4b O 167/05 – Nachladen von Prepaid-Karten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 952

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. Juni 2005, Az. 4b O 167/05

Rechtsmittelinstanz: 2 U 89/05

I.
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

1.
ein Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider für Telephoneinheiten eines Teilnehmers einer Prepaidkarte mit folgenden Schritten:
Anrufen eines Providers durch den Teilnehmer;
Mitteilen einer Teilnehmernummer des Teilnehmers an den Provider;
Mitteilen einer PIN des Teilnehmers an den Provider;
Überprüfen durch den Provider, ob die PIN der Teilnehmernummer zugeordnet ist;
Aufstocken des Gesprächsguthabens des Teilnehmers bei einem Provider um einen bestimmten Betrag durch den Provider;
Einleiten eines Telephonats durch Wählen einer Telephonnummer;
wobei dies nach dem Mitteilen der Teilnehmernummer und / oder nach dem Mitteilen der PIN und / oder nach dem Überprüfen geschehen kann,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Aufstocken während des Telephonats erfolgt;

in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Antragstellerin anzuwenden;
2.
Telefonkarten für Mehrwertdienste in der Telefonie in der Bundesrepublik Deutschland ohne Genehmigung der Antragstellerin anzubieten oder zu liefern,

mit denen es Dritten ermöglicht wird,

ein Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider für Telephoneinheiten eines Teilnehmers einer Prepaidkarte mit folgenden Schritten:
Anrufen eines Providers durch den Teilnehmer;
Mitteilen einer Teilnehmernummer des Teilnehmers an den Provider;
Mitteilen einer PIN des Teilnehmers an den Provider;
Überprüfen durch den Provider, ob die PIN der Teilnehmernummer zugeordnet ist;
Aufstocken des Gesprächsguthabens des Teilnehmers bei einem Provider um einen bestimmten Betrag durch den Provider;
Einleiten eines Telephonats durch Wählen einer Telephonnummer;
wobei dies nach dem Mitteilen der Teilnehmernummer und / oder nach dem Mitteilen der PIN und / oder nach dem Überprüfen geschehen kann,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Aufstocken während des Telephonats erfolgt

zu nutzen;

II.
Der weitergehende Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

III.
Die Kosten des Verfahrens werden Antragstellerin zu 15% und der Antragsgegnerin zu 85 % auferlegt.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Antragstellerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 30.000 €.

V.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 199 46 xxx, welches am 28.9.1999 angemeldet und dessen Erteilung am 11.4.2002 veröffentlicht wurde. Das Verfügungspatent steht in Kraft. Als Erfinder ist benannt, der das Verfügungspatent am 14.6.2002 auf die Antragstellerin übertrug.

Das Verfügungspatent betrifft ein Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider. Sein im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierender Anspruch 1 hat (ohne Bezugszeichen) folgenden Wortlaut:

„Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider für Telephoneinheiten eines Teilnehmers einer Prepaidkarte mit folgenden Schritten:
Anrufen eines Providers durch den Teilnehmer;
Mitteilen einer Teilnehmernummer des Teilnehmers an den Provider;
Mitteilen einer PIN des Teilnehmers an den Provider;
Überprüfen durch den Provider, ob die PIN der Teilnehmernummer zugeordnet ist;
Aufstocken des Gesprächsguthabens des Teilnehmers bei einem Provider um einen bestimmten Betrag durch den Provider;
Einleiten eines Telephonats durch Wählen einer Telephonnummer;
wobei dies nach dem Mitteilen der Teilnehmernummer und / oder nach dem Mitteilen der PIN und / oder nach dem Überprüfen geschehen kann,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Aufstocken während des Telephonats erfolgt.“

Am Tag der Übertragung des Verfügungspatentes von A auf die Antragstellerin wurde ersterer alleinvertretungsberechtigter Vorstandsvorsitzender der X AG. Alleinige Aktionärin der X AG war die Antragstellerin, deren Verwaltungsrat auch Aufsichtsrat der X AG war. Die Antragstellerin und die X AG schlossen ebenfalls unter dem 14.6.2002 einen Lizenzvertrag, der von der Antragstellerin als Anlage zur Gerichtsakte gereicht wurde und der nachfolgend auszugsweise in Kopie wiedergegeben wird:

