4b O 470/05 – Nudelrolle

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 753

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Februar 2007, Az. 4b O 470/05

Rechtsmittelinstanz: 2 U 43/08

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

eine handbetriebene, frei bewegliche Nudelrolle

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei der die Nudelrolle einen starren Kern und einen separaten, auf dem Kern angeordneten Mantel aufweist, wobei der Mantel eine Rolloberfläche definiert und im Wesentlichen aus Silikonelastomer besteht;

2.
der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Namen und Anschriften der Hersteller und anderen Vorbesitzer der unter 1. bezeichneten Erzeugnisse sowie über die gelieferten oder bestellten Mengen;

3.
der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die unter 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18.04.2005 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen), -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

4.
die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse zu verzichten.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 18.04.2005 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

III. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 100.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

VI. Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist aufgrund ihres Antrages vom 17.03.2005 seit dem 21.04.2005 als Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2004 016 xxx eingetragen. Das Klageschutzrecht beruht auf einer Anmeldung vom 25.10.2004, welche eine Unionspriorität vom 5.02.2004 in Anspruch nimmt. Die Eintragung wurde am 14.04.2005 im Patentblatt bekannt gemacht. Das Klagegebrauchsmuster trägt die Bezeichnung „Silikon-Nudelrolle“. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Schutzanspruch 10 hat in seiner eingetragenen Fassung folgenden Wortlaut:

„Nudelrolle mit einem Kern, wobei ein Silikon enthaltender Mantel an dem Kern eine Rolloberfläche definiert.“

Mit Schriftsatz vom 24.11.2006 hat die Klägerin folgenden neuen Schutzanspruch 10 zu den Gebrauchsmusterakten gereicht:

„Handbetriebene, frei bewegliche Nudelrolle, dadurch gekennzeichnet, dass die Nudelrolle einen starren Kern und einen separaten, auf dem Kern angeordneten Mantel aufweist, wobei der Mantel eine Rolloberfläche definiert, und weiter dadurch gekennzeichnet, dass der Mantel im Wesentlichen aus Silikonelastomer besteht.“

Die Beklagte vertreibt an gewerbliche Händler und private Endverbraucher Silikon-Teigrollen, deren nähere Ausgestaltung sich aus den von der Klägerin als Anlagen G&G K4, G&G K6 bis G&G K7 überreichten Werbeunterlagen sowie dem im Verhandlungstermin vom 18.01.2007 überreichten Muster erschließen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die streitbefangene Nudelrolle der Beklagten von sämtlichen Merkmalen des – eingeschränkten – Schutzanspruchs 10 wortsinngemäß Gebrauch macht.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch. Im Hinblick auf die von der Beklagten bestrittene Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters stützt sich die Klägerin hilfsweise auf eine Kombination mit verschiedenen Unteransprüchen sowie – weiter hilfsweise – auf das weitere Gebrauchsmuster 21 2205 0000 15.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt,
jedoch mit der Maßgabe, dass sie Rechnungslegung und Schadenersatz für Benutzungshandlungen begehrt, die von der Beklagten seit dem 18.03.2005 (dem Zugang einer an die Beklagte gerichteten Berechtigungsanfrage) begangen wurden.

Wegen der genauen Antragsfassung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 24.11.2006 (GA 154 – 157) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters, insbesondere des Schutzanspruchs 10. Zur Begründung verweist sie darauf, dass es vor dem Prioritätstag dem Stand der Technik entsprochen habe, verschiedene Backutensilien, z.B. Backformen, aus Silikon herzustellen. Vor diesem Hintergrund habe es unmittelbar nahe gelegen, das betreffende Material auch für eine Nudelrolle einzusetzen, zumal die beim Ausrollen von Teig erforderlichen Antihafteigenschaften von Silikon lange bekannt gewesen seien. Darüber hinaus sei ein Silikonmaterial auch für die Druckrollen von Teigformmaschinen bereits vorgeschlagen gewesen.

