4b O 279/10 – Fassung für Zweistiftlampen II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1791

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Februar 2012, Az. 4b O 279/10

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Fassungen für Zweistiftlampen mit einem Gehäuse, das in Kammern Kontakte für die Lampenstifte trägt und mit Einfuhröffnungen für die Lampenstifte, die bei eingesetzter Lampe federnd kontaktiert werden, hierbei tragen die Stiftenden Köpfe, die die Stifte radial überragen und die in die Kammern des Gehäuses hineinragen, die Einfuhröffnungen erstrecken sich bogenförmig auf dem Gehäuse, wobei die Breite eines ersten Bereichs der Einfuhröffnungen größer ist als die Breite des Stiftkopfes, während ein weiterer Bereich in seiner Breite kleiner ist als der Stiftkopf, jedoch größer als die Breite des Stiftes selber,

im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu gebrauchen oder zu dem genannten Zweck zu besitzen,

bei denen der federnde Kontakt den Stiftkopf hintergreift, wodurch bei Drehung der Lampe in den Einfuhröffnungen die die Stifte tragende Lampenfläche gegen eine Anlagefläche des Gehäuses gezogen wird.

II. Die Beklagte wird verurteilt, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die in I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 14.11.1998 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Nutzungshandlungen, aufgeschlüsselt nach Dauer, Ort und Anzahl der genutzten Gegenstände.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die in unmittelbarem Besitz oder mittelbarem Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend Ziffer I.1. zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu bezeichnenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.196,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2011 zu zahlen.

V. Es wird festgestellt,
1) dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 14.11.1998 bis 08.03.2000 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2) dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in I.1. bezeichneten seit dem 09.03.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

VI. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VII. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 % zu tragen.

VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 €, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 871 XXX („Klagepatent“, Anlage K1) in Anspruch.

Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents. Das Klagepatent, das eine deutsche Priorität vom 11.04.1997 in Anspruch nimmt, wurde am 27.10.1997 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 14.10.1998 veröffentlicht, die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 09.02.2000. Das Klagepatent steht in Kraft. Es betrifft eine Fassung für Zweistiftlampen.

Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, lautet:

„Fassung für Zweistiftlampen mit einem Gehäuse (10), das in Kammern (14) Kontakte (17) für die Lampenstifte (24) trägt, und mit Einführöffnungen (12) für die Lampenstifte (24), die bei eingesetzter Lampe (28) federnd kontaktiert werden, hierbei tragen die Stiftenden (24) Köpfe (25), welche die Stifte radial überragen und die in die Kammern (14) des Gehäuses (10) hineinragen, die Einführöffnungen (12) erstrecken sich bogenförmig auf dem Gehäuse (10), wobei die Breite eines ersten Bereiches der Einführöffnungen (12) größer ist als die Breite des Stiftkopfes (25), während ein weiterer Bereich (27) in seiner Breite kleiner ist als der Stiftkopf (25), jedoch größer als die Breite des Stiftes (24) selber,
dadurch gekennzeichnet, dass der federnde Kontakt (17) den Stiftkopf (25) hintergreift, wodurch bei Drehung der Lampe (28) in den Einführöffnungen (12) die die Stifte (24) tragende Lampenfläche (31) gegen eine Anlagefläche (11) des Gehäuses (10) gezogen wird.“

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Figur 1 zeigt einen Lampenstift mit Kopf in einer Gehäusekammer. Figur 2 zeigt eine Draufsicht auf die Fassung. Figur 3 stellt einen Schnitt durch die Fassung nach Figur 2 gemäß der Linie III – III dar. Figur 4 zeigt eine Draufsicht auf den plattenförmigen Kontakt, Figur 5 einen Schnitt durch diesen und Figur 6 eine Seitenansicht des Kontakts.