Die X AG hat sogenannte Prepaid-Telefonkarten an Kunden verkauft. Diese Kunden, insbesondere Angehörige von Behörden, die ihre Diensttelefone in der Regel nicht zu privaten Zwecken verwenden dürfen, konnten unter Verwendung der Prepaid-Karten an den Dienstapparaten
Privatgespräche führen. Hierzu mussten sie eine „0800“-Einwahlnummer
wählen, die keine Festnetzgebühren für den Anrufenden auslöst. Sodann
mussten sie die ihnen mitgeteilte Teinehmernummer angeben und konnten
sodann Telefonate führen, deren Kosten von dem zuvor eingezahlten Guthaben bei der X AG abgezogen wurden. Die Kunden der X AG konnten dieser eine Bankeinzugsermächtigung erteilen. Diesen Kunden wurde eine PIN mitgeteilt, mit deren Hilfe die Kunden telephonisch (auch während eines Telefonats) ihr Guthaben bei der X AG aufladen konnten. Die technische Umsetzung dieses Verfahrens erfolgte durch eine Telefonplattform der Y GmbH mit Sitz in Karlsruhe.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf wurde über das Vermögen der X AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der eingesetzte Insolvenzverwalter berichtete unter dem 24.5.2004, dass er das gesamte „Anlagevermögen“ der X AG sowie deren Kundenstamm an die Antragsgegnerin veräußerte, die den Geschäftsbetrieb der X fortführen wolle. Die Antragsgegnerin hat unter Nutzung der selben Einwahlnummern sowie der selben Telefonplattform zunächst den Geschäftsbetrieb fortgeführt und auch neue Prepaid-Telefonkarten an Kunden veräußert.
Unter dem 31.12.2004 sandte A als Geschäftsführer der C GmbH an die Antragsgegnerin eine Rechnung über Lizenzgebühren, mit der er wegen der Nutzung des Verfahrens nach dem Verfügungspatent die Zahlung eines Abschlages in Höhe von 500.000 € an die Holding GmbH forderte.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb sowie Durchführung der Telefondienstleistung stellten eine unmittelbare Patentverletzung dar. Zudem werde das Verfügungsschutzrecht durch den Vertrieb der „Prepaid“-Telefonkarten durch die Antragsgegnerin mittelbar verletzt, denn diese Karte ermögliche es den Abnehmern, das Verfahren nach dem Verfügungspatent zu nutzen. Der Insolvenzverwalter habe der Antragsgegnerin keine Nutzungsrechte an dem Verfügungspatent verschaffen können.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin sinngemäß wie erkannt zu verurteilen;

darüber hinaus hat sie beantragt, der Antragstellerin auch das Anbieten des Verfahrens nach dem Verfügungspatent zu untersagen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

hilfsweise,
ihr im Falle des Unterliegens zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch durch die Gestellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in Deutschland erbracht werden kann, abzuwenden.

Sie ist der Ansicht, die von der X AG verwendete Telefonplattform der Y GmbH habe zu dem Anlagevermögen der X AG gehört, welches an sie, die Antragsgegnerin, veräußert worden sei. Deswegen sei sie befugt, diese Plattform weiter zu nutzen. Zudem habe der Insolvenzverwalter ihr die Fortführung des Geschäftsbetriebes gestattet und sich schriftlich an die Kunden der X AG gewandt, um diese von der Geschäftsfortführung durch die Antragsgegnerin in Kenntnis zu setzen. Schließlich benutze die Y GmbH das Verfahren zum telefonischen Aufladen von Gesprächsguthaben bereits seit August 1999, also vor dem Anmeldezeitpunkt des Verfügungspatents. Schließlich stelle sie, die Antragsgegnerin, den von dem Insovenzverwalter erworbenen Geschäftsbetrieb der X AG zum 31.5.2005 ein.

