4b O 425/04 – Karussell

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 424

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. August 2005, Az. 4b O 425/04

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen bei den Beklagten zu 1. und 3. an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland

ein Karussell mit

– einer Säule, die an mindestens einem Stützarm derart aufgehängt ist, dass sie um eine horizontale oder schräge Achse rotiert;
– einer drehbar nahe einem Ende der Säule vorgesehenen Passagiersitzeinrichtung;
– einem an dem anderen Ende der Säule befestigten Gegengewicht;
– einer Einrichtung zum Drehen der Säule um die horizontale oder schräge Achse und
– einer Einrichtung zum Drehen der Passagiersitzeinrichtung um die Mittelachse der Säule,

bei dem die Passagiersitzeinrichtung mit einer Anzahl von Bänken versehen ist, die gelenkig aufgehängt sind,

a)
die Beklagten zu 1. und 2.:
herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

b)
die Beklagten zu 3. und 4.:
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

c)
die Beklagte zu 5.:
zu gebrauchen oder zu diesem Zweck einzuführen oder zu besitzen;

2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Dezember 2003 jeweils von ihnen begangen wurden, und zwar unter Angabe

a)
der Herstellungsmengen und –zeiten (nur die Beklagten zu 1. und 2.);

b)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

c)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer (nur die Beklagten zu 1. bis 4.);

e)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

f)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.
Es wird festgestellt, dass

1.
die Beklagten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. a) und b) bezeichneten, seit dem 8. Dezember 2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

2.
die Beklagten zu 1. bis 5. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. c) bezeichneten, seit dem 8. Dezember 2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldner zu 72 % und die Beklagte zu 5. zu 8 %. Die übrigen Gerichtskosten und die sonstigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin fallen dieser zur Last. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin zu 20 %.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 Million Euro und für die Beklagten hinsichtlich ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VI.
Von dem auf 1.000.000 EUR festgesetzten Streitwert entfällt auf die Ansprüche gegen die Beklagten zu 1. bis 4. ein Teilbetrag von 900.000 EUR und auf die Ansprüche gegen die Beklagte zu 5. ein Teilbetrag von 100.000 EUR.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist seit dem 8.12.2003 eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 500 xxx (Klagepatent), welches unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benennt. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer niederländischen Priorität vom 21.02.1991 am 8.12.1992 von der A Holding S.A. angemeldet. Seine Anmeldung wurde am 26.8.1992 offengelegt und die Bekanntgabe der Erteilung erfolgte unter dem 13.6.1993. Die deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift (DE 692 00 xxx) wurde am 21.10.1993 veröffentlicht. Gegen das Klagepatent wurde am 29.4.2005 von der Beklagten zu 1) Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Das Klagepatent betrifft ein Karussell. Sein im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierender Anspruch 1 hat in der deutschen Übersetzung gemäß Anlage L 2 folgenden Wortlaut:

„Karussell mit

– einer Säule (5), die an mindestens einem Stützarm derart aufgehängt ist, dass sie um eine horizontale oder schräge Achse rotiert;
– einer drehbar nahe einem Ende der Säule vorgesehenen Passagiersitzeinrichtung (5 a), 6);
– einem an dem anderen Ende der Säule befestigten Gegengewicht (13);
– einer Einrichtung (4) zum Drehen der Säule um die horizontale oder schräge Achse; und
– einer Einrichtung (7) zum Drehen der Passagiersitzeinrichtung um die Mittelachse der Säule;

dadurch gekennzeichnet, dass die Passagiersitzeinrichtung mit einer Anzahl von Bänken (12) versehen ist, die gelenkig aufgehängt sind.“

Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift veranschaulichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, stellt Karussells und Fahrgeschäfte her. Der Vertrieb der von der Beklagten zu 1. hergestellten Fahrgeschäfte erfolgt über die Beklagte zu 3., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 4. ist. Die Beklagte zu 5. ist Betreiberin eines von der Beklagten zu 1. hergestellten Fahrgeschäftes, welches unter der Bezeichnung „B“ auf Jahrmärkten und Volksfesten in der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt wird. Ein weiteres von der Beklagten zu 1. hergestelltes Fahrgeschäft gleicher Bauart befindet sich unter der Bezeichnung „C“ in Großbritannien in dem Vergnügungspark D.

