4b O 45/11 – UMTS

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1910

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. August 2012, Az. 4b O 45/11

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist ausschließliche und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des europäischen Patents EP 1 471 XXX B1 („Klagepatent“, Anlage KB1). Das Klagepatent wurde am 21.08.2002 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 29.01.2002 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 27.10.2004 veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 24.05.2006. Das Klagepatent steht u.a. in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die deutsche Übersetzung des Klagepatents wird beim DPMA unter dem Aktenzeichen DE 602 11 XXX T2 (Anlage KB1a) geführt.

Das Klagepatent betrifft ein Kommunikationssystem, das aus einer mobilen Station und einer Basisstation besteht und zu einer Datenkommunikation mit hoher Geschwindigkeit in der Lage ist.

Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet:

Mobile Station (2), die Folgendes aufweist:

Ein IQ-Multiplexgerät (51-54) zum Durchführen einer IQ-Bündelung von Übertragungsdaten für einen Datenkanal, von Steuerdaten für einen Steuerkanal und von Steuerdaten für eine zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal (ADPCCH: Additional Dedicated Physical Control CHannel) für Hochgeschwindigkeitsabwärtsverbindungs-Paketdaten, und zum Erzeugen eines komplexen Signals, wobei das IQ-Multiplexgerät (51-54) Folgendes aufweist:

Eine Zuordnungseinrichtung (58) zum Zuordnen von Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal, die einer Q-Achse
geführt werden, wenn eine vorgegebene Nummer für den Datenkanal ungerade ist, und einer I-Achse zugeführt werden, wenn diese Nummer gerade ist, wenn die Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal zugeführt werden, und eine IQ-Mulitplexeinrichtung (92, 93) zum Erzeugen des komplexen Signals durch das Durchführen der IQ-Bündelung der Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen Steuerkanal, die durch die Zuordnungseinrichtung (58) zugeordnet sind,

eine Übertragungseinrichtung (56, 57), die dazu ausgelegt ist, das von der IQ-Mulitplexeinrichtung erzeugte komplexe Signal zu modulieren und das modulierte Signal zu übertragen;

wobei das IQ-Multiplexgerät (51-54) zusätzlich dazu ausgelegt ist, die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen und die Steuerdaten für den Steuerkanal der Q-Achse zuzuordnen.

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland u.a. Mobiltelefone mit der Bezeichnung XXX (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen).

Mit den Parteien verbundene Unternehmen sind Mitglieder des European Telecommunication Standards Institute (ETSI). Die Mitglieder des ETSI unterwerfen sich und die mit ihnen verbundenen Unternehmen der verbindlichen ETSI lntellectual Property Rights Policy (ETSI IPR Policy). In Bezug auf die Standardisierung der WCDMA-Technologie gab die Klägerin 1998 eine allgemeine Lizenzbereitschaftserklärung ab. 2003 erklärte sie gegenüber dem ETSI, dass sie das Klagepatent als essentiell für den UMTS-Standard erachtet, und verpflichtete sich zur Erteilung von Lizenzen an Dritte zu Bedingungen, die mit der ETSI IPR Policy in Übereinstimmung stehen.

Zwischen den Parteien fanden, zum Teil unter Einschluss der Muttergesellschaft der Beklagten, Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages das Klagepatent betreffend statt. Es stand eine Lizenzierung auf der Basis des WCDMA-Patentpools, dessen Mitglied die Klägerin bis November 2011 war, oder eine bilaterale Lizenz im Raum. Eine Einigung konnten die Parteien nicht erzielen. Am 20.04.2012 übersandte die Beklagte der Klägerin einen unterzeichneten „Patentlizenzvertrag“ (Anlage B 18, deutsche Übersetzung Anlage B 18Ü), mit dem ihr und ihrer Muttergesellschaft eine nicht ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent erteilt werden soll. Wegen der näheren Einzelheiten des unbedingten und verbindlichen Lizenzvertragsangebotes wird auf die Anlage B 18Ü Bezug genommen. Die Beklagte erteilte Auskunft und hinterlegte beim Amtsgericht Düsseldorf einen Lizenzbetrag.

Die Klägerin behauptet, die Ausgestaltung von Mobilfunkgeräten nach dem Klagepatent habe im UMTS-Standard (Universal Mobile Telecommunication System-Standard) ihren Niederschlag gefunden. Daher sei es erforderlich, dass Mobilfunkgeräte, die nach dem UMTS-Standard arbeiten, entsprechend dem Klagepatent ausgestaltet seien. Eine alternative Ausgestaltung von Mobilfunkgeräten mit einem HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) bzw. einem Hochgeschwindigkeitsabwärtsverbindungs-Paketzugriff sei im UMTS-Standard nicht vorgesehen.

Die Klägerin behauptet weiter, die Beklagte biete an und vertreibe in der Bundesrepublik Deutschland UMTS-Mobiltelefone, die nach dem HSDPA-Verfahren funktionierten (vgl. Anlagen KB9 – KB11). Die Beklagte biete an und vertreibe neben den oben bereits beispielhaft genannten Modellen auch Mobiltelefone mit der Bezeichnung A XXX, B XXX und C XXX, die ebenfalls nach dem UMTS-Standard arbeiten und deshalb ebenso angegriffen würden.

Die angegriffenen Ausführungsformen seien technisch in der Lage, Daten unter Verwendung des HSDPA gemäß dem UMTS-Standard zu übertragen. Dies ergebe sich aus den Anlagen KB9 – KB11, die die Tauglichkeit der angegriffenen Ausführungsformen, die Datenübertragung gemäß HSDPA durchzuführen, ausdrücklich erwähnten. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten folglich sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 unmittelbar.

