dem Klagepatent sei es ohne Relevanz, dass die Scheiben der angegriffenen Ausführungsform nicht durchgängig als isolierte Scheiben angeordnet seien. Entsprechendes setzte das Klagepatent nicht voraus. Auch würden die Umfangsflächen der größeren Scheiben, also derjenigen Bereiche mit den eingesetzten Stahlstiften, sich teilweise überlappen. Dies sei zwar nicht im Zeitpunkt der maximalen Umdrehung der Walze der Fall, sondern kurz vor Erreichen des Maximalpunktes. Das Klagepatentes setze indes nicht voraus, dass ein Überlappen zu diesem Zeitpunkt erfolgen müsse, solange Schneidscheiben gebildet würden, was bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall sei.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie auf den Antrag auf Entfernung zurückgenommen hat,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine Verletzung des Klagepatentes durch die angegriffene Ausführungsform liege nicht vor. Das Klagepatent setze anspruchsgemäß voraus, dass die Scheiben mit axialem Abstand zueinander angeordnet seien. Mit der Angabe „wenigstens zwei mit axialem Abstand (Freiraum) zueinander angeordnete Scheiben“ sei als Mindestangabe zu verstehen. Bei Vorhandensein weiterer Scheiben müssten auch diese mit axialem Abstand angeordnet seien. Überdies seien die den größeren Durchmesser aufweisenden Abschnitte im montierten Zustand der beiden Walzten nicht mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend (überlappend) nebeneinander angeordnet und bildeten somit keine Schneidscheiben. Die von der Klägerin angefertigte Skizze 2 zeige, dass eine Überlappung lediglich zwischen Scheiben unterschiedlichen Durchmessers vorliege. Auch finde ein Schneidvorgang bei der angegriffenen Ausführungsform nicht statt. Einschnitte seien lediglich auf Grund des Perforationsvorganges vorhanden, aber nicht auf Grund des Zusammenwirkens von Schneidscheiben, die durch die Scheiben größeren Durchmessers gebildet werden müssten.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Zusammendrücken leerer Behälter, insbesondere Getränkeflaschen oder – dosen aus Kunststoff, insbesondere aus PET oder Weißblech mit folgenden, aus dem Stand der Technik bekannten Merkmalen:

1. Ein Gehäuse mit

1.1 einer Einfüllöffnung sowie
1.2 einer Ausgangsöffnung;

2. eine Schneid- und Presseinheit, die im Gehäuse angeordnet ist;

3. Mittel zum Antrieb und zur Steuerung der Schneid- und Presseinheit;

4. wenigstens zwei Walzen, die
4.1 in der Schneid- und Presseinheit enthalten und
4.2 bezüglich ihren Drehachsen zueinander beabstandet angeordnet sind.

Zum Stand der Technik führt das Klagepatent in seiner einleitenden Beschreibung aus, dass zum einen Vorrichtungen die nach dem Prinzip der Plattenpressung arbeiten bekannt sind und zum andere solche, deren Presseinheit/-en Walzen enthalten. Diese Vorrichtungen sind entweder für die Aufbereitung von Kunststoffbehältern oder von Weißblechbehältern/-dosen optimiert. Da das Abfallgut häufig auch verschlossene Behälter enthalten kann, ist der Presseinrichtung/-en dieser Vorrichtungen oft ein Perforator vorangestellt, wie er z.B. aus der DE 43 38 XXX A1 oder der US 5 642 XXX A bekannt ist. Damit der technische Aufwand bei diesen Vorrichtungen verringert werden kann, sind auch Vorrichtungen bekannt, bei denen an Pressteilen der/den Presseinrichtung/-en Mittel zum Perforieren vorgesehen sind. Eine solche Ausgestaltung weist die aus der DE 100 55 XXX A1 (Anlage K5) bekannte Vorrichtung zum Kompaktieren von leeren Getränkebehältern auf. Diese Vorrichtung, deren Figur 4 nachfolgend wiedergegeben wird,