Die konkrete Ausgestaltung dieser Fahrgeschäfte ergibt sich aus den von der Klägerin zur Akte gereichten Pressedarstellungen und den dortigen Abbildungen gemäß Anlage L 9 und L 20, die nachfolgend in Kopie wiedergegeben werden:

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Sie nimmt die Beklagten daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten sinngemäß wie erkannt zu verurteilen, wobei sie die Unterlassung sämtlicher Begehungsformen hinsichtlich aller fünf Beklagten beantragt und die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung auch der Beklagten zu 5. hinsichtlich des ingesamt bei ihr entstandenen Schadens begehrt.

Darüber hinaus beantragt die Klägerin,

die Beklagten zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben

und

festzustellen, dass die Beklagten durch Herstellung und Vertrieb des Fahrgeschäfts „C“, bzw. „B“ bereits in zwei Fällen durch Verkäufe an die Beklagte zu 5) und die D Ltd. die unter I. 1. bezeichneten Handlungen begangen haben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 5. bestreitet, dass die Klägerin zur Geltendmachung der Ansprüche befugt sei. Im übrigen stellen die Beklagten eine Verletzung der technischen Lehre des Klagepatents in Abrede, da die von ihnen gewählte Anordnung der Passagiersitze nicht der gelenkigen Anordnung der Passagiersitzeinrichtungen im funktionalen Sinne des Klagepatents entspreche. Darüber hinaus könne das Klagepatent keinen Rechtsbestand haben, da der Fachmann vor dem Hintergrund der in dem Klagepatent gewürdigten Patentschriften ohne erfinderisches Zutun zu dem durch das Klagepatent geschützten Gegenstand habe gelangen können.

Die Beklagten beantragen daher hilfsweise,

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszu-setzen.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten sowie dem hilfsweise geltend gemachten Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist – abgesehen von dem Antrag auf Feststellung, dass bereits zwei Verletzungshandlungen begangen worden sind – zulässig. Sie hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die von der Beklagten zu 1. hergestellten Fahrgeschäfte machen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, weswegen die Beklagten zur Unterlassung, zur Rechnungslegung und zum Schadenersatz verpflichtet sind. Die Klage erweist sich allerdings in dem Umfange als unbegründet, als die Klägerin hinsichtlich der verschiedenen Begehungsformen keine Unterscheidung zwischen den fünf Beklagten getroffen hat und eine insgesamt gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten festgestellt wissen will. Ein Anspruch auf Vernichtung der patentverletzenden Gegenstände steht der Klägerin nicht zu.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Karussell.

Aus dem in der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik (NL 8 500 983, Anlage L 3) waren bereits Karussells bekannt, die über eine Säule mit einer Passagiergondel an deren einem Ende und einem Gegengewicht an dem entgegengesetzten Ende verfügten und bei dem die Säule an einem Tragarm befestigt und um 360° drehbar war. Die Passagiergondel war ihrerseits ebenfalls um eine zentrale Achse um 360 ° drehbar. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Anlage L 3 veranschaulicht den Gegenstand dieses Standes der Technik.

Daneben würdigt die Klagepatentschrift ein weiteres Fahrgeschäft, an dem Fahrgastgondeln am Umfang eines Drehgestells gelenkig angeordnet sind. Durch die Rotation des Drehgestells bewirkt die Zentrifugalkraft, dass die Gondeln sich aus einer vertikalen Position (in Ruhestellung) in eine zunehmend horizontale Position begeben, so dass die Fahrgäste, die zunächst mit dem Rücken zum Zentrum des Drehgestells stehen, nunmehr in eine liegende Position gelangen, bei der sich der Blick in den Himmel wendet. Weiter verfügt dieses Fahrgeschäft über einen Schwenkarm, der das Drehgestell aus einer horizontalen Ausgangsposition um 90 ° in eine vertikale Stellung verschwenkt. Auch hier verdeutlicht Figur 1 der Offenlegungsschrift DE 35 38 398 (Anlage L 5) die Ausgestaltung dieses Karussells:

Vor dem erläuterten Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, die Attraktivität solcher Fahrgeschäfte auf einfache Weise beträchtlich zu steigern.