Die Klägerin ist der Meinung, das Klagepatent sei nicht auf eine bestimmte Anzahl von Datenkanälen beschränkt. Ausgestaltungen, die nur einen Datenkanal verwenden könnten, seien erfasst. Die Verwendung von sechs Datenkanälen sei das Maximum dessen, was der W-CDMA-Standard erlaube. Umgekehrt verlange das Klagepatent aber nicht, dass das Mobiltelefon dieses Maximum ausschöpfe. Der Kern der Erfindung befasse sich mit der Zuordnung der Steuerdaten für den zusätzlichen Steuerkanal im Zusammenhang mit dem HSDPA. Diese Zuordnung erfolge zwar in Abhängigkeit von der Zahl der Datenkanäle (gerade oder ungerade Zahl), setze aber eine bestimmte Anzahl von Datenkanälen nicht voraus. Entsprechend zeigten Figur 15 und 21 und Abs. [0123] der Beschreibung, dass die Anzahl der Datenkanäle 1 betragen könne. Zudem werde aus den Figuren 21 bis 26 deutlich, dass die Erfindung ihre besondere Bedeutung in dem Fall entfalte, dass nur ein Datenkanal zur Verfügung stehe.

Das Argument, die angegriffenen Ausführungsformen verfügten über keine Zuordnungseinrichtung, verfange nicht. Auch bei nur einem Datenkanal erfolge eine Zuordnung der Steuerdaten für den zusätzlichen Steuerkanal, die sich nach gerader oder ungerader Anzahl der Datenkanäle richte.

Die Klägerin beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,

Mobilfunkgeräte in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

die Folgendes aufweisen: Ein IQ-Multiplexgerät zum Durchführen einer IQ-Bündelung von Übertragungsdaten für einen Datenkanal, von Steuerdaten für einen Steuerkanal und von Steuerdaten für eine zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal (ADPCCH: Additional Dedicated Physical Control CHannel) für Hochgeschwindigkeitsabwärtsverbindungs-Paketdaten, und zum Erzeugen eines komplexen Signals, wobei das IQ-Multiplexgerät Folgendes aufweist:

– eine Zuordnungseinrichtung zum Zuordnen von Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal, die einer Q-Achse zugeführt werden, wenn eine vorgegebene Nummer für den Datenkanal ungerade ist, und einer I-Achse zugeführt werden, wenn diese Nummer gerade ist, wenn die Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal zugeführt werden,
– eine IQ-Mulitplexeinrichtung zum Erzeugen des komplexen Signals durch das Durchführen der IQ-Bündelung der Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen Steuerkanal, die durch die Zuordnungseinrichtung zugeordnet sind,
– eine Übertragungseinrichtung, die dazu ausgelegt ist, das von der IQ-Mulitplexeinrichtung erzeugte komplexe Signal zu modulieren und das modulierte Signal zu übertragen;
– wobei das IQ-Multiplexgerät zusätzlich dazu ausgelegt ist, die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen und die Steuerdaten für den Steuerkanal der Q-Achse zuzuordnen.

2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu I.1 bezeichneten und seit dem 24.06.2006 begangenen Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe

a. der Menge der bestellten oder erhaltenen Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typen-bezeichnungen und Namen und Anschriften der Abnehmer,

c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger anstelle der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und den Wirtschaftsprüfer ermächtigt und zugleich verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

– zu den Angaben in Ziffer a) bis c) von der Beklagten Belege in Form von Rechnungen und schriftlichen Angeboten in Kopie vorzulegen sind;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu bezeichnenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4. die unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten zu übernehmen sowie die Erzeugnisse endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 24.06.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent eingereichte Nichtigkeitsklage auszusetzen,

hilfsweise,

der Beklagten gemäß § 712 ZPO zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hilfsweise, die genannten Abwendungen zu gestatten bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die anhängige Nichtigkeitsklage

hilfsweise,

die Festsetzung einer gegenüber dem Streitwert erhöhten Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag der Beklagten entgegen.

Die Beklagte hält den Vortrag der Klägerin, sämtliche Mobilfunkgeräte, die nach dem UMTS-Standard arbeiteten, machten zwingend von der Lehre des Klagepatents Gebrauch, für unzureichend.

Sie behauptet, sie habe die Modelle A XXX, B XXX und C XXX nicht angeboten und/oder verkauft. Das Modell D XXX sei kein UMTS-Gerät.

Die Beklagte ist der Meinung, das IQ-Mulitplexgerät der angegriffenen Ausführungsformen sei nicht zusätzlich dazu ausgelegt, die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen. Denn aus diesem Merkmal folge, dass für die Übertragungsdaten zwingend eine Mehrzahl von Datenkanälen verfügbar sein müsse. Anders wäre die beschriebene abwechselnde Zuordnung der Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse nicht möglich. Der Gegenstand des Anspruchs 1 offenbare eine Vorrichtung sowohl für die Benutzung nur eines einzigen Datenkanals als auch für die Benutzung mehrerer Datenkanäle. Von dem Gegenstand des Anspruchs 1 seien dagegen nicht solche Vorrichtungen umfasst, die überhaupt nur einen einzigen Datenkanal zur Verfügung stellten. Die angegriffenen Ausführungsformen sähen keine Mehrzahl von Datenkanälen vor, sondern nur einen Datenkanal.

Von der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 und der sich hieraus ergebenden Anzahl verfügbarer Datenkanäle sei die Frage zu unterscheiden, wie diese Vorrichtung benutzt werde und in welchem Umfang diese verfügbaren Datenkanäle bei der Durchführung bestimmter Kommunikationsdienste und Kommunikationsgeschwindigkeiten eingesetzt würden. Die Ausschöpfung der durch den Gegenstand des Anspruchs 1 zur Verfügung gestellten Ressourcen erfolge in Abhängigkeit von dem konkreten Bedarf, d.h. dem jeweiligen erforderlichen Kommunikationsdienst und der Kommunikationsgeschwindigkeit. In dem Klagepatent würden bestimmte Nutzungskonstellationen der offenbarten Vorrichtung dargelegt, wobei es auch vorkommen könne, dass von den in der Vorrichtung zur Verfügung stehenden Datenkanälen nur ein einziger Datenkanal benutzt werde oder – z.B. mit Figur 5 aus dem Stand der Technik – eine komplexe Ebene eines einzigen Datenkanals erläutert werde. Lediglich im praktischen Einsatz sei dann nur ein Datenkanal aus den vorhandenen mehreren Datenkanälen. Nicht dargestellt seien dagegen besondere Ausführungsbeispiele, bei denen überhaupt nur ein Datenkanal benutzt werden könne. Die Klägerin etikettiere technische Details einer spezifischen Nutzungssituation (Nutzung nur eines Datenkanals von den vorhandenen sechs Datenkanälen) in räumlich-körperliche Eigenschaften um, so dass der Eindruck erweckt werde, das Klagepatent offenbare Ausführungsbeispiele, die nur einen Datenkanal verwenden könnten.

