4b O 366/04 – Fugenband

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 420

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. November 2005, Az. 4b O 366/04

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

kaltverlegbare Fugenbänder zur Verwendung im Straßenbau, bestehend aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, das auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen.

II.
Die Beklagte wird weiter verurteilt,
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 3. Oktober 1997 begangen hat, und zwar unter Angabe

a)
der Menge der hergestellten Erzeugnisse;

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten und -preisen (und Produktbezeichnung) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer; wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und Produktbezeichnung) sowie der Namen und Anschriften der einzelnen Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei die Angaben zu Ziffer e) nur für den Zeitraum ab dem 30.01.1999 zu machen sind.

III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a)
der Klägerin für die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten, in der Zeit vom 03.10.1997 – 29.01.1999 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

b)
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 30.01.1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

V.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 1.000.000,– € vorläufig vollstreckbar.

VI.
Der Streitwert wird auf 1.000.000,– € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 792 xxx (Klagepatent; Anlage K 1), dessen Anmeldung am 03.09.1997 und dessen Erteilung am 30. Dezember 1998 veröffentlicht wurde. Gegen den deutschen Teil des Klagepatents hat die Beklagte Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben, die unter dem Az. 4 Ni 34/05 (EU) geführt wird und über die das BPatG noch nicht entschieden hat.

Das Klagepatent betrifft ein kalt verarbeitbares Fugenband und war Gegenstand eines Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt (EPA). Das EPA hat den Hauptanspruch mit geringfügigen Änderungen aufrechterhalten. Der Patentanspruch hat nach der Einspruchsentscheidung folgenden Wortlaut:

1. Kaltverlegbares Fugenband zur Verwendung im Straßenbau, bestehend aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, das auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist.

Die Patentansprüche 2. bis 7. beziehen sich auf Ausführungsbeispiele hinsichtlich der Dicke der Kleberschicht und verschiedener Zusammensetzungen des Klebers.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein Fugenband, das sie als „XY“ bezeichnet und von dem die Klägerin als Anlage B&B 9 ein Musterstück zur Akte gereicht hat. In der zugehörigen Produktinformation (Stand 03/98), die die Klägerin als Anlage B&B 8 zur Akte gereicht hat, beschreibt die Beklagte das angegriffene Produkt als „Schmelzbares Bitumen-Fugenband mit Montagehilfe auf Basis Bitumen“ und führt unter „Eigenschaften“ u.a. aus:
„Das Fugenband ist mit einer speziellen Bitumenklebeschicht als Montagehilfe versehen. Dadurch kann die Erwärmung des Fugenbandes mittels Flamme sowie der Einsatz von Voranstrich entfallen.“
Unter „Verarbeitung“ heißt es auszugsweise:
„Das Fugenband wird nach der Entnahme aus dem Karton mit der Trennpapierseite nach oben entlang der Kante ausgelegt. Anschließend wird das Trennpapier entfernt und das Fugenband z.B. unter Verwendung eines Spachtels mit der Klebeseite an die Flanke gedrückt. Durch die Klebeschicht haftet das Fugenband vollflächig an der Flanke. Der feste Verbund wird durch den Mischguteinbau erzeugt.“

Die Klägerin ist der Ansicht, das Fugenband der Beklagten mache widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,
sinngemäß zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall des Unterliegens Vollstreckungsschutz gemäß § 712 ZPO zu gewähren,
2. weiter hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 0 792 xxx erhobene Nichtigkeitsklage.

Die Beklagte stellt den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede und macht geltend: Die angegriffene Ausführungsform bestehe nicht aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, weil sie – wie unstreitig ist – zu 25-30% mineralische Füllstoffe aufweise. Bitumen mit mineralischen Füllstoffen werde aber als Asphalt oder Mischgut bezeichnet, wie auch das Klagepatent in Absatz [0001] zwischen Asphalt und Bitumen unterscheide. Die angegriffene Ausführungsform weise zudem keine gesonderte Kleberschicht auf, sondern sei vielmehr mit einer „Schmelzbeschichtung“ versehen.

