4a O 85/11 – Photovoltaikanlage

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1945

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Oktober 2012, Az. 4a O 85/11

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte einen Betrag von EUR 2.759,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2011 zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem deutschen Gebrauchsmuster 20 2009 017 XXX U1 (im Folgenden: Klagegebrauchsmuster), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. Die Beklagte macht widerklagend einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten für eine Abmahnung als Reaktion auf eine Abnehmerverwarnung geltend.

Das Klagegebrauchsmuster wurde aus der Patentanmeldung PCT/EP2009/006XXX abgezweigt und genießt deshalb deren Anmeldetag vom 15.09.2009. Das Klagegebrauchsmuster nimmt die Priorität der DE 10 2009 014 XXX.0 sowie der DE 10 2009 011 XXX.1 vom 28.04.2009 und der DE 20 2009 007 XXX.7 vom 27.05.2009 in Anspruch. Die am 17.06.2010 erfolgte Eintragung des Klagegebrauchsmusters wurde am 22.07.2010 bekannt gemacht. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Ein Löschungsverfahren gegen das Klagegebrauchsmuster ist nicht anhängig.

Das Klagegebrauchsmuster trägt die Bezeichnung „Photovoltaikanlage“ Die Klägerin macht das Klagegebrauchsmuster lediglich eingeschränkt geltend. Der durch die Klägerin geltend gemachte Schutzanspruch lässt sich daher wie folgt fassen:

„Photovoltaikanlage mit wenigstens einer Solarzelle (1) und mit einer Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) zur Anbringung der Solarzelle (1) oberhalb einer Unterstützungsfläche (U), beispielsweise eines Daches, einer Stellfläche etc., wobei die aus Aluminiumblechprofilen aufgebaute Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) unter Zwischenschaltung wenigstens einer Matte (9) aus einem flexiblen Kunststoffmaterial schwimmend auf der Unterstützungsfläche (U) gelagert ist, wobei die Matte (9) einen Spielausgleich zwischen einerseits der Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) und andererseits der Unterstützungsfläche (U) in Längs- und Querrichtung, das heißt entlang der Fläche ermöglicht, so dass temperaturbedingte unterschiedliche Ausdehnungen von einerseits der Unterstützungsfläche (U) und andererseits der Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) problemlos aufgenommen werden können.“

In den nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren ist nach der Klagege-brauchsmusterbeschreibung ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel gezeigt. In Figur 1 ist die erfindungsgemäße Photovoltaikanlage in einer schematischen Seitenansicht dargestellt.
Figur 2A veranschaulicht eine Modulreihe in Seitenansicht im Detail.

Die Beklagte stellt her und vertreibt über die A GmbH in der Bundesrepublik Deutschland ein „B“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). In den durch die Klägerin als Anlage PBP 9 vorgelegten Artikeln von den Internetseiten www.C.de und www.D.de wird die angegriffene Ausfüh-rungsform wie folgt beschrieben:

„Das Alpensolar-System gleicht auf den ersten Blick zahlreichen anderen Lösungen in diesem Bereich. Es besteht aus flachen Aluminiumkästen mit geneigter Oberkante, auf denen die Module montiert werden. Die Kästen werden allerdings nicht direkt auf das Dach gesetzt, sondern sind an Schienen befestigt, die wiederum an der Attika – der umlaufenden Begrenzungswand – eines Flachdachs oder anderen geeigneten Teilen des Gebäudes befestigt werden. Unter den Schienen liegen die Gummimatten zum Schutz der Dachhaut.“

„Wer bisher Solar Module auf Hausdächern anbringen ließ, kam an Dachdurchdringungen und Bohrungen nicht vorbei. Jetzt stellt die All-gäuer Unternehmensgruppe Alpensolar eine Technik vor, die komplett durchdringungsfrei ist. (…) Die Konstruktion basiert auf einem ebenso einfachen wie genialen System: die Aluminiumkästen, welche die Solarmodule tragen, werden auf Schienen gesetzt, die auf einer festen Gummimatte an der Attika, der höchsten Stelle des Dachs, befestigt werden. Durch die Gummiunterlage ist garantiert, dass die Kästen keinen direkten Kontakt mit der Oberfläche des Dachs haben. Es sind keine Bohrungen notwendig und da die Kästen nicht direkt auf dem Dach aufliegen, bleibt auch der gefürchtete „Reibungseffekt“, eine häufige Ursache für Dachbeschädigungen, aus. Die Solarkonstruktion trägt sich selbst und ist zugleich effektiv gegen Wind geschützt.“

Nach Auffassung der Klägerin, der die Beklagte nicht entgegen getreten ist, verletzt die angegriffene Ausführungsform das Klagegebrauchsmuster mittelbar. Zudem ist das Klagegebrauchsmuster nach Meinung der Klägerin auch schutzfähig.