Mit Schriftsatz vom 25.5.2005 hat die Antragsgegenerin der Y GmbH den Streit verkündet.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Verfügungsantrag ist zulässig und überwiegend begründet.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt –wie allgemein- die Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes voraus. Dies gilt auch für Patentsachen, auf die die Sondervorschrift des § 25 UWG keine Anwendung findet. Ein Grundsatz, wonach eine einstweilige Verfügung generell nicht oder nur in ganz seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt, besteht nicht. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich in Patentsachen oftmals besondere Schwierigkeiten daraus ergeben, den Schutzumfang und den voraussichtlichen Rechtsbestand des Schutzrechtes innerhalb kurzer Zeit und ohne eine dem Verfahren der Hauptsache entsprechende schriftsätzliche Vorbereitung zu beurteilen. Gleichzeitig greift eine Unterlassungsverfügung meist einschneidend in die gewerbliche Tätigkeit des Antragsgegners ein und führt für die Bestandsdauer der Verfügung zu einer endgültigen Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs. Aufgrund dessen entspricht es der gefestigten Rechtsprechung der Kammer, dass Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund in Patentsachen besonders sorgfältig zu prüfen sind. Der Erlaß einer einstweiligen Verfügung kommt nur dann in Betracht, wenn die konkret begehrte Maßnahme zur Abwendung „wesentlicher Nachteile“, die dem Rechtsinhaber durch die Verletzung des Verfügungspatents entstehen können, „notwendig“ erscheint. Neben einer Dringlichkeit in zeitlicher Hinsicht ist dafür eine materielle Rechtfertigung des vorläufigen Unterlassungsgebotes aus den dem Rechtsinhaber ohne das gerichtliche Eingreifen drohenden Nachteilen erforderlich, die im Einzelfall gegen die Interessen des Antragsgegners abzuwägen sind. Eine wesentliche Rolle im Rahmen dieser Interessenabwägung spielen zum einen etwaige Zweifel an der Schutzfähigkeit des Verfügungspatents. Zum anderen ist von Belang, mit welcher Gewißheit sich der Verletzungstatbestand feststellen läßt.

Bei Beachtung der vorgenannten Grundsätze ist im Streitfall dem Unterlassungsbegehren der Antragstellerin im zuerkannten Umfang zu entsprechen.

A.
I.
Die Antragsgegnerin ist zur Geltendmachung der aus dem Verfügungspatent resultierenden Ansprüche aktivlegitimiert. Sie ist ausweislich des Registerauszuges vom 14.4.2005 als Inhaberin des Verfügungspatents eingetragen, so dass sie gem. § 30 PatG zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Verfügungspatent berechtigt ist.

Der formalen Rechtsposition steht vorliegend auch nicht eine die Aktivlegitimation grundsätzlich in Frage stellende ausschließliche Lizenz entgegen. Zwar hat die Antragstellerin mit Anlage ASt 3 einen Lizenzvertrag vorlegt, der zwischen ihr und der zwischenzeitlich insolventen XCommunication AG geschlossen wurde. Nach Nr. 2.1 vereinbarten beide Vertragsparteien eine „ausschließliche Lizenz“. Dies hätte zur Folge, dass die Antragstellerin darlegen müsste, dass sie selbst durch die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen betroffen ist, wozu Sachvortrag nicht erfolgte. Eine solche eigene Betroffenheit könnte vorliegend allerdings darin zu sehen sein, dass der Lizenzvertrag eine „Stücklizenz“ vorsieht (Nr.3), so dass Verletzungshandlungen die eigenen Lizenzgebühransprüche der Antragstellerin schmälern.
Dies kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben, denn entgegen dem Wortlaut ist in der X AG nur eine einfache Lizenz eingeräumt worden. Denn die Vertragsparteien haben vereinbart, dass die Antragstellerin ein eigenes Nutzungsrecht behält (Nr. 2.5). Dies steht der Annahme einer ausschließlichen Lizenz entgegen, die das alleinige Nutzungsrecht dem Lizenznehmer vorbehält. Dass beide Parteien die Nutzungsbefugnis der Antragstellerin von einer Zustimmung der Lizenznehmerin abhängig machen wollten, ist nicht erkennbar. Es kann schließlich auch nicht aus der weiteren Vereinbarung, dass eine Registrierung der Lizenz in der Patentrolle auf Verlangen einer Partei erfolgen kann (Nr. 2.6), geschlossen werden, dass die Vertragspartner eine ausschließliche Lizenz vereinbaren wollten. Gegenstand dieser Vereinbarung ist neben dem Verfügungspatent auch eine parallele europäische Patentanmeldung. Zwar kann in das nationale Register nur eine ausschließliche Lizenz eingetragen werden, nach den Regeln 21, 22 AOEPÜ können für europäische Patente aber auch einfache Lizenzen eingetragen werden. Da Nr. 2.6 des Lizenzvertrages sich zu dieser Unterscheidung (europäisch – deutsch) nicht verhält, kann aus dieser Bestimmung nicht gefolgert werden, dass die Parteien trotz des Nutzungsrechtes der Lizenzgeberin eine ausschließliche Lizenz vereinbaren wollten. Daher ist vorliegend von einer einfachen Lizenz auszugehen, die das Prozessführungsrecht der Antragstellerin nicht beeinträchtigt.

Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin sich ihrer Pozessführungsbefugnis anderweitig begeben hätte. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellerin im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Antragsgegnerin der C GmbH eine weitere Lizenz an dem Verfügungspatent eingeräumt hat. Dieser Vortrag sollte das von der Antragsgegnerin mit Anl. AG 3 zu den Akten gereichte Schreiben dieser Gesellschaft vom 31.12.2004 erläutern. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben von dem Erfinder des Verfügungspatentes, Herrn Neumes, der in dem Schreiben die Antragsgegnerin auffordert, wegen der Nutzung „unseres Patentes“ eine Abschlagszahlung in Höhe von 500.000 € an die C GmbH zu leisten. Dass die von der Antragstellerin mit der C GmbH vereinbarte Lizenz aber über die mit der X AG verinbarte Lizenz hinausginge, ist weder ersichtlich noch wird solches von der Antragstellerin geltend gemacht.

II.
Das Verfügungspatent betrifft ein Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider.

Es sind Telefonkarten bekannt, beispielsweise von der deutschen Telekom, die über einen Chip verfügen, auf dem ein bestimmtes Gesprächsguthaben gespeichert ist. Während eines Telefonats, bei dem diese Karte in das Telefon eingesteckt sein muss, werden die verbrauchten Telefoneinheiten von dem Gesprächsguthaben abgezogen und der sich ergebende Restbetrag auf dem Chip gespeichert. Ist das Guthaben verbraucht, so sind diese Karten wegzuwerfen. Eine Auflademöglichkeit sehen diese Karten nicht vor.

Weiter sind wiederaufladbare Telefonkarten bekannt, die –sofern das Gesprächsguthaben verbraucht ist- wieder mit einem neuen Gesprächsguthaben aufgeladen werden können. Hierzu muß der Inhaber einer solchen Karte zu einem speziellen Geschäft gehen, welches über ein Terminal verfügt, an dem das neue Guthaben auf den Chip der Karte gespeichert werden kann. Hieran kritisiert das Verfügungspatent als nachteilig, dass es umständlich ist, zum Aufladen der Karte in ein besonderes Geschäft gehen zu müssen.

Schließlich beschreibt das Verfügungspatent als bekannten Stand der Technik eine sog. Smart-Card (EP 0 623 xxx), die heute als „Geldkarte“ für den bargeldlosen Zahlungsverkehr bekannt ist. Bei diesen Karten hat der Verwender die Möglichkeit, ein Guthaben von seinem Konto auf das spezielle Bargeldkonto der Karte zu übertragen. Der entsprechende Guthabenbetrag wird auf dem auf der Karte befindlichen Chip gespeichert. Mit dieser Karte kann dann an entsprechenden Terminals (Fahrkarten-, Briefmarkenautomaten, spezielle Registrierkassen) bargeldlos gezahlt werden, wobei der jeweils verbrauchte Betrag von dem Guthaben abgezogen wird. Die Aufladetransaktion erfolgt an Automaten, die mit einem Datencenter kommunizieren, welches die erforderlichen Transaktionen veranlasst. Das Guthaben ist hierbei an die Karte gebunden, was zur Folge hat, dass bei einem Verlust der Karte auch das Guthaben verloren ist.