Die Beklagte beruft sich darüber hinaus auf ein privates Vorbenutzungsrecht, zu dessen Rechtfertigung sie ausführt: Ausgehend von ihren Erfolgen bei der Vermarktung anderer Silikonprodukte sei sie bereits im Jahre 2003 auf den Gedanken für einen mit Silikon beschichteten Teigroller gekommen. Im September 2003 sei deshalb einer ihrer freien Mitarbeiter damit beauftragt worden, einen Hersteller für ein solches Produkt zu suchen. Nach der noch im selben Monat erfolgten Kontaktaufnahme mit einem chinesischen Produzenten seien bereits die Einzelheiten des späteren Produktes erörtert worden, nämlich, dass es sich um einen Teigroller herkömmlicher Bauart mit seitlichen Griffen handeln solle, der mit einem Überzug aus Silikon zu versehen sei. Im Dezember 2003 sei ein erstes Muster fertiggestellt gewesen und der Teigroller in der Folgezeit bis zur Fertigungsreife weiterentwickelt worden. Im Februar 2004 hätten bereits technische Zeichnungen und Abbildungen vorgelegen; Prototypen des serienreifen Produkts seien im Juli 2004 vorgestellt worden. Ein erstes Produktionsmuster habe im Juli 2004 vorgelegen; im August 2004 sei der Teig-Roller einem ersten Kunden (der Firma S) angeboten worden. Nachdem im September 2004 der positive lebensmittelrechtliche Prüfungsbericht vorgelegen habe, sei im selben Monat die erste Bestellung für die neuen Silikon-Teigroller eingegangen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

Das Klagegebrauchsmuster ist im Umfang seines geltenden (eingeschränkten) Anspruchs 10 schutzfähig. Da die Beklagte seine technische Lehre widerrechtlich nutzt, ist sie der Klägerin im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum Schadenersatz verpflichtet. Abzuweisen ist die Klage lediglich insoweit, als die Klägerin Rechnungslegung und Schadenersatz für Benutzungshandlungen in der Zeit vom 18.03.2005 bis 18.04.2005 begehrt.

I.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Nudelrolle zum Ausrollen von Teig.

Nach den Erläuterungen der Klagegebrauchsmusterschrift hat eine Nudelrolle zu gewährleisten, dass der Teig beim Ausrollen nicht an der Rolle haftet. Geschieht nämlich solches, ergeben sich – wie der Beschreibungstext (Absatz 0002) näher erläutert, verschiedene Nachteile:

– Es wird zusätzliche Zeit benötigt, um die Arbeit zu beenden.

– Vor und während des Ausrollens muss Mehl zu dem Teig hinzugefügt und auf die Rolle gerieben werden, um ein Anhaften des Teiges zu verhindern. Der Mehleintrag verändert die Textur des Teiges.

– Sofern Teig an der Nudelrolle haftet und von der Rollenoberfläche entfernt werden muss, wird die Gewichtsverteilung des Teiges inkonsistent, wodurch eine ungleiche Dicke erzeugt wird und infolge dessen eine ungleiche Temperatur beim Backen entsteht, so dass sich ein unterschiedlicher Bräunungsgrad ergibt.

Ausgehend hiervon bezeichnet es die Klagegebrauchsmusterschrift als Anliegen der Erfindung, eine Nudelrolle zur Verfügung zu stellen, die die genannten Nachteile vermeidet und die es ermöglicht, den Teig einfacher als mit den bisher bekannten Nudelrollen zu bearbeiten.

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Schutzanspruch 10 des Klagegebrauchsmusters in seiner geltenden (eingeschränkten) Fassung die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Die Nudelrolle

(a) ist handbetrieben

(b) frei beweglich und

(c) besteht aus einem starren Kern und einem separaten, auf dem Kern angeordneten Mantel.

(2) Der Mantel

(a) definiert eine Rolloberfläche;

(b) besteht im Wesentlichen aus Silikonelastomer.

Zu den Vorteilen einer derartigen Nudelrolle führt die Klagegebrauchsmusterschrift aus, dass Silikon weit mehr als andere Materialien Antihafteigenschaften besitze, womit sämtliche eingangs erwähnten Nachteile herkömmlicher Nudelrollen entfielen. Bevorzugt sei die Verwendung eines Silikonelastomers. Experimente hätten erwiesen, dass eine Shore-A-Härte im Bereich von etwa 45 – 60 gute Ergebnisse liefere, weil der Rollenmantel weder so hart sei, dass das gerollte Lebensmittel beschädigt werde, noch so weich sei, dass der Mantel selbst leicht beschädigt werde.