In ihrer Klageschrift hat die Klägerin zunächst eine unmittelbare Verletzung des Klagegebrauchsmusters geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 13.09.2012 hat sie die Klage auf die Geltendmachung einer mittelbaren Patentverletzung umgestellt und die auf Vernichtung und Rückruf gerichteten Anträge zurückgenommen. Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie verlange keine Rechnungslegung mehr über die Herstellungsmengen und -zeiten.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwi-derhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ord-nungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,

zu unterlassen

Aufständereinrichtungen zur Anbringung einer Solarzelle für eine Photovoltaikanlage oberhalb einer Unterstützungsfläche, beispielsweise eines Daches, einer Stellfläche etc., wobei die Aufständereinrichtung schwimmend auf der Unterstützungsfläche gelagert ist

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wobei

die aus Aluminiumblechprofilen aufgebaute Aufständer-einrichtung unter Zwischenschaltung wenigstens einer Matte aus einem flexiblen Kunststoffmaterial schwimmend auf der Unterstützungsfläche gelagert ist, wobei die Matte einen Spielausgleich zwischen einerseits der Aufständerein-richtung und andererseits der Unterstüt-zungsfläche in Längs- und Querrichtung, das heißt entlang der Fläche ermöglicht, so dass temperaturbedingte unterschiedliche Ausdehnungen von einerseits der Unterstützungsfläche (U) und andererseits der Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) problemlos aufgenommen werden können;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.08.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Liefe-ranten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhalte-nen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Ver-zeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.08.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungs-zeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit ver-pflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Be-klagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und ver-pflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Ange-botsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 22.08.2010 begangen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, das Klagegebrauchsmuster sei nicht schutzfähig.

Das Europäische Patentamt habe in einem parallelen Patent-erteilungsverfahren die Erfindungshöhe aller dort formulierten Haupt- und Unteransprüche im Hinblick auf die JP 10002622 als nicht gegeben angesehen.

Zudem sei eine Vorrichtung, wie sie den Gegenstand des Klagegebrauchs-musters in der streitgegenständlichen Fassung bilde, bereits vor dem Priori-tätstag des Klagegebrauchsmusters der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Ende 2008/Anfang 2009 habe die in E und F ansässige G AG & Co. KG eine Einrichtung entwickelt, die im ersten Quartal 2009 fertiggestellt und montiert worden sei. Die Montage sei im April 2009 abgeschlossen worden, wobei die Anlage am 23.04.2009 in Betrieb genommen worden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung sowie auf die als Anlagenkonvolut B 9 vor-gelegten Abbildungen Bezug genommen.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Nach Auffassung der Klägerin unterscheidet sich die durch das Klagege-brauchsmuster in der streitgegenständlichen Fassung beanspruchte technische Lehre von der genannten japanischen Entgegenhaltung zunächst dadurch, dass die Entgegenhaltung Sonnenkollektoren, basierend auf der Erhitzung von Wasser, offenbare. Diese würden dadurch über ein hohes Gewicht verfügen. Ein Photovoltaikmodul sei demgegenüber wesentlich leichter, so dass die Aufständereinrichtungen der beiden Anlagen völlig unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssten.

Ein weiterer Unterschied bestehe in den Unterlagen aus Gummi. Die in der Entgegenhaltung offenbarten Gummikissen würden eine andere Funktion als beim Klagegebrauchsmuster übernehmen. Nach der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters ermögliche die Matte einen Spielausgleich der Aufständereinrichtung und der Unterstützungsfläche in Längs- und Querrich-tung, das heißt entlang einer Fläche. Die Matte nehme temperaturbedingte un-terschiedliche Ausdehnungen der Unterstützungsfläche und der Aufständereinrichtung problemlos auf. Demgegenüber würden die in der Entgegenhaltung offenbarten Gummikissen neben dem Vibrationsschutz dem Gleitschutz dienen. Sie würden daher gerade keinen Spielausgleich in der Fläche ermöglichen.

Im Übrigen würden die Gummikissen in der Entgegenhaltung lediglich im Zu-sammenhang mit der Winkelverstellung der Aufständereinrichtung erwähnt.

Hinsichtlich der durch die Beklagte behaupteten offenkundigen Vorbenutzung bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, dass eine Photovoltaikanlage gemäß aller Merkmale des Schutzanspruchs in der streitgegenständlichen Fassung vor dem 28.04.2009 fertig gestellt und funktionsfähig war.

Zudem bestreitet die Klägerin, dass ein unbeteiligter Dritter vor dem 28.04.2009 in der Lage gewesen sei, die durch die Beklagte behauptete Vorbenutzung zur Kenntnis zu nehmen und aus einer Kenntnisnahme die Merkmale des Klagegebrauchsmusters zu ersehen.

Schließlich unterscheide sich die angeblich vorbenutzte Anlage von der ange-griffenen Ausführungsform dadurch, dass bei Ersterer die gesamte Aufständereinrichtung fest mit der Unterstützungsfläche verbunden sei, wo-durch verhindert werde, dass die eingesetzten Kunststoffmatten einen Spiel-ausgleich entlang der Fläche ermöglichen. Bei der angegriffenen Ausführungsform fehle es demgegenüber an einer derartigen Befestigung, so dass dort eine schwimmende Lagerung auf der Dachfläche vorhanden sei.

Während des laufenden Gebrauchsmusterverletzungsverfahrens vor der Kam-mer versandte die Klägerin das nachfolgend eingeblendete patentanwaltliche Schreiben vom 16.11.2011 an die H GmbH aus E, einer Abnehmerin der Beklagten.
Dem Schreiben war eine Kopie der Klagegebrauchsmusterschrift beigefügt.
Durch dieses Schreiben sah sich die Beklagte veranlasst, ihrerseits die Klägerin am 01.12.2011 wegen einer unberechtigten Abnehmerverwarnung abzumahnen. Hinsichtlich des Inhalts des Abmahnschreibens wird auf die Anlage B 15 verwiesen.

Nach Auffassung der Beklagten hat die Klägerin ihr daher die Kosten der Ab-mahnung zu erstatten, da das im Namen der Klägerin versandte Abmahn-schreiben sowohl aus materiellen als auch aus formellen Gründen unzulässig sei und daher einen Eingriff in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb darstelle.

Die Beklagte beantragt widerklagend,

zu erkennen wie geschehen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie meint, bei dem durch sie versandten patentanwaltlichen Schreiben handele es sich um keine Schutzrechtsverwarnung, da diese ein Unterlassungsverlangen und die Androhung rechtlicher Schritte voraussetze. Im Übrigen wäre das Schreiben auch als Schutzrechtsverwarnung formell und materiell rechtmäßig.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht aus §§ 24 Abs. 1 und 2, 24b Abs. 1 und 3 GebrMG i. V. m. § 11 Abs. 2 GebrMG stehen der Klägerin nicht zu, da sich für die Kammer die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters nicht feststellen lässt. Dies wäre jedoch Voraussetzung für eine Verurteilung der Beklagten, § 13 GebrMG. Die Widerklage ist zulässig und begründet.

I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Photovoltaikanlage mit wenigstens ei-ner Solarzelle und mit einer Aufständereinrichtung zur Anbringung der Solar-zelle oberhalb einer Unterstützungsfläche, beispielsweise eines Hausdachs oder einer Stellfläche.

Wie das Klagegebrauchsmuster einleitend ausführt, wird eine derartige Anlage beispielsweise in der DE 203 11 967 U1 offenbart. Die dort gezeigte Tragekonstruktion zur Aufständerung von Solaranlagen auf zu begrünenden Flachdächern bestehe aus einer Grundplatte aus Kunststoff, die mit einer Auflast aus Schüttgut versehen werde. Außerdem sei ein Tragrahmen aus korrosionsbeständigem Metall vorgesehen, auf dem Querschienen befestigt werden könnten. Die Querschienen seien ihrerseits zur Aufnahme von Solarmodulen geeignet. Die Grundplatte weise unterseitig längs- und querlaufende Drainagekanäle auf.

