4b O 287/04 – Schneidwerkzeuge für endoskopische Geräte II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 412

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. September 2005, Az. 4b O 287/04

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR – ersatzweise Ordnungshaft – und einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin zu vollziehen ist, zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland Vorrichtungen herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines chirurgischen Handstückes einführbar ist, und einer Einrasteinrichtung mit einem federnden Element, das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklinken-Struktur aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche des chirurgischen Handstückes innerhalb der Bohrung verriegelnd in Eingriff bringbar ist, wobei das federnde Element einen einseitig befestigten Arm umfasst und die Einrasteinrichtung weiterhin ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm angebracht ist,

wobei die Vorrichtung ferner die Nabe eines chirurgischen Instrumentes aufweist und mit einem äußeren Element versehen ist, das mit dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes erstreckt, und die Vorrichtung ein inneres Element besitzt, welches an seinem distalen Ende ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem äußeren Element rotierbar ist, und mit einer Antriebswelle, die mit dem inneren Element zwecks Rotieren desselben verbunden ist;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 9.04.2000 begangen haben und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, Lieferzeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den unter 1. bezeichnete Vorrichtungen unmittelbar zugeordnet werden,

w o b e i

– die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu a) und b) die zugehörigen Bestell-, Lieferscheine sowie Rechnungen vorzulegen haben;

– den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr selbst durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 25.05.2004 begangenen Handlungen und der der A Inc., in M, Tennessee, USA, durch die zu I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 9.04.2000 bis 24.05.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 500.000,– EUR vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert wird auf 500.000,– EUR festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist seit dem 25.05.2004 ausschließliche Lizenznehmerin an dem deutschen Teil des europäischen Patents 0 866 xxx, dessen Erteilung am 14.01.2004 veröffentlicht worden ist, sowie des parallelen Gebrauchsmusters 296 23 xxx, das am 9.03.2000 bekannt gemacht wurde. Beide Schutzrechte nehmen Unionsprioritäten vom 31.10.1995 und 10.04.1996 in Anspruch und betreffen ein chirurgisches Handinstrument. Die im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierenden Ansprüche 1 und 13 der Klageschutzrechte haben folgenden Wortlaut:

1. Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110) eines chirurgischen Handstückes (100) einführbar ist, und eine Einrasteinrichtung (310) mit einem federnden Element (315), das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklinken-Struktur (330) aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche (620) des chirurgischen Handstückes (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff bringbar ist, wobei das federnde Element einen einseitig befestigten Arm (315) umfasst und die Einrasteinrichtung (310) weiterhin ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil (§ 325) aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm (315) angebracht ist.

13. Nabe (320) eines chirurgischen Instrumentes (300), die die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 aufweist und ferner versehen ist mit einem äußeren Element (370), das mit dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes (370) erstreckt, einem inneren Element (375), welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element (375) innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem äußeren Element (370) rotierbar ist, und eine Antriebswelle (350), die mit dem inneren Element (375) zwecks Rotieren desselben verbunden ist.

Die nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen den Gegenstand der Klageschutzrechte anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei Figur 1 das chirurgische Handstück,

Figur 6a das in das Handstück einzuführende chirurgische Instrument,

und die Figuren 6b und 6c den Nabenbereich und die Einrasteinrichtung des chirurgischen Instrumentes zeigen.

Die Beklagte zu 1), zu deren gesetzlichen Vertretern der Beklagte zu 2) gehört, stellt her und vertreibt chirurgische Schneidwerkzeuge, wie sie aus der nachfolgenden Übersicht (Anlage K 8, Bl. 3) ersichtlich sind.

Die konstruktiven Einzelheiten dieser Shaverblades erschließen sich aus den nachstehend eingeblendeten Abbildungen (Anlage K 9, Bl. 2 und 3; und Anlage B 1).

Die angegriffenen Gegenstände werden mit und ohne Magneten hergestellt und vertrieben.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass beide Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch machen. Vorliegend nimmt sie die Beklagten deshalb aus dem Gesichtspunkt der Patent- und Gebrauchsmusterverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch, wobei sie sich für die aus Benutzungshandlungen vor dem 25.05.2004 resultierenden Ansprüche auf eine Abtretungserklärung der Patentinhaberin – A Inc., in M ,Tennessee, USA – vom 16.08.2005 (Anlage K 18) beruft.