Zu diesem Zweck sieht der vorliegend allein interessierende Patentanspruch 1 die Kombination der folgenden Merkmale vor:

Karussell mit

1. einer Säule (5),

1.1 die an mindestens einem Stützarm (1) derart aufgehängt ist, dass sie um horizontale oder schräge Achse rotiert;

1.2 an der Säule ist nahe einem Ende eine Passagiersitzeinrichtung (5a, 6) vorgesehen;

1.2.1 die um die Mittelachse der Säule (5) drehbar ist

und

1.2.2 die mit einer Anzahl von Bänken (12) versehen ist,

1.2.2.1 die gelenkig aufgehängt sind;

1.3 an der Säule ist an dem anderen Ende ein Gegengewicht (13) befestigt;

2. eine Einrichtung (4) zum Drehen der Säule um die horizontale oder schräge Achse und

3. eine Einrichtung (7) zum Drehen der Passagiersitzeinrichtung (5a, 6) um die Mittelachse der Säule (5).

Die Resultierende aus 1) der durch die Rotation der Säule verursachten Zentrifugalkraft, 2) der durch die Rotation der Passagiersitzeinrichtung verursachten Zentrifugalkraft und 3) der Schwerkraft bewegt die Bänke in sich allmählich ändernde, mehr oder weniger liegende Positionen, mit dem Ergebnis, dass auf den Bänken sitzende Personen die Umgebung in sehr stark variierenden sitzenden oder liegenden Positionen beobachten können.

II.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Klageansprüche aktivlegitimiert, da sie ausweislich eines Registerauszugs vom 25.7.2005 als Inhaberin des deutschen Teils des Klagepatents eingetragen ist, § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG. Der von der Beklagten zu 5. hiergegen erhobene Einwand, dass das Register des Europäischen Patentamtes nach wie vor die A Holding als Inhaberin ausweist, greift nicht durch. Wie von der Klägerin zutreffend geltend gemacht, wird die Rolle beim Europäischen Patentamt nur bis zum Ablauf der Einspruchsfrist bzw. dem Abschluss eines etwaigen Einspruchsverfahrens geführt (Regel 61 in Verbindung mit Regel 20 EPÜ-AO). Danach eintretende Änderungen werden ausschließlich in den nationalen Registern der Benennungsstaaten geführt, weswegen nach bestandskräftiger Erteilung eines europäischen Patents die Aussagekraft des bei dem Europäischen Patentamt geführten Registers nur noch eingeschränkt ist.

Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin das Klagepatent nicht in ihre Bilanz eingestellt hat, kann nicht gefolgert werden, dass sie nicht Inhaberin ist. In der vorgelegten Bilanz ist schon keine Einzelaufstellung der einzelnen Vermögenswerte enthalten, so dass die Behauptung der Beklagten zu 5. sich hiermit ohnehin nicht belegen ließe. Eine etwaige Falschbilanzierung könnte zudem nicht den behaupteten Rechtsübergang widerlegen, so dass auch dieses Bestreiten nicht erheblich ist.

Allein die formale Position des eingetragenen Inhabers befugt die Klägerin zur Geltendmachung der weiteren aus dem Klagepatent resultierenden Ansprüche. Die Rechtsinhaberschaft wird durch die Eintragung im Patentregister widerlegbar vermutet (Busse-Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Auflage, § 139 RN 20). Dass die Rechte an dem Patent nicht auf die Klägerin übergegangen sind, wird von den Beklagten nicht substantiiert behauptet. Die Rolleneintragung ist nicht erheblich in Zweifel gezogen worden, so dass die Klägerin jedenfalls für den Zeitraum seit ihrer Eintragung die aus §§ 139, 140a, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB resultierenden Ansprüche geltend machen kann, mithin seit dem 8.12.2003.

III.

Dass die angegriffenen Ausführungsformen (Fahrgeschäfte „B“ der Beklagten zu 5.) bzw. „C“ (in D) mit Ausnahme des Merkmals 1.2.2.1 sämtlichen Vorgaben des Klagepatents wortsinngemäß entsprechen, steht zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1. bis 4. zu Recht außer Streit. Die Beklagte zu 5. hat eine Verletzung des Klagepatents nicht in Abrede gestellt, sie hat sich auch nicht den hierauf bezogenen Vortrag der übrigen Beklagten zu eigen gemacht, so dass insoweit die Verletzung als unstreitig anzusehen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1. bis 4. wird auch Merkmal 1.2.2.1 wortsinngemäß benutzt.

Das besagte Merkmal verlangt, dass die Bänke der Passagiersitzeinrichtung (die um die Mittelachse der Säule drehbar sind) „gelenkig“ aufgehängt sind. Nach dem Wortlaut des Anspruchs, der außerordentlich weit gefasst ist, genügt die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform dieser Anforderung des Klagepatents, weil die Sitzgondeln unbestreitbar gelenkig – und nicht starr – befestigt sind.