Vor diesem technischen Hintergrund stellt das Verfügungspatent sich die Aufgabe, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, durch das ein vereinfachtes bargeldloses Nachladen des Gesprächsguthabens möglich ist.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 des Verfügungspatents die Kombination der folgenden Merkmale vor:

Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider für Telephoneinheiten eines Teilnehmers einer Prepaidkarte mit folgenden Schritten:

1. Anrufen eines Providers durch den Teilnehmer.
2. An den Provider wird eine Teilnehmernummer des Teilnehmers mitgeteilt.
3. An den Provider wird eine PIN des Teilnehmers mitgeteilt.
4. Durch den Provider wird überprüft, ob die PIN der Teinehmernummer zugeordnet ist.
5. Durch den Provider wird das Gesprächsguthaben des Teilnehmers bei einem Provider um einen bestimmten Betrag aufgestockt.
6. Durch Wählen einer Telephonnummer wird ein Telephonat eingeleitet wobei dies

a) nach dem Mitteilen der Teilnehmernummer
und / oder
b) nach dem Mitteilen der PIN
und / oder
c) nach dem Überprüfen (gem. Merkmal 4)

geschehen kann.

7. Das Aufstocken (des Gesprächsguthabens) erfolgt während des Telephonats.

Durch das erfindungsgemäße Verfahren kann der Anwender jederzeit –auch während eines Telefonats- das Gesprächsguthaben wieder aufladen. Er kann die Karte beliebig lange verwenden und muss sich mit ihr nicht zu besonderen Terminals begeben, um einen Aufladevorgang durchzuführen. Da Gesprächsguthaben und dessen Aufstockung bei dem Provider stattfinden, ist ein Verlust der Karte nicht mit dem Verlust des Guthabens verbunden, da zusätzlich eine PIN verwendet wird, die nur dem Anwender bekannt ist.

III.
1.
a)
Dass die Antragsgegnerin das Verfahren nach dem Verfügungspatent unmittelbar verletzt, indem sie es selber anwendet, steht zwischen den Parteien außer Streit. Zwar ist der eidesstattlichen Versicherung des Herrn A (Anl. ASt 11) nicht zu entnehmen, dass die Merkmale 4 und 5 verwirklicht werden, dies ist aber der Bedienungsanleitung der Antragstellerin nach Anlage ASt 12 zu entnehmen, denn dort ist beschrieben, dass zunächst die Kartennummer eingegeben werden muß (Bl. 2, Ziff. 2), und weiter, dass für die Aufstockung des Gesprächsguthabens eine PIN eingegeben werden muß (Bl. 4,5 im Übergang). Die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Anspruchs 1 wird von der Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt.

Soweit die Antragstellerin beantragt hat, der Antragsgegnerin das Anbieten des Verfahrens zu untersagen, war der Antrag zurückzuweisen. Anbieten im Sinne des § 9 Satz 2 Nr 2 PatG erfasst nur das Anbieten zur Anwendung des Verfahrens selber, wobei die Anwendung im Geltungsbereich des PatG erfolgen muss. Die Angebotshandlungen der Antragsgegnerin gehen hierbei auch über die bloße Beschreibung der Verfahrensführung hinaus. Bei Verfahrenspatenten wird jedoch zusätzlich gefordert, dass sich der Anbietende bei seiner Offerte als Inhaber eines Verbietungsrechtes geriert, welches ihn in den Stand versetzt, eine Benutzungshandlung zu erteilen oder zu verweigern (Benkard, PatG, 9. Aufl., § 9 PatG Rn 51; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 9 PatG Rn 55). Für ein solches Verhalten durch die Antragsgegnerin ist weder dem Vortrag der Antragsgegnerin noch den zur Akte gereichten Anlagen, die die Werbung der Antragsgegnerin wiedergeben, etwas zu entnehmen.