Bei diesem Stand der Technik werde also Schüttgut eingesetzt, das als Auflast für die Grundplatte fungiere. Dadurch sei die Montage aufwendig und es wür-den letztlich Dachlasten erzeugt, die kaum von Hallendächern aufgenommen werden könnten.

Daneben seien Photovoltaikanlagen bekannt, die beispielsweise in ein Schrägdach integriert seien. In diesem Zusammenhang schlage die DE 10 2007 020 151 A1 mehrere Rahmenelemente vor. Dabei sei ein oberes Rahmenelement mit einem nach unten vorstehenden Abschnitt ausgerüstet, der einen Halt des solchermaßen realisierten Solarmoduls an einer Dachlatte ermögliche. Die Befestigung an der Dachlatte erfordere demnach einen tiefgreifenden Eingriff in die Dachhaut. Dadurch würden sich die bekannten Solarmodule für Nachrüstungen kaum eignen. Außerdem bestehe bei einer solchen Befestigung die ständige Gefahr, dass es zu Undichtigkeiten der Dachhaut komme, die schwere Gebäudeschäden nach sich ziehen können. Hier wolle die Erfindung Abhilfe schaffen.

Dem Klagegebrauchsmuster liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine derartige Photovoltaikanlage so weiter zu entwickeln, dass die damit verbundene Dachlast gering sei und Gebäudeschäden möglichst vermieden werden. Außerdem solle eine schnell zu montierende Lösung mit der Möglichkeit der Nachrüstung geschaffen werden.

Dies geschieht nach dem durch die Klägerin geltend gemachten Schutzan-spruch durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

(1) Photovoltaikanlagen, mit wenigstens einer Solarzelle (1), und mit einer Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) zur Anbringung der Solar-zelle (1) oberhalb einer Unterstützungsfläche (U), beispielsweise eines Daches (U), einer Stellfläche etc..

(2) Die aus Aluminiumblechprofilen aufgebaute Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) ist unter Zwischenschaltung wenigstens einer Matte (9) aus einem flexiblen Kunststoffmaterial schwimmend auf der Unterstützungsfläche (U) gelagert.

(3) Die Matte (9) ermöglicht einen Spielausgleich zwischen ei-nerseits der Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) und andererseits der Unterstützungsfläche (U) in Längs- und Quer- richtung, das heißt entlang der Fläche.

(4) Die Matte (9) nimmt temperaturbedingte unterschiedliche Ausdehnungen von einerseits der Unterstützungsfläche (U) und andererseits der Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) problemlos auf.

II.
Für die Kammer lässt sich nicht mit der für eine Verurteilung der Beklagten er-forderlichen Sicherheit feststellen, dass die durch das Klagegebrauchsmuster beanspruchte technische Lehre auf einem erfinderischen Schritt beruht.

1.
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines erfinderischen Schrittes kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und hinsichtlich von Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in § 3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Zwischen den Kriterien des „erfinderischen Schritts“ im Gebrauchsmusterrecht und der „erfinderischen Tätigkeit“ im Patentrecht besteht kein Unterschied. Es handelt sich um ein qualitatives und nicht etwa um ein quantitatives Kriterium. Dies bedeutet, dass es allein auf das Können und das Wissen des Fachmanns ankommt und damit letztlich auf dessen Verstandstätigkeit (Nirk, Anmerkung zu BGH GRUR 2006, 842 ff. in GRUR 2006, 848, 849). Es verbietet sich mithin, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einem erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten (vgl. BGH GRUR 2006, 842 – De-monstrationsschrank).

2.
Davon ausgehend lässt der Vortrag der hinsichtlich der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin die Fest-stellung nicht zu, das Klagegebrauchsmuster beruhe auf einem erfinderischen Schritt.

Das Europäische Patentamt hat im parallelen Patenterteilungsverfahren in dem als Anlage B 12 vorgelegten Zwischenbescheid die erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die JP 10002622 (D2) sowohl hinsichtlich des Hauptanspruchs, als auch in Bezug auf sämtliche Unteransprüche verneint. Dabei ist das Europäische Patentamt davon ausgegangen, dass in der Entgegenhaltung alle Merkmale des dortigen Hauptanspruchs mit Ausnahme der Photovoltaikanlage offenbart seien. Es habe aber nahe gelegen, ausgehend von der D2, die Vorrichtung mit einer Photovoltaikanlage auszurüsten.

Zwar betreffen die Ausführungen nicht den Anspruch in der hier streitgegen-ständlichen Fassung. Gleichwohl handelt es sich um eine, wenn auch nicht auf der deutschen Übersetzung beruhende, sachverständige Stellungnahme, wie der Fachmann die technische Lehre der Entgegenhaltung versteht.

In der japanischen Patentschrift wird in den Figuren 2 und 3 sowie in Patentanspruch 2 eine Ausführungsform offenbart, bei der ein „Wassererhitzer“ und damit eine Solaranlage (1) auf einem Untergestell (5) fixiert wird, wobei die Solaranlage (1) durch Festspannen des Untergestells (5) mit mehreren Drähten (2, 3) gehalten wird.
Dabei sind die Drähte mit erdbebenbeständigen Beschlägen (4) ausgestattet, die eine Spannungsregulierungsfunktion und Elastizität aufweisen. Schließlich ist am unteren Ende des Untergestells (5) ein Vibrationsgummi (6) ausgebildet. Wie der Fachmann Abschnitt [0011] der Entgegenhaltung entnimmt, wird durch das Vibrationsschutzgummi im Hinblick auf die Last des Wassererhitzers eine Gleitschutzwirkung, eine Schwingungsabsorptionswirkung und eine Schutzwirkung gegen Beschädigungen des Daches erzielt.

Dass in der Entgegenhaltung eine Aufständereinrichtung für die Erhitzung von Wasser und damit keine Photovoltaikanlage offenbart wird, vermag das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes nicht zu begründen. Zwar lassen sich insoweit aus dem durch die Beklagten nunmehr als Anlage B 19 vorgelegten Prospekt keine Rückschlüsse im Hinblick auf das Gewicht von Solar- und Photovoltaikanlagen ziehen, da dieser Prospekt aus dem Jahr 2012 stammt und damit keinen relevanten Stand der Technik darstellt. Jedoch hat bereits das fachkundig besetzte Europäische Patentamt im parallelen Patenterteilungsverfahren in dem als Anlage B 12 vorgelegten Zwischenbescheid zurecht festgestellt, dass es nahegelegen habe, Solaranlagen durch Photovoltaikanlagen zu ersetzen. Damit dürfte es im Hinblick auf das geringere Gewicht dieser Anlagen auch eine einfache handwerkliche Maßnahme darstellen, die Aufständereinrichtung aus Aluminiumblechprofilen herzustellen.

Ferner wird in Form des Vibrationsgummis (6) auch eine Matte (9) im Sinne der Merkmale 3 und 4 des Klagegebrauchsmusters offenbart. Wie der Fachmann Abschnitt [0011] der Entgegenhaltung entnimmt, bewirkt das Vibrationsgummi (6) eine Gleitschutzwirkung und eine Schwingungsabsorption, so dass, wie von Merkmal 4 gefordert, unterschiedliche Ausdehnungen der Unterstützungsfläche (U) und der Aufständereinrichtung (2, 3, 4, 5) problemlos aufgenommen werden. Dass in der die Erdbebensicherung betreffenden Entgegenhaltung nicht ausdrücklich offenbart ist, dass temperaturbedingte unterschiedliche Ausdehnungen aufgenommen werden, steht dem nicht entgegen. Wie der Fachmann Abschnitt [0011] der Entgegenhaltung entnimmt, werden durch das Vibrationsgummi (6) das Untergestell und die Unterstützungsfläche entkoppelt („Gleitschutz“, „Schwingungsabsorption“), so dass dem Fachmann ohne Weiteres klar sein dürfte, dass dann auch unterschiedliche thermische Ausdehnungen aufgenommen werden.