Die Beklagten zu 1. bis 4. machen zwar im Ausgangspunkt zutreffend geltend, dass die Schutzbereichsbestimmung sich nicht – philologisch – an dem genauen Wortlaut zu orientieren hat, sondern dass vielmehr auf den Sinngehalt des Anspruchswortlauts abzustellen ist. Nach Artikel 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents in diesem Sinne durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind. Maßgebend ist also der Offenbarungsgehalt der gesamten Patentschrift einschließlich des Beschreibungstextes, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat. Dabei dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der Erfindung.

Die Beklagten machen insoweit geltend, dass der Fachmann vor dem Hintergrund des gewürdigten Standes der Technik das fragliche Merkmal der gelenkigen Aufhängung so verstehe, dass ausschließlich eine Aufhängung gemeint sein könne, bei der eine Drehung der Bänke um eine zur Rotation der Passagiereinrichtung tangentiale Achse zugelassen werde.

Dieser Auffassung der Beklagten kann indessen nicht gefolgt werden. Das Klagepatent führt in seiner Beschreibung aus, dass zum Zweck der Attraktivitätssteigerung die Passagiereinrichtung mit einer Anzahl von Bänken versehen ist, die gelenkig aufgehängt sind (Anlage L 2, Seite 2, zweiter und dritter Absatz). Weiter wird ausgeführt, dass die Resultierende 1) der durch die Rotation der Säule verursachten Zentrifugalkraft, 2) der durch die Rotation der Passagiereinrichtung verursachten Zentrifugalkraft und 3) der Schwerkraft die Bänke in sich allmählich ändernde, mehr oder weniger liegende Positionen bewegt, mit dem Ergebnis, dass auf den Bänken sitzende Personen die Umgebung in sehr stark variierenden sitzenden oder liegenden Positionen beobachten können. Der Fachmann entnimmt dieser Beschreibungspassage den Hnweis, dass die drei auftretenden Kräfte eine zusätzliche Bewegungskomponente ermöglichen. Welchen Beitrag die einzelnen Kräfte hierbei zu leisten imstande sind, wird von der Klagepatentschrift – bewusst – offen gehalten. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass die Anordnung der Sitzbänke in das Belieben des Fachmannes gestellt wird, konsequent, denn je nach dem, welche Position man vorsieht, fällt das Kräftespiel unterschiedlich aus. Maßgeblich für die Erreichung des Zieles, die Attraktivität der bekannten Fahrgeschäfte zu steigern, ist nicht die Schaffung einer zusätzlich wirkenden Kraft auf die Passagiere, sondern die stark variierende Wahrnehmung der Umwelt während der Fahrt. Auch wenn die Passagiersitzeinrichtung nicht am Umfang der Dreheinrichtung angeordnet ist, sondern vielmehr in radialer Richtung derselben, kommt es durch die auftretenden Kräfte (Zentrifugalkraft der rotierenden Säule, Zentrifugalkraft der rotierenden Sitzeinrichtung und Schwerkraft der Passagiere) zu einer durch die gelenkige Anbringung ermöglichten Kippbewegung, die denselben Effekt bringt, den das Klagepatent erzielen will, nämlich dass der Fahrgast die Umgebung aus variierenden Positionen beobachten kann. Dies lässt sich anhand des zur Akte gereichten Lichtbildes L 18 augenscheinlich feststellen. Es ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht erkennbar, dass bei der angegriffenen Ausführungsform nicht alle drei genannten Kraftkomponenten wirken. Selbstverständlich treten bedingt durch die beiden unterschiedlichen Rotationen um verschiedene Achsen zwei unterschiedlich gerichtete Zentrifugalkräfte auf, die beide einen Beitrag zur Bewegung der Sitzbänke (bzw. Einzelsitze) leisten. Daneben wirkt auch die Schwerkraft der Passagiere und der Sitzeinrichtung, so dass auch hier eine variierende Position eingenommen wird. Diese Variation wird gerade durch eine unterschiedliche Komponentengröße bedingt, so dass es bereits in der Natur der Sache liegt, dass einzelne Kraftkomponenten durch die Überlagerung der anderen Kräfte aufgehoben werden. Entscheidend ist, dass das Klagepatent nicht verlangt, dass jede einzelne der drei benannten Kraftkomponenten für sich eine Bewegung der Passagiersitzeinrichtungen bewirkt. Es ist im Gegenteil ausdrücklich davon die Rede, dass die „Resultierende“ diese Wirkung hervorruft. Die „Resultierende“ ist aber nichts anderes als die Summe der drei sich überlagernden Kräfte. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass alle drei benannten und vorhandenen Kraftkomponenten einen Beitrag zu dieser Summe leisten. Die Erfindung nach dem Klagepatent bietet – in Abgrenzung zum bekannten und gewürdigten Stand der Technik – durch die gelenkige Aufhängung der Passagiersitzeinrichtungen nur eine Möglichkeit, dass diese Resultierende eine zusätzliche Bewegung der Passagiere ermöglicht.

