4b O 38/07 – Intelligente Spindeleinheit

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 734

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. November 2007, Az. 4b O 38/07

Rechtsmittelinstanz: 2 U 129/07

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV. Der Streitwert wird auf EUR 500.000 festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 100 07 xxx (Streitpatent I, Anlage K 1) und des europäischen Patents EP 1 255 xxx (Streitpatent II, Anlage K 3), die jeweils eine Spindel mit einem Datenspeicherelement betreffen. Die am 17.02.2000 erfolgte Anmeldung des Streitpatents I wurde am 13. September 2001 offengelegt. Am 22.06.2006 wurde die Patenterteilung veröffentlicht. Unter Inanspruchnahme der Priorität des Streitpatents I meldete die Beklagte das Streitpatent II an, was am 13.11.2002 veröffentlicht wurde. Die Erteilung des Streitpatents II erfolgte am 25.08.2004. Gegen beide Streitpatente sind Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt bzw. vor dem Europäischen Patentamt anhängig.

Der Geschäftsbetrieb der Klägerin beinhaltet unter anderem die Entwicklung elektronischer Komponenten für Spindeln unterschiedlicher Art.

Im Jahre 2001 förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen seines Konzepts „Forschung für die Produktion von Morgen“ ein Verbundprojekt mit dem Titel „Intelligente Spindeleinheit“ (ISPI). Beteiligte dieses Projekts waren unter anderem die Klägerin und – als Projektkoordinatorin – die A Industrie GmbH & Co.KG, die nunmehr als GMN A Industrie GmbH & Co.KG firmiert. Letztere war und ist – wie anhand der Handelsregisterauszüge gem. Anlagenkonvolut K 7 ersichtlich – mit der Beklagten gesellschaftsrechtlich verbunden.

Die am ISPI-Projekt beteiligten Partner schlossen den aus der Anlage K 5 ersichtlichen Projektrahmenplan sowie im Januar/Februar 2001 eine „Kooperationsvereinbarung für Verbundprojekte“ (Anlage K 6).

In der letztgenannten Vereinbarung heißt es unter Ziffer 4. unter anderem:

„…

4.4 Die Partner räumen einander, auch zugunsten der mit ihnen verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG, nicht-ausschließliche, nichtübertragbare, unwiderrufliche Benutzungsrechte an auf Arbeitsergebnisse erteilten Patenten für die Laufzeit dieser Patente ein.

Für die Dauer und Durchführung des Vorhabens sind diese Benutzungsrechte kostenlos.

Unabhängig von der vorgenannten Regelung räumen sich die Industriepartner die in Ziffer 4.4 Satz 1 genannten Benutzungsrechte jeweils gegenseitig unentgeltlich ein.

Im Rahmen des ISPI-Projektes entwickelte die Klägerin einen Datenlogger, der sowohl Hardware-Komponenten als auch eine besondere Steuerungs-Software umfasst.

Nach Beendigung des ISPI-Projektes am 30.06.2004 befürchtete die Klägerin, der von ihr entwickelte Datenlogger werde vom Schutzbereich der Streitpatente, von denen sie – so die Behauptung der Klägerin – erst nach Projektbeendigung zufällig erfahren habe – umfasst. Die Beklagte und die GMN A Industrie GmbH & Co.KG lehnten im Rahmen der außerprozessualen Korrespondenz die Anerkennung von Nutzungsrechten der Klägerin an den Streitpatenten ab.

Die Klägerin meint, ihr stehe an den Streitpatenten ein kostenloses Mitbenutzungsrecht zu und trägt dazu im Wesentlichen vor: Die Streitpatente beträfen Arbeitsergebnisse der Kooperation. Eine sach- und interessengerechte Auslegung der Kooperationsvereinbarung gebiete – insbesondere unter Berücksichtigung der aus den Abschnitten 2. und 7. des Projektrahmenplans ersichtlichen Zielsetzungen des Verbundprojekts – eine Einbeziehung der Streitpatente. Der während des Projekts entwickelte Datenlogger sei ohne Benutzung der Streitpatente nicht verwendbar, weil dessen Integration in die Spindel nur mithilfe einer entsprechenden Schnittstelle möglich sei. Da die GMN A Industrie GmbH & Co.KG vor Projektbeginn nicht über die Existenz der Streitpatente informiert habe, stünden ihr – der Klägerin – Schadensersatzansprüche zu, die es nach Treu und Glauben auch der Beklagten verwehrten, gegenüber ihr Rechte aus den Schutzrechten abzuleiten.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass ihr an den dem deutschen Patent 100 07 xxx und dem europäischen Patent EP 1 255 xxx sowie allen weiteren nationalen und/oder internationalen Schutzrechten und/oder Schutzrechtsanmeldungen einschließlich etwaiger Teilanmeldungen, Continuation Applications oder abgezweigter Gebrauchsmuster, welche die Priorität des deutschen Patents DE 100 07 xxx und/oder des europäischen Patents EP 1 255 xxx in Anspruch nehmen, zugrunde liegenden Gegenständen ein kostenloses Mitbenutzungsrecht zusteht, und dass der Beklagten gegen sie wegen einer Benutzung der Gegenstände der genannten Schutzrechte keinerlei Ansprüche zustehen;

2. hilfsweise Vollstreckungsschutz.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihren Kooperationspartnern sei die den Streitpatenten zugrunde liegende Erfindung bereits zum Zeitpunkt eines zweiten Projekttreffens am 27.09.2001 bekannt gewesen. Es sei zur Verwertung der im Rahmen des Projekts gewonnenen Arbeitsergebnisse nicht erforderlich, die Klageschutzrechte zu benutzen; hierzu verweist sie auf den aus der Anlage B 3 ersichtlichen Abschlussbericht des BMBF.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf folgt jedenfalls aus
§ 39 ZPO, da die Beklagte rügelos zur Sache verhandelte.

Da sowohl der Rahmenplan als auch die Kooperationsvereinbarung unstreitig vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, findet das BGB in seiner bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung Anwendung (Art. 229, § 5 EGBGB).

I.

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein kostenloses Mitbenutzungsrecht an den Streitpatenten zu.

1)
Ein solches kostenloses Mitbenutzungsrecht ergibt sich zunächst nicht aus Ziffer 4.4. Satz 8 i.V.m. Satz 1 der Kooperationsvereinbarung.

a)
Unentgeltliche Benutzungsrechte werden nach dieser Bestimmung „an auf Arbeitsergebnisse erteilten Patenten“ gewährt. Der Wortlaut dieses Passus verdeutlicht klar, dass die technische Lehre der Patente, an denen Benutzungsrechte zu gewähren sind, zumindest teilweise Ergebnis der kooperativen Zusammenarbeit der Industriepartner sein muss.

Erforderlich ist ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang in der Weise, dass im Rahmen der Kooperation technische Fakten erforscht und erarbeitet werden, die Neuerungen darstellen und schließlich zu einer Patenterteilung führen. Daraus folgt eindeutig, dass während des Projekts bereits bekannter Stand der Technik kein „Arbeitsergebnis“ im Sinne der Ziffer 4.4 der Kooperationsvereinbarung sein kann.

Die technische Lehre der Streitpatente war jedoch bei Inkrafttreten der Kooperationsvereinbarung bereits Stand der Technik.

aa)
Das Streitpatent I wurde unstreitig bereits am 17.02.2000 angemeldet, so dass die maßgebliche Erfindung bereits zu diesem Zeitpunkt vorlag. Die Klägerin macht auch nicht etwa geltend, dass nach erfolgter Anmeldung während des Erteilungsverfahrens Änderungen hinsichtlich der technischen Lehre vorgenommen worden seien. Vor diesem Hintergrund können Arbeitsergebnisse der Kooperation für die Erteilung des Streitpatents I schlechthin nicht von Einfluss gewesen sein; auch nach dem klägerischen Vortrag trat die Kooperationsvereinbarung frühestens am 01.02.2001 in Kraft. So räumt die Klägerin im Schriftsatz vom 22.08.2007 auf Seite 3 unter a) auch selbst ein, dass „die Streitpatente keine Arbeitsergebnisse aus der Projektvereinbarung beinhalten“. Auch lässt ihr weitergehender Vortrag zur Projektskizze gem. Anlage K 13 vom 09.03.2000 und die Zusammenfassung zum Kick-Off-Meeting vom 12.04.2000 (Anlage K 14) keine gegenteiligen Feststellungen zu, da auch diese Daten jeweils nach der Anmeldung des Streitpatents I liegen.

bb)
Die unter aa) getroffenen Ausführungen betreffend das Streitpatent I gelten sinngemäß auch für das Streitpatent II, da letzteres dieselbe Erfindung zum Gegenstand hat und unstreitig die Priorität des Streitpatents I in Anspruch nimmt, so dass auch insoweit die zugrunde liegende technische Lehre bereits vor Kooperationsbeginn vorlag.

b)
Soweit die Klägerin ihre Rechtsauffassung damit begründet, dass die Streitpatente zwar keine Arbeitsergebnisse beinhalteten, gleichwohl aber solche „beträfen“, vermag dies keineswegs zu überzeugen.

Zunächst ist dies aus den oben bereits erläuterten Gründen mit dem Wortlaut der Ziffer 4.4 „an auf Arbeitsergebnisse erteilten Patenten“ nicht in Einklang zu bringen.