Wenn nur ein einziger Datenkanal vorhanden sei, bestehe auch nicht die Möglichkeit einer Zuordnung nach Maßgabe der Regel aus Anspruch 1, so dass eine Zuordnungsvorrichtung technisch keinen Sinn ergebe. Bei nur einem einzigen vorhandenen Datenkanal sei eine Zuordnungseinrichtung zum Zuordnen von Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal nicht vorhanden. Denn eine solche Zuordnungseinrichtung ordne in Abhängigkeit einer Nummer, die auf eine bestimmte Anzahl aus einer Mehrzahl von Datenkanälen abstelle, Steuerdaten für einen zusätzlichen zugewiesenen Steuerkanal der I-Achse oder der Q-Achse zu.

„Eine vorgegebene Nummer für den Datenkanal“ in Anspruch 1 gebe die im konkreten Benutzungsfall benutzte Anzahl der Datenkanäle wieder, d.h. die „Vorgabe“ ergebe sich aus dem konkreten Benutzungsfall. Darüber hinaus stelle die „vorgegebene Nummer“ das entscheidende Zuordnungskriterium für die Zuführung der Steuerdaten für einen zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal (ADPCCH) für Hochgeschwindigkeitsabwärtsverbindungs-Paketdaten zur I- oder Q-Achse dar. Denn eine Zusammenschau der Merkmalsgruppe 3a) und der Merkmale 4 und 4a) (vgl. Entscheidungsgründe, Ziff. I.) lege fest, dass eine Weiterverarbeitung der Steuerdaten für einen zusätzlich zugewiesenen physikalischen Steuerkanal gemeinsam mit einem bestimmten Anteil der Übertragungsdaten erfolge, der über die jeweilige relevante Kategorie von Datenkanälen transportiert werde, d.h. entweder über die I-Achse-Datenkanäle oder über die Q-Achse-Datenkanäle. Aus diesem Grund müsse die Zuordnungseinrichtung (58) räumlich-körperlich so ausgestaltet sein, dass sie in der Lage sei, fallweise eine Zuführung zur I- oder zur Q-Achse durchzuführen.

Auch wenn Anspruch 1 eine Vorrichtung betreffe, enthalte Anspruch 1 Merkmale, die in ihrer technischen Substanz ein technisches Verfahren betreffe, insbesondere das Zuordnen der Übertragungsdaten mehrerer Datenkanäle zu zwei in Anspruch 1 definierten Zuordnungsgegenständen (nämlich der I- und der Q-Achse) und das Zuordnen der Steuerdaten eines zusätzlichen Steuerkanals entsprechend einer Zuordnungsregel, die daran anknüpfe, ob die Zahl, die angebe, wie viele Datenkanäle benutzt werden, gerade oder ungerade sei. Die Vorrichtung müsse die in den Merkmalen zum Ausdruck kommenden technischen Verfahrensschritte ausführen können. Dies gelte für die Merkmalsgruppe 3a und 4, wobei es in der Merkmalsgruppe 4 sogar ausdrücklich heiße, dass das IQ-Multiplexgerät „zusätzlich dazu ausgelegt“ sei. Damit handele es sich bei diesen Merkmalen um eine mittelbare Umschreibung der räumlich-körperlichen Eigenschaften der schutzbeanspruchten Vorrichtungen dahingehend, dass diese Vorrichtung so ausgestaltet sein müsse, dass sie mit Datenkanälen arbeiten können müsse. Dies folge zwingend aus dem Wortlaut in Merkmal 4a und aus den beiden Varianten in der Merkmalsgruppe 3a, wo gerade und ungerade Nummern angesprochen würden und folglich mindestens zwei Datenkanäle arbeiten können müssten. Ferner müsste die angegebene Zuordnungsregel ausgeführt werden können (ungerade zur Q-Achse, gerade zur I-Achse). Hieraus ergebe sich das zwingende räumlich-körperliche Ausgestaltungserfordernis, dass die Vorrichtung eine Zuordnung der Datenkanäle zur Q-Achse und zur I-Achse ermöglichen müsse.

In der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2012 stellt die Beklagte klar, dass die angegriffenen Ausführungsformen weder einen Verteiler (51) noch einen Selektor (58) (vgl. Klagepatent, Figur 13) aufwiesen. Es erfolge eine feste Zuordnung der Daten des zusätzlichen Steuerkanals zur Q-Achse.

Die angegriffenen Ausführungsformen seien UMTS-gemäß, obwohl sie nur einen Datenkanal aufwiesen. Die angegriffenen Ausführungsformen würden den Standard nicht erfüllen, wenn danach mehrere Datenkanäle zwingend wären.

Hilfsweise erhebt die Beklagte den Einwand der Erschöpfung, da im Einzelnen genannte angegriffene Ausführungsformen (nur) mit Chipsets bestückt seien, die aus lizenzierter Quelle stammten.