Auf Antrag der Klägerin wurde mit Beschluss der Kammer vom 29.06.2010 in Rahmen eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens (Az. 4b O 137/10) Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben. Gegenstand des Beweisbeschlusses war, ob die in der Niederlassung der Beklagten in A befindlichen Deckenstrahler des Typs B und C, Lampentyp D, E (angegriffene Ausführungsformen) die Merkmale des Klagepatents verwirklichen. Der Sachverständige Dr. F kam in seinem Gutachten (Anlage K7) zu dem Ergebnis, dass die anlässlich der Besichtigung am 20.07.2010 von der Beklagten übergebenen angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des Klagepatents erfüllen. Die Parteien ziehen das Ergebnis des Gutachtens nicht in Zweifel.

Unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2010 ab und forderte sie zur Unterlassung auf (vgl. Anlage K8). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 (Anlage K9), auf das Bezug genommen wird.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe in der Vergangenheit Leuchten angeboten und vertrieben, die von dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch machten. Sie ist der Meinung, aufgrund des unstreitigen Gebrauchs der Leuchten bestehe jedenfalls die Gefahr, dass die Beklagte die Leuchten zukünftig im gewerblichen Verkehr anbieten, vertreiben und zu diesem Zweck besitzen könnte.

Da die Klägerin die Beklagte unstreitig bereits im Herbst 2007 und im Rahmen der Angebotsphase der Ausschreibung auf das Klagepatent hingewiesen habe, sei ein Verschulden der Beklagten anzunehmen.

Die Klage wurde der Beklagten am 11.01.2011 zugestellt (Bl. 19 d. A.).

Die Klägerin beantragt,
im Wesentlichen wie erkannt, wobei sie
– den Antrag I.1. (im Tenor unter I.) auch hinsichtlich der Benutzungshandlungen des Anbietens und/oder des Inverkehrbringens oder zu diesen Zwecken Besitzens stellt,
– mit Antrag I.2. (im Tenor unter II.) auch Angaben zu den einzelnen Angeboten verlangt, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, – zeiten und –preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie zu den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger (Antrag 2 c) und den nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des durch die Nutzung erzielten Gewinns, welcher nicht durch Abzug von Gemeinkosten reduziert ist (Antrag 2 d), wobei sie beantragt, die Angaben zu d) nur für die Zeit seit dem 09.03.2000 zu erteilen und der Beklagten vorzubehalten, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie die durch eine Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer und/oder Lieferungen in der erteilten Rechnung enthalten sind.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die angegriffenen Ausführungsformen nie angeboten und vertrieben. Die Lampen würden ausschließlich zur Ausstattung ihrer Einrichtungshäuser verwendet und seien nicht zum Verkauf bestimmt. Sie ist der Meinung, dass aus diesem Grund eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr für das Anbieten, Inverkehrbringen oder den Besitz zu diesen Zwecken ausscheidet.

Im Übrigen ist sie der Meinung, nicht schuldhaft gehandelt zu haben. Denn sie sei weder in die Entwicklung, noch in die Herstellung der klagepatentverletzenden Lampen eingebunden, noch sei sie an der Entscheidung, diese Lampen zu kaufen beteiligt gewesen. Sie sei vielmehr lediglich durch das zuständige Schwesterunternehmen der G Gruppe mit den Lampen ausgestattet worden.

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch gehe auch im Umfang zu weit. Da die Beklagte die Lampen ausschließlich selbst benutze, gebe es keine Angebote für die Lampen (vgl. Antrag 2 c)). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auskunft über Gestehungskosten (vgl. Antrag 2 d)), da eine Berechnung nach dem Verletzergewinn ausscheide. Denn die Beklagte erziele durch den Gebrauch der Lampen keinen Gewinn. Auch bestehe kein Anspruch auf Auskunft über den Hersteller, da der Hersteller – H – der Klägerin bereits bekannt sei (vgl. Antrag 2 a)).

Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechts- und Patentanwaltsgebühren sei nicht schlüssig dargetan. Die geltend gemachte Gebühr von jeweils 1,5 sei zu hoch angesetzt.

Die Akte 4b O 137/10 ist beigezogen worden und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

I.