besitzt eine sich im Wesentlichen trichterförmig verjüngende Förderstrecke, in welche die Getränkebehälter einlaufen und unter der Wirkung von die Förderstrecke seitlich begrenzenden Einrichtungen zum Fördern und Zusammenpressen sukzessiv kompaktiert werden. Zudem ist dort vorgesehen, dass die Walzen mit auf ihrem Umfang verteilten, schneidenförmigen Erhöhungen, die sich über die Länge der Walzen, also parallel zu deren Rotationsachse erstrecken, ausgestattet sind. Weiterhin bestehen die Einrichtungen zum Fördern und Zusammenpressen der Getränkebehälter bei dieser vorbekannten Vorrichtung aus mit Trommelmotoren angetriebenen Walzen. Gerade die letztgenannte Ausgestaltung sieht das Klagepatent wegen ihres Preises und der Wartungsintensität als nachteilig an. Von Nachteil ist weiterhin, so das Klagepatent, wenn der Abstand der paarweise angeordneten Walzen, insbesondere desjenigen mit dem geringsten Achsabstand, bezüglich ihres Abstandes und der Lage der längs gerichteten Schneiden nicht genau justiert ist. Dann erfolgt eine Trennung des hindurch geführten Materials, so dass jeweils aus einer Flasche oder Dose kleinere Stücke entstehen. Solche Klein- und Kleinststücke lassen sich, wenn überhaupt, sehr schlecht zu Ballen weiterverarbeiten; für deren Transport sind dann weitere Behälter notwendig.

Im Gegensatz zu der linearen Anordnung der sich trichterförmig verjüngenden Förderstrecke für das Behandeln der Behälter, wird diese sich verjüngende Förderstrecke bei einer Vorrichtung zum Kompaktieren von Behältnissen nach der DE 201 11 XXX U1 (Anlage K 6) auf bzw. in die Umfangsfläche von axial beabstandeten Scheiben zweier sich bezüglich ihres Einzugsspaltes gegenläufig drehenden Walzen projiziert. Mittels nutenartiger Ausnehmungen sind in Umlaufrichtung nacheinander liegend mehrere Schneidzähne vorgesehen. Nach einer vorgegebenen Anzahl von Schneidzähnen ist wenigstens ein folgender Zahn in seinem Durchmesser kleiner gehalten, so dass ein sogenanntes Mitnehmerelement gebildet ist. Durch Phasen am Rücken des voranstehenden Schneidzahnes soll im Bereich der haken- oder krallenförmigen Mitnehmerelemente ein möglichst groß ausgebildetes freies Volumen geschaffen sein. Die Anzahl der Schneidzähne überwiegt wesentlich gegenüber der Anzahl der achsparallel in Reihe angeordneten Mitnehmerelemente. Als nachteilig an dieser vorbekannten Vorrichtung sieht es das Klagepatent, dass mit dem Schneid- und Presswerk dieser Vorrichtung nur die Anzahl von Schnipseln beim Kompaktieren von Behältnissen gegenüber dem in der DE 201 11 XXX U1 genannten Stand der Technik verringert wird. Nur in den Bereichen von Schneidzahnrücken über Mitnehmerelement bis zur Schneidkante des nächsten Schneidzahnes wird der betreffende Bereich des Behälters nicht zerschnitten. Das heißt in Förderrichtung gesehen werden bei der Bearbeitung in diesen Abschnitten anstelle von Schnipseln querliegende plattenförmig zusammengedrückte Körperabschnitte gebildet, deren äußere Form jedoch eher einem stabförmigen Gebilde als einer Platte ähneln. Durch die den Mitnehmerelementen voranstehenden und nachfolgenden Schneidzähne (in Umlaufrichtung gesehen) werden die in Förderrichtung liegenden Kantenbereiche betreffender stab-plattenförmiger Abschnitte durch die Einschnitte stark ausgefranst. Die haken- oder krallenförmige Ausbildung besagter Mitnehmerelemente bewirkt eher ein Auseinanderziehen der aneinander gedrückten Wandabschnitte der behandelten Behälter anstatt diese Wandabschnitte zusammenzudrücken.

Vor dem Hintergrund des geschilderten Standes der Technik hat es sich das Klagepatent zur Aufgabe gemacht, eine Vorrichtung zum Zusammendrücken leerer Behälter, insbesondere Getränkeflaschen bzw. Getränkedosen aus Kunststoff, insbesondere PET-Flaschen, oder Weißblech, derart zu gestalten dass das Zusammendrücken zuverlässig gewährleistet ist sowie die Fertigungskosten und der Wartungsaufwand gegenüber bekannten Vorrichtungen gemindert werden kann.