Abgesehen vom fehlenden Benutzungstatbestand werde sich das Klagepatent auch im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, was den hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag rechtfertige.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten und dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache gerechtfertigt.

Mit der Herstellung und dem Vertrieb des angegriffenen „XY“ macht die Beklagte widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie ist gegenüber der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet. Anlass, den Verletzungsrechtsstreit einstweilen auszusetzen, besteht nicht.

I.

Das Klagepatent betrifft ein kalt verlegbares Fugenband zur Verwendung im Straßenbau, bestehend aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, das auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist.

Der Klagepatentschrift zufolge werden Fugenbänder im Straßenbau zur Herstellung von Nähten (Verbindung von Mischgut mit vergleichbaren Eigenschaften) und Anschlüssen (Verbindung von Mischgut mit unterschiedlichen Eigenschaften) verwendet. Aufgrund der Beanspruchungen aus Verkehr und Klima sind die Anforderungen an die Nähte sehr hoch, wobei diese wasserdicht sein sollen und es gelte, mehr Bitumen als bisher an die Flanke zu bringen. Insbesondere bei Anschlüssen müsse es das Ziel sein, eine Höchstmenge an Bitumen zu plazieren. Dieses Problem sei bisher dadurch gelöst worden, dass vor dem Einbringen der neuen Asphaltdeckschicht die Flanke der alten Asphaltdeckschicht mit einer bitumenhaltigen Grundierung gestrichen wurde und anschließend ein vorgefertigtes Bitumenfugenband an die Flanke angelegt wurde, wobei dieses zum Bewirken einer Haftung zuvor mit einer Propanflamme angewärmt und danach angedrückt worden sei.

Ausgehend von dieser Problemstellung stellt die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung nach dem Klagepatent heraus, ein Fugenband und ein Verfahren zu schaffen, das eine kalte Verlegung, d.h. ohne Zuhilfenahme einer Flamme, ermöglicht.

Dies wird durch ein Fugenband mit den Merkmalen des Anspruchs 1 erreicht, das den Vorteil hat, dass beim Verlegen an der Nahtflanke auf die Anwendung einer Propanflamme verzichtet werden kann, da bereits durch das Andrücken des Fugenbandes an die Nahtflanke die erforderliche Haftung erzielt wird. Patentanspruch 1 enthält diesbezüglich die nachfolgenden Lösungsmerkmale:

1. Fugenband zur Verwendung im Straßenbau.

2. Das Fugenband ist kalt verlegbar.

3. Das Fugenband besteht aus polymervergütetem Straßenbaubitumen.

4. Das Fugenband ist auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden.

II.

Unstreitig macht das „X“ der Beklagten von den Merkmalen 1 und 2 Gebrauch. Entgegen der Auffassung der Beklagten verletzt die angegriffene Ausführungsform auch die übrigen Merkmale des Klagepatents wortsinngemäß.

1. Die angegriffene Ausführungsform besteht aus polymervergütetem Straßenbaubitumen im Wortsinne des Merkmals 3 des Klagepatents. Wie die Klägerin selbst vorträgt, besteht die angegriffene Ausführungsform zu 70-74 Gewichts-% aus polymervergütetem Straßenbaubitumen und zu 25-30 Gewichts-% aus mineralischen Füllstoffen.