Das Klagepatent schützt in seinem Patentanspruch 1 eine Fassung für eine Zweistiftlampe. Die Klagepatentschrift beschreibt den Nachteil, dass derartige Lampen unterschiedlich hoch in der Fassung angeordnet werden können. Ist die Einstecktiefe aber nicht vorgegeben, kann es passieren, dass sich der Glühteil der Lampe nicht an der gewünschten Stelle befindet. Dadurch kann eine bestimmte Lichtoptik verfehlt werden und es können Lichtverluste eintreten.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Fassung für Zweistiftlampen so zu gestalten, dass die Lampe immer gleichmäßig tief im Gehäuse angeordnet ist. Dabei soll nach Möglichkeit die genaue Anordnung automatisch erfolgen. Trotzdem soll eine preiswerte Herstellung möglich sein.

Im Stand der Technik befassen sich die US 4 974 XXX und die US 5 422 XXX mit dem Problem, eine Zweistiftlampe in ihrer Fassung zu befestigen. Während die US 4974 XXX hierzu einen Flansch verwendet, sieht die US 5 422 XXX vor, dass die beiden in die Fassung einzusteckenden Stifte der Lampe Stiftköpfe aufweisen, die in zwei Kammern der Fassung eingedreht werden. Innerhalb der Kammern treffen die Stiftköpfe auf einen federnden Kontakt, der auf die Stiftköpfe eine Kraft entgegen der Einführrichtung der Lampe in die Fassung ausübt. Dadurch kommt die Rückseite des Stiftkopfs an einer Innenfläche des Gehäuses zur Anlage.

Das Klagepatent kritisiert hieran, dass es zur dauerhaft sicheren Positionierung der Lampe an der Fassung erforderlich ist, besondere Vorrichtungen am Lampensockel wie Vorsprünge oder korrespondierende Nuten vorzusehen. Dies mache eine exakte geometrische Abstimmung von Nut und Vorsprung an Lampe und Fassung notwendig. Am Stand der Technik US 5 422 XXX kritisiert das Klagepatent darüber hinaus, dass zwischen den Stiftköpfen und der Wandinnenfläche, an die diese gedrückt werden, nur eine verkleinerte Berührungsfläche vorhanden ist, die die Lampe nicht sicher gegen Verkippen schütze.

Das Klagepatent schlägt zur Lösung des Problems eine Lampenfassung vor, die folgende Merkmale aufweist:

(1) Fassung für Zweistiftlampen,

(2) Mit einem Gehäuse (10),
a) das in Kammern (14) Kontakte (17) für die Lampenstifte (24) trägt,
b) mit Einfuhröffnungen (12) für die Lampenstifte (24),

(3) die Lampenstifte (24) werden bei eingesetzter Lampe (28) federnd kontaktiert;

(4) hierbei tragen die Stiftenden (24) Köpfe (25),
a) welche die Stifte radial überragen und
b) in die Kammern (14) des Gehäuses (10) hineinragen;

(5) die Einfuhröffnungen (12)
a) erstrecken sich bogenförmig auf dem Gehäuse (10),
b) wobei die Breite eines ersten Bereiches der Einfuhröffnungen (12) größer ist als die Breite des Stiftkopfes (25),
c) während ein weiterer Bereich (27) in seiner Breite kleiner ist als der Stiftkopf (25), jedoch größer als die Breite des Stiftes selber;

(6) der federnde Kontakt (17) hintergreift den Stiftkopf (25), wodurch bei Drehung der Lampe (28) in den Einfuhröffnungen (12)
a) die die Stifte (24) tragende Lampenfläche (31)
b) gegen eine Anlagefläche (11) des Gehäuses (10) gezogen wird.

II.

Der Klägerin kann lediglich Unterlassung des Gebrauchs und des Besitzes zum Gebrauch der angegriffenen Ausführungsformen von der Beklagten gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG verlangen. Ein darüber hinaus gehender Unterlassungsanspruch steht ihr nicht zu.

1.

Die Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Benutzungsarten des Gebrauchens und des Besitzens sind gegeben. Insbesondere liegt eine diesbezügliche Wiederholungsgefahr vor.

Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des Klagepatents verwirklichen. Zudem hat sie unstreitig gestellt, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen zur Ausstattung ihrer Einrichtungshäuser verwendet. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte damit die angegriffenen Ausführungsformen bestimmungsgemäß zum Beleuchten ihrer Räume verwendet, mithin gebraucht und zu dem genannten Zweck besitzt, vgl. § 9 Nr. 1 PatG. Die Ausstattung der Einrichtungshäuser erfolgt darüber hinaus zu gewerblichen Zwecken, so dass § 11 Nr. 1 PatG nicht eingreift. Da ein guter Glaube beim Erwerb der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des Gebrauchens nicht entgegensteht (vgl. Schulte/Kühnen, 8. Auflage, § 9 PatG Rn. 63), ist der Vortrag der Beklagten zum Verschulden an dieser Stelle ohne Bedeutung.

Rechtswidrige Verletzungshandlungen begründen grundsätzlich die tatsächliche Vermutung, dass sie wiederholt werden (vgl. Schulte/Kühnen, 8. Auflage, § 139 PatG Rn. 39). Die Klägerin kann sich daher für die Wiederholungsgefahr auf den Beweis des ersten Anscheins berufen (vgl. Schulte/Kühnen, 8. Auflage, § 139 PatG Rn. 57). Die Beklagte ist ihrer Beweislast, dass weitere Verletzungshandlungen in Form des Gebrauchens und Besitzens nicht drohen, die vermutete Wiederholungsgefahr mithin beseitigt ist (vgl. BGH GRUR 55, 390 – Schraubenmutterpresse), nicht hinreichend nachgekommen.

2.

Im Übrigen ist der Unterlassungsanspruch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung des Anbietens und des Inverkehrbringens der angegriffenen Ausführungsformen gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Sie hat diesbezüglich weder eine Wiederholungs- noch eine Erstbegehungsgefahr in hinreichender Weise darzulegen vermocht.

Unter einem Anbieten im Sinne von § 9 Nr. 1 PatG versteht man jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt. Das Inverkehrbringen nach § 9 Nr. 1 PatG setzt das Verschaffen der Verfügungsgewalt im Sinne einer Veräußerungs- oder Gebrauchsmöglichkeit über das Erzeugnis voraus. Erforderlich ist darüber hinaus ein Bezug zum Handelsverkehr: Mit dem Gegenstand, an dem die Verfügungsgewalt verschafft wird, muss ein Umsatz- oder Veräußerungsgeschäft zumindest möglich sein (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn. 134, 146; BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler). Die Klägerin hat ihren pauschalen und bestrittenen Vortrag, die Beklagte habe die angegriffenen Ausführungsformen zumindest einmal angeboten oder in Verkehr gebracht, nicht näher begründet und auch nicht unter Beweis gestellt. Diese Benutzungshandlungen gemäß § 9 Nr. 1 PatG können der Beklagten daher nicht ohne weiteres unterstellt werden. Insbesondere kann in der Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen zur Ausstattung der eigenen Einrichtungshäuser kein Anbieten oder Inverkehrbringen im Sinne der Vorschrift gesehen werden. Eine Wiederholungsgefahr scheidet vor diesem Hintergrund aus. Dem steht die von der Klägerin zitierte Kommentarstelle in Schulte/Kühnen, 8. Auflage, § 139 PatG Rn. 40, eine Patentverletzung begründe nicht nur eine Gefahr der Wiederholung der konkreten Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen, nicht entgegen. Der zitierten Textpassage liegen die Entscheidungen des BGH „Wegfall der Wiederholungsgefahr“ (BGH, NJW 1996, 723) und „Sekundenschnell“ (BGH, NJW 1997, 3087) zugrunde. In beiden Entscheidungen geht es um die Auslegung einer Unterwerfungserklärung bzw. eines Unterlassungsvertrags. Der BGH führt aus, dass die Auslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB einer auf eine konkrete Verletzungshandlung Bezug nehmende Willenserklärung ergeben kann, dass sich die Formulierung nicht nur auf identische, sondern auch auf alle Handlungen erstrecken soll, die gleichfalls das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen. Das Anbieten und Inverkehrbringen eines Produkts sind jedoch von dem Gebrauch als Einrichtungsgegenstand in den eigenen Räumlichkeiten und dem Besitz zu diesem Gebrauch grundverschieden. Dieser Gebrauch eines Produkts und der Besitz zu diesem Gebrauch dient nicht typischerweise seinem anschließenden Verkauf. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich dies auch nicht aus dem Urteil vom 25.02.1997 (Az.: 4 O 76/96 – Siebvorrichtung, Anlage K11) ableiten. Vielmehr sind für den Verkauf eines zu eigenen Zwecken gebrauchten Produkts an Dritte ein neuer Willensentschluss und weitere Handlungen notwendig, was die Annahme einer im Kern gleichartigen Verletzungsform verbietet. Anders als beim Anbieten ist ein Inverkehrbringen beim Gebrauch einer Sache zu eigenen Zwecken gerade nicht zwingend intendiert. Eine Wiederholungsgefahr kann daher nur für die Benutzungsart des Gebrauchens und Besitzens zum Gebrauch angenommen werden, da nur für diese Benutzungsarten eine Verletzungshandlung nachgewiesen ist (vgl. auch BGH, NJW 1960, 1154 ff.; Benkard, 10. Auflage, § 139 PatG Rn. 28, 32 a).

