4b O 358/06 – Sicherheits-Karton-Messer III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 733

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Februar 2007, Az. 4b O 358/06

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 38.599,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2006 zu zahlen.

III.
Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 91 % und die Beklagte zu 9 %. Ausgenommen sind die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Münster entstanden sind; diese hat vorab der Kläger zu tragen.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 46.000,00 €.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung von 800,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI.
Der Streitwert wird auf 50.782,17 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Der Kläger ist Patentanwalt der Kanzlei M in B. Er hat die Beklagte in einem vor der Kammer geführten einstweiligen Verfügungsverfahren (4b O 9/05) sowie dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (I–2 U 82/05) patentanwaltlich vertreten. Gegenstand der vorgenannten Verfahren waren Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Sequestration, welche die N KG, gestützt auf ihr europäisches Patent 0 314 xxx, gegen die Beklagte geltend gemacht hat.

Das Verfügungspatent, zu dessen Benennungsstaaten die Bundesrepublik Deutschland gehört, betrifft ein Sicherheits-Karton-Messer, wobei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren interessierende Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

„Messer mit einem hohlen Griffkörper (13), in welchem ein stationäres Halte- und Führungselement (18) aufgenommen ist, das endseitig aus dem Griffkörper (13) hinausragt, in welchem außerdem zu diesem relativ verschieblich eine Klingenhalterung (11) aufgenommen ist, welche über eine Zugfeder (31) mit dem stationären Halte- und Führungselement (18) verbunden ist,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,

dass der Griffkörper als im Querschnitt im Wesentlichen rechteckförmige Griffhülse (13) ausgebildet ist und an dem dem Halte- und Führungselement abgewandten, klingenseitigen Ende Eingriffsaussparungen (43) aufweist, in welche die Klingenhalterung (11) hineinragt, die aus zwei die Klinge (12) zwischen sich einschließenden Seitenelementen (15, 16) besteht.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1, 2, 6 und 7 der Verfügungspatentschrift) verdeutlichen die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die Beklagte hat Sicherheits-Karton-Messer angeboten und vertrieben, deren nähere Ausgestaltung sich aus den nachstehend eingeblendeten Lichtbildern ergibt.

Mit Beschluss vom 07.01.2005 hat die Kammer der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung Angebot und Vertrieb der vorbezeichneten Karton-Messer untersagt und ihr außerdem aufgegeben, die in ihrem Eigentum oder Besitz befindlichen Messer zum Zwecke der vorläufigen Verwahrung an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben sowie Auskunft über die Bezugsquelle und die Abnehmer der Messer zu erteilen. Auf den Widerspruch der Beklagten hin ist die Beschlussverfügung mit Urteil vom 31.05.2005 aufrechterhalten worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 19.01.2006 zurückgewiesen. In Übereinstimmung mit der Kammer ist das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass das streitbefangene Sicherheits-Karton-Messer der Beklagten wortsinngemäß von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch macht.

Mit der vorliegenden – beim Landgericht Münster erhobenen und von dort an das Landgericht Düsseldorf verwiesenen – Klage beansprucht der Kläger Anwaltshonorare für seine Mitwirkung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren N KG ./. K GmbH (4b O 9/05 und I–2 U 82/05). Er stützt sich dabei auf folgende drei Honorarnoten:

– Rechnung vom 31.05.2005 (Nr. 140904) über 3.376,41 € abzüglich doppelt berechneter Umsatzsteuer (68,53 €) = 3.307,88 €.

– Rechnung vom 08.04.2005 (Nr. 140881) über 3.117,62 €.

– Rechnung vom 12.01.2006 (Nr. 141024) über 6.971,25 € abzüglich einer durch Aufrechnung erloschenen Teilforderung von 5.202,00 € =
1.769,25 €.