Weiterhin hilfsweise beruft sich die Beklagte auf die von der Klägerin abgegebene ETSI-Lizenzbereitschaftserklärung. Aufgrund dieser habe sie unmittelbar das Recht auf Nutzung des Klagepatents zu FRAND-Bedingungen. Zudem sei die Klägerin auch auf kartellrechtlicher Grundlage gehindert, zumindest den Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Abgesehen von den vorrangigen Prüfverfahren der Europäischen Kommission missbrauche die Klägerin ihr gegenüber ihre marktbeherrschende Stellung. Die Klägerin weigere sich insbesondere unberechtigterweise das von ihr unterbreitete Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages anzunehmen. Die ihr aus dem Lizenzvertrag obliegenden Verpflichtungen habe sie, die Beklagte, allesamt erfüllt.

Die Beklagte ist des Weiteren der Ansicht, die Vollstreckung eines Unterlassungsanspruchs würde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen.

Sie ist schließlich der Ansicht, das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Im anhängigen Nichtigkeitsverfahren werde das Klagepatent vernichtet.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das Klagepatent schützt in seinem Patentanspruch 1 eine Mobile Station für das W-CDMA-Verfahren (Wideband Code Division Multiple Access Method) bzw. für den Breitband-Vielfachzugriff im Codemultiplex-Verfahren.

Aus dem Stand der Technik ist eine Mobilstation ohne einen zusätzlichen Steuerkanal ADPCCH (Additional Dedicated Physical Control CHannel) bekannt.

Diese weitere Abwärtsverbindung (5) von der Basisstation (1) zur Mobilstation (2) wird als HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) bzw. als Hochgeschwindigkeitsabwärtsverbindungs-Paketzugriff bezeichnet. Er dient der Steigerung der Daten- übertragungsgeschwindigkeit im Bereich des Downlinks.

Korrespondierend ist für die Senderichtung von der Mobilstation zur Basisstation eine weitere Aufwärtsverbindung (6) vorgesehen worden, die den zusätzlichen Steuerkanal darstellt. Über diesen zusätzlichen Steuerkanal werden von der Mobilstation zu der Basisstation Antwortdaten (ACK/NACK) (=acknowledge/not acknowledge) in Bezug auf die Daten, die über die weitere Abwärtsverbindung (5) zu der Mobilstation gelangen, gesandt (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0035]).

Das Klagepatent kritisiert an diesem Stand der Technik, dass es durch die Integration des zusätzlichen Steuerkanals in das vorhandene System (vgl. Figur 2) zu Verzerrungen an dem Modulator und damit zu Störungen bei den angrenzenden Frequenzbändern kommen kann.

Die Daten des zusätzlichen ausschließlichen Steuerkanals, der nach einer Lösung rechts neben den Steuerkanal DPCCH in Figur 2 gesetzt wird (vgl. z.B. das 2. Ausführungsbeispiel des Klagepatents in Figur 13), müssen daher derart „vorbereitet“ werden, dass den Modulator ein gutes Signal erreicht.

Denn der Modulator wird bei Hinzufügen eines zusätzlichen Steuerkanals nicht mehr mit den Daten aus sechs Datenkanälen DPDCH (Dedicated Physical Data CHannel) und einem Steuerkanal DPDCCH (Dedicated Physical Control CHannel) konfrontiert, sondern mit den Daten aus sechs Datenkanälen DPDCH und zwei Steuerkanälen DPDCCH und ADPCCH. Dies kann zu unerwünschten Störungen in Frequenzbändern führen, wenn die Daten des zusätzlichen Steuerkanals nicht optimal von dem Verschlüsseler entweder der I-Achse oder der Q-Achse zugeordnet werden, sondern z.B. starr der Q-Achse zugeordnet werden (vgl. Figuren 17, 19 und 20) und das Gleichgewicht zwischen den Signalleistungen der I-Achse und der Q-Achse aus diesem Grund gestört ist (vgl. Figur 20).

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, eine Mobilstation und eine Basisstation eines Kommunikationssystems und eines Kommunikationsverfahrens zu schaffen, die in der Lage sind, die Entstehung von Verzerrungen im Modulator zu unterdrücken und dadurch das Auftreten einer Störung in einem angrenzenden Frequenzband zu verhindern. Dabei geht es im Kern darum, eine optimale Integration des zusätzlichen Steuerkanals in das vorhandene System aus Figur 2 vorzunehmen. Dies wird durch Zuordnung der Daten des zusätzlichen Steuerkanals zur I-Achse oder zur Q-Achse bewirkt in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Nummer für den Datenkanal.

Das Klagepatent schlägt zur Lösung des technischen Problems in seinem Anspruch 1 eine Mobilstation mit folgenden Merkmalen vor:

1. Mobile Station (2), die Folgendes aufweist:

2. Ein IQ-Multiplexgerät (51-54) zum Durchführen einer IQ-Bündelung von
a. Übertragungsdaten für einen Datenkanal,
b. Steuerdaten für einen Steuerkanal und
c. Steuerdaten für eine zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal (ADPCCH: Additional Dedicated Physical Control CHannel) für Hochgeschwindigkeitsabwärtsverbindungs-Paketdaten
d. und zum Erzeugen eines komplexen Signals.

3. Das IQ-Multiplexgerät (51-54) weist Folgendes auf:

a. Eine Zuordnungseinrichtung (58) zum Zuordnen von Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal,
aa. die einer Q-Achse zugeführt werden, wenn eine vorgegebene Nummer für den Datenkanal ungerade ist, und
bb. einer I-Achse zugeführt werden, wenn diese Nummer gerade ist,
cc. wenn die Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal zugeführt werden,

b. eine IQ-Mulitplexeinrichtung (92, 93) zum Erzeugen des komplexen Signals durch das Durchführen der IQ-Bündelung der Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen Steuerkanal, die durch die Zuordnungseinrichtung (58) zugeordnet sind,

c. eine Übertragungseinrichtung (56, 57), die dazu ausgelegt ist, das von der IQ-Mulitplexeinrichtung erzeugte komplexe Signal zu modulieren und das modulierte Signal zu übertragen.

4. Das IQ-Multiplexgerät (51-54) ist zusätzlich dazu ausgelegt,
a. die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen und
b. die Steuerdaten für den Steuerkanal der Q-Achse zuzuordnen.