Die Klägerin beantragt,

sinngemäß wie erkannt.

Die Beklagte zu 1) hat gegen das Klagepatent Einspruch erhoben, über den derzeit noch nicht entschieden ist.

Die Beklagten beantragen,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Einspruchsentscheidung auszusetzen.

Sie bestreiten den Vorwurf der Patentverletzung unter Hinweis darauf, dass die angegriffenen Schneidwerkzeuge wegen der Spiralfeder nicht über ein „federndes Element“ verfügten, „das einen einseitig befestigten Arm umfasse“. Darüber hinaus – so meinen die Beklagten – sei die geltend gemachte Kombination der Ansprüche 1 und 13 auch nicht schutzfähig. Ihr fehle angesichts des vorbekannten Standes der Technik, wie er sich aus dem US-Patent 4 705 038 (= EP 0 189 807) und der US-Patentschrift 3 072 938 ergebe, an der erforderlichen Erfindungshöhe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Die angegriffenen chirurgischen Schneidwerkzeuge verletzen die Klageschutzrechte wortsinngemäß. Da die geltend gemachte Kombination der Ansprüche 1 und 13 schutzfähig ist, insbesondere auf einem erfinderischen Schritt beruht, sind die Beklagten der Klägerin im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung und zum Schadenersatz verpflichtet.

I.

Die Klageschutzrechte betreffen ein chirurgisches System, das zum Beispiel für Arthroskopieeingriffe verwendet wird und aus einem chirurgischen Handstück (vgl. Figur 1) und verschiedenen chirurgischen Geräten (vgl. Figur 6a) besteht, wobei die chirurgischen Geräte lösbar mit dem Handstück verbunden werden, um je nach Bedarfsfall das geeignete Gerät zum Einsatz bringen zu können.

Aufgabe der Klageschutzrechte ist es, das Manipulieren von chirurgischen Handstücken und darin befindlichen Instrumenten so leicht und problemfrei wie möglich zu gestalten.

Zur Lösung dieser Problemstellung sehen die in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1 und 13 der Klageschutzrechte für das chirurgische Instrument folgende Merkmalskombination vor:

(1) Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110) eines chirurgischen Handstückes (100) einführbar ist.

(2) Die Vorrichtung weist eine Einrasteinrichtung (310) auf.

(a) Die Einrasteinrichtung (310) besitzt

(aa) ein federndes Element (315) und
(bb) ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil (325).

(b) Das federnde Element (315)

(aa) ist mit dem Körper verbunden,
(bb) weist eine Einrastklinken-Struktur (330) auf und
(cc) umfasst einen einseitig befestigten Arm (315).

(c) Die Einratklinken-Struktur (330) ist so ausgebildet, dass sie mit einer Fläche (620) des chirurgischen Handstückes (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff bringbar ist.

(d) Das manipulierbare Freigabeteil (325) ist an dem einseitig befestigten Arm (315) des federnden Elements (315) angebracht.

(3) Die Vorrichtung weist die Nabe (320) eines chirurgischen Instruments (300) auf.

(a) Die Nabe (320) ist versehen mit

(aa) einem äußeren Element (370)
(bb) einem inneren Element (375) und
(cc) einer Antriebswelle (350).

(b) Das äußere Element (370)

(aa) ist mit dem Körper verbunden.
(bb) erstreckt sich vom Körper zu einer gewebeaufnehmenden Öffnung am distalen ende des äußeren Elements (375).

(c) das innere Element (375)

(aa) weist an seinem distalen Ende ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden auf,
(bb) ist innerhalb des äußeren Elements (370) angeordnet und
(cc) gegenüber dem äußeren Element (370) rotierbar.

(d) Die Antriebswelle (350) ist mit dem inneren Element (375) – zwecks Rotierenden des inneren Elements (375) – verbunden.

II.