Der Kläger beantragt demgemäß,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.194,75 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage begehrt sie außerdem,

den Kläger zu verurteilen, an sie 42.587,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2006 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte nimmt den Kläger wegen schuldhafter Schlechtberatung auf Schadenersatz in Anspruch. Zwischen den Parteien steht insoweit außer Streit, dass der Kläger die in dem einstweiligen Verfügungsverfahren angegriffenen Sicherheits-Karton-Messer vorgerichtlich im Auftrag der Beklagten auf eine etwaige Verletzung des europäischen Patents 0 314 xxx der N KG begutachtet hat. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 19.11.2003 ist der Kläger dabei zu folgender Einschätzung gekommen:

„…

Eine im Wesentlichen rechteckförmige „Griffhülse“ ist für den Fachmann als viereckige Griffhülse zu verstehen. Üblicherweise sollen in Patentansprüchen Begriffe wie „im Wesentlichen“ vermieden werden, um eine klare Anweisung zu geben. Es ist jedoch gängige Rechtsprechung, dass Begriffe wie „im Wesentlichen“ oder „etwa“ bei der Auslegung des Schutzbereichs keine Rolle spielen. Vielmehr fallen auch Ausführungsformen in einen Schutzbereich, die unabhängig von der Angabe „etwa“ oder „im Wesentlichen“ innerhalb der Maßtoleranzen geringfügig von einer Rechteckform abweichen. Es würden also alle Ausführungsformen in den Schutzbereich fallen, in denen eine rechteckförmige Griffhülse vorhanden sein soll, aufgrund von herstellungsbedingten Ungenauigkeiten tatsächlich aber keine genauen Rechtecke vorliegen.

Der von Ihnen vorgelegte Prototyp weist aber ganz bewusst vorgenommene Abweichungen von Rechtecken auf, die zu einer im Gesamteindruck eher im Wesentlichen ovalen Querschnittform der Griffhülse führen. … Der im Wesentlichen ovale Querschnitt der Griffhülse Ihres Prototypen weist … tatsächlich acht Ecken auf, von denen keine rechteckig ist. … Die neue Grundform der Griffhülse des Prototypen wirkt auch nicht in gleicher Weise wie die Griffhülse des Messers aus dem Streitpatent. Die Wirkung des neuen Querschnitts unterscheidet sich von dem im Wesentlichen rechteckförmigen Querschnitt des Messers des Streitpatents dahingehend, dass die Griffhülse gegenüber einem Druck von außen widerstandsfähiger ist. Die auf jeder Flachseite ausgebildeten zwei zusätzlichen Kanten führen zu einer erhöhten Formstabilität und Torsionsfestigkeit bei geringerer Materialstärke.

Ein weiterer Unterschied Ihres Prototypen ist in der Zahl der Eingriffsöffnungen und in ihrer Ausbildungsart zu finden. Ihr Prototyp benötigt nur eine Eingriffsöffnung (Ausnehmung) und ist dennoch sowohl für Linkshänder als auch für Rechtshänder zu gebrauchen. Das Messer des Streitpatents beansprucht aber in jedem Fall wenigstens zwei Eingriffsaussparungen. Auch die Ausbildung nur einer Aussparung bzw. Ausnehmung ist nicht gleichwirkend in Bezug auf mehrere Eingriffsaussparungen. … Insofern erlangt Ihr Prototyp auch durch die nur eine Eingriffsöffnung eine höhere Formstabilität.

Schließlich ragt in dem Prototypen auch die Klingenhalterung nicht in die Eingriffsöffnung hinein. Der Prototyp weist ein Ansatzstück auf, das auf der Klingenhalterung sitzt. Nur das Ansatzstück ragt in die von der Materialwand umgrenzte Eingriffsöffnung hinein und schließt bündig mit dem Außenumfang ab. Diese Unterscheidung könnte allerdings im Rahmen der Äquivalenz … als nicht wesentlich angesehen werden.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen sind … erhebliche Unterschiede zwischen Ihrem Prototypen und dem patentierten Messer zu sehen, die auch nicht im Rahmen der Gleichwirkung von dem Schutzbereich des europäischen Patents umfasst werden. Ich vertrete daher die Auffassung, dass das von Ihnen vorgelegte Messer aus heutiger Sicht nicht in den Schutzbereich des europäischen Patents 0 314 xxx fällt. Dieses Ergebnis ist jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit auch nach einem Rechtsstreit zu erwarten. Allerdings weise ich auf das Risiko hin, dass die Inhaberin des europäischen Patents dennoch versuchen könnte, Ihnen den Vertrieb des Messers in Form des Prototypen im Rahmen eines Verletzungsstreits verbieten zu lassen. …“

An dieser Auffassung hielt der Kläger auch im Zuge des einstweiligen Verfügungsverfahrens 4b O 9/05 und I–2 U 82/05 fest. Unter seiner Verantwortung wurden sowohl der Widerspruchsschriftsatz gegen die Beschlussverfügung der Kammer vom 07.01.2005 als auch die Berufungsschrift gegen das Urteil vom 31.05.2005 verfasst.

Als Schadenspositionen macht die Beklagte zunächst die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens N KG ./. K GmbH geltend, und zwar

– Gerichtskosten der ersten Instanz (5.268,00 €) und der zweiten Instanz (7.024,00 €) (= 12.292,00 €) abzüglich in einem anderen Verfahren von ihr geltend gemachter 1.980,47 € = 10.311,53 €.

– Anwaltskosten der N KG: 22.629,26 €.

– Eigene Anwaltskosten der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren: 13.007,08 €.

Im Anschluss an das Berufungsurteil vom 19.01.2006 hat die Beklagte die Patentanwaltskanzlei B (welche auch im vorliegenden Verfahren auf Seiten der Beklagten mitwirkt) mit der Prüfung und Geltendmachung etwaiger Schadenersatzansprüche gegen den Kläger beauftragt. Den hierfür angefallenen Honorarbetrag von 4.834,30 € macht die Beklagte ebenfalls als Schaden geltend.

Von der sich hiernach ergebenden Gesamtsumme in Höhe von 50.782,17 € stellt die Beklagte einen erstrangigen Teilbetrag ihrer eigenen Anwaltskosten aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren von 8.194,75 € zur Aufrechnung gegen die Klageforderung. Mit ihrer Widerklage begehrt sie dementsprechend Zahlung eines restlichen Betrages von 42.587,42 € (50.782,17 € abzüglich 8.194,75 €).

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er hält daran fest, dass das Sicherheits-Karton-Messer der Beklagten bei zutreffender Auslegung des europäischen Patents 0 314 xxx nicht von dessen Schutzbereich umfasst werde. Im Übrigen bestreitet er, dass die Beklagte die geltend gemachten Gerichts- und Anwaltskosten bereits ausgeglichen hat, und ist der Auffassung, dass die Beklagte hätte dartun müssen, dass das europäische Patent 0 314 xxx rechtsbeständig ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist unbegründet; die Widerklage dagegen hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

I.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Kläger für seine Mitwirkung im einstweiligen Verfügungsverfahren N KG ./. K GmbH die mit der Klage geltend gemachten Honorarbeträge von insgesamt 8.194,75 € zustehen. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist jedoch infolge der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen (§§ 387-389 BGB). Da der Beklagten die zur Aufrechnung gestellte Forderung (eigene Rechtsanwaltskosten des vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens) mit der Verkündung des Berufungsurteils zustand und die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderung, gegen welche aufgerechnet wird, in dem Zeitpunkt erlischt, in welchem eine Aufrechnungslage bestanden hat, entfällt auch der vom Kläger seit dem 23.02.2006 geltend gemachte Zinsanspruch im vollen Umfang.

II.

Die Aufrechnungsforderung und die der Beklagten zuerkannten Widerklageforderungen ergeben sich daraus, dass der Kläger die Beklagte schuldhaft falsch beraten hat und ihr deshalb aus dem Anwaltsvertrag zum Schadenersatz verpflichtet ist.

1.
Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2000, 396, 397) treffen den Patentanwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrages grundsätzlich die gleichen Aufklärungs- und Beratungspflichten, wie sie für einen Rechtsanwalt gelten. Der um Rat ersuchte Patentanwalt ist deshalb zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines Auftraggebers verpflichtet. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den den Umständen nach sichersten und ungefährlichsten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann (vgl. BGH, NJW 1996, 2648, 2649).

2.
Gegen diese Pflichten hat der Kläger verstoßen, indem er die Beklagte vorgerichtlich dahin beraten hat, dass das streitbefangene Sicherheits-Karton-Messer keine Verletzung des europäischen Patents 0 314 xxx der N KG darstellt, und an dieser Auffassung auch in der Folgezeit trotz der Beschlussverfügung vom 07.01.2005 und des diese Verfügung aufrecht erhaltenden Urteils der Kammer vom 31.05.2005 festgehalten hat. Dass die Auffassung des Klägers unhaltbar ist und einen groben Beratungsfehler darstellt, ergibt sich aus dem Urteil der Kammer vom 31.05.2005 sowie der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19.01.2006, die den Parteien bekannt sind und auf die wegen der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird.

a)
Soweit der Kläger auch im vorliegenden Rechtsstreit das Vorhandensein einer „im Wesentlichen rechteckförmigen“ Griffhülse in Abrede stellt, sind seine Überlegungen bereits im methodischen Ansatz verfehlt. In seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 19.11.2003 hat der Kläger ausgeführt, es sei gängige Rechtsprechung, dass Begriffe wie „im Wesentlichen“ bei der Bestimmung des Schutzbereichs irrelevant sind und Bedeutung lediglich insoweit haben, als mit ihnen solche Abweichungen von der Rechteckform erfasst werden, die herstellungsbedingt sind. Diese Aussage ist unrichtig; zutreffend ist genau das Gegenteil. Relativierende Begriffe in Patentansprüchen wie „im Wesentlichen“ besagen für den Fachmann, dass es gerade nicht auf eine – im Rahmen des technisch Möglichen machbare – Einhaltung der Rechteckform ankommt, sondern dass – über unvermeidbare Maßtoleranzen hinaus – solche Abweichungen zulässig sind, die die mit der Rechteckform verfolgte Wirkung nicht in Frage stellen. Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Griffhülse des streitbefangenen Karton-Messers der Beklagten in diesem Sinne eine „im Wesentlichen“ rechteckförmige Gestalt hat. Zwar mag es sein, dass das Vorsehen von zwei zusätzlichen Kanten auf jeder Seitenfläche eine höhere Formstabilität und Torsionsfestigkeit bewirkt. Mit diesem Argument lässt sich eine Benutzung des europäischen Patents 0 314 xxx jedoch keinesfalls verneinen. Denn es kommt nicht darauf an, ob die angegriffene Ausführungsform aufgrund ihrer besonderen Ausgestaltung weitere Vorteile mit sich bringt, sondern darauf, ob mit ihr trotz der Abweichungen von einer exakten Rechteckform diejenigen Wirkungen und Effekte erzielt werden, die nach der Lehre des Verfügungspatents mit der geforderten „im Wesentlichen rechteckförmigen“ Gestalt der Griffhülse erreicht werden sollen. Dies ist – wie im Vorprozess dargelegt – unbestreitbar der Fall.

b)
Dass das Karton-Messer der Beklagten über zwei seitliche Eingriffsaussparungen verfügt, ist in den Urteilen vom 31.05.2005 und 19.01.2006 gleichfalls hinlänglich ausgeführt. Die Angriffe des Klägers, welche dieser sinngemäß bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgebracht hat, rechtfertigen keine andere Beurteilung.

c)
Dies gilt auch für den Hinweis, nicht die Klingenhalterung als solche, sondern ein Ansatzstück der Klingenhalterung rage in die Eingriffsöffnung hinein. Da das Verfügungspatent sich nicht dazu verhält, ob die Klingenhalterung ein- oder mehrteilig ausgebildet sein soll, ist zweifellos auch ein an der Klingenhalterung angreifendes „Ansatzstück“ als Teil der Klingenhalterung zu begreifen.

d)
Neben der Sache liegt der im Verhandlungstermin vom 30.01.2007 angebrachte Hinweis, das streitbefangene Messer erlaube keinen einfachen Klingenwechsel, wie er vom Verfügungspatent vorgesehen sei. Erfindungsgemäß soll der Klingenwechsel dadurch bewerkstelligt werden, dass das stationäre Halte- und Führungselement endseitig (und zwar an dem dem klingenseitigen Ende gegenüberliegenden Teil) aus dem Griffkörper hinausragt. Die besagte Ausgestaltung gestattet es, das Halte- und Führungselement, welches mit der Klingenhalterung verbunden ist, aus der Griffhülse herauszuziehen, womit die Klingenhalterung zugänglich ist. Tatsachenwidrig ist demgegenüber die Behauptung des Klägers, dem Verfügungspatent gehe es darum, den Klingenwechsel dadurch herbeizuführen, dass die Halterung vom klingenseitigen Ende her aus dem Griffkörper herausgezogen wird. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang lediglich auf Spalte 1 Zeilen 42 – 53, Spalte 3 Zeilen 15 – 19, und Spalte 4 Zeilen 20 – 30 der Verfügungspatentschrift.

Angesichts der völlig zweifelsfreien Verletzungslage hätte es dem Kläger oblegen, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass das streitgegenständliche Sicherheits-Karton-Messer wortsinngemäß von der Lehre des europäischen Patents 0 314 xxx Gebrauch macht und dessen Angebot und Vertrieb deshalb verboten werden kann. In seinem Gutachten ist der Kläger stattdessen – fehlerhaft – zu der gegenteiligen Einschätzung gekommen. Daran ändert auch nichts die völlig unzureichend relativierende Bemerkung, dass das Risiko bestehe, aus dem Verfügungspatent in Anspruch genommen zu werden. Unmittelbar vorausgehend hat der Kläger die Beklagte nämlich dahingehend belehrt, dass seine Einschätzung einer Nichtverletzung des europäischen Patents 0 314 xxx mit großer Wahrscheinlichkeit auch nach einem Rechtsstreit zu erwarten sei. Diese Risikobetrachtung wird der tatsächlichen Rechtslage in keiner Weise gerecht. Da der Kläger an seinem unrichtigen Rechtsstandpunkt auch im Laufe des einstweiligen Verfügungsverfahrens festgehalten und die Beklagte dahingehend beraten hat, gegen die Beschlussverfügung der Kammer vom 07.01.2005 und das Urteil vom 31.05.2005 Rechtsmittel einzulegen, hat er für alle diejenigen Schäden einzustehen, die der Beklagten daraus entstanden sind, dass sie im Vertrauen auf die Beratung des Klägers das einstweilige Verfügungsverfahren – wie geschehen – streitig durchgeführt hat.

3.
Der Schaden besteht insoweit zunächst in denjenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, mit denen die Beklagte belastet worden ist und deren Höhe zwischen den Parteien außer Streit steht. Denn es besteht die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens, was bedeutet, dass die Beklagte Ersatz aller Vermögensnachteile verlangen kann, die ihr bei richtiger Rechtsberatung und einem zutreffenden Rechtsrat folgenden Verhalten erspart geblieben wären. Wäre der Kläger in seiner vorgerichtlichen Begutachtung zu dem richtigen Ergebnis einer wortsinngemäßen Patentverletzung gelangt, hätte die Beklagte Angebot und Vertrieb der streitbefangenen Karton-Messer nicht aufgenommen, so dass es ein einstweiliges Verfügungsverfahren nicht gegeben hätte und der Beklagten deshalb die hieraus resultierenden Kosten nicht entstanden wären.

Lediglich zu einem Teil ersatzfähig sind die Kosten, welche der Beklagten durch die Einschaltung der Patentanwaltskanzlei B entstanden sind. Nach den Urteilen vom 31.05.2005 und 19.01.2006, welche übereinstimmend bereits im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine wortsinngemäße Benutzung bejaht haben, konnte für die Beklagte kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die gegenteilige Rechtsberatung des Klägers fehlerhaft gewesen ist. Hierzu bedurfte es keiner patentanwaltlichen Begutachtung mehr, die – dementsprechend erwartungsgemäß – genau zu demselben Ergebnis gelangt ist. Im Interesse einer Schadensminderung hätte die Beklagte deshalb davon absehen müssen, weitere Kosten für ein voraussehbares Begutachtungsergebnis zu verursachen, dessen es zu einer Durchsetzung etwaiger Schadenersatzansprüche gegen den Kläger wegen Falschberatung ersichtlich nicht bedurfte. Erstattungsfähig sind lediglich die Anwaltskosten der vorgerichtlichen Mahnung, soweit diese nicht auf die Verfahrensgebühr des vorliegenden Rechtsstreits angerechnet werden können. Da die Sache technisch und rechtlich einfach gelagert ist, hält die Kammer insoweit einen Gebührensatz von 1,3 für angemessen. Da die vorgerichtliche Geschäftsgebühr regelmäßig zur Hälfte auf die nachfolgende Verfahrensgebühr angerechnet wird, ergibt sich bei einem Streitwert bis 65.000,00 € ein im Rahmen des Schadenersatzes zu berücksichtigender Betrag von 846,74 € (1.459,90 € zuzüglich Mehrwertsteuer (233,58 €): 1.693,48 € : 2).

Soweit der Kläger im Verhandlungstermin vom 30.01.2007 bestritten hat, dass die Beklagte die geltend gemachten Gerichts- und Anwaltskosten beglichen hat, kommt es hierauf nicht an. Selbst wenn Zahlungen noch nicht erfolgt sein sollten, wäre der Freistellungsanspruch der Beklagten jedenfalls aufgrund der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung des Klägers in einen Zahlungsanspruch übergegangen.

Der Zinsanspruch der Beklagten folgt aus §§ 291, 288 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709, 108 ZPO.