II.

Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents nicht in wortsinngemäßer Weise Gebrauch. Es fehlt jedenfalls an einer Verwirklichung der Merkmalsgruppe 3a) sowie des Merkmals 4a).

1.

Patentanspruch 1 verlangt in seinem Merkmal 3a) eine Zuordnungseinrichtung (58) zum Zuordnen von Steuerdaten für den zusätzlichen zugewiesenen physikalischen Steuerkanal. Nach Merkmal 3a)aa) werden diese Steuerdaten der Q-Achse zugeführt, wenn eine vorgegebene Nummer für den Datenkanal ungerade ist. Gemäß Merkmal 3a)bb) werden die Steuerdaten für den zusätzlichen Steuerkanal der I-Achse zugeführt, wenn die vorgegebene Nummer für den Datenkanal gerade ist. Nach Merkmal 4a) ist das IQ-Multiplexgerät (51-54) zusätzlich dazu ausgelegt, die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen.

Der Fachmann wird Merkmal 4a) dahingehend verstehen, dass das IQ-Mulitplexgerät in der Lage ist, die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen. Aus diesem Merkmal wird er den Schluss ziehen, dass die Mobilstation so ausgestaltet sein muss, dass sie mehr als einen Datenkanal verwenden kann. Merkmal 3a) wird der Fachmann dahingehend interpretieren, dass das Klagepatent eine Zuordnungseinrichtung voraussetzt, die die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals verschiedenen Orten zuweisen soll. Nach welcher Regel diese Einteilung vorgenommen werden soll und wohin zugeordnet werden soll, ergibt sich für den Fachmann aus Merkmal 3a)aa) und Merkmal 3a)bb): Die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals sollen einer Q-Achse zugeführt werden, wenn ein Datenkanal oder eine ungerade Anzahl von Datenkanälen verwendet wird und einer I-Achse zugeführt werden, wenn eine gerade Anzahl von Datenkanälen benutzt wird. Der Fachmann erkennt, dass die Zuordnung in Abhängigkeit davon erfolgt, ob die Nummer für den Datenkanal ungerade oder gerade ist. Aus Merkmal 3a)bb) (Zuordnung bei gerader vorgegebener Nummer für den Datenkanal) schließt der Fachmann, dass die mobile Station mehr als einen Datenkanal verwenden können muss.

a.

Für die Auslegung eines Patents ist nicht allein am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Durchschnittsfachmann vermittelt. Der Patentanspruch ist nicht wörtlich in philologischer Betrachtung, sondern seinem technischen Sinn nach aufzufassen, das heißt der Erfindungsgedanke muss unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich aus dem Patent ergeben, bestimmt werden. Entscheidend ist deshalb nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung, sondern die Auffassung des praktischen Fachmanns, so wie ein unbefangener, technisch geschulter Leser die in der Patentschrift verwendeten Begriffe versteht. Zwar können der allgemeine Sprachgebrauch wie auch der allgemeine technische Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Auch wird der allgemeine Sprachgebrauch den Fachmann veranlassen, gegebenenfalls weitere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Einem in einem Patentanspruch verwendeten Begriff darf jedoch nicht unbesehen der gemeinhin gebräuchliche Inhalt beigemessen werden, weil die Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist, dass das Patent den betreffenden Ausdruck nicht in seinem geläufigen, sondern in einem davon abweichenden Sinne verwendet. Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Ein abweichendes Begriffsverständnis kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Beschreibungstext (z.B. durch eine Legaldefinition) explizit deutlich macht, dass ein bestimmter Begriff des Patentanspruchs in einem ganz bestimmten, vom Üblichen abweichenden Sinne verstanden wird. Die Divergenz zum Sprachgebrauch kann sich für den mit der Patentschrift befassten Fachmann auch aus dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis der Anspruchsmerkmale ergeben (BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2011, I-2 U 3 /11).

b.

Nach dem allgemeinen (Fach-)Verständnis wohnt dem Wortlaut der Merkmalsgruppe 3a) und des Merkmals 4a) der oben aufgeführte Bedeutungsinhalt inne. Die Verwendung des Plurals in Merkmal 4a) („Übertragungsdaten für die Datenkanäle“) ist als Hinweis zu verstehen, dass das Klagepatent davon ausgeht, die Mobilstation könne mehrere Datenkanäle verwenden. Merkmal 4 gibt zudem vor, dass das IQ-Multiplexgerät der Mobilstation dazu ausgelegt, d.h. dazu imstande ist, bestimmte Zuordnungen wie in Merkmal 4a) und 4b) beschrieben vorzunehmen. Dem lässt sich entnehmen, dass die Mobilstation in der Lage sein muss, die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuzuordnen. Eine solche abwechselnde Zuordnung ist indes nur bei Vorhandensein mehrerer Datenkanäle möglich. Für diese Sichtweise streitet auch der Umstand, dass das Klagepatent anders als in Merkmal 4a) in Merkmal 4b) den Singular verwendet („Steuerdaten für den Steuerkanal“). Zudem würde Merkmal 3a)bb) bei einer Mobilstation, die so ausgestaltet ist, dass sie nur einem Datenkanal aufweist nicht erfüllt werden können. Denn eine „gerade“ vorgegebene Nummer würde voraussetzen, dass die Mobilstation zumindest zwei Datenkanäle zu nutzen vermag.

c.