IV.

Da nach alledem die Beklagten zu 1. bis 5. das Klagepatent wortsinngemäß verletzen, sind sie der Klägerin als eingetragener Inhaberin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 PatG. Zu unterscheiden ist hier jedoch hinsichtlich der Begehungsformen, da nur die Beklagte zu 1. die fraglichen Fahrgeschäfte herstellt, so dass diese Handlungsalternative nur für sie und ihren Geschäftsführer, den Beklagten zu 2., auszuurteilen war. Die Beklagte zu 5. stellt weder her noch vertreibt sie Karussells der angegriffenen Art. Sie verwendet ein solches lediglich zu gewerblichen Zwecken, weswegen auch nur insoweit eine Unterlassungsverpflichtung in Betracht kommt, da für die anderen Handlungsalternativen bzgl. der Beklagten zu 5. keine Begehungsgefahr erkennbar ist.

Da die Beklagten zumindest fahrlässig gehandelt haben, sind sie der Klägerin für den Zeitraum seit dem 8.12.2003 (Eintragung in das Patentregister) auch zum Ersatz des dieser entstandenen Schadens verpflichtet. Hierbei war jedoch entgegen dem Antrag der Klägerin nicht auf eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 5. bezüglich sämtlicher Handlungsalternativen mit den übrigen Beklagten zu erkennen, da die Beklagte zu 5. an den verletzenden Handlungen der weiteren Beklagten keinerlei Anteil hat.

Sämtliche Beklagten sind darüber hinaus im Rahmen der jeweiligen Handlungsalternativen verpflichtet, der Klägerin für den obigen Zeitraum die begehrten Auskünfte zu erteilen, damit diese in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern (§ 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB).

Die Klägerin kann hingegen nicht die gerichtliche Feststellung verlangen, dass die Beklagten durch Herstellung, Vertrieb und Nutzung der beiden angegriffenen Ausführungsformen bereits zwei Verletzungshandlungen begangen haben. Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen muss für einen solchen Feststellungsantrag zusätzlich ein besonderes Feststellungsinteresse vorhanden sein. Der Kläger muss ein besonderes Interesse daran haben, dass der Bestand oder das Fehlen eines Rechtsverhältnisses alsbald durch ein Gericht festgestellt wird. Hierzu ist seitens der Klägerin nichts Substanzielles dargetan. Die Beklagten bestreiten die beiden Handlungen (Verkauf an die Beklagte zu 5. und an den britischen Vergnügungspark) nicht. Es kann der Klägerin ohne weiteres zugemutet werden, die Höhe eines etwaigen Schadenersatzanspruches nach erteilter Auskunft zu beziffern. Der gesonderten gerichtlichen Feststellung, dass die beiden vertriebenen Fahrgeschäfte, anhand deren konkreter Ausgestaltung die Verletzung gerichtlich geprüft wurde, das Klagepatent verletzen, bedarf es nicht, da eine solche Feststellung der Klägerin keine Vorteile gegenüber dem, was sich schon aus der allgemeinen Schadenersatzfeststellung ergibt, bietet. Darüber hinaus wäre vorliegend ein solcher Antrag auch unbegründet, da die Klägerin eigene Schadensersatzansprüche erst seit dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Patentregister (8.12.2003) geltend machen kann. Aus dem vorgelegten Prospektmaterial ergibt sich aber, dass die beiden streitgegenständlichen Verletzungshandlungen bereits vor diesem Zeitpunkt begangen wurden. Insofern kann schon nicht nachvollzogen werden, dass die Klägerin aus diesen Handlungen eigene Ersatzansprüche geltend machen kann.

