4a O 303/10 – E-Loading-Automat II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1888

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. April 2012, Az. 4a O 303/10

I.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.000,00 EUR nebst die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 19% zu zahlen nebst Zinsen für die Hauptforderung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Januar 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Februar 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. März 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. April 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Mai 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juni 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juli 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. August 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. September 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Oktober 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. November 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Dezember 2007,

und nebst den auf die Zinsen jeweils entfallenden Umsatzsteuern in Höhe von 19 %, abzüglich am 06.04.2011 aufgerechneter 24.590,93 EUR.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 24.000,00 EUR nebst die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 19% zu zahlen nebst Zinsen für die Hauptforderung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Januar 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Februar 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. März 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. April 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Mai 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juni 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juli 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. August 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. September 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Oktober 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. November 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Dezember 2008,
und nebst den auf die Zinsen jeweils entfallenden Umsatzsteuern in Höhe von 19 %.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche aus Lizenzvertrag geltend.

Die Parteien sind durch den Lizenzvertrag vom 12./18.11.2003 miteinander verbunden. Wegen des genauen Inhalts des Lizenzvertrages wird auf die Anlage K 3 inhaltlich Bezug genommen. Hintergrund der vertraglichen Vereinbarung war die Tätigkeit des Klägers bei der Entwicklung von sog. E-Loading-Automaten in Zusammenarbeit mit der Beklagten in Beziehung zu der Patentanmeldung des Klägers (DE 100 48 XXX). Das Patent wurde dem Kläger erteilt.

Dieser Lizenzvertrag war Gegenstand des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 12.02.2008 (Az: 4a O 432/06) und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24.08.2010 (Az: I- 20 U 80/08). Danach wurde die Beklagte – rechtskräftig – verurteilt, an den Kläger aufgrund des Lizenzvertrages monatliche Zahlungen in Höhe von 2.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer als „Sockelbetrag“ zu zahlen. Ferner wurde die Beklagte zur Auskunft verurteilt. Gegenstand des gerichtlichen Ausgangsverfahrens waren Lizenzzahlungsansprüche des Klägers in Höhe von 2.000,- EUR zzgl. Umsatzsteuer bis Dezember 2006. Wegen des Inhalts des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorfs wird auf Anlage K 2 verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger gegenüber der Beklagten Lizenzzahlungsansprüche in Höhe von 2.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer von Januar 2007 bis Dezember 2008 geltend.

Die Beklagte erhob vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das lizenzgegenständliche Patent. Mit Urteil vom 19.08.2009, welches rechtskräftig ist, erklärte das Bundespatentgericht das Patent für nichtig. Das Bundespatentgericht führte aus, dass die Klage der damaligen Klägerin und hiesigen Beklagten nicht unzulässig sei. Ein Lizenznehmer könne Nichtigkeitsklage erheben, auch wenn der Lizenzvertrag mit dem angegriffenen Patent zusammenhänge. Wegen des genauen Inhalts des Urteils wird auf die Anlage B 9 des oben aufgeführten Parallelverfahrens verwiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem damaligen Beklagten und hiesigen Kläger auferlegt. Mit Beschluss vom 14.10.2010 setzte das Bundespatentgericht die Kosten des Rechtsstreits auf 22.904,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2009 fest. Am 04.04.2011 betrug die Forderung der Beklagten gegen den Kläger einschließlich Zinsen 24.590,93 EUR. Ein Ausgleich der Kosten fand seitens des Klägers nicht statt. Mit dieser Forderung erklärte die Beklagte im Schriftsatz vom 04.04.2012 die Aufrechnung.

Mit Schreiben vom 21.01.2008 kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Lizenzvertrag fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 29.02.2008.

Der Kläger ist der Auffassung, die Aufrechnung sei unzulässig. Es fehle an einem durchsetzbaren Anspruch. Die Aufrechnung mit der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss scheitere an dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Die Beklagte habe ihre Rechtsposition unter Verstoß von Treuepflichten erworben mit der Folge, dass sie an der Durchsetzung nunmehr gehindert sei. Die Beklagte könne nicht einerseits einen Lizenzvertrag, welcher das klägerische Patent zum Gegenstand hatte, abschließen, andererseits die Vernichtung des Patents betreiben.