Auch eine Erstbegehungsgefahr für das Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen ist nicht gegeben. Die Annahme einer Erstbegehungsgefahr setzt voraus, dass der Anspruchssteller konkrete Tatsachen darlegt und beweist, aus denen sich greifbar ergibt, dass ein Eingriff in das Klagepatent drohend bevorsteht (vgl. BGH GRUR 70, 358 (II) – Heißläuferdetektor; Schulte/Kühnen, 8. Auflage, § 139 PatG Rn. 35). Die Klägerin hat weder schriftsätzlich, noch in der mündlichen Verhandlung konkrete Anhaltspunkte dafür vorzubringen vermocht, dass die Beklagte in ihren Einrichtungshäusern oder in sonstiger Weise die angegriffenen Ausführungsformen anbietet oder in den Verkehr bringt. Soweit die Klägerin schriftsätzlich geltend macht, es stehe zu befürchten, die Beklagte werde die angegriffenen Ausführungsformen später „gebraucht“ an Dritte veräußern, vermag diese theoretische Möglichkeit keine Erstbegehungsgefahr zu begründen. Den in der mündlichen Verhandlung geäußerten Vorwurf, die Beklagte werde die gebrauchten Leuchten an andere G-Gesellschaften verkaufen oder einen Gebrauchtmarkt nutzen, hat die Klägerin auf Nachfrage nicht durch konkrete Tatsachen zu stützen vermocht. Insbesondere hat sie weder nähere Angaben zu einem etwaigen Gebrauchsmarkt gemacht noch Beweis für einen solchen Markt angetreten, dessen Existenz die Beklagte bestreitet. Die H-Ausdrucke, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereicht hat, zeigen keine Verkaufsangebote der Beklagten und sind bereits daher nicht dazu geeignet, Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Verkauf durch die Beklagten zu belegen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin unter ihrem Klageantrag I.3. die Vernichtung der im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen angegriffenen Ausführungsformen verlangt. Soweit die Klägerin unterstellt, die Beklagte werde die Vernichtung bei Verurteilung durch Veräußerung der gebrauchten Leuchten umgehen, kann von einer solchen vorsätzlichen rechtswidrigen Handlung nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin bleiben nicht belegte Vermutungen, die ohne Vortrag konkreter Tatsachen den Bereich der Spekulation nicht zu verlassen vermögen. Gleiches gilt für die Annahme, die Kunden könnten auf den Gedanken verfallen, dass ihnen auch die Beleuchtungsmittel, mit denen das Einrichtungshaus ausgestattet ist, zum Erwerb angeboten werden.

III.