Die angegriffenen chirurgischen Schneidwerkzeuge der Beklagten machen von der vorstehenden Merkmalskombination wortsinngemäß Gebrauch. Zwischen den Parteien ist dies weitestgehend unstreitig und bedarf deshalb nur im Hinblick auf das Merkmal (2b cc) näherer Erörterung.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass das besagte Merkmal, wonach das federnde Element einen einseitig befestigten Arm umfasst, voraussetzt, dass der Arm als solcher eine Elastizität aufweist, die ihn – ohne jede weitere Hilfsmittel – zu einem federnden Bauteil macht. Hieran fehle es bei den angegriffenen Ausführungsformen, weil der Einrastbügel mit einer Spiralfeder zusammenwirke, die für die federnde Auf- und Abwärtsbewegung des Einrastbügels verantwortlich sei.

Dieser Interpretation ist zu widersprechen. Bereits der Anspruchswortlaut verlangt lediglich, dass ein einseitig befestigter Arm vorhanden ist, der als federndes Element wirkt. Auf welche Weise dem – bei den angegriffenen Ausführungsformen unbestreitbar vorhandenen – Arm die federnde Wirkung vermittelt wird, überlassen die Klageschutzrechte dem freien Belieben des Fachmanns. Eine Lösung, bei der die Federwirkung des einseitig befestigten Arms auf der Materialauswahl beruht, unterfällt deshalb ebenso dem Anspruchswortlaut wie eine Konstruktion, bei der die Rückstellung des Armes durch eine gesonderte Feder unterstützt wird. Folgerichtig stellt auch der Beschreibungstext die zuletzt genannte Variante als erfindungsgemäß heraus. Mit Bezug auf Figur 11a der Klageschutzrechte heißt es auf den Seiten 27/28 der Klagegebrauchsmusterschrift:

„Gemäß den Figuren 11 a und 11 b kann der Einrast-Mechanismus auch mit einem federbeaufschlagten Schieber (1100) versehen sein, der in einer Einziehung (1105) in der Nabe (1110) des chirurgischen Instrumentes angeordnet ist. Eine Feder (1115) könnte als getrenntes Teil ausgebildet oder mit dem Schieber (1100) geformt sein.“

III.

Die sich aus den Ansprüchen 1 und 13 ergebende Merkmalskombination beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1.
Den nächstliegenden Stand der Technik bildet die US-Patentschrift 4 705 038 (= EP 0 189 807) aus dem Jahr 1986.

Die Schrift offenbart – wie die nachfolgende Figur 1 der Entgegenhaltung verdeutlicht –

ein chirurgisches System, bestehend aus einem Handstück (10) mit Aufnahmebohrung, verschiedenen chirurgischen Geräten (12, 14, 16) und zugehörigen rotierenden Spitzen (25 – 31). Wenngleich zu jedem chirurgischen Gerät (12, 14, 16) bevorzugt mehrere rotierbare Spitzen (25 – 31) vorgesehen sind, belehrt die Schrift den Fachmann doch ausdrücklich darüber, dass er anstelle jeweils eines chirurgischen Gerätes (12, 14, 16) mit jeweils mehreren auswechselbaren Spitzen (25 – 27; 28 – 29; 30 – 31) auch eine Anordnung vorsehen kann, bei der jedem chirurgischen Gerät (12, 14, 16) fest eine bestimmte rotierende Spitze zugeordnet ist, d.h. die eine rotierbare Spitze mit dem chirurgischen Gerät zu einer integralen Baueinheit zusammengefasst wird (Anspruch 16; S. 13 Zeilen 17 – 19).

Eine derartige Ausführungsform zeigt bereits die Merkmale (1) und (3) der Klageschutzrechte:

– Der aus den chirurgischen Geräten (12, 14, 16) und einer rotierenden Spitze (25-27; 28-29; 30-31) zusammengesetzte Gegenstand bildet eine Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (22) eines chirurgischen Handstücks (10) einführbar ist (Merkmal 1).

– Das chirurgische Gerät (z.B. 12,25) weist die Nabe eines chirurgischen Instrumentes nach Maßgabe der Merkmalsgruppe (3) auf:

Innerhalb der Baueinheit aus chirurgischem Gerät (z.B. 12) und Spitze (z.B. 25) stellt die Spitze (25) das rotierende Vorrichtungsteil dar. Es handelt sich damit, weil es von dem chirurgischen Gerät (z.B. 12) aufgenommen wird, um ein inneres Element, welches an seinem distalen Ende ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, innerhalb eines äußeren Elementes (nämlich dem chirurgischen Gerät 12) angeordnet und gegenüber diesem äußeren Element (12) rotierbar ist. Umgekehrt bildet das chirurgische Gerät (12) ein äußeres Element, das mit dem Instrument dem Körper verbunden ist und sich zu einer gewebeaufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elements (12) erstreckt. Damit die Spitze (25) innerhalb des chirurgischen Gerätes (12) rotieren kann, muss eine Antriebswelle vorhanden sein, die mit der Spitze (25) verbunden ist. Aus der geschilderten Anordnung folgt sogleich, dass die aus rotierender Spitze (25) und chirurgischem Gerät (12) gebildete Einheit als Nabe wirkt, nämlich als zentrales Teil, das die Bewegung der Spitze über ein Lager ermöglicht.

Die Merkmalsgruppe (2), die sich mit der Verrastung des chirurgischen Instrumentes im Handstück befasst, ist demgegenüber nur zu geringen Teilen offenbart. Zwar kennt auch die EP 0 189 807 eine verrastende Verbindung; zu ihr ist auf Seite 6 Zeile 26 bis Seite 7 Zeile 1 ausgeführt:

„Man wende das gewünschte chirurgische Gerät, zum Beispiel das Shaver-Cutter-Gerät 12, führe das Handstück 10 und das Gerät 12 zusammen, wobei das Handstück so zu orientieren ist, dass sein Teilschlitz 60 zu sehen ist. Das Gerät 12 wird so ausgerichtet, dass sein Teil 62 sichtbar ist. Das Gerät ist so in das Handstück einzuführen, dass sich der Keil in den Schlitz fügt. So weit hineindrücken, bis ein Klicken zu hören ist. Soll ein chirurgisches Gerät entfernt werden, so ist der Keil nach unten zu drücken und das Gerät gleichzeitig aus dem Handstück zu ziehen.“

Die nachstehend eingeblendeten Figuren 3 und 4a verdeutlichen diese Ausführungen.

Ausweislich dieser Offenbarungsstellen ist das Rastelement ein am chirurgischen Gerät (z.B. 12, 25) angeformter Keil (62) vorgesehen, der mit einem Keilschlitz (60) am Handstück (10) in der Weise zusammenwirkt, dass der Keil in den Keilschlitz einklicken und aus dem Keilschlitz herausbewegt werden kann. Damit solches möglich ist, muss entweder der Keil oder das den Keilschlitz umgebende Material elastisch sein, d.h. federnd verformt werden können. Von beiden grundsätzlich denkbaren Varianten offenbart die Schrift dem Fachmann konkret die zuerst genannte, weil für den Fall des Lösens von Gerät und Handstück vorgesehen ist, dass der Keil (der somit federnd sein muss) nach unten gedrückt werden soll.

Das in das Handstück einzusetzende chirurgische Gerät (z.B. 12, 25) weist somit eine Einrasteinrichtung mit einem federnden Element (in Gestalt des Keils 62) auf, das mit dem Instrumentenkörper verbunden und so ausgestaltet ist, dass es mit einer Fläche des Handstücks innerhalb der Bohrung verriegelnd in Eingriff bringbar ist.

Der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen ist hingegen,

– dass das federnde Element als „Einrastklinken-Struktur“ ausgebildet ist, die einen „einseitig befestigten Arm“ umfasst;

– ein „durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil“, welches „an dem einseitig befestigten Arm des federnden Elementes angebracht ist“.

Soweit die Beklagten im Verhandlungstermin vom 25.08.20005 geltend gemacht haben, in dem herunterdrückbaren Keil (62) als solchem sei ein erfindungsgemäßes Freigabeteil zu sehen, ist dem zu widersprechen. Das Freigabeteil hat erfindungsgemäß die Aufgabe, den Verriegelungsmechanismus im Sinne einer Betätigungsmöglichkeit freizugeben bzw. zu sperren, um eine unbeabsichtigte Bedienung der Verriegelung zu verhindern. Die federnde Rastnase des mit dem Keilschlitz (60) zusammenwirkenden Keils (62) kann solches offensichtlich nicht leisten.

Zu Unrecht sind die Beklagten auch der Auffassung, dass sich die vorstehend genannten Merkmale dem Fachmann naheliegend insbesondere aus der im Jahre 1963 veröffentlichten US-Patentschrift 3 072 938 erschließen.

Wie die nachfolgenden Abbildungen dieser Schrift (Figuren 2, 3 und 5) erkennen lassen,

handelt es sich um eine elektrisch betriebene Zahnbürste. Es ist bereits äußerst fraglich, ob die entgegengehaltene Druckschrift nicht so weit vom Erfindungsgegenstand entfernt ist, dass ein Fachmann sie von vornherein nicht in seine Überlegungen zur Verbesserung eines chirurgischen Instrumentes einbeziehen wird. Selbst wenn der Fachmann die US-Patentschrift 3 072 938 jedoch zur Kenntnis nimmt, kann er sich von ihr angesichts des gegebenen Offenbarungsgehaltes keine brauchbaren Anregungen zur Lösung des den Klageschutzrechten zugrundeliegenden Problems erwarten. Der Erfindung geht es um eine sichere Verrastung des chirurgischen Instrumentes im Handstück, weswegen die Einrasteinrichtung mit einem besonderen Freigabeteil versehen ist, das vom Benutzer eigens zu betätigen ist, um die Verrastung lösen zu können. Die US-Patentschrift 3 072 938 betrifft demgegenüber eine Zahnbürste, deren Anliegen genau gegenteilig ist, nämlich dahin geht, die Verrastungseinrichtung so auszubilden, dass die Verrastung auf besonders leichte Weise aufgehoben wird, nämlich immer dann, wenn das Ende des Bürstenstiels von der Hand irgendwie umfasst wird. Abgesehen von diesem Gesichtspunkt ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klageschutzrechte das federnde Rastelement ebenso wie das äußere Nabenelement als mit dem Instrumentenkörper verbundenes Teil vorsehen, was bedeutet, dass der Rastarm an einem stationären, im Betrieb nicht bewegten Teil angeordnet ist. Im völligen Gegensatz dazu ist das federnde Rastelement der Entgegenhaltung Teil der bewegten Anordnung. All dies spricht dagegen, dass der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung in naheliegender Weise zu der Merkmalskombination der Ansprüche 1 und 13 der Klageschutzrechte hätte gelangen können. Eine weitere Stütze findet dies in der Tatsache, dass die Entgegenhaltungen aus den Jahren 1963 und 1986 datieren und es bis zur Anmeldung des Gegenstandes der Klageschutzrechte beinahe weitere 10 Jahre (bis 1995) gedauert hat.

2.
Alle weiteren Entgegenhaltungen liegen noch weiter entfernt und können deshalb der Schutzfähigkeit der Erfindung ebenfalls nicht entgegenstehen.

IV.

Da die Beklagten von den Klageschutzrechten widerrechtlich Gebrauch gemacht haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG, § 24 Abs. 1 GebrMG) und, da ihnen ein mindestens fahrlässiges Verschulden zur Last fällt, außerdem zum Schadenersatz (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG, § 24 Abs. 2 GebrMG) verpflichtet. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Verletzungshandlungen zu legen (Art. 64 EPÜ, § 140 b PatG, § 24 b GebrMG, §§ 242, 259 BGB), was auch die Vorlage von Belegen einschließt (OLG Düsseldorf, Urt. vom 28.04.2005 – I – 2 O 110/03 – Faltenbalg).

Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich bei allem für die Zeit seit dem 25.05.2004 aus ihrer Stellung als ausschließliche Lizenznehmerin an den Klageschutzrechten, für die Zeit davor aus der Abtretungserklärung vom 16.08.2005.

V.

Aus den unter III. dargelegten Gründen steht nicht zu erwarten, dass das Klagepatent im Einspruchsverfahren widerrufen oder in einem Umfang beschränkt werden wird, dass die geltend gemachte Kombination der Ansprüche 1 und 13 keinen Bestand mehr hat. Eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits kommt deswegen nicht in Betracht.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 108 ZPO.