Aus dem reinen Wortlaut des Anspruchs ist das von der Beklagten vorgetragene Verständnis, das Fugenband solle ausschließlich aus Straßenbaubitumen zusammengesetzt sein, zwar keineswegs ausgeschlossen. Das Adjektiv ‚bestehend aus‘ wird vielfach auch in dem Sinn gebraucht, der beschriebene Gegenstand sei ausschließlich aus dem bezeichneten Stoff hergestellt, dieser bilde den einzigen Bestandteil. Dieses Verständnis mag auch bei bloßem Lesen des Patentanspruches 1 naheliegen. Im Sinne dieses Verständnisses kommt hinzu, dass die Klagepatentschrift in Absatz [0001] zwischen Bitumen und Asphalt unterscheidet und der Leser daraus schließen mag, dass diese Unterscheidung im folgenden Text des Klagepatents fortgelte, und Bestandteil des Fugenbandes eben Bitumen und gerade nicht Asphalt sein soll. Anerkanntermaßen ist jedoch bei dem gewählten Wortlaut nicht stehenzubleiben; vielmehr bildet die Patentschrift ihr eigenes Lexikon und ist aus sich heraus auszulegen. Weichen die von der Patentschrift benutzten Begriffe vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch ab, so ist nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgebend (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Begriffe in den Patentansprüchen sind demnach so zu deuten, wie der angesprochene Fachmann sie nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung versteht (BGH GRUR 2001, 232 – Brieflocher)

Die Auslegung führt – wie nachfolgend dargelegt wird – zu dem Ergebnis, dass die technische Lehre des Patents kein Straßenbaubitumen im engen Sinne der DIN 1995 Teil 1 bzw. DIN 55946 verlangt und das Band selbst weitere Bestandteile, insbesondere mineralische Füllstoffe, enthalten kann. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Patentschrift den Begriff „Straßenbaubitumen“ nicht näher definiert und sich auch nicht zur stofflichen Zusammensetzung des Fugenbandes verhält.

Die Aufgabe, deren Lösung die technische Lehre des Patents anbietet, ist in der Klagepatentschrift korrespondierend mit dem objektiv der Klagepatentschrift zu entnehmenden Erfindungsziel zutreffend dahingehend beschrieben, dass ein Fugenband und ein Verfahren geschaffen werden soll, das eine kalte Verlegung, d.h. ohne Zuhilfenahme einer Flamme, ermöglicht. Dabei stellt die Klagepatentschrift – abgesehen vom Anspruch 1 – an keiner Stelle bestimmte Anforderungen an die stoffliche Beschaffenheit des Fugenbandes. Der angesprochene Fachmann wird sich daher diesbezüglich nach dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck dieses Merkmals richten (BGH GRUR 1999, 909 [911]).

In der Beschreibung wird in Absatz [0001] allgemein von Fugenbändern gesprochen und deren Verwendung im Straßenbau geschildert. Bei der Darstellung des Standes der Technik in Absatz [0003] ist davon die Rede, bisher sei die Flanke der bestehenden Asphaltdeckschicht mit einer bitumenhaltigen Grundierung vorgestrichen und anschließend ein vorgefertigtes Bitumenfugenband an die Flanke angelegt und angedrückt worden, nachdem dieses zuvor mit einer Propanflamme angewärmt worden sei. Dieser Vorgang soll bei einer der technischen Lehre des Klagepatents entsprechenden Ausführung durch die gesonderte Kleberschicht ersetzt werden; hingegen wird nicht geäußert, dass die Zusammensetzung der hinlänglich bekannten Fugenbänder dafür geändert werden soll oder muss und diese insbesondere keine mineralischen Füllstoffe enthalten sollen oder dürfen. Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung bestritten, dass Fugenbänder, wie die Klägerin behauptet, wegen der erforderlichen Formstabilität auf Füllstoffe angewiesen sind. Unbestritten ist aber geblieben, dass die auf dem Markt üblicherweise erhältlichen Fugenbänder, von denen die Klägerin dreißig untersucht hat, sämtlich mineralische Füllstoffe in unterschiedlichen Anteilen enthalten. Dies rechtfertigt sich auch daraus, dass ein reines Bitumenband teuer ist und die optimale Zusammensetzung eine Abstimmung verschiedener Parameter erfordert, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat. Zudem verwendet auch die Beklagte in ihrem Patent EP 1 023 xxx allgemein den Begriff „Bitumen-Fugenband“ für im wesentlichen aus Bitumen bestehende Bandprofile, die, wie sich dort aus Absatz [0002] ergibt, auch mineralische Füllstoffe enthalten können. Dies belegt den Sprachgebrauch des praktisch arbeitenden Fachmanns, der sich offensichtlich nicht an der Nomenklatur der DIN-Vorschriften orientiert, sondern als Bitumen-Fugenband auch solche Materialien bezeichnet hat, die neben einem Bitumenanteil auch andere Zusätze beinhalten.