Die Frage nach Sinn und Zweck der Merkmale kann nur vor dem Hintergrund der Aufgabe des Klagepatents beantwortet werden. In dem Klagepatent geht es um die Integration des zusätzlichen Steuerkanals ADPCCH in das herkömmliche System nach Figur 1 und Figur 2. Der zusätzliche Steuerkanal wurde erforderlich, nachdem zur Steigerung der Datenübertragungsgeschwindigkeit im Bereich des Downlinks eine weitere Abwärtsverbindung von der Basisstation zur Mobilstation (HSDPA) bei dem herkömmlichen System (vgl. Figur 1 und Figur 2) ergänzt wurde (vgl. Figur 6). Der ADPCCH ist das Pendant zu dieser weiteren Abwärtsverbindung, er stellt die weitere Aufwärtsverbindung dar. Über diesen zusätzlichen Steuerkanal werden von der Mobilstation zu der Basisstation Antwortdaten (ACK/NACK) (=acknowledge/not acknowlegde) in Bezug auf die Daten gesandt, die über die weitere Abwärtsverbindung zu der Mobilstation gelangen (vgl. Klagepatentschrift, [0035]). Die Anordnung eines zusätzlichen Steuerkanals in das herkömmliche System bzw. die zusätzlichen Steuerdaten dieses Kanals können zu Problemen führen, nämlich zu Verzerrungen an dem Modulator und damit zu Störungen bei den angrenzenden Frequenzbändern. Die Daten des zusätzlichen Steuerkanals müssen daher derart „präpariert“ werden, dass den Modulator ein gutes Signal erreicht. Das ist das Hauptthema der Klagepatentschrift.

Die technische Funktion der Merkmalsgruppe 3a) ergibt sich zunächst aus dem Wort „Zuordnungseinrichtung“. Die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals sollen „zugeordnet“ werden, das heißt entsprechend der Zuordnungsregel in Merkmal 3a)aa) und 3a)bb) der I- oder der Q-Achse zugeführt werden. Diese Funktion wird insbesondere in den Absätzen [0100, 0101, 0102] für das erste Ausführungsbeispiel und in den Absätzen [0123, 0124, 0126] für das zweite Ausführungsbeispiel, das Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist, beschrieben. Die Zuordnung folgt vor dem Hintergrund, Verzerrungen zu vermeiden, die durch eine Störung des Gleichgewichts zwischen den Signalleistungen auf der I-Achse und der Q-Achse entstehen (vgl. Klagepatentschrift, [0037, 0038, 0039, 0040, 0124, 0126, 0128, 0138]. Aus diesem Grund wählt Patentanspruch 1 eine Zuordnungsregel, mit der bereits vorhandene Signalleistungen auf der I-Achse und der Q-Achse (Übertragungsdaten und Daten des Steuerkanals) berücksichtigt werden: Die Zuordnungsregel, die Patentanspruch 1 für die Daten des zusätzlichen Steuerkanals anwendet, entspricht der Zuordnungsregel, die bereits aus dem Stand der Technik (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0123]) bekannt ist: Es wird abwechselnd der I-Achse und der Q-Achse zugeordnet, vgl. Merkmal 4a), wobei jedoch mit der Zuordnung zur Q-Achse und nicht mit der Zuordnung zur I-Achse begonnen wird. Damit wird sichergestellt, dass die Daten des zusätzlichen Steuerkanals immer der Achse zugeordnet werden, auf der sich weniger Übertragungsdaten und Daten des Steuerkanals befinden (vgl. Klagepatentschrift, [0122, 0123, 0124, 0126].

Dass die Zuordnungseinrichtung und die Zuordnungsregel, die das Klagepatent mit seinem Patentanspruch 1 wählt, auf eine mobile Station mit mehreren Datenkanälen ausgerichtet ist, ergibt sich aus folgenden Überlegungen, die der Fachmann, der dem Klagepatent einen sinnvollen Inhalt beizumessen bestrebt ist, anstellen wird: Das Klagepatent löst die Integration des zusätzlichen Steuerkanals in ein herkömmliches System durch eine komplizierte Zuordnungsregel, nach der die Daten des zusätzlichen Steuerkanals abwechselnd der I- und der Q-Achse zugeordnet werden können. Würde eine Mobilstation stets nur einen Datenkanal verwenden, wäre diese diffizile Zuordnungsregel der Zuordnungseinrichtung in Patentanspruch 1 nicht notwendig. Denn dann würde eine einfache starre Zuordnung zur Q-Achse das Gleichgewicht in gleicher Weise wahren (vgl. Ausführungsbeispiel 3, Figuren 17, 19 und 20). Das Klagepatent entscheidet sich aber in seinem Patentanspruch 1 für die Zuordnungsregel, nach der auch die Übertragungsdaten zugeordnet werden, da eine starre Zuordnung zur Q-Achse in dem Augenblick zu einem Ungleichgewicht führen würde, in dem sich mehr Übertragungsdaten auf der Q-Achse als auf der I-Achse befinden, da die Anzahl der Datenkanäle z.B. nicht mehr 1, sondern 2 beträgt (vgl. Figur 20). Auf eine solche Situation muss die Zuordnungseinrichtung flexibel reagieren können. Patentanspruch 1 entscheidet sich damit bewusst gegen die starre Zuordnungsregel des Ausführungsbeispiels 3. Aber auch die flexible Zuordnungsregel in Ausführungsbeispiel 1 (vgl. Figuren 7, 9 und 12), nach der abhängig von den Signalleistungen zugeordnet wird, wählt er nicht. Stattdessen wird die flexible Zuordnungsregel, die das Ausführungsbeispiel 2 offenbart, in Patentanspruch 1 festgehalten. Die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals sollen abhängig von der Anzahl der Datenkanäle zugeordnet werden – vor dem Hintergrund, dass die Daten der ungeraden Datenkanäle der I-Achse und die Daten der geraden Datenkanäle der Q-Achse zugeführt werden und die Steuerdaten des bereits vorhandenen Steuerkanals (diese dürften weniger komplex sein als die Übertragungsdaten (= Sprache, Text), vgl. auch Figur 12) stets der Q-Achse zugeordnet werden. Bereits dieser Umstand weist darauf hin, dass die Mobilstationen nach dem Klagepatent derart ausgestaltet sein sollen, dass sie grundsätzlich mehrere Datenkanäle im Kommunikationsdienst UMTS nutzen können. Denn nur in dieser Situation macht die komplizierte Zuordnungsregel des Klagepatents Sinn. Das Problem des Ungleichgewichts kann mit einer starren Zuordnung nicht gelöst werden, wenn ein Handy bei unterschiedlichen Kommunikationsvorgängen eine unterschiedliche Anzahl von Datenkanälen nutzt.

