4b O 57/12 – Druckpressen-Nummerierung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1891

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Juni 2012, Az. 4b O 57/12

I. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 19.4.2012 wird im Kostenausspruch bestätigt.

II. Die Antragsgenerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

T a t b e s t a n d

Die Antragstellerin ist alleinige, ausschließlich verfügungsberechtigte und eingetragene (vgl. Anlage Ast 6) Inhaberin des europäischen Patents EP 2 032 XXX B1 (im Folgenden: „Verfügungspatent“) betreffend eine Nummerriervorrichtung zur Durchführung der Nummerierung in Bogen- oder Rollen-Nummerierungsdruckpressen. Das Verfügungspatent wurde am 20. Juni 2007 in englischer Sprache angemeldet. Bei der Anmeldung wurden Prioritäten vom 23. Juni und 20. November 2006 in Anspruch genommen. Die Erteilung des Patents wurde am 19. Januar 2011 veröffentlicht. Zu den genannten Vertragsstaaten des Patents gehört die Bundesrepublik Deutschland. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 60 2007 012 XXX) steht in Kraft.

Die Antragsgegnerin stellt her und vertreibt verschiedene Drucksysteme, darunter das Nummeriersystem „A“ („angegriffene Ausführungsform“). Es handelt sich um ein Nummeriersystem, das für die Banknotenproduktion verwendet werden kann (vgl. Anlage ASt 2).

Die Antragstellerin hat am 18.4.2012 den Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin gestellt, ohne die Antragsgegnerin zuvor abzumahnen. Die Kammer hat daraufhin am 19.4.2012 folgenden Beschluss erlassen:

„I.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 18.04.2012 wird, da ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist und die Antragstellerin ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Sache festgestellt wird, die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO angeordnet.

II.

1. Es soll durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben werden, ob die in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin, B-Straße XXX, 123 C, und/oder Nebenräumen befindlichen Nummeriersysteme des Typs „A“ die folgenden Merkmale verwirklichen:

a) Nummeriervorrichtung (1) zur Durchführung der Nummerierung in Bogen- oder Rollen-Nummerierungsdruckpressen, wobei die Nummeriervorrichtung (1) eine Nummeriereinheit (6) mit drehbaren Nummerierrädern (7) aufweist, die alphanumerische Symbole tragen, wobei die Nummerierräder (7) nebeneinander angeordnet sind und um eine gemeinsame Drehachse drehen, wobei die Nummeriervorrichtung weiter elektromechanische Betätigungseinrichtungen zur Einstellung der Position der Nummerierräder (7) aufweist,
wobei die elektromechanischen Betätigungseinrichtungen eine Vielzahl von unabhängigen Antriebseinrichtungen (15, 18-23; 23*) zur Betätigung einer entsprechenden Vielzahl von Nummerierrädern (7) aufweisen,
und wobei jede unabhängige Antriebseinrichtung (15, 18-23; 23*) mindestens einen Elektromotor (15) aufweist, der das zugeordnete Nummerierrad über ein Getriebe (16, 19-23; 23*) steuert,
dadurch gekennzeichnet, dass die elektromechanischen Betätigungseinrichtungen vollständig innerhalb der Nummeriervorrichtung (1) angeordnet und mechanisch autonom sind
(EP 2 032 XXX B1, Anspruch 1);
b) insbesondere ob die Nummeriervorrichtung mehr als sechs drehbare Nummerierräder (7) aufweist, die von einer entsprechenden Anzahl von unabhängigen Antriebseinrichtungen (15, 18-23; 23*) betätigt werden
(EP 2 032 XXX B1, Anspruch 2);
c) insbesondere ob jeder Elektromotor (15) über ein Untersetzungsgetriebe (18) mit dem Getriebe (16, 19-23, 23*) gekoppelt ist
(EP 2 032 XXX B1, Anspruch 3);
d) insbesondere ob die Antriebseinrichtungen (15, 18-23; 23*) um die Drehachse der Nummerierräder (7) in Gestalt von einer halbkreisförmigen Anordnung verteilt sind
(EP 2 032 XXX B1, Anspruch 8);
e) insbesondere ob der Elektromotor (15) ein bürstenloser Gleichstrommotor mit elektronischer Umschaltung (Kommutierung) ist
(EP 2 032 XXX B1, Anspruch 18).