Der Kläger beantragt unter Erweiterung seiner Anträge aus der Klageschrift nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 48.000,00 nebst die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 19 % (= EUR 9.120,00) zu zahlen nebst Zinsen für die Hauptforderung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Januar 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Februar 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. März 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. April 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Mai 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juni 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juli 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. August 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. September 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Oktober 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. November 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Dezember 2007,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Januar 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Februar 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. März 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. April 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Mai 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juni 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Juli 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. August 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. September 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Oktober 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. November 2008,
– aus EUR 2.000,00 seit dem 01. Dezember 2008,
und nebst den auf die Zinsen jeweils entfallenden Umsatzsteuern in Höhe von 19 %.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Aufrechnung sei zulässig. Eine Nichtangriffsabrede sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Für einen Teil des Jahres 2008 stünden dem Kläger keine Zahlungsansprüche zu, da die Beklagte zumindest zum 29.02.2008 den Lizenzvertrag ordentlich gekündigt habe.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet, soweit der Zahlungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten nicht durch Aufrechnung erloschen ist.

I.
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten zu Recht einen vertraglichen Zahlungsanspruch aus dem Lizenzvertrag vom 12./18.11.2003 für die Jahre 2007 und 2008 geltend. Eine wirksame Kündigung des Lizenzvertrages durch die Beklagte liegt nicht vor.
1.
Einwände gegen den vertraglichen Zahlungsanspruch für den Zeitraum 2007 und 2008 erhebt die Beklagte dem Grunde nach nicht. Ein solcher ist durch das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Jahre bis 2006 festgestellt worden. Für die streitgegenständlichen Jahre 2007 und 2008 besteht der Zahlungsanspruch des Klägers dem Grunde nach fort. Insoweit trägt die Beklagte nichts Gegenteiliges vor.

2.
Die Beklagte hat den Lizenzvertrag nicht mit Schreiben vom 21.08.2008 wirksam gekündigt. Ein Grund für die fristlose Kündigung hat die Beklagte weder dargelegt noch ist ein solcher ersichtlich. Eine ordentliche Kündigung kommt mangels Kündigungsrecht nicht in Betracht.

a)
Dass das klägerische Patent für nichtig erklärt worden ist, spielt für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche bis Ende 2008 keine Rolle. Der Lizenzvertrag selbst sieht keine Begrenzung der Laufzeit vor. Für den Fall, dass der Lizenzvertrag keine diesbezügliche Vereinbarung enthält, ist die Laufzeit des Lizenzvertrages im Zweifel auf die Laufzeit der Schutzdauer des Rechts – hier des Patents nach § 16 Abs.1 S.1 PatG – begrenzt (vgl. Benkard/Ullmann, PatG, 10.Aufl., § 15 Rz.64; Bartenbach, Patent- und Know-How Vertrag, 6.Aufl., Rz.1242). Ob dies auch hier der Fall ist, braucht nicht entschieden werden, da das Urteil des Bundespatentgerichts, mit dem das lizenzgegenständliche Patent für nichtig erklärt worden ist, erst am 19.08.2009 verkündet worden ist und somit der Nichtigkeit des Patents keine Bedeutung für den streitgegenständlichen Zeitraum des Lizenzvertrages zukommt. Ein für nichtig erklärtes Patent kann sich, wenn überhaupt, erst ab rechtskräftiger Entscheidung auf den davon betroffenen Lizenzvertrag auswirken (vgl. BGH, GRUR 1983, 237 – Brückenlegepanzer; Benkard/Ullmann, PatG, 10.Aufl., § 15 Rz.192; Bartenbach, a.a.O, Rz.1245). Dies ist nicht der streitgegenständliche Zeitraum.

b)
Die fristlose Kündigung des Lizenzvertrages bleibt ohne Erfolg, weil ein Kündigungsgrund nicht vorgetragen worden und ersichtlich ist.

Bei einem Lizenzvertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, welches unabhängig von vertraglichen Abreden nach § 314 BGB ohne Einhaltung von Kündigungsfristen gekündigt werden kann. Der Lizenzvertrag sieht keine vertragliche Abrede über ein Recht zur fristlosen Kündigung vor.

Ein wichtiger Grund liegt nach § 314 Abs.1 S.2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Aus welchen Gründen die Beklagte nicht mehr an dem Vertrag festhalten konnte, ergibt sich aus ihrem Sachvortrag nicht.

c)
Eine ordentliche Kündigung scheidet im vorliegenden Fall ebenfalls aus.

Der Lizenzvertrag sieht kein ordentliches Kündigungsrecht einer Vertragspartei vor. Ein konkludent vereinbartes ordentliches Kündigungsrecht kann dem Lizenzvertrag ebenfalls nicht entnommen werden. Ein solches hat die Beklagte weder vorgetragen noch gibt der Lizenzvertrag Anhaltspunkte hierfür her.

Soweit in der Rechtsprechung ausgeführt wird, dass eine ordentliche Kündigung eines Lizenzvertrages ohne Laufzeitbegrenzung ohne ausdrückliche Vereinbarung möglich sein soll, beziehen sich dahingehende Urteile auf Verträge, die eine unentgeltliche Nutzung vorsehen (BGH, GRUR 2006, 56; Bartenbach, a.a.O., Rz.2433). Eine Unentgeltlichkeit sieht der streitgegenständliche Lizenzvertrag gerade nicht vor.

d)
Ein sonstiges gesetzliches Kündigungsrecht nach § 723 BGB scheidet ebenfalls aus. Die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Kündigungsrechts liegen nicht vor. Dass die Parteien über die eigentliche Lizenzierung und der Festlegung eines Entgeltbetrages weitere Vereinbarungen getroffen hätten, die Rückschlüsse auf die Gründung einer Gesellschaft (§ 705 BGB) zulassen würden, sind nicht vorgetragen worden. Erforderlich wäre ein Gesellschaftszweck gewesen, der über den eigentlichen Lizenzvertrag hinausgehen müsste. Der Sachverhalt bietet hierfür keine Anhaltspunkte.

II.
Der Anspruch des Klägers ist durch die erklärte Aufrechnung in Höhe von 24.590,93 EUR erloschen, §§ 387, 389, 396 i.V.m. §§ 366, 367 BGB. Dem steht ein vertragliches Aufrechnungsverbot nicht entgegen.

1.
Ein Lizenznehmer ist grundsätzlich nicht daran gehindert, das Recht, welches Grundlage seiner Nutzungsbefugnis ist, mit der Nichtigkeitsklage anzugreifen (Benkard/Ullmann, PatG, 10.Aufl., §15 Rz.141). Ein Fall einer Nichtangriffsverpflichtung liegt nicht vor. Die Parteien haben weder ausdrücklich noch konkludent eine dahingehende Abrede in dem Lizenzvertrag getroffen.

2.
Eine Aufrechnung ist vorliegend auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht ausgeschlossen. Dies wäre der Fall, wenn die Eigenart des Schuldverhältnisses oder der Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lässt (Palandt/Grüneberg, BGB, 70.Aufl., § 387 Rz.15). So liegt der Fall hier nicht.

So hat das Bundespatentgericht mit Recht festgestellt, dass die Nichtigkeitsklägerin als einfache Lizenznehmerin nicht gehindert gewesen ist, die Nichtigkeit des Patents geltend zu machen. Der Lizenzvertrag besagt ausdrücklich, dass „keine Exklusivität einer möglichen Lizenz vereinbart“ wird. Etwas Gegenteiliges haben die Parteien auch nicht vorgetragen.

Soweit der Kläger weitere Fälle (BGH, GRUR 1987, 900 – Entwässerungsanlage und GRUR 1998, 094 – Bürstenstromabnehmer) anführt, nach denen eine Nichtigkeitsklage eines Lizenznehmers unzulässig sein soll, verhelfen ihm diese Entscheidungen nicht zum Erfolg. Die besonderen Fallgestaltungen eines Strohmannsachverhaltes oder eines Arbeitnehmer-Erfinders liegen hier nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt bietet keine Grundlage für ein bestehendes – über den eigentlichen Lizenzvertrag hinausgehendes – besonderes Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten, welches durch die Nichtigkeitsklage gestört gewesen wäre. Die Auffassung des Klägers, eine solche Nichtangriffsvereinbarung sei dem Lizenzvertrag immanent, hätte zur Folge, dass grundsätzlich jeder Lizenzvertrag stillschweigend eine solche Vereinbarung enthalten würde. Unabhängig davon, dass dies mit den Grundsätzen der Vertragsfreiheit nur schwerlich in Einklang zu bringen wäre, ist es allgemein anerkannt, dass eine Nichtangriffsvereinbarung gesondert vereinbart werden muss.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 S.1, 1.Var. ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S.1 ZPO.