Diese grundsätzlichen Überlegungen werden durch die Beschreibung des Klagepatents gestützt. Darin findet sich der Hinweis, dass die Mobilstation in der Lage sein muss, mehrere Datenkanäle zu verwenden. So lässt sich Abs. [0005] der Klagepatentschrift, der den Stand der Technik erläutert, entnehmen, dass ein Verteiler vorgesehen ist, der die Daten des Datenkanals DPDCH auf mehrere Datenkanäle verteilt (vgl. Figur 2). Das Klagepatent übernimmt diesbezüglich den Stand der Technik (vgl. Abs. [0123]). Allein die Existenz des Verteilers, der bei einer mobilen Station mit nur einem Datenkanal funktionslos wäre, lässt darauf schließen, dass die Mobilstation zumindest zwei Datenkanäle verwenden können muss. Zudem spricht Abs. [0014] der Klagepatentschrift dafür, dass das Klagepatent die aus dem Stand der Technik bekannte Differenzierung zwischen der Ausgestaltung der Mobilstation und der tatsächlichen Verwendung der Datenkanäle durch die Mobilstation in Abhängigkeit von der Kommunikationsgeschwindigkeit übernimmt. Diese Sichtweise wird durch Abs. [0029] der Klagepatentschrift gestützt, wonach kein Vorgang für den unnötigen Datenkanal erfolgt, wenn die Anzahl der Datenkanäle nicht mehr als fünf beträgt. Dies spricht dafür, dass sich die „vorgegebene Nummer“ für den Datenkanal in Merkmal 3a) auf den konkreten Benutzungsfall bezieht. In einer Mobilstation können mehr Datenkanäle vorhanden sein als tatsächlich genutzt werden.

Die Absätze [0070] und [0071] beschreiben Figur 7, die das erste Ausführungsbeispiel abbildet. Wie aus dem Stand der Technik bekannt weist Figur 7 (wie auch Figur 13 des zweiten Ausführungsbeispiels) einen Verteiler (51) auf, der die Daten des Datenkanals DPDCH auf sechs Datenkanäle verteilt. Absatz [0083] beschreibt Figur 9, die die interne Konfiguration des dem Verteiler (51) nachfolgenden Spreizers (52) erörtert. Dabei wird wie auch in Absatz [0085] davon ausgegangen, dass die Mobilstation nach dem ersten Ausführungsbeispiel in der Lage ist, bis zu sechs Datenkanäle zu verwenden. Auch die Absätze [0091, 0092, 0093 und 0094] beschreiben die Funktion des Verteilers (51) und den weiteren Weg der aufgeteilten Daten. Entsprechend spricht insbesondere ST1 der Figur 11 dafür, dass der Schritt des Verteilens der Daten DPDCH für den zugewiesenen Datenkanal in paralleler Weise ausgeführt werden soll und daher auch die Mobilstation dazu in der Lage sein soll, mehrere Datenkanäle zu verwenden. Gleiches gilt für das Ausführungsbeispiel 2, das – abgesehen davon, dass es statt eines Verteilers (53) einen Selektor (58) aufweist – in seinem Aufbau dem ersten Ausführungsbeispiel entspricht (vgl. Figuren 7 und 13). Absatz [0017] der Klagepatentschrift bestätigt, dass das Klagepatent die aus dem Stand der Technik übernommene Differenzierung (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0029]) übernimmt, nach der zwischen vorhandenen Datenkanälen und benutzten Datenkanälen abhängig von Kommunikationsdienst und Kommunikationsgeschwindigkeit unterschieden wird („… es wird kein Prozess für einen nicht nötigen Datenkanal ausgeführt. Die zugeordnete Anzahl der Datenkanäle wird auf Basis des erforderlichen Kommunikationsdienstes (…) bestimmt).

Die konkreten Beschreibungsstellen in den Absätzen [0122, 0123, 0124, 0126] zu dem zweiten Ausführungsbeispiel, das Eingang in Patentanspruch 1 gefunden hat, erläutern die abwechselnde Zuordnung der Daten des zusätzlichen Steuerkanals jeweils auf die Achse mit der niedrigeren Signalleistung. Dies spricht dafür, dass das Klagepatent von einer Vorrichtung ausgeht, die grundsätzlich in der Lage ist, eine abwechselnde Zuordnung in Abhängigkeit von den Signalleistungen auf den einzelnen Achsen vorzunehmen. Da diese abwechselnde Zuordnung erst bei der Verwendung mehrerer Datenkanälen erforderlich wird (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0123]), geht auch das Klagepatent davon aus, dass die Mobilstation grundsätzlich dazu in der Lage sein muss, mehrere Datenkanäle zu verwenden. Gleiches folgt aus Abs. [0135], in dem beschrieben wird, wie die Achse, der die Daten zugeordnet werden, in Abhängigkeit von der vorgegebenen Nummer N gewechselt wird. Auch Abs. [0138] lässt sich der Hinweis entnehmen, dass die Steuerdaten des ADPCCH des Steuerkanals nicht immer mit den Steuerdaten DPDCCH des Steuerkanals der Q-Achse zugeordnet werden. Wenn dies jedoch geschieht, dann ist das Gleichgewicht gewahrt, da sich in diesem Fall auf der I-Achse mehr Übertragungsdaten befinden als auf der Q-Achse.

Schließlich bestätigt Abs. [0139], dass nicht nur die komplizierte Zuordnungsregel, sondern auch der gesamte Aufbau der Mobilstation wie in Merkmal 4a) beschrieben, nämlich mit Verteiler (53) bzw. Selektor (58) überflüssig wäre, würde die Mobilstation nur einen Datenkanal verwenden können und infolgedessen eine starre Zuordnung der Daten ADPCCH vornehmen.