Zur Lösung dieses technischen Problems weist die erfindungsgemäße Vorrichtung die weiteren Merkmale auf:

5. jede Walze
5.1 besitzt wenigstens zwei mit axialem Abstand (Freiraum) zueinander angeordnete Scheiben,
5.2 weist in Längsrichtung ihrer Drehachse gesehen wenigstens zwei, bevorzugt mehrere Abschnitte auf, deren Scheibe oder Scheiben im Durchmesser und/oder in der Form unterschiedlich sind;

6. Die Scheiben besitzen nacheinander im Wechsel folgender Abschnitte jeweils einen anderen Durchmesser;

7. wenigstens die den größeren Durchmesser aufweisenden Abschnitte sind im montierten Zustand der beiden Walzen
7.1 zueinander versetzt und
7.2 mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend (überlappend) nebeneinander angeordnet
7.3 und bilden somit Schneidscheiben;

8. in der Umfangsfläche der Schneidscheiben ist jeweils wenigstens eine deren Flanken durchbrechende Nut vorgesehen.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch. Insbesondere werden die zwischen den Parteien im Streit stehenden Merkmale 5.2 und 6 sowie 7. und 8 verwirklicht.

Hinsichtlich der Verwirklichung der Merkmale 5.2 und 6 ist zwischen den Parteien die Frage der erfindungsgemäßen Ausgestaltung der Scheiben umstritten. Dabei ist der Ansicht der Klägerin zuzustimmen, dass das Klagepatent hinsichtlich der Ausgestaltung der Scheiben keine konkreten Vorgaben macht, so dass nicht zwischen jeder Scheibe unterschiedlichen Durchmessers ein axialer Abstand vorhanden sein muss.

Das Klagepatent bestimmt in seinem Patentanspruch 1 die räumlich-körperliche Ausgestaltung der Vorrichtung zum Zusammendrücken leerer Behälter. In Merkmal 4. ist, was bereits aus dem Stand der Technik bekannt war, vorgesehen, dass wenigstens zwei Walzen vorhanden sein sollen, die bezüglich ihrer Drehachsen beabstandet sind. Hinsichtlich der Scheiben sieht die Merkmalsgruppe 5 vor, dass jede Walze wenigstens zwei mit axialem Abstand (Freiraum) zueinander angeordnete Scheiben besitzt, wobei die Scheiben in Längsrichtung der Drehachse der Walze wenigstens zwei Abschnitte aufweist, deren Scheiben im Durchmesser und in der Form unterschiedlich sind.

Zur Ausgestaltung der Scheiben macht das Klagepatent weder in seinem Anspruch noch in der Beschreibung konkrete Angaben. Der Fachmann versteht daher unter einer Scheibe einen Zylinder, dessen Dicke um ein Vielfaches geringer ist als dessen Radius, wie dies das Klagepatent sowohl in dem in Bezug genommenen Stand der Technik, die DE 201 11 XXX U1 (K 6), sowie der zeichnerischen Darstellung bevorzugter Ausführungsformen zeigt. Die Scheiben bilden Teilabschnitte der Walze mit jeweils unterschiedlichem Durchmesser, ohne dass das Klagepatent nähere Angaben dazu macht, wie diese aufgebaut sein sollen und wie diese zueinander angeordnet sein sollen. Ein solches Verständnis kann dem Absatz [0017] entnommen werden, wonach die größeren Scheiben einen Durchmesser von vorzugsweise 79 mm, die kleineren Scheiben einen Durchmesser von 70 mm aufweisen und der Kerndurchmesser der Walze 50 mm bevorzugt betragen kann. Dementsprechend weist auch die angegriffene Ausführungsform anspruchsgemäße Scheiben auf, nämlich Abschnitte unterschiedlichen Durchmessers wie der im Tatbestand wiedergegeben Skizze 1, welche von der Klägerin erstellt wurde, entnommen werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform nebeneinander angeordnete Scheiben als unterschiedliche Teilabschnitte teilweise aus dem Walzenkörper, also aus einem Werkstück bestehen, und im Hinblick auf den Scheibenabschnitt mit den integrierten Stahlstiften aus unterschiedlichen Werkstücken. Denn die Stahlstifte stellen Mittel zum Perforieren der Behälter dar. Diese Mittel müssen, wie Absatz [0012] vorsieht, nicht einteilig ausgestaltet sein. Die angegriffene Ausführungsform besteht mithin aus Scheiben unterschiedlichen Durchmessers, nämlich zwei Scheiben kleineren Durchmessers umgeben die Scheibe größeren Durchmessers, welche aus dem Scheibenkörper und zusätzlich Stahlstiften besteht. Eine solche Anordnung bestehend aus Scheibenkörper und zusätzliche Stahlstiften kann ohne weiteres als Scheibe eingeordnet werden. Denn Scheibenkörper und Stahlstifte bilden zusammen eine äußere Umfangsfläche. Eine solche Ausgestaltung genügt für die Einordnung als Scheibe. Denn das Klagepatent macht keine Angaben zur Mindestgröße für die äußere Umfangsfläche einer solchen Scheibe. Gerade Figur 4b des Klagepatentes zeigt, dass eine patentgemäße Scheibe sehr große Ausnehmungen in der Umfangsfläche aufweisen kann. Gleiches gilt für die in Figur 2 des Standes der Technik DE 201 11 XXX (Anlage K 6) dargestellten Scheiben, welche einen vergrößerten Abstand zwischen den Schneidzähnen aufweisen. Das Klagepatent selbst bezeichnet eine solche Anordnung als Scheibe (Absatz [0009]).