Soweit sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung demgegenüber nun-mehr darauf berufen hat, das Vibrationsgummi diene nach der Offenbarung der Entgegenhaltung einem Gleit- und Vibrationsschutz, so dass dem Fachmann klar sei, dass lediglich Vibrationen in der Horizontalen, nicht aber in der Fläche aufgenommen würden, vermag die Kammer dem bereits deshalb nicht zu folgen, weil die durch Erdbeben verursachten Schwingungen, die durch das in der Entgegenhaltung offenbarte Vibrationsgummi absorbiert werden sollen, gerade in alle Richtungen wirken. Dies gilt umso mehr, da die in der Entgegenhaltung offenbarte technische Lösung nicht auf die Installation auf Flachdächern beschränkt ist.

Dass die Vibrationsgummis schließlich, wie die Klägerin vorträgt, ausschließlich im Zusammenhang mit der Winkelverstellung der Aufständervorrichtung erwähnt sein sollen, lässt sich weder mit Abschnitt [0011], noch mit Unteranspruch 2 der Entgegenhaltung in Einklang bringen.

III.
Die zulässige Widerklage hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung aus § 823 Abs. 1 BGB, da es sich bei dem im Namen der Beklagten versandten patent-anwaltlichen Schreiben um eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und damit um einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin handelt.

1.
Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt eine Schutzrechtsverwarnung nicht ein ausdrückliches Unterlassungsverlangen und die Androhung gerichtlicher Schritte voraus. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein an eine bestimmte Person oder einen bestimmbaren Personenkreis gerichtetes ernsthaftes und endgültiges Verlangen, eine bestimmte, als Patentverletzung beanstandete Handlung zu unterlassen. Auch wenn der Adressat nicht ausdrücklich zur Unterlassung aufgefordert wird, kann sich aus den Begleitumständen die unmissverständliche Aufforderung ergeben, bestimmte Handlungen zu unterlassen (vgl. BGH GRUR 1979, 332, 334 – Brombeerleuchte; Benkard/Scharen, PatG, 10. Auflage, Vor §§ 9 bis 14, Rz. 14).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte weist in ihrem patentanwaltlichen Schreiben nicht nur auf das zu ihren Gunsten eingetragene Klagege-brauchsmuster und den laufenden Verletzungsprozess vor dem Landgericht Düsseldorf hin. Vielmehr soll die H GmbH, die eine Photovoltaikanlage geplant habe und liefern werde, welche denen der Beklagten entspricht, das laufende Verletzungsverfahren bei ihren weiteren Aktivitäten ausdrücklich berücksichtigen. Dies konnte für die H GmbH als Adressatin des Schreibens nur so verstanden werden, dass sie von ihrem Vorhaben in Bezug auf die geplante Anlage Abstand nehmen soll, wenn sie nicht ebenfalls gerichtlichen Schritten ausgesetzt sein will.

2.
Die durch die Klägerin ausgesprochene Schutzrechtsverwarnung war auch rechtswidrig.

Zwar hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, ggf. auch Abnehmer der Beklagten auf eine mögliche Schutzrechtsverletzung hinzuweisen und diese ggf. auch abzumahnen. Ob dies vorliegend auch der Fall war, braucht jedoch nicht entschieden zu werden, denn das versandte Schreiben war jedenfalls formell rechtswidrig.

So verweist die Beklagte nicht nur auf das Klagegebrauchsmuster, sondern auch auf die parallele europäische Patentanmeldung, ohne klarzustellen, dass der Klägerin zumindest aus dieser derzeit keine Ansprüche gegen die Beklagte und damit (potentiell) auch gegen die H GmbH zustehen.

Zudem findet sich in dem Schreiben auch kein Hinweis darauf, dass die Klägerin das Klagegebrauchsmuster im Verletzungsverfahren lediglich in einer eingeschränkten Fassung geltend macht. Dies wäre erforderlich gewesen, denn nur dann besteht für die H GmbH die Möglichkeit, die Gefahr und die Erfolgsaussichten einer möglichen gerichtlichen Inanspruchnahme durch die Klägerin abzuschätzen.

Schließlich weist die Klägerin in dem Schreiben auch nicht auf die durch die Beklagten im Verletzungsverfahren erhobenen Einwände gegen die Schutzfä-higkeit des Klagegebrauchsmusters hin. Da es sich bei dem Klagegebrauchs-muster um ein ungeprüftes Schutzrecht handelt, wäre auch ein derartiger Hin-weis erforderlich gewesen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 300.000,- EUR festgesetzt.