Da die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen widerrechtlich gebraucht und zu diesem Zweck besessen hat, ist sie der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜG zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet. Die Entschädigung ist für die Zeit zwischen dem 14.11.1998 (= ein Monat nach Offenlegung in deutscher Sprache am 14.10.1998) und dem 09.03.2000 (= ein Monat nach Erteilung des Patents am 09.02.2000) zu leisten.

Für den Gebrauch und den Besitz zu diesem Zweck in der Zeit nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung zuzüglich einer Karenzzeit von einem Monat (= 09.03.2000) bis zum Erlöschen des Klagepatents haftet die Beklagte auf Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Der Beklagten fällt zumindest leichte Fahrlässigkeit zur Last, § 276 BGB. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Jeder Gewerbtreibende muss sich vor Aufnahme einer Benutzungshandlung nach etwa entgegenstehenden Schutzrechten Dritter erkundigen. Dass nicht die Beklagte, sondern ein Schwesterunternehmen der G Gruppe für den Kauf der angegriffenen Ausführungsformen zuständig war, entlastet die Beklagte nicht. Denn auch ein lediglich vertreibendes Unternehmen muss sich über die Schutzrechtslage informieren, selbst dann, wenn die Prüfung der Schutzrechtslage wegen der technischen Komplexität des betroffenen Gegenstandes mit erhöhtem Aufwand verbunden ist (LG Mannheim, InstGE 7, 14 – Halbleiterbaugruppe). Zwar kann sich die Pflicht des Unternehmens bei einer Lieferkette darauf reduzieren, sich zu vergewissern, dass die Schutzrechtslage verlässlich geprüft worden ist, wenn bereits eine ernsthafte, sorgfältige und sachkundige Prüfung stattgefunden hat (BGH GRUR 2006, 575 – Melanie; vgl. auch OLG Düsseldorf, InstGE 6, 152 – Permanentmagnet für Handys; LG Mannheim, InstGE 7, 14 – Halbleiterbaugruppe). Die Beklagte hätte sich daher aber – soweit sie darauf vertraut haben sollte, dass das für den Einkauf zuständige Schwesterunternehmen die Schutzrechtslage geprüft hat – jedenfalls darüber informieren müssen, ob das für den Einkauf zuständige Schwesterunternehmen die Schutzrechtslage auch tatsächlich verlässlich geprüft hat. Die Beklagte hat jedoch weder hinreichend dargetan, welche Anstrengungen sie unternommen hat, um Patentverletzungen auszuschließen, noch hat sie sich dazu geäußert, ob und in welcher Form das für den Einkauf zuständige Schwesterunternehmen die Schutzrechtslage geprüft hat und wie sich die Beklagte wiederum darüber Gewissheit verschafft hat, dass eine solche Prüfung stattgefunden hat. Konkret mangelt es an Ausführungen dazu, wann, wo, ob und von welchem Unternehmen mit wessen Hilfe was genau geprüft worden sein soll und wann, wie und durch wen sich die Beklagte danach bei wem erkundigt hat.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit nicht fest. Da die Klägerin keine Kenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.

IV.

Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet im zuerkannten Umfang über die Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, §§ 242, 259 BGB, § 140 b PatG. Dabei setzt der Anspruch gemäß § 140b PatG kein Verschulden voraus. Hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunft und Rechnungslegung zur Vorbereitung eines verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruchs, der ebenfalls verschuldensabhängig ist, kann auf die Ausführungen zum Verschulden unter III. verwiesen werden. Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auskunft über den Hersteller, da ihr dieser bereits bekannt sei, greift dieser Erfüllungseinwand gemäß § 362 BGB nicht durch. Denn zum einen stammt diese „Auskunft“ von einem dritten Unternehmen (I) und nicht von der zur Auskunft verpflichteten Beklagten. Zum anderen ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Information zum Hersteller im hiesigen Prozess gerade zu Auskunftszwecken erteilt wurde. Schließlich handelt es sich lediglich um eine Teilinformation über einen Hersteller. Die Klägerin muss sich jedoch nicht auf Teilleistungen verweisen lassen (vgl. Schulte/Kühnen, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, § 139 PatG Rn. 152). Der Beklagte ist dagegen zuzugeben, dass der Auskunftsanspruch hinsichtlich der Anträge 2 c) und d) zu weit geht. Da lediglich die Benutzungshandlungen des Gebrauchens und des Besitzens vorliegen, steht der Klägerin weder ein Auskunftsanspruch hinsichtlich etwaiger Angebote, noch in Bezug auf Gestehungskosten und Gewinn zu.