Im Hinblick auf die Beschaffenheit geht der angesprochene Fachmann bei verständigem Lesen der Patentschrift daher davon aus, dass es sich bei dem Fugenband um ein bekanntes, marktübliches Fugenband handeln soll, das sich davon lediglich durch die gesonderte Kleberschicht unterscheidet. Dass diese Kleberschicht gerade eine Beschaffenheit des Fugenbandes aus polymervergütetem Straßenbaubitumen erfordert und mineralische Bestandteile ausschließt, wird weder in der Klagepatentschrift beschrieben, noch trägt die Beklagte dies vor.

In Absatz [0002] der Beschreibung wird zwar gefordert, dass es gelte, mehr Bitumen als bisher an die Anbindungsflanke zu bringen bzw. eine Höchstmenge an Bitumen bei Anschlüssen zu plazieren. Diese Beschreibung bezieht sich aber auf die Zeit vor Bekanntwerden der Fugenbänder. Dies ergibt sich aus Absatz [0003], der damit eingeleitet wird, dieses Problem (einer Höchstmenge an Bitumen im Nahtbereich) sei bisher durch den im folgenden beschriebenen Stand der Technik gelöst worden, der darin bestand, dass ein Bitumenanstrich zur Grundierung auf die Flanke aufgetragen und danach ein Bitumen-Fugenband aufgebracht wurde. Auch im weiteren zieht die Klagepatentschrift ausdrücklich keine Schlüsse im Hinblick auf die Zusammensetzung des Fugenbandes, noch ist eine Erhöhung des Bitumenanteils im Fugenband Aufgabe des Patents. Wie bereits ausgeführt, lehrt das Klagepatent vielmehr eine besondere, nämlich die kalte Verlegung eines Fugenbandes. Dies ergibt sich auch aus der im folgenden Absatz beschriebenen Problemstellung, wonach bei der bisher bekannten Verlegung mithilfe einer Flamme sehr sorgfältig gearbeitet werden müsse, um Lücken zu vermeiden. Dieses Problem soll durch die vom Klagepatent angebotene Lösung in Form der Methode der Verlegung reduziert werden, nicht aber durch eine Änderung des Gegenstandes der Verlegung. Insofern kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht davon gesprochen werden, die Beifügung mineralischer Füllstoffe schade der zu erzielenden Höchstmenge an Bitumen.

Schließlich erwähnt die Patentschrift im Absatz [0004] als Entgegenhaltung das Gebrauchsmuster DE-U-9313030.9 (Anlage B&B 4), das ebenfalls ein Bitumenband lehrt, das einen Anteil von mineralischem Material (Schiefer- oder Kalksteinmehl) enthält.

Soweit die Beklagte geltend macht, das „XY“ mache auch deshalb nicht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, weil mehr als 50% des Bitumenanteils nicht polymervergütet seien, sondern es sich vielmehr um Oxidbitumen handele, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung. Polymervergütet bedeutet lediglich, dass dem Bitumen Polymere zugesetzt werden. Die Begriffe Straßenbaubitumen, Oxidbitumen und Polymervergütung stehen dabei nicht in einem Ausschlussverhältnis zueinander, sondern bezeichnen unterschiedliche Aspekte, nämlich die Verwendung, das Herstellungsverfahren und die Zufügung von Additiven. Die Behauptung der Beklagten vertretenen Auffassung, eine Polymervergütung sei nur bei einem Verzicht auf mineralische Füllstoffe sinnvoll, weil letztere die durch die Polymervergütung erreichten Effekte wieder zunichte machten, ist gänzlich pauschal und wird bereits durch die angegriffene Ausführungsform und deren vorteilhafte Wirkungen widerlegt.

2. Die angegriffene Ausführungsform ist auch „auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden“. Das „XY“ enthält eine Kleberschicht in Form der von der Beklagten sogenannten Schmelzbeschichtung, die das genannte Merkmal des Klagepatents wortsinngemäß verletzt.

a) Die Kleberschicht stellt eine Verletzung des Klagepatents dar, da sie dem Anbringen des Fugenbandes an der Flanke des bereits verlegten Altmaterials dient. Entsprechend dem vorstehend geschilderten Verständnis von der Aufgabe, die die technische Lehre des Klagepatents löst, bezweckt die gesonderte Kleberschicht die Anhaftung des Fugenbandes an der Nahtflanke. Entgegen der Auffassung der Beklagten dient diese nicht dazu, die innige (endgültige) Verbindung des Fugenbandes mit der Nahtflanke herzustellen, sondern (lediglich) zur Montage vor dem Einbringen des heißen Mischgutes. Die Klagepatentschrift spricht in Absatz [0007] (S.2, Z. 47) davon, mit dem Kleber eine Haftung zwischen Fugenband und Nahtflanke zu erreichen. Darauf bezogen ist sodann in Z. 48 von den gestellten Anforderungen an die Haftung und Dichtigkeit die Rede, welche sich auf die bisherige Verfahrensweise beziehen. Für die Annahme der Beklagten, die endgültige Verbindung werde bereits durch das Andrücken der Kleberschicht erreicht, besteht kein Raum. Wie bereits ausgeführt, liegt der technischen Lehre die Aufgabe zugrunde, die kalte Verlegung eines Fugenbandes, d.h. ohne Zuhilfenahme einer Flamme, zu ermöglichen. Das nach dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Anmeldung des Klagepatents erforderliche Erwärmen des Fugenbandes mithilfe einer Propanflamme dient aber nicht dem Herstellen der endgültigen Verbindung in der Naht oder dem Anschluss. Zutreffend und unbestritten stellt die Klägerin dar, dass dies nur der erste von zwei Arbeitsschritten ist, dem noch das Einbringen des Mischgutes folgt. Das Anbringen oder Anheften verfolgt den Zweck, das Fugenband bis zum Einbringen des Mischgutes an der vorgesehenen Stelle zu halten. Erst die vom Mischgut ausgehende Hitze führt dann zum Verschmelzen und damit zur endgültigen Verbindung. Die technische Lehre des Klagepatents betrifft mithin nur den erstgenannten Arbeitsschritt; dies erschließt sich abschließend auch aus dem letzten Absatz der Beschreibung, in dem ausdrücklich noch einmal erwähnt wird, dass ein Anwärmen mit einer Propangasflamme zur Erzeugung der Haftung zwischen Nahtflanke und Fugenband vollständig entfällt. Von der endgültigen Verbindung ist in dem Zusammenhang keine Rede.

Bereits aus der Produktinformation der Beklagten zur angegriffenen Ausführungsform ergibt sich, dass diese eine Kleberschicht aufweist, welche eben diesem Zweck dient. Die Beklagte spricht darin selbst von einer „Montagehilfe“. Die Beschreibung unter „Eigenschaften“, nach der aufgrund der speziellen Bitumenklebeschicht als Montagehilfe die Erwärmung des Fugenbandes mittels Flamme sowie der Einsatz von Voranstrich entfallen kann, beschreibt dabei bemerkenswert genau die dem Klagepatent zugrunde liegende Aufgabe.

In der Beschreibung des Standes der Technik in Absatz [0003] der Klagepatentschrift wird zudem dargestellt, dass die Temperatur des Mischgutes der neu einzubringenden Deckschicht, welches unmittelbar an das verlegte Fugenband herangebracht werde, nicht ausreiche, um Mängel bei der Verlegung des Fugenbandes auszugleichen. Daraus ist zu entnehmen, dass das Einbringen des Mischgutes sorgfältige Vorarbeiten nicht zu ersetzen vermag, nicht aber, dass diese Vorarbeiten schon die endgültige Verbindung herbeiführen. Entsprechend gilt dies unter Berücksichtigung der Aufgabe des Klagepatents auch für eine Ausführungsform, die dessen technische Lehre nutzt.

Soweit die Beklagte meint, der Mechanismus der von ihr verwandten Schmelzbeschichtung sei nicht derjenige eines Klebers, zumal eine gesonderte Zwischenschicht ein Anschmelzen verhindere, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Auch die auf der angegriffenen Ausführungsform aufgetragene Schicht hat die Funktion eines Klebers, sie bezweckt nämlich das Anhaften (oder Ankleben) des Fugenbandes an der Flanke bis zur Verschmelzung. Inwiefern das Vorhandensein des Klebers das Verschmelzen, also die Verbindung von Bitumen mit Bitumen, stören soll, legt die Beklagte nicht dar. Dies ist auch angesichts dessen, dass sie das aus ihrer Sicht von der technischen Lehre des Klagepatents in wesentlicher Hinsicht abweichende Prinzip der angegriffenen Ausführungsform jener für überlegen hält und insbesondere die Verwendung von SBS/SIS-Blockcopolymeren aufgrund deren langkettiger Molekülstruktur für nachteilig hält, nicht nachvollziehbar. Unstreitig enthält das „XY“ in der Kleberschicht ebenfalls etwa 30-35 % SBS.

b) Der wortsinngemäßen Verletzung des Anspruches 1 des Klagepatents steht auch nicht entgegen, dass die Beschichtung der angegriffenen Ausführungsform auf Bitumen basiert. Zu der Zusammensetzung des Klebers äußert sich die Klagepatentschrift nicht im Sinne einer (allein vom Anspruch umfaßten) zwingend erforderlichen Zusammensetzung des Klebers oder einer bestimmten Gruppe von Klebern. Das Klagepatent beschreibt bevorzugte Ausführungsformen, die sich in den Unteransprüchen 3-6 widerspiegeln, ohne darin die Verwendung von Bitumen auszuschließen.

Diesbezüglich ist die einzige Anforderung, dass es sich um eine „gesonderte“ Kleberschicht handelt. Die Bitumenmasse des Fugenbandes darf also – über die grundsätzliche Klebrigkeit hinaus – nicht schon aus sich heraus in dem Maße (selbst)klebend sein, dass sie die erforderlichen, von der Klägerin beschriebenen Anforderungen an Haftung und Dichtigkeit erfüllt. Dies verbietet aber nicht die Verwendung von Bitumen in der Kleberschicht, solange es sich jedenfalls um eine gesonderte Schicht handelt. Die Beklagte führt in der Klageschrift im Nichtigkeitsverfahren betreffend das Klagepatent (dort S. 9) selbst aus, dass die Lehre des Streitpatents nicht auf bestimmte Klebematerialien beschränkt ist, sondern sich auf alle „selbstklebenden“ Klebematerialien bezieht. Dass es sich um eine gesonderte Kleberschicht handelt, ergibt sich bereits aus der Produktinformation der Beklagten.

III.

Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Die Entschädigungspflicht der Beklagten folgt aus Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Haftung der Beklagten auf Entschädigung und Schadenersatz zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang verpflichtet, über ihre Verletzungshandlungen Rechnung zu legen (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).

IV.

Anlass, den vorliegenden Rechtsstreit auszusetzen, besteht nicht (§ 148 ZPO). Die anhängige Nichtigkeitsklage bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Eine Vernichtung des Klagepatents in Bezug auf den Patentanspruch 1 erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich.

Die Beklagte hält dem Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren im wesentlichen die Patentschriften DE 19 65 092 (Anlage F-K7) und DE 22 25 358 (Anlage F-K6) als neuheitsschädlich entgegen. Gegen einen Erfolg dieser Argumentation spricht bereits, dass diese Schriften als Entgegenhaltungen im Einspruchsverfahren berücksichtigt worden sind und dort lediglich zu einer geringfügigen Änderung des Anspruchswortlauts geführt haben.

Die als Anlage F-K6 vorgelegte Patentschrift DE 22 25 358, die ein bogen- oder bahnförmiges Abdichtungsmaterial beschreibt, ist im Einspruchsverfahren nachvollziehbar dahingehend gewürdigt worden, dass sie keine Fugenbänder beschreibt und der Fachmann keine Veranlassung hat, Schriften über bogen- oder bahnförmige Abdichtungsmaterialien heranzuziehen. Aufgrund der weiteren genannten technischen Unterschiede hat die Einspruchsabteilung des EPA entgegen der Auffassung der Beklagten nicht allein den geänderten Verwendungszweck als die Neuheit des Klagepatents gegenüber der Anlage F-K6 (Entgegenhaltung D12 im Einspruchsverfahren) begründend angesehen.

Soweit dem Klagepatent die Gebrauchsmusterschrift 93 13 030 entgegengehalten wird, ist diese als Entgegenhaltung in der Klagepatentschrift aufgeführt und war bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens, hinsichtlich der die Abhandlung „Vibrationsabsorbierende bitumenhaltige Auskleidung mit Klebstoffschicht“ von Shulyak et al. (Anlage F-K3) gilt dies jedenfalls insoweit, als im Erteilungsverfahren ein Abstract der Abhandlung entgegengehalten wurde.

Die Beklagte setzt in der Würdigung der letztgenannten Schrift lediglich ihre Wertung an die Stelle der sachkundigen Äußerungen im Erteilungsverfahren in Bezug auf die Eignung des beschriebenen Materials. Die Klagepatentschrift setzt sich in Absatz [0005] eingehend mit den jeweiligen sich aus der unterschiedlichen Verwendung ergebenden Anforderungen an die Materialien auseinander. Die Beklagte vermag dagegen nicht schlüssig darzulegen, aus welchen Gründen die dort getroffene Bewertung, das Material sei zur Verwendung im Straßenbau nicht geeignet, nicht zutreffend sein soll. Sie beschränkt sich darauf, Gemeinsamkeiten herauszustellen, ohne aber Argumente zu nennen, die in Bezug auf die Unterschiede nahelegen, dass eine falsche Bewertung erfolgt ist.

Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 93 13 030 (Anlage B&B 4) nennt zwar die dem Klagepatent eigene Aufgabe; die zur Lösung vorgeschlagene Mischung ist nach Absatz [0004] der Klagepatentschrift aber sachkundig als offensichtlich nicht klebefähig gewürdigt worden. Mit diesen Feststellungen setzt sich die Beklagte nicht auseinander; insbesondere legt sie die Eigenschaften der beanspruchten Mischungen nicht näher dar.

Die DDR-Patentschrift 258 259 schließlich betrifft eine Abdichtung von Dehnungsfugen und ist damit ersichtlich nicht vergleichbar mit im Straßenbau verwendbaren Fugenbändern.

In der vorzunehmenden Abwägung mag danach ein Erfolg des Nichtigkeitsverfahrens gegebenenfalls möglich sein, dies genügt für eine Aussetzung jedoch nicht. Der Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Erfolges steht entgegen, dass aufgrund der Berücksichtigung der Entgegenhaltungen im Erteilungsverfahren bzw. dem rechtskräftig abgeschlossenen Einspruchsverfahren ein Nichtigkeitsgrund nicht offensichtlich gegeben ist.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO. Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten ist unbegründet. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass eine Vollstreckung der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.