Die Erfindung nach dem Klagepatent setzt auch nicht voraus, dass sämtliche Scheiben axial voneinander beabstandet sein müssen. Für dieses eingeschränkte Verständnis gibt bereits der Wortlaut des Anspruchs keinen Anhalt. Denn die Formulierung „wenigstens zwei mit axialem Abstand zueinander angeordnete Scheiben“ lässt offen, ob lediglich zwei mit axialem Abstand voneinander beabstandete Scheiben vorhanden sein sollen oder bei Vorhandensein weiterer Scheiben diese auch axial beanstandet sein müssen. Für letztgenannte Ansicht spricht zwar die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen in den Figuren 3, welche eine durchgängige Beabstandung der Scheiben zeigen. Nach anerkannten Grundsätzen darf jedoch der Schutzumfang einer Erfindung nicht auf die Darstellung bevorzugter Ausführungsformen beschränkt werden (vgl. BGH GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Zwar zeigt auch der in Bezug genommene Stand der Technik die DE 201 11 XXX U1 (Anlage K 6) ausschließlich axial voneinander beabstandete Scheiben. Ein zwingender technischer Grund hierfür ist jedoch weder zu erkennen noch von der Beklagten vorgetragen worden. Ein axialer Abstand zwischen den Scheiben ist lediglich insoweit erforderlich, dass – wie es die Merkmale 7.2 und 7.3 vorsehen – die den größeren Durchmesser aufweisenden Abschnitte mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend (überlappend) nebeneinander angeordnet sind und somit Schneidscheiben bilden.

Entsprechend des vorstehenden Verständnisses macht die angegriffene Ausführungsform von dem Merkmal 5.2 wortsinngemäßen Gebrauch. Gleiches gilt für das Merkmal 6, da auch bei der angegriffenen Ausführungsform im montierten Zustand wenigstens die den größeren Durchmesser aufweisenden Abschnitte zueinander versetzt angeordnet sind, wie der Skizze 2 sowie den als Anlagenkonvolut K 8 vorgelegten Photographien entnommen werden kann.

Die angegriffene Ausführungsform macht auch von den Merkmalen 7.2 und 7.3 wortsinngemäßen Gebrauch. Danach sind wenigstens die den größeren Durchmesser aufweisenden Abschnitte im montierten Zustand der beiden Walzen zueinander versetzt und mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend (überlappend) nebeneinander angeordnet und bilden somit Schneidscheiben. Merkmal 7.3 macht deutlich, was durch die Anordnung erzielt werden soll: die Abschnitte größeren Durchmessers bilden Schneidscheiben. Dadurch wird das Behältermaterial zwischen die Scheiben aufgenommen und kann perforiert und eingeschnitten oder angeritzt werden, ohne jedoch den aus dem Stand der Technik bekannten Nachteil zu verwirklichen, dass die Behälter auch zerrissen werden, mit der Folge für den Transport ungünstiger Schnipselentstehung. Gleichzeitig mit der Perforation und dem Einschneiden des Materials wird der Behälter zerdrückt, so dass eingeschnittene Wandabschnitte miteinander verhaken können und damit dem Expansionsbestreben des Behälters entgegen gewirkt werden kann.

Die Bildung von Schneidscheiben und damit die Perforation des Materials werden entsprechend der Anspruchsformulierung durch die sich in ihren Umfangsflächen teilweise kämmenden Abschnitte größeren Durchmessers erzielt. Dabei sieht es die Lehre des Klagepatentes nicht als erforderlich an, dass ein kleinstmöglicher Abstand zwischen den Scheiben zur Bildung von Schneidscheiben gebildet wird. Denn das Klagepatent selbst beschreibt in Absatz [0019], dass zwischen den Scheiben Abstreifer angeordnet sein können. Entsprechendes wird im Unteranspruch 12 unter Schutz gestellt. Eine Beabstandung der Scheiben voneinander sieht das Klagepatent mithin als erfindungsgemäß. Bevorzugt wird ein Schnittspiel zwischen den benachbarten Scheiben von 0,2 mm bis 2 mm angesehen (vgl. Absatz [0020]). Die Überlappung benachbarter und gegenüber liegender Scheiben wird bevorzugt zwischen 0,5 und 2,5 mm angegeben.