V.

Der Vernichtungsanspruch folgt aus Art. 64 EPÜ, § 140 a PatG.

VI.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG auf Erstattung ihrer durch die außergerichtliche Geltendmachung entstandenen Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgebühren.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin die Rechnung ihres Rechtsanwalts und ihres Patentanwalts beglichen hat, ist dieses Bestreiten unerheblich, da der Anspruch unabhängig davon besteht. Grundsätzlich kann der mit einer Forderung eines Dritten belastete Gläubiger vom Schuldner des Schadensersatzanspruchs zwar nur Freistellung von der Forderung verlangen, da die gemäß § 249 Abs.1 BGB erforderliche Naturalrestitution im Fall der Belastung mit einer Forderung nur durch Freistellung von der Forderung erfolgen kann. Der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs kann aber dann Zahlung unmittelbar an sich selbst verlangen, wenn er die Forderung bereits beglichen hat oder erfolglos eine Frist im Sinne von § 250 Abs. 1 Satz 1 BGB gesetzt hat. Nach allgemeiner Ansicht wandelt sich der Befreiungsanspruch aber auch ohne eine Fristsetzung nach § 250 Satz 2 BGB in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Schuldner die Freistellung als Ersatzleistung ernsthaft und endgültig verweigert, da die Fristsetzung dann nur noch eine überflüssige Förmelei wäre (BGH 2004, 1868, 1869; BGH NJW 1999, 1542). Eine solche Leistungsverweigerung kann in der Stellung eines vollumfänglichen Klageabweisungsantrages – wie hier – liegen (BGH NJW 2004, 1868, 1869). Demnach war im vorliegenden Fall eine Fristsetzung durch die Klägerin entbehrlich.

Die berechnete 1,5 Gebühr für den eingeschalteten Rechtsanwalt und den mitwirkenden Patentanwalt ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Eine Abmahnung wegen einer mutmaßlichen Patentverletzung ist für den Rechtsanwalt bereits deswegen als „schwierig“ anzusehen, da es sich beim gewerblichen Rechtsschutz nicht um einen Bereich handelt, der üblicherweise in der Juristenausbildung behandelt wird. Hierzu bedarf es einer besonderen Spezialisierung, die von den Rechtsanwälten gefordert wird, wenn sie sich mit solchen Aufgaben aus dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes befassen. Dass üblicherweise gleichzeitig auch ein Patentanwalt betraut ist, ändert an der Bewertung der Schwierigkeit der Angelegenheit für den verantwortlich tätigen Rechtsanwalt nichts. Gleiches hat für den Patentanwalt zu gelten, der in seiner Ausbildung nicht schwerpunktmäßig mit Fragen des Verletzungsprozesses und dessen Vermeidung befasst ist. Schon deshalb ist eine Überschreitung der 1,3 Gebühr gerechtfertigt (LG Düsseldorf, InstGE 6, 37 – Abmahnkostenerstattung bei Patentverletzung). Da dem Rechtsanwalt, der seine Vergütung gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen bestimmt, überdies ein 20 %iger Toleranzbereich zuzugestehen ist, innerhalb dessen die Vergütungsbestimmung noch nicht als unbillig anzusehen ist, ist die geltend gemachte Gebühr in Höhe von 1,5 (1,3 + 20 % = 1,56) jedenfalls nicht unangemessen.

Der Anspruch auf Verzinsung der Schadensersatzforderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2011 folgt aus den §§ 291, 288 BGB.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Streitwert: 250.000,00 €