II.

Anspruch 10 des Klagegebrauchsmusters ist schutzfähig.

1.
Im Verhandlungstermin vom 18.01.2007 hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass das für den Mantel vorgesehene „Silikonelastomer“ – und zwar jedes derzeit bekannte – dazu führt, dass eine „weiche, elastische“ Oberfläche auf der Nudelrolle erhalten wird. Die mit der Neufassung des Anspruchs 10 verbundene Beschränkung auf derartige Ausführungsformen ist rechtlich zulässig, weil der Gebrauchsmusterschutz ursprünglich auf sämtliche Erzeugnisse gerichtet war, deren Mantel Silikon enthält, und der Fachmann dem Beschreibungstext in Absatz 0007 der Klagegebrauchsmusterschrift entnehmen kann, dass eine „weiche, nachgiebige“ Rolloberfläche Vorteile in Bezug auf die schonende Behandlung des auszurollenden Teiges mit sich bringt.

2.
Die technische Lehre von Schutzanspruch 10 ist – wogegen auch die Beklagte keine Einwände erhebt – neu. Sie beruht darüber hinaus auf einem erfinderischen Schritt.

a)
Ein Überzug aus Silikon oder Silikongummi (= Silikonelastomer) war zum Prioritätszeitpunkt lediglich für gattungsfremde Gegenstände bekannt, die dem Fachmann keine Anregungen für die Verbesserung einer handbetriebenen Nudelrolle geben konnten.

aa)
Dies gilt zunächst mit Blick auf die deutsche Offenlegungsschrift 198 55 xxx, die eine Gehängeleiste für eine Bäckereimaschine mit mindestens einer Tasse zur Aufnahme eines Teiglings betrifft. Die Entgegenhaltung befasst sich mit dem Problem, dass bei der Herstellung von Brötchen oder Broten in einer Bäckereimaschine die Teiglinge in Gehängeleisten eingegeben werden. Die dem Teigling zugewandte Tasse der Gehängeleiste ist dabei mit Tüchern, Folien, Filzgeweben oder ähnlichem ausgelegt, um ein Ankleben des Teiges an der Tasse zu verhindern. Auf solchen Auskleidungen setzen sich Teigreste fest, die nach kurzer Zeit Schimmel und Sporen bilden. Zum Abtöten solcher Keimlinge werden die Gehängeleisten in gewissen Zeitabständen mit ultraviolettem Licht bestrahlt, was die Auslastung der Bäckereimaschine nachteilig beeinflusst. Aufgabe der der DE-OS 198 55 xxx zugrunde liegenden Erfindung ist es deshalb, Maßnahmen vorzusehen, die die Entfernung des Schimmels in den Gehängeleisten verbessern. Zur Lösung sieht die Druckschrift vor, in der Gehängeleiste ein festes Einlegeteil aus Metall oder Kunststoff lösbar zu befestigen. Der damit verbundene Vorteil wird darin gesehen, dass im Falle einer Reinigung nicht mehr die gesamte Gehängeleiste, sondern nur noch das Einlegeteil entnommen werden muss, was mit wenigen Handgriffen durchzuführen ist.