2. Zum Sachverständigen wird
Herr Dipl.-Ing. D
E-Straße X
123 F
Tel.: XXX, mobil XXX
Fax: XXX
bestellt.

3. Dem Sachverständigen wird – im Interesse der Wahrung etwaiger Betriebsgeheimnisse der Antragsgegnerin, die bei der Begutachtung zu Tage treten könnten – aufgegeben, jeden unmittelbaren Kontakt mit der Antragstellerin zu vermeiden und notwendige Korrespondenz entweder über das Gericht oder mit den nachfolgend unter III.1. bezeichneten anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin zu führen. Der Sachverständige hat darüber hinaus auch gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu wahren.

4. Auf Verlangen der Antragsgegnerin hat der Sachverständige die Begutachtung für die Dauer von maximal zwei Stunden zurückzustellen, um der Antragsgegnerin Gelegenheit zu geben, ihrerseits einen anwaltlichen Berater hinzuzuziehen. Der Sachverständige hat die Antragsgegnerin vor Beginn der Begutachtung auf dieses Antragsrecht hinzuweisen.

5. Die Begutachtung soll – wegen der Dringlichkeit – ohne vorherige Ladung und Anhörung der Antragsgegnerin erfolgen.

III.

Im Wege der einstweiligen Verfügung werden darüber hinaus folgende weitere Anordnungen getroffen:

1. Neben dem Sachverständigen hat die Antragsgegnerin folgenden anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin die Anwesenheit während der Begutachtung zu gestatten:

 Rechtsanwalt Dr. G, c/o Rechtsanwaltskanzlei H,
I-Straße X, 123 J,

 Patentanwalt K, LL.M., c/o, I-Straße XXX,
123 J.

2. Rechtsanwalt Dr. G und Patentanwalt K werden verpflichtet, Tatsachen, die im Zuge der Begutachtung zu ihrer Kenntnis gelangen und den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin betreffen, geheim zu halten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und deren Mitarbeitern.

3. Der Antragsgegnerin wird – mit sofortiger Wirkung und für die Dauer der Begutachtung – untersagt, eigenmächtig Veränderungen an den zu begutachtenden Nummeriersystemen und/oder der zugehörigen technischen Dokumentation vorzunehmen.

4. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter 3. bezeichnete Verbot werden der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu vollstrecken ist.

5. Die Antragsgegnerin hat es zu dulden, dass der Sachverständige die zu begutachtenden Nummeriersysteme in Augenschein nimmt und, sofern der Sachverständige dies für geboten hält, auseinandernimmt, im laufenden Betrieb untersucht, die verbauten/zu verbauenden Elektromotoren auseinandernimmt und/oder ein Exemplar der Nummeriersysteme und/oder der verbauten/zu verbauenden Elektromotoren und/oder der verbauten/zu verbauenden Getriebe für die Erstellung des Gutachtens an sich nimmt. Die Antragsgegnerin hat dem Sachverständigen für das Auseinandernehmen Werkzeug zur Verfügung zu stellen, das in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin B-Straße XXX, 123 C vorhanden ist. Die Antragsgegnerin hat es ferner zu dulden, dass der Sachverständige zu Dokumentationszwecken Foto- und/oder Filmaufnahmen anfertigt und für seine Notizen ein Diktiergerät verwendet.

6. Die Antragsgegnerin hat dem Sachverständigen folgende Dokumente offenzulegen, so dass der Sachverständige auf Kosten der Antragstellerin Kopien und/oder Fotografien anfertigen kann:
– Konstruktionszeichnungen und technische Beschreibungen des Nummeriersystems „A“ und dessen technischer Vorstadien;
– technische Beschreibungen und Produktbezeichnungen der Elektromotoren und Getriebe, die in dem Nummeriersystem „A“ verbaut werden;
– Handbücher, Schulungs- und Trainingsmaterial für Bedienpersonal des Nummeriersystems „A“ und technischer Vorstadien.

Die Antragsgegnerin hat dem Sachverständigen ferner Zugang zu entsprechenden Computerdateien zu gewähren (einschließlich der ggf. erforderlichen Passwörter), die auf Computern in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin B-Straße XXX, 123 C und/oder Nebenräumen gespeichert und/oder abrufbar sind, und dem Sachverständigen das Anfertigen von Kopien, Ausdrucken und/oder Plotten solcher Dateien zu ermöglichen.
7. Sofern in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin B-Straße XXX, 123 C und Nebenräumen kein Nummeriersystem „A“ vorhanden ist, hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Standort eines solchen Nummeriersystems mitzuteilen, wenn und soweit sich der Standort und das Nummeriersystem im Besitz der Antragsgegnerin befinden. Die Anordnungen in diesem Beschluss – insbesondere unter III. – gelten für einen solchen Standort entsprechend.

IV.

Nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens erhält die Antragsgegnerin eine Abschrift des Sachverständigengutachtens. Die Antragstellerin erhält eine Mitteilung über den Eingang des schriftlichen Gutachtens sowie die Aufforderung, mitzuteilen, an wen die Herausgabe des Gutachtens begehrt wird.

Wird (zunächst) nur die Herausgabe an die Antragstellervertreter beantragt, erhalten die unter III. 1 genannten Rechts- und Patentanwälte jeweils persönlich eine Abschrift. Die unter III. 1 genannten Rechts- und Patentanwälte werden sodann verpflichtet, Tatsachen, die im Zuge des schriftlichen Gutachtens zu ihrer Kenntnis erlangen und den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin betreffen, geheim zu halten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und ihren Mitarbeitern.

Wird – möglicherweise auch nur in einem 2. Schritt – die Herausgabe an die Antragstellerin persönlich beantragt, erhält die Antragsgegnerin zunächst Gelegenheit, zu etwaigen Geheimhaltungsinteressen, die auf ihrer Seite bestehen, Stellung zu nehmen. Die Kammer wird alsdann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten.

V.

Die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens ist davon abhängig, dass die Antragstellerin vorab einen Auslagenvorschuss von 10.000 Euro bei der Gerichtskasse in Düsseldorf einzahlt.

VI.

Der Wert des Streitgegenstandes für das selbständige Beweisverfahren wird auf 500.000 Euro festgesetzt, derjenige für das einstweilige Verfügungsverfahren auf 50.000 Euro.

VII.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.“

Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am 24.4.2012 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 11.5.2012 hat die Antragsgegnerin Widerspruch gegen die Kostenentscheidung nach Ziffer VII. des Beschlusses eingelegt und zugleich erklärt, die betreffende einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und diesbezüglich – unter Verwahrung ausschließlich gegen die Kosten – insbesondere auf die Einlegung eines Widerspruchs sowie auf die Rechtsbehelfe der Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage betreffend das einstweilige Verfügungsverfahren und des Antrages auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände sowie die Einrede der Verjährung zu verzichten.

Die Antragstellerin meint, der Antragsgegnerin seien zu Recht die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt worden. Es habe Anlass bestanden, das einstweilige Verfügungsverfahren ohne vorherige Abmahnung einzuleiten, weil eine Vereitelung des Besichtigungserfolges gedroht habe.

Die Antragstellerin beantragt,

den Widerspruch der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

der Antragstellerin die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin meint, die Antragstellerin müsse gemäß § 93 ZPO die Verfahrenskosten tragen. Es habe keinerlei Anlass oder gar eine Notwendigkeit bestanden, betreffende Maßnahmen – erst recht ohne Abmahnung oder Anhörung der Antragsgegnerin – im Wege eines gerichtlichen Verfügungsverfahrens durchzusetzen. Die Antragsgegnerin habe zuvor längst – nämlich spätestens seit August 2010 – Gelegenheit gehabt, die Eigenschaften des streitgegenständlichen Nummerierungssystems in Augenschein zu nehmen und auf eine etwaige Patentverletzung zu überprüfen. Das motorgetriebene Nummerierwerk sei immer wieder Gegenstand von Gesprächen zwischen den Parteien gewesen. Zudem habe jeder Mitbewerber die Möglichkeit, sich am Markt über die Produkte der Antragsgegnerin zu informieren. Sie hätte es der Antragstellerin auf entsprechende Nachfrage ohne Weiteres gestattet, sich umfassend ein Bild über die Frage der etwaigen Verletzung des Verfügungspatents zu machen; die gerichtliche Auseinandersetzung sei also völlig unnötig gewesen. Jedenfalls sei der Antragstellerin eine vorherige Abmahnung zumutbar gewesen. Es habe kein Grund zur Besorgnis bestanden, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragstellerin dadurch vereitelt oder unverhältnismäßig erschwert worden wären. Eine ganz besondere Dringlichkeit habe nicht vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der zulässige Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin ist unbegründet.

I.

Das Verfügungspatent betrifft eine Nummeriervorrichtung zum typografischen Nummerieren, d.h. zum Druck von Seriennummern auf Sicherheitsdokumente wie Banknoten. Die besonderen technischen Anforderungen an Nummeriervorrichtungen ergeben sich aus Folgendem:

Üblicherweise werden Banknoten nicht einzeln gedruckt, sondern auf größeren Bögen, auf denen mehrere Banknoten in Längs- und Querreihen angeordnet sind:

Die Bögen werden nach dem Druck einer Qualitätsprüfung unterzogen. Dabei sollen nur Banknoten einwandfreier Qualität (also z.B. ohne Farbverschmierungen) mit einer Seriennummer versehen werden. Nach der Qualitätsprüfung und Nummerierung werden die Bögen zerschnitten, um einzelne Banknoten zu erhalten. Die für gut befundenen und mit Seriennummern versehenen Banknoten werden in Stapeln gesammelt, während die für schlecht befundenen Banknoten (in der obigen Abbildung gelb markiert) entsorgt werden. Um die fertig gedruckten Banknoten effizient bündeln und ausliefern zu können, werden Stapel mit meist 100 fortlaufend nummerierten Bögen gebildet. Dabei sollen Fehldrucke einzelner Banknoten ausgeschieden werden, ohne dass ganze Bögen entsorgt oder Banknoten aufwändig nachsortiert werden müssen. Hierfür müssen die einzelnen Banknoten auf den Bögen frei nummeriert werden können.

Es besteht also ein Bedarf an Nummeriervorrichtungen, die hoch flexibel und frei ansteuerbar sind. Gleichzeitig soll eine Nummeriervorrichtung möglichst kompakt sein. Denn bei der Nummerierung von Bögen mit relativ kleinen Banknoten müssen mehrere Nummeriervorrichtungen auf engem Raum angeordnet werden.

Als Stand der Technik erwähnt das Verfügungspatent unter anderem das EP 0 286 XXX/US 4,843,XXX. Bei dieser Vorrichtung konnten nur sechs von zehn Nummerierrädern, nämlich (115-120) durch Elektromotoren (115M-120M) betätigt werden:

Davon abgesehen, dass nur sechs von zehn Nummerierrädern durch Motoren betätigbar sind, hat diese Vorrichtung laut dem Verfügungspatent den Nachteil, dass die Motoren außerhalb der Nummeriervorrichtung angeordnet sind. Die sechs Motoren (115M-120M) sind paarweise so angeordnet, dass die zugehörigen Achsen (115S-120S) jedes Paares einander gegenüberliegen – in der obigen Abbildung (115S) und (120S). Dann können die Motoren nur außerhalb der Nummeriervorrichtung bzw. außerhalb der Seitenwände (121, 122) angeordnet werden. Eine kompakte Ausführung der Nummeriervorrichtung ist nicht möglich.

Weiterhin kritisiert das Verfügungspatent an jener Vorrichtung, dass kein Getriebe vorgesehen ist, das eine Untersetzung bzw. Verminderung der Drehzahl zwischen Motor und Nummerierrad ermögliche. Die Betätigung bzw. Verdrehung der Nummerierräder hänge dann direkt von der Präzision der Motoren ab. Um die Nummerierräder dennoch mit der erforderlichen Genauigkeit zu betätigen, müssten die in EP 0 286 XXX/US 4,843,XXX vorgesehenen Schrittmotoren so konzipiert sein, dass sie viele Schritte pro Achsumdrehung ausführen. Solche Schrittmotoren seien relativ groß, was das Problem der raumgreifenden Bauweise verstärke.

Die Vorrichtung gemäß EP 0 286 XXX/US 4,843,XXX ermögliche auch keine kompakte Anordnung der Motoren und Getriebe halbkreisförmig um die Drehachse der Nummerierräder. Die Motoren und Getriebe müssten in unterschiedlichem Abstand zur Drehachse angeordnet werden.

Der vorliegend insbesondere relevante Anspruch 1 des Verfügungspatents lehrt vor diesem technischen Hintergrund eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

[1.1] Nummeriervorrichtung (1) zur Durchführung der Nummerierung in Bogen- oder Rollen-Nummerierungsdruckpressen.

[1.2] Die Nummeriervorrichtung (1) weist eine Nummeriereinheit (6) mit drehbaren Nummerierrädern (7) auf, die alphanumerische Symbole tragen.

[1.3] Die Nummerierräder (7) sind nebeneinander angeordnet und drehen um eine gemeinsame Drehachse.

[1.4] Die Nummeriervorrichtung weist elektromechanische Betätigungseinrichtungen zur Einstellung der Position der Nummerierräder (7) auf.

[1.5] Die elektromechanischen Betätigungseinrichtungen weisen eine Vielzahl von unabhängigen Antriebseinrichtungen (15, 18-23; 23*) zur Betätigung einer entsprechenden Vielzahl von Nummerierrädern (7) auf.

[1.6] Jede unabhängige Antriebseinrichtung (15, 18-23; 23*) weist mindestens einen Elektromotor (15) auf, der das zugeordnete Nummerierrad über ein Getriebe (16, 19-23; 23*) steuert.

[1.7] Die elektromechanischen Betätigungseinrichtungen sind vollständig innerhalb der Nummeriervorrichtung (1) angeordnet und mechanisch autonom.

II.

Der auf die Kostenentscheidung beschränkte Widerspruch der Antragsgegenerin hat keinen Erfolg, weil sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens die Kostenentscheidung zu Ziffer VII. des Beschlusses der Kammer vom 19.4.2012 als zutreffend erweist. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu tragen.

Eine abändernde Entscheidung ist nicht geboten. Insbesondere liegen nicht die Voraussetzungen des § 93 ZPO vor. Zwar mag die Antragsgegnerin ein (auf die Hauptentscheidung beschränktes) sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO abgegeben haben. Jedoch hatte die Antragstellerin Anlass zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens zwecks Erhalt einer Duldungsverfügung betreffend Besichtigungsmaßnahmen nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140c PatG. Eine „Veranlassung“ im Sinne von § 93 ZPO ist gegeben, wenn der Kläger aufgrund des vorprozessualen Verhaltens des Beklagten annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, NJW-RR 2005, 1005). Insoweit ist das vorprozessuale Verhalten der Antragsgegnerin maßgeblich, wobei allerdings ein späteres Verhalten die „Veranlassung“ indizieren kann (Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage, § 93 Rn 3).

1)
Weil die Antragsgegnerin den Besichtigungsanspruch anerkannt hat (wobei sie sich lediglich vorbehält, die Patentverletzung in einem Hauptsacheverfahren zu bestreiten), ist sie darlegungs- und beweisbelastet dafür, durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegeben zu haben (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rn 6 unter „Beweislast“). Es ist der Antragsgegnerin nicht gelungen, entsprechende Tatsachen schlüssig darzutun.

a)
Auch in Fällen der Besichtigungsanordnung nach § 140 c PatG, zu deren Durchsetzung ohne vorherige Anhörung des Besichtigungsschuldners eine begleitende einstweilige Verfügung ergeht, hat der jeweilige Antragsgegner die Möglichkeit, einen auf die Kostenentscheidung beschränkten Widerspruch einzulegen, um damit eine Anwendung des § 93 ZPO zu ermöglichen. Grundsätzlich kann zu dessen Rechtfertigung eingewandt werden, der Antragsgegner sei vor Einleitung des Besichtigungsverfahrens nicht abgemahnt worden und er habe auch keine Veranlassung für ein gerichtliches Vorgehen gegeben (LG Düsseldorf, InstGE 11, 35 – Abmahnung bei Besichtigungsanspruch). Zu beachten ist allerdings, dass in Analogie zu den sog. „Sequestrationsfällen“ eine vorherige Abmahnung des Besichtigungsschuldners entbehrlich ist, wenn bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens

– entweder konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsgegner die Abmahnung dazu nutzen wird, den Besichtigungsgegenstand in einer Weise zu verändern, dass der Besichtigungserfolg vereitelt wird, oder wenn

– ohne greifbare Anhaltspunkte für Manipulationsabsichten des Schuldners der zu besichtigende Gegenstand tatsächlich innerhalb der bei einer Abmahnung zur Verfügung stehenden Zeit in einen nicht mehr patentverletzenden Zustand versetzt oder insgesamt dem Besichtigungszugriff entzogen werden kann, so dass eine Abmahnung den Besichtigungsgläubiger zwangsläufig der naheliegenden Möglichkeit einer Vereitelung des Besichtigungserfolges aussetzt (LG Düsseldorf, InstGE 6, 294 – Walzen-Formgebungsmaschine II; LG Düsseldorf, InstGE 11, 35 – Abmahnung bei Besichtigungsanspruch).

Unter den genannten Bedingungen ist es dem Gläubiger nicht zumutbar, seinen Gegner um den Preis abzumahnen, dadurch die Durchsetzung seines eigenen (Besichtigungs-)Anspruchs in Gefahr zu bringen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Möglichkeit für derartige Vereitelungsmaßnahmen – rein zeitlich betrachtet – nicht nur mit Blick auf die Abmahnfrist selbst in Erwägung zu ziehen ist. Vielmehr ist zu bedenken, dass auch bei einer sofortigen Anbringung des Besichtigungsantrages bei Gericht nach Ablauf der Abmahnfrist zwangsläufig noch eine gewisse Zeit (von einigen Tagen) vergehen wird, bis der gerichtliche Sachverständige beauftragt und dieser – nach Befassung mit dem Antragsschutzrecht – in der Lage ist, die Besichtigung durchzuführen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn 624 a.E.).

b)
In Anwendung vorgenannter Kriterien war der Antragstellerin eine Abmahnung vor Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht zumutbar.

aa)
Diesbezüglich kann offen bleiben, ob vorliegend sogar eine konkrete Vereitelungsgefahr betreffend den Erfolg eines Besichtigungsverfahrens aufgrund bestimmter Verhaltensweisen der Antragsgegnerin bestand (vgl. die oben wiedergegebene 1. Fallgruppe). Insofern braucht nicht entschieden zu werden, ob eine solche konkrete Vereitelungsgefahr aufgrund der in der eidesstattlichen Versicherung (Anlage AG 5) der Geschäftsführerin genannten Umstände oder aufgrund des außerprozessualen Schriftverkehrs (vgl. Anlage AG 1) als entkräftet angesehen werden könnte.

bb)
Es liegen nämlich jedenfalls die Anforderungen gemäß der zweiten oben genannten Fallgruppe vor, so dass die Antragstellerin jedenfalls deshalb nicht gehalten war, die Antragstellerin – sei es auch nur ganz kurzfristig vor Stellung des Verfügungsantrages – abzumahnen.

Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang unwidersprochen folgende Umstände vorgebracht, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht der Antragstellerin für eine Vereitelungsgefahr sprachen: Bei den streitgegenständlichen Nummerierungssystemen handelt es sich um kleine, leicht fortzuschaffende Gegenstände, die keine Masseprodukte sind, sondern nur als Einzelstücke vorhanden sind. Die Antragsgegnerin ist international tätig und unterhält u.a. in den USA (O) ein „Office“ (vgl. Anlage Ast 13). Soweit die Antragsgegnerin vorbringt, die angegriffenen Ausführungsformen seien in der Vergangenheit am Markt angeboten worden und dies werde auch zukünftig geschehen, vermag dies die Gefahr einer Vereitelung nicht unter dem Gesichtspunkt einer „zwecklosen Verheimlichung“ zu entkräften. Unstreitig können die streitgegenständlichen Systeme nämlich nicht anonym im Wege eines Testkaufs bezogen werden.