Eine erweiterte Auslegung der Ziffer 4.4 rechtfertigt sich auch nicht etwa unter Rückgriff auf Bestimmungen des Rahmenplans, der gemäß Ziffer 12.5 auch Bestandteil der Kooperationsvereinbarung ist. Es ist – wie die Beklagte völlig zu Recht geltend macht – insofern bereits fraglich, ob diese klar und eindeutig formulierte Regelung überhaupt noch Raum für eine erweiternde Auslegung lässt. Jedenfalls geben die von der Klägerin hervorgehobenen Zielsetzungen gemäß Ziffer 2. und 7. des Rahmenplans keinerlei Veranlassung, die Ziffer 4.4 des Kooperationsvertrages im Sinne der Klägerin zu verstehen. Die im Rahmenplan genannten Ziele des Projektes sind in lediglich allgemein gefassten Programmsätzen niedergelegt, die nicht zu einer Umgehung eindeutig gefasster Kooperationsvereinbarungen zu ganz konkreten Einzelfragen führen dürfen; letzteres gilt jedenfalls dann, wenn – wie in Ziffer 4.4 – keine Regelungslücken vorhanden sind.

c)
Der Klägerin kann auch nicht in ihrer in der mündlichen Verhandlung aufgestellten These gefolgt werden, dass die hier vertretene Auslegung den „Geist der Kooperationsvereinbarung ad absurdum führe“, weil im Hinblick auf die breite Fassung der Patentansprüche dann a priori nur die Projektkoordinatorin von der Kooperation habe profitieren können.

Selbst in diesem Falle wäre es entgegen der Ansicht der Klägerin rechtsmethodisch nicht zulässig, die eindeutige Vereinbarung der Kooperationspartner nach § 242 BGB im Sinne der Klägerin zu korrigieren. Die beteiligten Kooperationspartner haben nämlich in Ziffer 4.5 bezüglich „außervertraglicher Ergebnisse“ – also allen außerhalb der Durchführung der Arbeiten nach der Kooperationsvereinbarung entstandenen Ergebnissen – eine sachgerechte Lösung in der Weise gefunden, dass die Partner sich insoweit für die Dauer und Durchführung des Vorhabens unentgeltlich und danach zu marktüblichen Bedingungen Benutzungsrechte einräumen. Diese Regelung zeigt unmissverständlich, dass nach dem Willen der Kooperationspartner nach Beendigung des Projekts an außervertraglichen Ergebnissen keinerlei kostenlose Mitbenutzungsrechte hinsichtlich außervertraglicher Ergebnisse bestehen. Ein derart eindeutiger Vertragswille der Parteien darf nur in Ausnahmefällen – wie etwa eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage – durch ein Gericht korrigiert werden; solche Umstände sind vorliegend allerdings nicht ansatzweise ersichtlich. Auch ist es im hier interessierenden Zusammenhang völlig unerheblich, ob und inwieweit die Beklagte möglicherweise gegen Förderrichtlinien des BMBF verstoßen haben sollte – zu einem kostenlosen Mitbenutzungsrecht könnte ein solcher Verstoß der Klägerin jedenfalls nicht verhelfen. Aus dem gleichen Grunde verfängt der Vortrag der Klägerin, wonach ihr Datenlogger ohne Benutzung der Streitpatente nicht verwendbar sei, nicht: Sie mag sich entsprechend Ziffer 4.5 der Kooperationsvereinbarung – sollte ihre diesbezügliche Behauptung überhaupt zutreffen – zur Zahlung einer marktüblichen Lizenzgebühr an die Beklagte bereit erklären.

2)
Ein kostenloses Mitbenutzungsrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht aus vermeintlichen Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte, namentlich nicht wegen positiver Forderungsverletzung aufgrund Verletzung von Informations- und Hinweispflichten.

Insoweit bedarf es keiner Klärung durch die Kammer, ob der Beklagten überhaupt derartige Pflichtverletzungen zur Last fallen. Selbst wenn dies der Fall wäre, stünde der Klägerin unter diesem Gesichtspunkt kein kostenloses Mitbenutzungsrecht an den Streitpatenten zu. Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte die Beklagte bzw. die Projektkoordinatorin ihrer vermeintlichen Hinweispflicht auf die vorgenommene bzw. bevorstehende Anmeldung der Streitpatente genügt. Es mag sein, dass die Klägerin sich dann vielleicht nicht an der Kooperation beteiligt hätte und so Aufwendungen erspart hätte, jedoch hätte sie im Falle der Erteilung entsprechender Hinweise kein kostenloses Mitbenutzungsrecht an den Streitpatenten erhalten. Jedenfalls hat die Klägerin keinen nach § 287 ZPO beachtlichen hypothetischen Kausalverlauf vorgetragen, nach dem die Beklagte bzw. die Projektkoordinatorin notfalls zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung solchen Inhalts bereit gewesen wäre.

II.

Da der Klägerin nach alledem kein kostenloses Mitbenutzungsrecht an den Streitpatenten zusteht, ist auch der zweite Teil ihres Feststellungsantrages unbegründet. Sie hat nämlich keine weiteren Gesichtspunkte vorgebracht, die die Berechtigung der Beklagten zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Klägerin aufgrund einer Benutzung von Gegenständen gemäß den Streitpatenten in Frage stellen könnten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, S. 1 Hs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §709 ZPO. Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO war der Klägerin trotz ihres Antrages nicht einzuräumen, da sie die entsprechenden Voraussetzungen weder dargetan noch glaubhaft gemacht hat.