Die Klägerin kann auch nicht die Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen gemäß § 140a PatG verlangen. Der Anspruch ist wie der Anspruch aus § 1004 BGB auf Beseitigung der Störung gerichtet. Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn der die Rechtsverletzung verursachende Zustand des Erzeugnisses auf andere, weniger einschneidende Weise beseitigt werden kann. Die Vernichtung ist in einem solchen Fall nicht zur Beseitigung der Störung erforderlich. Vorliegend ist es offensichtlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen so umgebaut werden können, dass ihre patentverletzende Eigenschaft beseitigt ist, nämlich z.B. dadurch, dass die Sitzeinrichtungen nicht mehr gelenkig verbunden sind, sondern starr befestigt werden. In Anbetracht des Investitionsvolumens für ein solches Fahrgeschäft, das – wie in der mündlichen Verhandlung erläutert – bei ca. 1 Million Euro liegt, wäre eine Verpflichtung der Beklagten, diese Fahrgeschäfte zu vernichten, ersichtlich unverhältnismäßig.

V.

Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Eine Aussetzung kommt nach der Rechtsprechung der Kammer in der ersten Instanz nur dann in Betracht, wenn es in hohem Maße wahrscheinlich erscheint, dass das Klagepatent aufgrund der anhängigen Nichtigkeitsklage vernichtet werden wird. Die Entscheidung über die Aussetzung steht im Ermessen des Gerichts, wobei dieses summarisch anhand des ihm vorgelegten Sachverhaltes die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage überprüft. Eine Aussetzung kommt regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn der dem Klageschutzrecht entgegengehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren berücksichtigt worden ist. Bei Beachtung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass eine Vernichtung des Klagepatents in hohem Maße wahrscheinlich ist. Dem Einwand der Beklagten, die bloße Merkmalsangabe „gelenkig aufgehängt“ ohne eine Bestimmung der Gelenkachs-Lage sei unbestimmt und gebe keine ausreichend klare und vollständige Lehre zu technischem Handeln, greift nicht durch. Maßgeblich für die Offenbarung sind die Angaben in den Anmeldeunterlagen insgesamt, nicht alleine die in den Patentansprüchen. Zu den insoweit zu berücksichtigenden Unterlagen gehören auch die Zeichnungen. Für eine Patentierbarkeit der offenbarten Lehre ist es ausreichend, wenn dem Fachmann nur eine von mehreren Möglichkeiten von der Patentschrift unmittelbar gezeigt wird. Im vorliegenden Fall kann der Fachmann aus der Figur 1 des Klagepatents die konkrete gelenkige Aufhängung der dort dargestellten Passagiersitzeinrichtung entnehmen, wie sie möglich und zielführend ist. Dies ist für die Offenbarung einer ausführbaren Lehre aber ausreichend, mehr wird nicht verlangt, so dass das Klagepatent insoweit zu Recht erteilt wurde.

Auch der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit rechtfertigt in dem vorliegenden Verletzungsrechtsstreit keine Aussetzung. Die Beklagte zu 1. begründet ihren Einwand im Nichtigkeitsverfahren damit, dass sich dem Fachmann des Prioritätstages in naheliegender Weise die technische Lehre des Klagepatents aus einer Zusammenschau der beiden Patente nach den Anlagen L 3 und L 5 erschlossen habe. Nach den soeben wiedergegebenen Grundsätzen kann die Beklagte zu 1. mit dieser Argumentation keine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits erlangen, da allein in der Tatsache, dass der sachkundige Prüfer in Kenntnis dieser beiden Entgegenhaltungen das Klagepatent erteilt hat, eine sachkundige Entscheidung zugunsten der erfinderischen Tätigkeit der Klägerin zu sehen ist. Hinzu kommt vorliegend, dass die Begründung der Beklagten zu 1. in dem Nichtigkeitsverfahren nicht durchgreift, da sie den Offenbarungsgehalt des Klagepatents alleine auf das bevorzugte Ausführungsbeispiel beschränkt. Wie oben unter II. ausgeführt, sind aber auch solche Varianten von dem Schutzbereich des Klagepatents erfasst, bei denen die Schwenkachsen der Passagiereinrichtung nicht tangential verlaufen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenquote zu Lasten der Klägerin begründet sich im wesentlichen aus der Zurückweisung des von ihr geltend gemachten Vernichtungsanspruchs, dem eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 709, 108 ZPO.