Vor diesem Hintergrund bestand objektiv aus der Sicht der Antragstellerin die naheliegende Möglichkeit einer Vereitelung des Besichtigungserfolges, da bis zum Erlass der Verfügung und dem anschließenden Zeitraum von in der Regel mehreren Tagen bis zur Durchführung der Besichtigung durch einen Sachverständigen die Gefahr bestand, dass die Antragsgegnerin die zu besichtigenden Nummerierungssysteme in einen nicht mehr patentverletzenden Zustand versetzen oder sie insgesamt dem Besichtigungszugriff entziehen werde. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Befürchtung, dass ein Besichtigungsgegenstand beiseite geschafft oder verändert werden könnte, um den vermutlichen Verletzungssachverhalt zu verschleiern, in aller Regel berechtigt ist (vgl. InstGE 13, 126, 128 – Dringlichkeit bei Besichtigung). Diese Befürchtung ist dann aber nicht nur im Zusammenhang mit der Frage nach der Dringlichkeit einer Eilentscheidung zu berücksichtigen, sondern auch im Zusammenhang mit der Thematik der „Veranlassung“ zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe.

cc)
Es war auch nicht zu erwarten, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin freiwillig die Durchführung der mit der einstweiligen Verfügung angeordneten Maßnahmen gestattet hätte, wenn die Antragstellerin bzw. von dieser beauftragte Anwälte mit einem Sachverständigen ohne eine Duldungsverfügung der Kammer bei der Antragsgegnerin zwecks Besichtigung erschienen wären. Dies gilt umso mehr aufgrund der Tatsache, dass die Antragsgegnerin eine Patentverletzung nach wie vor in Abrede stellt und sich im Widerspruchsschriftsatz ausdrücklich Einwendungen gegen den Patentverletzungsvorwurf (in einem Hauptsacheverfahren) vorbehalten hat. Dieses nachträgliche Verhalten indiziert, dass die Antragsgegnerin auch vorprozessual den Verdacht einer Patentverletzung von sich gewiesen und deshalb keinen Anlass dafür gesehen hätte, freiwillig eine Besichtigung durch einen gerichtlichen Sachverständigen zuzulassen. Insofern war die Antragstellerin nicht gehalten, es auf den Versuch einer freiwilligen Besichtigung um den Preis einer drohenden Vereitelung eines späteren Besichtigungserfolges ankommen zu lassen.

dd)
Soweit die Antragsgegnerin einwendet (vgl. Anlagen AG 1 bis AG 4), die Antragstellerin habe anderweitig Gelegenheit gehabt, die streitgegenständlichen Nummeriersysteme in Augenschein zu nehmen und dies sei auch erfolgt, ist dies a priori unerheblich. Denn dieser Einwand ist vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin den im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Besichtigungsanspruch anerkannte, im Rahmen des Kostenwiderspruchs unerheblich. Das betreffende Anerkenntnis schließt nämlich ein, dass die nach § 140c PatG notwendige „Erforderlichkeit“ vorlag. Die materielle Berechtigung der ergangenen Beschlussverfügung steht aufgrund der Beschränkung auf die Kostenentscheidung und das betreffende Anerkenntnis fest (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 6, 294 – Walzen-Formgebungsmaschine II). Insofern kann dahinstehen, ob eine Erforderlichkeit der Besichtigung objektiv gegeben war. Entsprechendes gilt bezüglich des Einwandes, an einer Patentverletzung fehle es schon deshalb, weil das Verfügungspatent nicht rechtsbeständig sei.

ee)
Unerheblich ist, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin im Zusammenhang mit einer anderen Ausführungsform nunmehr freiwillig eine Besichtigung angeboten hat. Dies lässt keinen zwingenden Rückschluss auf die Situation betreffend die angegriffene Ausführungsform vor Einleitung des hiesigen Eilverfahrens zu. Es ist insbesondere nicht auszuschließen, dass die vorliegende Duldungsverfügung die Antragsgegnerin auch in Bezug auf die andere Ausführungsform entsprechend beeinflusste.

II.

Die Auferlegung auch der weiteren Verfahrenskosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Eines Ausspruches über die sofortige Vollstreckbarkeit bedarf es auch insoweit nicht, da sich dies vor dem Hintergrund der Rechtsnatur einer einstweiligen Verfügung von selbst versteht.

Der nach Ablauf der Erklärungsfrist vom 1.6.2012 eingegangene Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 6.6.2012 wurde nicht berücksichtigt und gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).