b)
Durch den Vertrieb der Telefonkarten an die Abnehmer, wie sie sich aus der zur Akte gereichten Anlage ASt 9 ergeben, verletzt die Antragsgegnerin das Verfügungspatent auch mittelbar gem. § 10 PatG. Bei diesen Karten handelt es sich um ein wesentliches Element der Erfindung, denn der Abnehmer erhält mit der Karte die Einwahlnummern, um das von der Antragsgegnerin angebotene Verfahren auszuführen, und daneben befinden sich auf diesen Telefonkarten auch die Teilnehmernummern, die für die Verwirklichung des Merkmals 2 erforderlich sind. Die Abnehmer der Antragsgegnerin sind zur Benutzung der Erfindung nicht berechtigt, da sie keine Gestattung der Antragstellerin hierzu erhalten haben. Aufgrund der mitgelieferten Bedienungsanleitung und der Bewerbung durch die Antragsgegnerin weiß der Abnehmer, dass diese Telefonkarten dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung nach dem Verfügungspatent verwendet zu werden. Die Abnehmer der Antragegnerin werden von dieser schließlich auch dazu bestimmt, die Telefonkarten für die Anwendung des geschützten Verfahrens zu benutzen.

2.
a)
Der Einwand der Antragsgegnerin, dass ihr die Nutzung dieses Verfahrens erlaubt sei, da sie die Geschäftsausstattung von dem Insolvenzverwalter der X AG erworben habe, greift nicht durch. Die Antragsgegnerin macht hierzu geltend, in dieser Geschäftsausstattung sei auch die sog. Telefonplattform enthalten gewesen, die das Verfahren technisch umsetze. Der Insolvenzverwalter habe selber die Kunden der X AG angeschrieben und mitgeteilt, dass sie, die Antragsgegnerin, den Geschäftsbetrieb fortsetzen werde.
Lizenznehmer –und damit Berechtigter- ist die X AG gewesen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.4.2004 (ASt 4) ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter übergegangen, § 80 InsO. Nach § 103 ff InsO wirkt der Lizenzvertrag fort, dem Insolvenzverwalter steht lediglich das Recht zu, zwischen Erfüllung und Nichterfüllung des Vertrages zu wählen. Besteht der zwischen der Antragstellerin und der X AG geschlossene Vertrag aber weiter, so ist es der X AG nach Nr. 2.4 untersagt gewesen, die Rechte aus diesem Vertrag an Dritte zu übertragen. Neben dieser vertraglichen Vereinbarung, ist es dem Insolvenzverwalter auch nach der Bestimmung des § 399 BGB verwehrt gewesen, den Lizenzvertrag auf die Antragsgegnerin zu übertragen, denn die Übertragung einer Lizenz auf ein anderes (Konkurrenz-) Unternehmen stellt regelmäßig eine Inhaltsänderung der vereinbarten Lizenz dar, da die Person des Lizenznehmers und dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Bewilligung einer Lizenz von entscheidender Bedeutung sind. Ohne eine Zustimmung der Antragstellerin, die vorliegend nicht behauptet und auch nicht ersichtlich ist, konnte die Antragsgegnerin nicht die Lizenz von der X AG erwerben.

b)
Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass die Firma Y ihrerseits dieses Verfahren bereits seit August 1999 –mithin vor der Anmeldung des Verfügungspatentes- anwende, ist dieser –unsubstantiierte- Vortrag nicht geeignet, sie von dem Verletzungsvorwurf zu entlasten . Es ist den Ausführungen der Y GmbH in der Fax-Mitteilung vom 19.5.2005 (Anl. AG 4) nicht zu entnehmen, dass alle Merkmale des Anspruch 1 mit dem Verfahren der Firma Y bereits seit August 1999 verwirklicht wurden. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Aufstockung eines Guthabens auch während eines Telefonats erfolgen kann / konnte. Vielmehr wird dort –lediglich- bestätigt, dass eine Aufladung extern erfolgen kann und dass zu diesem Zweck in der „Datenbank eine Spalte PIN bzw. Recharge-PIN zur Authentifizierung vorgesehen“ sei. Dies läßt nicht den Schluss zu, dass das patentgeschützte Verfahren der Antragstellerin bereits vor dem Zeitpunkt der Anmeldung des Verfügungspatents angewendet wurde.