Zwar erwähnt der weitere Beschreibungstext (Sp. 2 Z. 2 – 5), dass das Einlegeteil vorteilhafterweise mit einer Silikonbeschichtung versehen werden kann, die ein Ankleben des im Einlegeteil befindlichen Teiglings zuverlässig verhindert. Gleichwohl ist die Schrift nicht geeignet, dem Fachmann, welcher auf der Suche nach einer verbesserten Nudelrolle ist, Anregungen zu geben. Insofern kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, dass sich die Entgegenhaltung mit einer Bäckereimaschine – und nicht mit einem im normalen Haushalt zu verwendenden einfachen Küchenutensil – befasst. Derjenige Fachmann, der eine Nudelrolle in Bezug auf ihre Haftung am auszurollenden Teil weiterentwickeln will, kann sich aus der DE–OS 198 55 xxx schon deshalb keine weiterführenden Hinweise erwarten, weil sich die Entgegenhaltung mit einer gänzlich anderen Zielsetzung befasst. Sie richtet sich nämlich darauf, konstruktive Maßnahmen vorzusehen, die ein möglichst einfaches und schnelles Abtöten von Schimmel und Sporen als Folge von an der Gehängeleiste verbliebenen Teigresten ermöglichen. Die Lösung besteht insoweit auch nicht darin, Maßnahmen vorzusehen, die ein Anhaften von Teig unterbinden; vielmehr wird vorgeschlagen, die Gehängeleiste mit einem gesonderten, lösbaren Einlegeteil zu versehen, welches im Bedarfsfall – anstelle der gesamten Gehängeleiste – den erforderlichen Reinigungsmaßnahmen unterzogen werden kann. Bei dieser Problemlage kann sich der Fachmann aus der Offenlegungsschrift 198 55 xxx keine sachdienlichen Hinweise darauf erhoffen, wie ein Anhaften von Teig an einer handbetriebenen Nudelrolle vermieden werden kann. Er wird die Schrift deshalb keinem näheren Studium unterziehen, sondern sie als für seine Aufgabenstellung nicht weiterführend außer Acht lassen.

bb)
Im Ergebnis keine andere Beurteilung gilt mit Blick auf die französische Patentschrift 2 788 xxx. Sie betrifft ebenfalls eine Bäckereimaschine, und zwar eine solche zur Herstellung von Schichtbiskuit, der mit verschiedenen farbigen Motiven dekoriert ist, wobei die Motive auf Teigbasis hergestellt und anschließend auf eine Biskuitschicht übertragen werden. Die Vorrichtung besitzt eine Rolle, die mit einem Reliefmuster auf Silikonbasis überzogen ist und mit dem Band eines Ofens in festem Kontakt steht. Der gefärbte Teig wird kontinuierlich auf das Ofenband aufgebracht. Er sammelt sich vor der Rolle und füllt so die Hohlräume des Reliefs aus. Wenn das gefüllte Relief mit dem Ofenband in Kontakt kommt, wird der gefärbte Teig aus den Hohlräumen des Reliefs herausgedrückt und auf der Bandoberfläche entsprechend dem Reliefmotiv abgesetzt.

Auch bei der aus der FR 2 788 xxx bekannten Vorrichtung handelt es sich um eine Bäckereimaschine, die schon deswegen vom Gegenstand des Klagegebrauchsmuster abliegt. Darüber hinaus wird in ihr lediglich offenbart, auf der Rolle ein Reliefmuster auf Silikonbasis anzubringen. Dass die dadurch gewonnene Rollenoberfläche „weich“ und „elastisch“ im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters ist, wird dem Fachmann nicht erläutert. Es ist auch nicht ersichtlich – und wird von der Beklagten auch nicht näher erläutert – welche Veranlassung der Fachmann haben sollte, anzunehmen, dass als Rollenbeschichtung ein Silikonelastomer verwendet werden soll oder kann.

cc)
Was schließlich die GB-BS 805 xxx betrifft, handelt es sich um eine industriell verwendbare Teigformmaschine. Zwar ist im Beschreibungstext u.a. vorgesehen, Druckrollen mit z.B. Silikongummi zu überziehen, an welchem Teig nicht anhaftet. Nachdem die Beklagte entgegen der bereits im frühen ersten Verhandlungstermin erteilten Auflage keine vollständige Übersetzung der Entgegenhaltung vorgelegt hat, ist jedoch nicht ersichtlich, welche Aufgabenstellung der Druckschrift überhaupt zugrunde liegt und ob diese in einem so nahen Zusammenhang zur Problemstellung des Klagegebrauchsmusters steht, dass der Fachmann sich aus ihrem Offenbarungsgehalt – abgesehen davon, dass eine Bäckereimaschine beansprucht wird – irgendwelche Aufschlüsse und Erkenntnisse erwartet hätte.