Die Absätze [0030, 0032] sprechen nicht gegen das gefundene Ergebnis. Denn sie enthalten keine Aussage über die Ausgestaltung der Mobilstation mit einem oder mit mehreren Datenkanälen. Gleiches gilt für die Absätze [0047, 0054, 0057, 0058, 0061, 0062], die schematische Darstellungen zeigen, wenn 1 bzw. 2 Datenkanäle genutzt werden. Zwar lässt sich aus den Absätzen [0102, 0115, 0116] erkennen, dass die gewählte Zuordnungsregel auch bei nur einem Datenkanal sinnvoll wäre, da sie die Signalleistungen der Daten DPDCH1 und die Signalleistungen der Steuerdaten DPCCH genau zu bestimmen vermag und die Steuerdaten ADPCCH verhältnismäßig aufteilt. Abs. [0102] entspricht jedoch Ausführungsbeispiel 1. Die Zuordnungsregel, die Patentanspruch 1 verwendet, deckt sich jedoch nicht mit der Zuordnungsregel in Ausführungsbeispiel 1. Sie bezieht sich vielmehr auf das Ausführungsbeispiel 2.

Auch aus dem Umstand, dass die Zuordnung in dem Fall, in dem nur ein Datenkanal verwandt wird, sogar besonders wichtig ist (vgl. Abs. [0137] der Klagepatenschrift und die Figuren 21 bis 26), ergibt sich nichts anderes. Die Figur 21 stellt komplementäre kumulative Verteilungsfunktionen (CCDF-Kennlinien) einer Ausgangswellenform von dem Verschlüsseler (54) dar, wenn Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals bei einem Datenkanal entweder der Q-Achse oder der I-Achse zugeordnet werden. Die CCDF-Kennlinie ist bei Zuordnung der Steuerdaten zur I-Achse weiter nach rechts verschoben als bei Zuordnung der Steuerdaten zur Q-Achse. Die X-Achse stellt die Differenz der momentanen Leistung zur Leistung dar, die bestehen würde, wenn die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals nicht zugeführt worden wären. Die Y-Achse stellt die Wahrscheinlichkeit dar, wobei E=10 ist. Es besteht folglich eine Wahrscheinlichkeit von 0,1% (10 hoch -1), dass die Differenz 3,5 beträgt, wenn die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals der Q-Achse zugeordnet werden, während eine Wahrscheinlichkeit von 0,1% besteht, dass die Differenz 4,9 beträgt, wenn diese Steuerdaten der I-Achse zugewiesen werden. Bei der Zahl 1 für den Steuerkanal sollte also der Q-Achse zugeordnet werden, um die Differenz so gering wie möglich zu halten. Betrachtet man die Figuren 22 ff., so sieht man, dass die beiden CCDF-Kennlinien I und Q sich mit steigender Zahl der Datenkanäle nähern. Die Differenz der momentanen Leistung zur Leistung, die bestehen würde, wenn die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals nicht zugeführt worden wären, ist folglich nicht viel größer, wenn die Steuerdaten des zusätzlichen Steuerkanals der „falschen“ Achse zugeordnet werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sagt dies jedoch nichts darüber aus, ob die Mobilstation so ausgestaltet sein muss, dass sie mehrere Datenkanäle verwenden kann. Es wird lediglich aufgezeigt, dass die Daten des zusätzlichen Steuerkanals bei tatsächlicher Verwendung nur eines Datenkanals sinnvoll der Q-Achse zugeordnet werden müssen.

2.

Die angegriffenen Ausführungsformen, die unstreitig nur einen Datenkanal in ihrer Hardware aufweisen, verwirklichen weder Merkmal 4a) noch die Merkmalsgruppe 3a).

Es kann nicht festgestellt werden, dass das IQ-Multiplexgerät die Übertragungsdaten für die Datenkanäle der I-Achse und der Q-Achse abwechselnd zuordnen kann (vgl. Merkmal 4a)). Darüber hinaus lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen eine Zuordnungseinrichtung (58) im Sinne des Merkmals 3a) aufweisen und einen Verteiler (51) besitzen. Den Vortrag der Beklagten, dass die angegriffenen Ausführungsformen keinen Verteiler aufweisen, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Ein solcher Verteiler wäre bei nur einem Datenkanal auch funktionslos. Denn eine Mobilstation mit nur einem Datenkanal wird den Schritt des Verteilens der Daten DPDCH für den zugewiesenen Datenkanal in paralleler Weise (vgl. Klagepatent, Figur 11, ST1) nicht durchführen.

Selbst wenn die angegriffenen Ausführungsformen eine Zuordnungseinrichtung (58) besitzen sollten, ist nicht feststellbar, dass die in Merkmal 3a)aa) und bb) festgehaltene Zuordnungsregel angewandt würde, d.h. die ungerade Zahl 1 erkannt und deshalb die Steuerdaten der Q-Achse zugewiesen werden würden. Die Behauptungen der Beklagten, die angegriffenen Ausführungsformen wiesen keine Zuordnungseinrichtung auf, es erfolge stets eine feste Zuordnung zur Q-Achse, sind nicht widerlegt worden. Zudem kann Merkmal 3a)bb) (Zuordnung zur I-Achse, wenn die vorgegebene Nummer für den Datenkanal gerade ist) bei nur einem Datenkanal nicht erfüllt werden. Dieses Merkmal fehlt mithin bei den angegriffenen Ausführungsformen ersatzlos. Die angegriffenen Ausführungsformen stellen damit eine Unterkombination dar.

Schließlich geht das Klagepatent in Patentanspruch 1 von einer Mobilstation aus, die derart aufgebaut ist, dass sie mehrere Datenkanäle verwenden kann. Nach dem vorgetragenen Sach- und Streitstand ist es unstreitig, dass die angegriffenen Ausführungsformen nur einen Datenkanal in der Hardware aufweisen, aber dennoch UMTS-fähig sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 1.500.000,00 €