IV.
Nachdem die Antragsgegnerin die technische Lehre des Verfügungspatents benutzt hat, ohne hierzu berechtigt zu sein, und mit dem Vertrieb der streitgegenständlichen Telefonkarten das Verfügungspatent mittelbar verletzt, ist sie zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG.

B.

I.
Es ist vorliegend davon auszugehen, dass der Antragsgegnerin ein Verfügungsgrund zur Seite steht. Neben dem zu sichernden Anspruch muss ein Verfügungsgrund vorliegen. Im Grundsatz ist Voraussetzung, dass ohne den vorläufigen Rechtsschutz der Anspruch des Gläubigers vereitelt oder erheblich erschwert würde.

Es ist zunächst davon auszugehen, dass die Antragstellerin das Ihre dafür getan hat, um die Verbietungsrechte zügig durchzusetzen. Zwar können Zweifel bestehen, da die Antragstellerin die einzige Aktionärin der X AG gewesen ist. Die vertretungsberechtigte Verwaltungsrätin W war Aufsichtsrätin der Gemeinschuldnerin. Bereits mit seinem Bericht vom 24.5.2004 (Anl. ASt 5) hat der Insolvenzverwalter darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin die Geschäftsausstattung erworben hat und den Geschäftsbetrieb mit dem ebenfalls übertragenen Kundenstamm fortführen will. Dies auch mit den selben Einwahlnummern. Es erscheint vor diesem Hintergrund fraglich, ob die Antragstellerin, die nach § 156 InsO einen Anspruch darauf hat, dass sie zu dem Bericht des Insolvenzverwalters Stellung nehmen kann und mithin Kenntnis von dem Bericht erhalten kann, tatsächlich erst am 7.3.2005 erstmals von der Nutzung des Verfahrens nach dem Verfügungspatent durch die Antragsgegnerin erfahren hat, wie dies von deren Verwaltungsrat, Frau Dr. Wohlwend, an Eides statt versichert wurde (Bl. 13 d.A.). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Herr A nach eigenem Bekunden bereits seit August 2004 Kenntnis davon hatte, dass die Antragsgegnerin „sein“ Verfahren benutzt. Jedoch hat die Antragsgegnerin die –insoweit- gleichlautenden eidesstattlichen Versicherungen der W und des A, nach denen die Antragstellerin erstmals am 7.3.2005 Kenntnis von dem Vorgang erhielten, nicht in Abrede gestellt. Ist daher von diesem Zeitpunkt auszugehen, so liegt in der Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung nach einem Monat kein die Dringlichkeit ausschließendes langes Zuwarten.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zunächst von Belang, dass die Antragsgegnerin keine Einwände gegen die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents erhebt, so dass die Kammer davon auszugehen hat, dass das vom Deutschen Patent-und Markenamt geprüfte Schutzrecht zu Recht erteilt wurde.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, dass sie den von der X AG übernommenen Geschäftsbetrieb einstellen wolle. Eine sie treffende Unterlassungsverpflichtung, die sich alleine auf dieses Verfahren bezieht, kann sie wirtschaftlich daher nicht gravierend treffen.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte, ist es interessengerecht, im Wege der einstweiligen Verfügung die weitere Nutzung des geschützten Verfahrens durch die Antragsgegnerin in dem zuerkannten Umfang zu untersagen.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Vollstreckung durch die Antragstellerin von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht, §§ 936, 921 ZPO. Damit ist sichergestellt, dass das Urteil keine Vollstrekung unter geringeren Voraussetzungen erlaubt als ein Hauptsacheurteil, welches gemäß § 709 Satz 1 ZPO stets nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar wäre. Die weiteren Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 6, 108 ZPO.
Dem hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag der Antragsgegnerin war nicht zu entsprechen, da sie nichts dazu vorgetragen hat, dass die Vollstrteckung durch die Antragsgegnerin ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, § 712 Abs. 1 ZPO.