b)
Soweit sich der vorbekannte Stand der Technik mit gattungsgemäßen Nudelrollen befasst, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass seit mehr als 100 Jahren zwar die unterschiedlichsten Materialien vorgesehen worden sind, ohne dass bisher jedoch Silikonelastomer als geeigneter Werkstoff für die Oberfläche einer Teigrolle in Erwägung gezogen wurde. Die nachfolgende Übersicht zeichnet den Gang der technischen Entwicklung stichwortartig nach:

– Holz: 1891 (Anlagen K 15a, K 15b); 1958 (Anlage K 15c)
– Marmor, Stein, Beton: 1871 (Anlage K 15b)
– Glas: 1879 (Anlage K 15b)
– Porzellan, Steingut: 1891 (Anlage K 15a)
– Aluminium: 1915 (Anlage K 15e); 1922 (Anlage K 15f)
– Edelstahl: 2002 (Anlage K 15g)
– Kautschuk auf festem Kern: 1955 (Anlage K 15i)
– Polystyrol: 1958 (Anlage K 15 c); 1971 (Anlage K 15k)
– Polyethylen: 1972 (Anlage K 15l)
– Strumpfartiger Überzug aus textilem Material: 1921 (Anlage K 15n); 1937 (Anlage K 15o)
– Beschichtung aus Polytetrafluoretylen (= PTFE): 1967 (Anlage K 15p).

Berücksichtigt man, dass die Problematik eines unerwünschten Anhaftens von Teigmasse an der Nudelrolle seit jeher ein zentrales Problem war, spricht bereits der Umstand, dass in einer langen Entwicklungsgeschichte alle möglichen Werkstoffe und Materialien vorgeschlagen worden sind, dass jedoch erstmals das Klagegebrauchsmuster einen Mantel aus Silikonelastomer offenbart hat, dafür, dass das Auffinden dieser Lösung mehr als nur handwerklicher Routine bedurft hat. Dies gilt umso mehr, als dem Fachmann seit langem die guten Antihaft-Eigenschaften von Silikon bekannt waren. Genau aus diesem Grunde ist in der Vergangenheit für verschiedene Backutensilien die Verwendung von haftverminderndem Silikon vorgesehen worden. Zu verweisen ist beispielsweise auf Backformen (DE 42 22 xxx, GM 87 04 xxx.2) und Teigschlüsseln (Form, Seite 53).

Obwohl mithin Silikon z.B. für Springformen zum Zwecke der Haftungsverminderung seit 1987 bekannt war (GM 87 04 xxx.2) und obwohl die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Nudelrollen danach weiter fortgeschritten ist, ist die scheinbar so naheliegende Idee, Silikon wegen seiner bekannt vorteilhaften Materialeigenschaften auch für Nudelrollen heranzuziehen, über viele Jahre hinweg nicht gefasst worden. Wie die Klägerin mit Recht geltend macht, liegt die Ursache offenbar darin, dass der Fachmann zur Bearbeitung von Teig eine formfeste, harte Oberfläche für notwendig gehalten hat. Dies wird belegt durch den Umstand, dass die in der vorstehenden Auflistung genannten Werkstoffe sämtlich feste, unelastische Oberflächen zur Verfügung stellen. Für Holz, Marmor, Stein, Beton, Glas, Porzellan, Steingut, Aluminium und Edelstahl bedarf dies keiner näheren Erläuterung. Soweit als Werkstoffe Polystyrol, Polyethylen und Polytetrafluorethylen vorgeschlagen worden sind, hat die Klägerin unwiderlegt dargetan, dass es sich auch hierbei um Werkstoffe handelt, die eine formfeste, harte Oberfläche hervorbringen. Das gleiche gilt für den strumpfartigen Überzug aus textilem Material. Es ist weder ersichtlich noch von der Beklagten konkret vorgetragen, dass die vorgeschlagenen Textilien von einer solchen Beschaffenheit waren, dass sich eine „weiche“, „elastische“ Oberfläche ergibt, wie sie einem Mantel aus Silikonelastomer eigen ist. Die FR 1 092 466 sieht zwar eine gummierte Nudelrolle vor. Auch kann Gummi in einer Art und Weise verarbeitet werden, dass ein nachgiebiges Material entsteht. In der französischen Patentschrift ist indessen ausdrücklich hervorgehoben, dass sich die beanspruchte Nudelrolle durch ihre Formfestigkeit auszeichnet. Vor diesem Hintergrund hat der Fachmann keinen Anlass zu der Überlegung, die auf dem Rollenkern aufgebrachte Gummibeschichtung verleihe dem Nudelholz irgendwelche elastischen Eigenschaften.

Als gattungsfremd ist schließlich die US-PS 29 xxx anzusehen. Wie die Klägerin unwiderlegt dargetan hat, betrifft die Entgegenhaltung eine Handrolle, die dazu dient, Bonbons und Süßwaren in Schneidformen auszustanzen, indem die teigartige Rohmasse mit einer Rolle gegen Messer bzw. Schneidkanten einer Schneidform gedrückt wird und die Messer bzw. Schneidkanten geformte Stücke (z.B. Bonbons) ausstanzen. Wird eine harte Rolloberfläche vorgesehen, besteht im Gebrauch die Gefahr, dass sich die auf dünnen Metallblechen aufgebauten Schneidkanten relativ schnell abnutzen bzw. beschädigt werden. Neuerungsgemäß ist deshalb vorgesehen, dass der Roller mit einer nachgiebigen Oberfläche (z.B. aus Silikongummi) versehen wird, welche nicht an der Rohmasse haftet und welche darüber hinaus einer Abnutzung der Schneidkanten entgegenwirkt. Bei der geschilderten Aufgabenstellung kann der Fachmann aus der Druckschrift 29 xxx vernünftigerweise keine Anregungen dafür erwarten, in welcher Weise sich eine handbetriebene Nudelrolle zur Verbesserung ihrer Antihafteigenschaften fortentwickeln lässt.

Nach alledem ist festzuhalten, dass es die Fachwelt offenbar über viele Jahrzehnte hinweg für notwendig gehalten hat, eine Nudelrolle mit einer formfesten, harten Oberfläche zu versehen, die gewährleistet, dass der Teig in hinreichender Weise beim Ausrollen bearbeitet werden kann. Der Vorschlag des Klagegebrauchsmusters, statt dessen einen „weichen“, „elastischen“ Silikonmantel vorzusehen, wendet sich vollständig von dieser festgefahrenen Vorstellung ab. Dies ist um so bezeichnender, als die Wahl eines nachgiebigen Materials für die Rolloberfläche nicht nur Auswirkungen auf die Intensität der Bearbeitung des auszurollenden Teigs hat, sondern gleichermaßen das Problem aufwirft, dass die Rolloberfläche selbst insbesondere unter den beim Gebrauch auftretenden Scherbeanspruchungen Schaden nehmen kann. Auch der zuletzt genannte Gesichtspunkt hat den Fachmann offenbar über lange Zeit davon abgehalten, für die Rolloberfläche das aus Antihaftgründen bekanntermaßen vorteilhafte Silikonelastomer zu wählen. Insofern kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass in dem ABC-Katalog „XYZ“ aus dem Jahre 2003 (Seite 140) eine Silikon-Matte vorgestellt wird, die bevorzugt als Dauerersatz für herkömmliches Backpapier, aber auch als Arbeitsunterlage zum Ausrollen von Teig geeignet sein soll. Abgesehen davon, dass nicht zu erkennen ist, dass auf die Silikonunterlage ähnliche Scherkräfte einwirken wie auf die Oberfläche eines Nudelholzes, ist der Prospektunterlage nicht zu entnehmen, dass die Matte im Wesentlichen aus Silikonelastomer besteht und infolge dessen „weich“ und „elastisch“ ist.

III.

Zur Rechtfertigung ihrer Benutzungshandlungen kann sich die Beklagte nicht auf privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 13 Abs. 3 GebrMG, § 12 PatG berufen.

Dass bis zum Prioritätstag (05.02.2004) irgendwelche Benutzungshandlungen im Sinne von § 11 Abs. 1 GebrMG vorgekommen sind, behauptet die Beklagte selbst nicht. Ein Vorbenutzungsrecht könnte ihr deshalb nur zustehen, wenn sie im Prioritätszeitpunkt bereits im Erfindungsbesitz gewesen ist und Veranstaltung zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung (im Sinne von § 11 Abs. 1 GebrMG) getroffen hat. Davon wiederum könnte nur gesprochen werden, wenn die Beklagte – Erstens – den festen und endgültigen Entschluss gefasst gehabt hätte, die Erfindung gewerblich zu benutzen, und wenn sie – Zweitens – Vorkehrungen technischer oder kaufmännischer Art initiiert gehabt hätte, die die alsbaldige Umsetzung dieses Entschlusses in die Tat vorbereitet hätten. Die Benutzung der Erfindung muss also aufgrund der getroffenen Veranstaltungen aus objektiver Sicht im Anschluss an den Prioritätstag greifbar zu erwarten gewesen sein. Die Anfertigung eines Funktionsmodells reicht hierfür nicht aus, weil es lediglich dem Zweck dienen kann, die bislang theoretischen Überlegungen zur Wirkungsweise, Tauglichkeit und Ausführbarkeit des Erfindungsgedankens praktisch zu überprüfen.

Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen sind im Streitfall hinreichende Benutzungsveranstaltungen nicht zu erkennen. Am 05.02.2004 – dem Prioritätstag des Klagegebrauchsmusters – hatte die Beklagte zwar Kontakt mit einem chinesischen Hersteller von Backutensilien aufgenommen, der sich auch zur Herstellung bereiterklärt hat. Das Vorbringen der Beklagten gibt jedoch nicht her, dass am 05.02.2004 bereits technische Zeichnungen oder Abbildungen vorlagen oder der Auftrag hierzu gegeben war. Ein Prototyp ist erstmals mehrere Monate nach dem Prioritätstag – im Juni 2004 – vorgestellt worden; erste Produktionsmuster lagen sogar erst im Juli 2004 vor. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass die Beklagte am 05.02.2004 bereits den festen Entschluss zur alsbaldigen gewerbsmäßigen Benutzung einer Silikon-Teigrolle gefasst hatte.

IV.

Da die Beklagte das Klagegebrauchsmuster widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagte hat zumindest schuldhaft gehandelt. Als Fachunternehmen hätte sie die Benutzung des Klageschutzrechts erkennen und vermeiden können. Sie haftet der Klägerin deshalb auf Schadenersatz (§ 24 Abs. 2 GebrMG). Da die Klägerin derzeit keine genaue Kenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen besitzt, hat sie ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, etwaige weitere Verletzer aufzuspüren und den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Auskunftserteilung (§ 24 b GebrMG) und zur Rechnungslegung (§§ 242, 259 BGB) verpflichtet. Außerdem hat sie die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen schutzrechtsverletzenden Teigrollen zu vernichten (§ 24 a GebrMG). Die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz stehen der Klägerin allerdings nur für Benutzungshandlungen seit dem 18.04.2004 zu. Zwar ist die Beklagte durch die Berechtigungsanfrage der Klägerin vom 17.03.2004 über das Klagegebrauchsmuster informiert worden. Gleichwohl stand der Beklagten ein angemessener Prüfungszeitraum zur Verfügung, um sich, gegebenenfalls unter Einholung von Rechtsrat, darüber schlüssig zu werden, ob ihre Silikon-Teigrolle unzulässigerweise das Klagegebrauchsmuster benutzt und ob dessen technische Lehre schutzfähig ist. Für den Beginn des Karenzmonats ist vorliegend nicht – wie sonst – auf die Bekanntmachung im Patentblatt abzustellen. Denn mit ihrer Berechtigungsanfrage hatte die Klägerin der Beklagten bereits ein Exemplar der Klagegebrauchsmusterschrift übersandt, die der Beklagten die besagte Schutzrechtsprüfung ermöglicht hat. Da die Wirkungen des Gebrauchsmusterschutzes nicht erst mit der Bekanntmachung, sondern schon mit der Eintragung des Gebrauchsmusters entstehen (§ 11 GebrMG), trifft die Beklagte ein Schuldvorwurf bereits seit dem 18.04.2005.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.