Das Klagepatent macht auch keine Angaben dahingehend, zu welchem Zeitpunkt der radialen Bewegung der Walzen die Scheiben größeren Umfangs in ihren Umfangsflächen teilweise kämmend angeordnet sein sollen. Sie sollen, wie es das Merkmal 7.3 vorsieht, lediglich Schneidscheiben bilden mit dem Ziel des Einschneidens von Wandabschnitten. In der zeichnerischen Darstellung einer bevorzugten Ausführungsform entsprechend der Figur 3a wird dieser Zustand erreicht, wenn die Scheiben einander vollständig zugewandt sind, der Maximalpunkt der Umdrehung der Walzen bezogen auf zwei konkret gegenüberliegende Scheiben erreicht ist. Hierauf ist die Lehre des Klagepatentes indes nicht beschränkt solange die Scheiben größeren Durchmessers Schneidscheiben bilden, indem sie mit ihren Umfangsflächen teilweise kämmend nebeneinander angeordnet sind, was auch dann der Fall ist, wenn sie sich vor Erreichen der maximalen Umdrehung in ihren Umfangsflächen teilweise überlappen, wenn auf diese Art und Weise das Material eingeschnitten wird.

Eine solche Ausgestaltung weist die angegriffene Ausführungsform auf. Bei der angegriffenen Ausführungsform sind die Scheiben größeren Durchmessers, also diejenigen, welche zwischen den kleineren Scheiben angeordnet sind, zueinander versetzt und teilweise überlappend nebeneinander angeordnet und bilden Schneidscheiben kurz bevor die Scheiben ihre Maximalumdrehung erreicht haben wie die Vorführung der Funktionsweise der Walzen der angegriffenen Ausführungsform in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat und wie dies auch den Photographien der angegriffenen Ausführungsform in dem Anlagenkonvolut K 8 entnommen werden kann. Die Überlappung benachbarter Scheiben beträgt bei der angegriffenen Ausführungsform 2,5 bis 3 mm, ist mithin nur unwesentlich größer als der vom Klagepatent als bevorzugt angegebene Bereich. Mit der angegriffenen Ausgestaltung wird das zusammenzupressende Material auch angeschnitten und perforiert wie eine Inaugenscheinnahme der in der mündlichen Verhandlung überreichten Weißblechdose, welche photographisch auch auf dem letzten Photo des Anlagenkonvoluts K 8 wiedergegeben wurde, zeigt. Die Weißblechdose weist sowohl runde Eindrücke auf Grund der Perforation des Materials als auch Einschnitte auf, welche zeigen, dass ein Schneidvorgang beim Zusammenpressen des Materials erfolgt. Soweit die Beklagte meint, dass die Schnitte in der Weißblechdose Auswirkung der Perforation des Materials durch die Stahlstifte sind, da die Schnittkante nicht zwischen zwei Scheiben, sondern in dem Bereich gebildet werden, der zwischen den Zapfen der gleichen Scheibe liegt, vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen. Denn die Einschnitte in der Weißblechdose sind nicht nur an den Bereichen der Perforation des Materials angeordnet, sondern auch an Stellen, welche keine Perforation aufweisen, mithin von den Perforationsabdrücken getrennt, was ohne Weiteres den Schluss zulässt, dass ein Einschnitt durch das Zusammenwirken der teilweise kämmenden Umfangsflächen der Abschnitte größeren Durchmessers erfolgt, mithin Schneidscheiben. Eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmalsgruppe 7 liegt daher vor.

Letztlich bestehen auch an der wortsinngemäßen Verwirklichung des Merkmals 8 keine Zweifel. Da das Klagepatent zur Ausgestaltung der Nut keine bestimmten Angaben macht, können diese auch durch den Bereich hinter den Stahlstiften bei der angegriffenen Ausführungsform gebildet werden, was von der Beklagten auch nicht erheblich in Abrede gestellt wurde.

II.
Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich nachfolgende Rechtsfolgen:

Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß §§ 139 Abs. 1, 9 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Kla-gepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schaden, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG. Für die Zeit vor Patenterteilung besteht ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 33 PatG.

Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin näm-lich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, §§ 242, 259 BGB, 140b Abs. 3 PatG.

Die Ansprüche der Klägerin auf Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse folgt aus §§ 140a Abs. 1 und Abs. 3 PatG.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt.