4a O 93/08 – Gereinigte Nucleinsäure

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1192

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 4a O 93/08

Rechtsmittelinstanz: 2 U 86/09

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland

gereinigte Nukleinsäuren, welche eine Nukleotidsequenz umfassen, die für ein Enzym mit A-Aktivität codiert, welches von dem Bakterium Flavobacterium meningosepticum produziert wird, wobei die Nucleotidsequenz eine mindestens 90%-ige Homologie mit dem A F-Gen aufweist, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt,

herzustellen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

2. den Klägerinnen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I. 1. genannten Handlungen seit dem 11.07.1992 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren unter Angabe der Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt den Klägerinnen einem von den Klägerinnen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat;

– die Beklagte die Angaben zu e) nur für die Zeit ab dem 25.08.2xxx zu machen hat

und wobei die Beklagte sämtliche Angaben gegenüber der Klägerin zu 1) nur für den Zeitraum ab dem 02.01.2003 vorzunehmen hat;

3. die in ihrem Eigentum und/oder unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. 1. zu vernichten.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 11.07.1992 bis zum 24.08.2xxx begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die seit dem 25.08.2xxx begangenen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird sowie der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die seit dem 02.01.2003 begangenen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen als Gesamtschuldner zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt.

V. Das Urteil ist für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- EUR und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 2) ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 472 xxx B2 (nachfolgend Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 09.05.1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der US 353xxx vom 16.05.1989 sowie der US 432xxx vom 07.11.1989 in englischer Verfahrenssprache angemeldet, die Anmeldung wurde am 04.03.1992 offengelegt. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 25.07.2xxx.

Gegen die Erteilung des Klagepatents hat die Beklagte am 19.04.2002 beim Europäischen Patentamt (EPA) Einspruch eingelegt. Das Europäische Patentamt hat das Klagepatent daraufhin am 10.09.2004 widerrufen. Nachdem die Klägerin zu 2) gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt hatte, hat die Technische Beschwerdekammer am 04.05.2006 (Az.: T 1333/04) die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an die erste Instanz mit der Anweisung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage eines Hilfsantrags mit vier Ansprüchen – unter anderem dem hier geltend gemachten Patentanspruch 1 – aufrecht zu erhalten. Die Veröffentlichung des so geänderten Patents und des Hinweises darauf erfolgten am 24.01.2007. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 690 33 xxx T3) ist in Kraft. Mit Schriftsatz vom 01.09.2008 hat die Beklagte beim Bundespatentgericht in Bezug auf den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage erhoben, über welche bisher nicht entschieden wurde.

Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich – was die Beklagte bestreitet – um eine ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klagepatent.

Das in englischer Verfahrenssprache beantragte Klagepatent trägt die Bezeichnung „X1 A“. Sein Patentanspruch 1 lautet in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

„Gereinigte Nucleinsäure, welche eine Nucleotidsequenz umfasst, die für ein Enzym mit A-Aktivität codiert, welches von dem Bakterium Flavobacterium meningosepticum produziert wird, wobei die Nucleotidsequenz eine mindestens 90%-ige Homologie mit dem A F-Gen aufweist, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt.“

Die Beklagte stellt her und vertreibt die Enzym-Produkte „B“ in Lösung in den Einheiten 100 (0,1 ml) mit der Bestellnummer 11 365 169 xxx und 250 (0,25 ml) mit der Bestellnummer 11 365 177 xxx. Die Lösung wird ferner im Internet auch in den Einheiten 1250 (1,25 ml) mit der Bestellnummer 1 643 xxx angeboten (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform I). Darüber hinaus stellt die Beklagte her und vertreibt „B“ auch als gefriergetrocknetes Material (sog. Lyophilisat), wobei dieses in den Einheiten 100 mit der Bestellnummer 11 365 185 xxx sowie 250 mit der Bestellnummer 11 365 193 xxx hergestellt und vertrieben wird (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform II). Auf die als Anlagen K 8 – K 10 vorgelegten Produktbeschreibungen wird Bezug genommen.

Nach Auffassung der Klägerinnen machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerinnen beantragen,

zu erkennen wie geschehen, jedoch mit der Maßgabe, dass der Beklagten unter Ziffer I. 1. auch das Anbieten, in Verkehr bringen sowie Einführen und Besitzen zu diesen Zwecken untersagt wird,

und hilfsweise die Beklagte unter Ziffer I. 3. zu verurteilen, die im Besitz bzw. im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. 1. so abzuändern, dass (sie) zur Verwirklichung sämtlicher in Ziffer I. 1. bezeichneten Merkmale ungeeignet sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der von der Beklagten gegen das Klagepatent DE 690 33 xxx.3 (deutscher Teil des EP 0 472 xxx) erhobenen Nichtigkeitsklage (3 Ni 43/08 (EU)) auszusetzen.

Die Klägerinnen sind dem Aussetzungsantrag entgegen getreten.

Die Beklagte trägt vor, sie habe niemals eine gereinigte Nukleinsäure nach den Patentansprüchen hergestellt und auch keine Zelllinie im Geltungsbereich des Klagepatents in Besitz gehabt. Insbesondere habe sie auch keine gereinigten Nukleinsäuren angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu diesen Zwecken eingeführt oder besessen. Sie habe die von Lemp et al. erhaltene Sequenz (Anlage K 11) modifiziert, um gegenüber der Verwendung der natürlichen Signalsequenz und des natürlichen Promotors eine verbesserte Ausbeute an dem codierten Enzym in E.coli zu erhalten. Hierzu sei ein 1,05 kb Tagl/EcoRV-Fragment mit dem codierenden Bereich der reifen N-Glycosidase F, dem 10 Aminosäuren am N-Terminus fehlen, zusammen mit einem synthetischen Sphl-TagI-Linker, der diese 10 Aminosäuren substituiert, in den Sphal/Smal geschnittenen Expressionsvektor pmglSphl ligiert worden. Des Weiteren ergebe eine Gegenüberstellung der durch die Beklagte verwendeten Nucleotidsequenz mit der von Barsomian (Anlage K 12) mitgeteilten Sequenz lediglich einen Homologiewert von 82,1 Prozent, was sich aus dem als Anlage B 15 vorgelegten und im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen Sequenzvergleich ergebe:

Im Übrigen seien die Ansprüche der Klägerinnen auch verjährt, da den Klägerinnen die angegriffene Ausführungsform „E“ spätestens seit 1999 bekannt gewesen sei. Schließlich sei das Klagepatent, insbesondere unter dem Gesichtspunkt mangelnder erfinderischer Tätigkeit, nicht schutzfähig, weshalb seine Vernichtung im Rahmen der durch die Beklagte erhobenen Nichtigkeitsklage zu erwarten sei.

Die Klägerinnen treten diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in dem tenorierten Umfang Erfolg. Den Klägerinnen stehen gegen die Beklagte insoweit Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Entschädigung und Schadenersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ xxx Abs. 1, xxx Abs. 2, 140 a Abs. 1, 140 b PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. II § 1 IntPatÜG zu. Demgegenüber haben die Klägerinnen gegen die Beklagte keine Ansprüche in Bezug auf das Anbieten oder In-Verkehr-Bringen gereinigter Nukleinsäuren im Sinne des Klagepatents einschließlich der Einfuhr und dem Besitz zu diesen Zwecken.

I.
Neben der Klägerin zu 2) als eingetragener Inhaberin des Klagepatents ist auch die Klägerin zu 1) zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Klagepatent aktivlegitimiert, da die Klägerin zu 1) Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent ist.

1.
Die Klägerin zu 2) hat zunächst der F, Ltd. mit dem als Anlagen K 4 und K 4a vorgelegten Lizenzvertrag vom 15.02.1997 eine „co-exklusive“ Lizenz an dem Klagepatent erteilt (vgl. Anlagen K 4 und K 4a, Punkt 2.1. i.V.m. Punkt 1.1.). Die Kammer verkennt nicht, dass in diesem Lizenzvertrag ausdrücklich nur das US-Patent 5,238,xxx genannt ist. Jedoch soll der Vertrag gemäß Ziffer 1.1. auch „alle ausländischen Gegenstücke“ erfassen. Dass darunter auch das Klagepatent fällt, ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, das Lizenzabkommen sei von der G, Cambridge, MA abgeschlossen worden, während die Klägerin zu 2) ihren Sitz in F., USA habe, steht dies der Wirksamkeit der Lizenzierung nicht entgegen. Wie aus dem als Anlage K 14 vorgelegten Auszug aus der Internetseite ersichtlich ist, hat die Klägerin zu 2) sowohl Niederlassungen in Cambridge als auch in F., es handelt sich somit – wie die Klägerinnen in ihrer Replik ausdrücklich vortragen – um unterschiedliche Niederlassungen eines Unternehmens. Dies hat die Beklagte in ihrer Duplik auch nicht mehr in Frage gestellt.

2.
Die F, Ltd. hat die biochemische Produktlinie der Produktforschungsabteilung am 04.05.1999 an die H Inc., USA verkauft, wobei im Rahmen dieser Vereinbarung auch der mit der Klägerin zu 2) bestehende Lizenzvertrag übergegangen ist. Es trifft zu, dass es sich bei dem als Anlagen K 5 und K 5a vorgelegten Schreiben lediglich um eine Vereinbarung zwischen der Klägerin zu 2) und der F, Ltd. handelt, an welcher die H, Inc. als Erwerberin nicht beteiligt war. Zur Übertragung des Lizenzvertrages ist eine solche Zustimmung jedoch erforderlich, da es sich andernfalls wegen der im Lizenzvertrag enthaltenen Pflichten des Lizenznehmers (vgl. insbesondere Anlagen K 4 und K 4a, Artikel III) um einen Vertrag zu Lasten Dritter, hier der H, Inc., handeln würde. Jedoch ist dem als Anlage K 15 vorgelegten Auszug aus der Internetseite der Klägerin zu 1) zu entnehmen, dass die H, Inc. am 04.05.1999 die biochemische Produktlinie von der F, Ltd., erworben hat („These products include the biochemical reagent line of F, Ltd which H, Inc. purchased on May 4, 1999“). Somit ist davon auszugehen, dass die H, Inc. tatsächlich im Rahmen des Kaufvertrages vom 04.05.1999 auch den Lizenzvertrag mit der Klägerin zu 2) vom 15.02.1997 übernommen hat.

3.
Nachdem die Klägerin zu 1) am 02.01.2003 von der H, Inc. den hier maßgeblichen Produktbereich erworben hatte (vgl. Anlage K 15: „J acquired the K line of enzymes, reagents and supplies for carbohydrate analysis on January 2, 2003.“), haben die Klägerin zu 2) und die Klägerin zu 1) die als Anlagen K 3 und K 3a vorgelegte „Zusatzvereinbarung zum Oxford/Genzyme Lizenzabkommen, ausgeführt am 15.02.1997“ getroffen und dieses dahingehend geändert, dass die Klägerin zu 2) der „Lizenznehmerin und ihren Tochtergesellschaften“ eine exklusive gebührenpflichtige Lizenz aufgrund der Rechte an der Erfindung, die durch das Klagepatent geschützt sind, einräumt. Es trifft zu, dass in dieser Zusatzvereinbarung nicht ausdrücklich definiert ist, wer „Lizenznehmerin“ sein soll. Jedoch wurde die Vereinbarung neben der Klägerin zu 2) ausschließlich durch die Klägerin zu 1) unterzeichnet. Es ist somit im Wege der Vertragsauslegung ohne weiteres erkennbar, dass Lizenznehmerin nur die Klägerin zu 1) sein kann. Damit haben die Klägerinnen einerseits über die als Anlagen K 5/K 5a vorgelegte Vereinbarung der F Ltd. als „alter“ Lizenznehmerin mit der Klägerin zu 2) als Lizenzgeberin und andererseits über den als Anlagen K 3/K 3a vorgelegten Lizenzvertrag zwischen der Klägerin zu 2) als Lizenzgeberin und der Klägerin zu 1) als neuer Lizenznehmerin den mittelbaren Nachweis geführt, dass auch die Klägerin zu 1) zur Geltendmachung von Rechten aus dem Klagepatent berechtigt ist.

II.
Das Klagepatent betrifft eine gereinigte Nukleinsäure, die für ein Enzym mit A-Aktivität codiert, das von dem Bakterium Flavobacterium meningosepticum produziert wird (A F).

Als Stand der Technik erwähnt die Klagepatentschrift zunächst eine Veröffentlichung von Tarentino et. al., 257, J. Biol. Chem. 10776, 1982, in welcher N-Glycosidase, isoliert aus Mandelemulsion, beschrieben wird (nachstehend: A A). Tarentino et. al. erläutern nach der Klagepatentbeschreibung in ihrer Veröffentlichung, dass dieses Enzym ein Potential zur Verwendung bei der Strukturanalyse von Glycopeptiden aufweist (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0002]).

Des Weiteren nennt die Klagepatentschrift als Stand der Technik eine Veröffentlichung von Plummer et al., 259, J. Biol. Chem. 10700, 1xxx, nach welcher Endo-β-N-acetylglucosamidase F- (nachstehend: Endo F-) Präparate aus Flavobacterium meningosepticum auch eine Peptid-N-glycosidase-Aktivität (A F) aufweisen würden. Während A F bei Glycoproteinen und Glycopeptiden die Bindung zwischen einem N-Acetylglucosamin-Rest und einem Asparagin-Rest spaltet, spaltet Endo F die Bindung zwischen zwei benachbarten N-Acetylglucosamin-Resten. Demgemäß liefert A eine Kohlehydratkette mit voller Länge, während Endo F eine gekürzte Kette liefert (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0008]). Die unterschiedliche Wirkung von A und Endo F wird im Folgenden schematisch anhand der Figur 1 des Klagepatents dargestellt:

Die Wellenlinien stellen ein Peptid oder Protein dar. „Asn“ kennzeichnet einen Asparagin-Rest, „Asp“ bezeichnet einen Asparaginsäure-Rest. Die ausgefüllten quadratischen Kästchen stellen einen N-Acetylglucosamin-Rest, die offenen Kreise Mannose dar. Darüber hinaus ist mit offenen Rauten Galactose dargestellt, während die ausgefüllten Kreise für Sialinsäure stehen (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0026]).

Nach der Beschreibung des Klagepatents wiesen die im Stand der Technik bekannten Präparate sowohl Endo-F- als auch A F-Aktivität auf. Eine teilweise Auftrennung der beiden Enzymaktivitäten wurde durch Differential-Ammoniumsulfatfällung und Säulenchromatographie erzielt (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0003]). Darüber hinaus erwähnt die Klagepatentschrift Tarentino et al., 24, Biochem. 4665, 1985, wo die Auftrennung von Endo F und A F durch Ammoniumsulfatfällung und Gelfitration auf TSK HW-55 (S) beschrieben wird. Nach der Klagepatentbeschreibung wird in der genannten Veröffentlichung ausgeführt, dass die Deglycosylierung von nativen Proteinen durch A F eine nützliche Vorgehensweise für die Untersuchung von Struktur-Funktionsstudien von biologisch aktiven Glycoproteinen liefern kann (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0004]).

Schließlich erwähnt die Klagepatentschrift Hirani et. al. (1xxx), Analytical Biochemistry 162:485, wo die Verwendung von A F beschrieben werde, um Asparagin-verknüpfte Oligosaccharide für die Strukturanalyse freizusetzen (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0005]).

Das Klagepatent verfolgt daher die – nicht ausdrücklich definierte – Aufgabe (das technische Problem), anders als durch die im Stand der Technik bekannte Isolierung (zum Beispiel von Bakterien) auf gentechnischem Wege eine Nukleinsäure zur Verfügung zu stellen, welche die Erzeugung einer besonderen Enzymprobe gestattet, die zwar A-Aktivität aufweist, jedoch frei von Endo F-Aktivität ist (vgl. Anlage K 1b, Abschnitte [0009 ff.]). Im Gegensatz zu der im Stand der Technik bekannten, aus natürlich vorkommenden Zellen isolierten A F soll die mit Hilfe der Erfindung hergestellte A F frei von Endo F sein, ohne dass dabei die Ausbeute an A F wesentlich verringert wird. Mit Hilfe der Erfindung soll eine detaillierte Strukturanalyse der Oligosaccharide von Glycoproteinen und Glycopeptiden vereinfacht und die Herstellung von Oligosacchariden mit voller Länge aus diesen Glycoproteinen und Glycopeptiden ermöglicht werden (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [xxx4] sowie Figur 1).

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

(1) Gereinigte Nukleinsäure, welche eine Nukleotidsequenz umfasst,
(2) die Nukleotidsequenz codiert für ein Enzym mit A-Aktivität,
(3) das Enzym wird von dem Bakterium Flavobacterium meningosepticum produziert,
(4) die Nukleotidsequenz weist eine mindestens 90%-ige Homologie mit dem A F-Gen auf, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt.

Im Gegensatz zu Präparaten von A F, die wie beschrieben aus natürlich vorkommenden Zellen isoliert werden, liefert die vorliegende Erfindung A frei von Kontamination mit Endo F ohne eine wesentliche Verringerung der Ausbeute von A F. Die erhältliche A vermeidet die störende Einwirkung von Endo F bei A-Präparaten und vereinfacht so die detaillierte Strukturanalyse der Oligosaccharide von Glycopeptiden oder Glycoproteinen. Zusätzlich kann eine Endo-F-Kontamination ein Protein- oder Peptidprodukt zum Ergebnis haben, das ein oder mehrere einzelne N-Acetylglucosamin-Rest(e) an ihm verbleibend aufweist. Darüber hinaus kann auch eine heterogene Mischung derartiger Peptidprodukte entstehen (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [xxx4]).

Patentanspruch 1 beansprucht ausschließlich eine gereinigte Nukleinsäure, die eine Nucleotidsequenz umfasst, die für ein Enzym mit A-Aktivität codiert, welches von dem Bakterium Flavobacterium meningosepticum produziert wird, wobei die Nukleotidsequenz eine mindestens 90%-ige Homologie mit dem A F-Gen aufweist, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt. Nicht beansprucht ist demgegenüber das Enzym A F selbst oder ein Verfahren zu dessen Herstellung. Zwar betrifft die Erfindung nach der Einleitung der Patentbeschreibung das Enzym A. Jedoch ist Patentanspruch 1 in der hier geltend gemachten und allein maßgeblichen Fassung enger formuliert und auf den Schutz einer gereinigten Nukleinsäure, die für ein Enzym mit A F-Aktivität codiert, beschränkt.

III.
Die Beklagte macht bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um die Enzymprodukte „L“ in Lösung und als Lyophilisat. Dabei werden die angegriffenen Ausführungsformen in den Produktblättern gemäß Anlagen K 8 – K 10 näher beschrieben. Danach handelt es sich um L, welche entsprechend der Einleitung der Beschreibung des Klagepatents in den Produktblättern auch als Peptid-N4(-acetyl-β-Glucosaminyl)-Asparagine Aminidase bezeichnet wird. Diese wird nach den Produktblättern aus Flavobacterium meningosepticum kloniert und in E. coli exprimiert. Des Weiteren findet sich unter dem Punkt „Isolierung“:

„Das Gen für N-Glycosidase F wurde kloniert, in E. coli exprimiert und die rekombinante N-Glycosidase F zur Homogenität gereinigt.“

Wie dies genau geschieht, erschließt sich aus dem als Anlagen K 11 und K 11a vorgelegten Aufsatz von Lemp et al. „Molecular Cloning and Heterologous Expression of N-Glycosidase F from Flavobacterium meningosepticum“. Die Beklagte bestreitet nicht, dass sie die in dem Aufsatz gemäß Anlagen K 11 und K 11a aufgeführte Nukleotidsequenz für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen verwendet hat. Vielmehr räumt die Beklagte selbst ein, sie habe die von Lemp et al. erhaltene Sequenz (Anlage K 11) modifiziert, um gegenüber der Verwendung der natürlichen Signalsequenz und des natürlichen Promotors eine verbesserte Ausbeute an dem codierten Enzym in E.coli zu erhalten. Hierzu sei ein 1,05 kb Tagl/EcoRV-Fragment mit dem codierenden Bereich der reifen N-Glycosidase F, dem 10 Aminosäuren am N-Terminus fehlen, zusammen mit einem synthetischen Sphl-TagI-Linker, der diese 10 Aminosäuren substituiert, in den Sphal/Smal geschnittenen Expressionsvektor pmglSphl ligiert worden. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich darauf, der Aufsatz gemäß Anlagen K 11 und K 11a sei bereits vor der Anmeldung des Klagepatents zur Veröffentlichung eingereicht worden und könne somit keinen Aufschluss über eine mögliche Verletzung des Klagepatents geben, da die als Anlagen K 8 – K 10 vorgelegten Produktblätter ausdrücklich auf diesen Aufsatz Bezug nehmen und der Aufsatz auch erst am 15.09.1990 und damit nach der Anmeldung des Klagepatents veröffentlicht wurde.

2.
Soweit sich die Klägerinnen zur Begründung einer Verletzung des Klagepatents zunächst auf § 9a Abs. 3 PatG berufen, überzeugt dies nicht. Nach dieser Vorschrift erstrecken sich für den Fall, dass das Patent ein Erzeugnis betrifft, das auf Grund einer Erfindung aus einer genetischen Information besteht, die Wirkungen von § 9 PatG auf jedes Material, in welches dieses Erzeugnis Eingang gefunden hat und in dem die genetische Information enthalten ist und ihre Funktion erfüllt. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist somit, dass das beanspruchte Erzeugnis (hier: die gereinigte Nukleinsäure) mit einer genetischen Information Bestandteil des angegriffenen Materials (hier: L) ist. Dies haben die Klägerinnen jedoch weder dargelegt noch ist dies ersichtlich.

3.
Gleichwohl macht die Beklagte bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen durch die Herstellung und den Gebrauch einer unter Patentanspruch 1 fallenden gereinigten Nukleinsäure von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

a)
Die für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform verwendete DNA-Sequenz stellt eine gereinigte Nukleinsäure im Sinne des Klagepatents dar (Merkmal 1).

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist es zunächst nicht möglich, zur Auslegung des Begriffs „gereinigte Nukleinsäure“ auf § 1 Abs. 2 S. 2 PatG zurückzugreifen. Es trifft zu, dass nach dieser Vorschrift biologisches Material, wenn es in der Natur schon vorhanden ist, nur dann patentierbar ist, wenn es mit Hilfe eines technischen Verfahrens isoliert oder auf anderem Weg hergestellt wird. Jedoch lässt dies keinen Rückschluss auf die Auslegung des Begriffs „gereinigte Nukleinsäure“ im Sinne des Klagepatents zu, da die Klagepatentschrift grundsätzlich aus sich heraus auszulegen ist (vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Auflage, Rz. 10).

Nach der Patentbeschreibung handelt es sich bei einer gereinigten Nukleinsäure um eine solche, die von ihrer natürlichen Umgebung isoliert ist, beispielsweise eine DNA-Sequenz, die angrenzend an DNA-Sequenzen angeordnet ist, mit denen sie nicht natürlich auftritt (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0009]). Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, bei der in dem Aufsatz gemäß Anlagen K 11 und K 11a beschriebenen Nukleinsäure handele es sich um keine gereinigte Nukleinsäure im Sinne des Klagepatents. Es trifft zu, dass sich am Ende der Einleitung des Aufsatzes die Bemerkung findet, dass das Enzym mit seinem natürlichen Flavobacterium Promotor und Starter Peptid nicht in E. Coli ausgeschieden wird, sondern mit den Zellmembranen verbunden zu sein scheint (vgl. Anlagen K11 und K 11a, S. 15606). Jedoch kann es insoweit dahinstehen, ob – wie die Beklagte vorträgt – die Nukleinsäure angrenzend an die codierte Nukleotidsequenz sowohl die natürliche Signal- oder Startersequenz als auch die natürliche Promotersequenz aufweist. Jedenfalls steht dies dem Vorliegen einer gereinigten Nukleinsäure im Sinne des Klagepatents nicht entgegen. Dies erkennt der Fachmann bereits aus der Klagepatentbeschreibung, nach welcher die Nukleinsäuresequenz auf einem Plasmid, Cosmid oder Virus getragen werden kann (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [xxx0]). Für die Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents ist es somit allein entscheidend, dass die Nukleinsäure von ihrer natürlichen Umgebung isoliert ist. Nur dann ist gewährleistet, dass die Nukleinsäure die Erzeugung eines Enzyms gestattet, das A F-Aktivität aufweist und vollständig frei von Endo F-Aktivität ist (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [xxx1]). Durch die Trennung der DNA von ihrer natürlichen Umgebung wird demnach die Isolierung der DNA-Sequenzen, die für die Proteine mit der unerwünschten Endo F-Aktivität codieren, ermöglicht. Dass dies bei der in den Anlagen K 11 und K 11a beschriebenen DNA nicht der Fall ist, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Im Übrigen ist dem Vorbringen der Beklagten auch nicht zu entnehmen, dass die DNA nach wie vor mit den DNA-Sequenzen des Ausgangsorganismus, Flavobacterium meningosepticum, derart zusammenhängt, wie sie in ihrer natürlichen Umgebung vorkommt.

b)
Die durch die Beklagte zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen verwendete gereinigte Nucleinsäure codiert für ein Enzym mit A-Aktivität (Merkmal 2), wobei das Enzym von dem Bakterium Flavobacterium meningosepticum produziert wird (Merkmal 3). Schließlich weist die Nucleotidsequenz eine mindestens 90-prozentige Homologie mit dem A F-Gen auf, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt (Merkmal 4), wobei patentgemäß mit dem Begriff der „Homologie“ die Fähigkeit gemeint ist, speziell mit irgendeinem Teil der Nukleinsäure zu hybridisieren, welche für das A F-Gen codiert, das in pGB29 vorliegt (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0021]).

(1)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Bestimmung der mindestens 90%-igen Homologie im Sinne von Merkmal 4 des Klagepatents nicht die vollständige Gensequenz, wie sie hinterlegt ist, mit der codierenden Nucleotidsequenz der bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen verwendeten gereinigten Nukleinsäure zu vergleichen. Entscheidend ist vielmehr, dass der codierende Teil der Nucleotidsequenz, welche bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen Verwendung findet, eine 90%-ige Homologie mit dem A F-Gen der hinterlegten Nucleotidsequenz und damit mit dem für A F codierenden Teil der hinterlegten Sequenz aufweist. Dies erkennt der Fachmann bereits aus dem Wortlaut von Anspruch 1 des Klagepatents. Danach soll die Nucleotidsequenz, die für ein Enzym mit A-Aktivität codiert, eine mindestens 90%-ige Homologie mit dem A F-Gen aufweisen, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt. Bereits nach diesem Wortlaut bezieht sich die Homologie damit lediglich auf das hinterlegte A F-Gen, nicht aber die gesamte hinterlegte Nukleinsäure, soweit diese zusätzliche, über den für A F codierenden Teil hinausgehende Informationen enthält.

(2)
Zurecht haben die Klägerinnen ihrer Berechnung der Homologie die in dem Aufsatz von Barsomian (Anlage K 12) in Figur 3 dargestellte Nucleotidsequenz als Referenzsequenz, wie sie in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt, zugrunde gelegt. Die in dem Aufsatz von Barsomian in Figur 3 dargestellte Nucleotidsequenz stimmt in ihrem – hier allein maßgeblichen – codierenden Teil mit dem A F-Gen, welches in pGB29, ATCC 67xxx vorliegt, überein.

Die Klägerinnen haben unter Vorlage von Auszügen aus den Datenbanken ATCC und M (Anlagenkonvolut K 16) substantiiert und schlüssig dargelegt, dass die auf der Seite xxx unter der Nummer 67xxx hinterlegte Gensequenz mit der Gensequenz gemäß Anlage K 12 übereinstimmt. Auf Seite 1 des Anlagenkonvoluts K 16 ist zunächst das Suchfeld der Internetseite xxx zu erkennen. Wie sich aus der Abbildung des Suchfeldes erkennen lässt, haben die Klägervertreter die in Merkmal 4 offenbarte Hinterlegungsnummer ATCC 67xxx eingegeben. Im unteren Drittel der Seite 1 ist weiter zu erkennen, dass die Recherche zu einem Ergebnis führte („1 Result“), wobei dort die Hinterlegungsnummer ATCC 67xxx angegeben ist. Als Beschreibung („Description“) findet sich „Elizabethkingia meningoseptica“, wobei es sich hierbei unstreitig (vgl. auch Anlage K 16, S. 7) um ein Synonym für das in Patentanspruch 1 offenbarte „Flavobacterium meningosepticum“ handelt. Des Weiteren findet sich unter dem Begriff „Designation“ auf Seite 1 der Anlage K 16 die Bezeichnung des Plasmids gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1, nämlich pGB29. Lässt man sich durch einen weiteren Mausklick die Informationen der ATCC zu dem unter der Nr. 67xxx hinterlegten A F-Gen ausgeben, erhält man die Aufstellung auf Seite 2 der Anlage K 16. Darin wird die Klägerin zu 2) als Hinterlegerin („Depositor“) zusammen mit einem der Erfinder des Klagepatents, G. D, genannt. In der Mitte der Seite 2 findet sich weiter, dass dieses Material in einem US- und/oder einem anderen Patent oder einer anderen Patentanmeldung genannt wird und nicht zur Verletzung der Patentansprüche verwendet werden darf („This material is cited in a U.S. and/or other Patent or Patent Application, and may not be used to infringe on the patent claims.“). Unter „Gene Product“ („Genprodukt“) wird auf Seite 2 der Anlage K 16 das in den Verletzungsformen enthaltene Enzym „Peptide-N(4)-(N-acetyl-beta-D-glucosaminyl)asparagine amidase F“ aufgelistet. Im letzten Absatz der Seite 2 der Anlage K 16 werden unter „References“ schließlich der als Anlage K 12 vorgelegte Aufsatz von Barsomian sowie die zum Klagepatent parallele US 5,238,xxx aufgelistet.

Mit einem Mausklick auf den Eintrag „GenBank: J05411“ bei „Other Id’s“ auf Seite 2 der Anlage K 16 gelangt man zur Internetseite der M, wie er auf Seite 4 der Anlage K 16 wiedergegeben wird. Dort erhält man die Möglichkeit, den „Report J05411“ zum streitgegenständlichen Gen abzurufen. Die unter der ATCC-Nr. 67xxx hinterlegte DNA-Sequenz ist mithin unter der Nr. J05411 bei der Datenbank GenBank ebenfalls hinterlegt. Darauf verweist auch der als Anlage K 12 vorgelegte Artikel in der ersten Fußnote auf Seite 6967. Darüber hinaus ist der Report J05411 auf Seite 5 f. der Anlage K 16 einschließlich der DNA-Sequenz des unter der ATCC-Nr. 67xxx hinterlegten A F-Gens wiedergegeben. Unter „Authors“, „Title“ und „Journal“ findet sich erneut der als Anlage K 12 vorgelegte Aufsatz von „D“.

Soweit die Beklagte demgegenüber die Identität der in Figur 3 der Anlage K 12 dargestellten Nucleotidsequenz mit dem in pGB29, ATCC 67xxx hinterlegten A F-Gen mit der Begründung bestreitet, auf Seite 6969 des als Anlage K 12 vorgelegten Aufsatzes von Barsomian seien Nukleinsäuresequenzen unterschiedlicher Länge und Größe wiedergegeben, genügt dieses Vorbringen nicht, um Zweifel an der Idendität des in Figur 3 der Anlage K 12 wiedergegebenen A-Gens mit dem in pGB29, ATCC 67xxx hinterlegten A-Gen zu begründen. Entscheidend ist allein die Homologie und damit die inhaltliche Übereinstimmung des für A F codierenden Bereichs. Ob demgegenüber vor oder nach dem für A F codierenden Bereich zusätzliche Nucleotidsequenzen, beispielsweise für das Starter- oder Signalpeptid oder den Promotor, angeordnet sind, so dass die Nucleinsäuresequenz insgesamt eine größere Länge und damit eine unterschiedliche Größe aufweist, ist für die Identität der in Figur 3 der Anlage K 12 dargestellten Sequenz mit der in pGB29, ATCC 67xxx hinterlegten Sequenz ohne Bedeutung. Dass die in Figur 3 der Anlage K 12 dargestellte Sequenz demgegenüber in ihrem für A F codierenden Bereich inhaltlich nicht mit dem in pGB29, ATCC 67xxx hinterlegten A F-Gen übereinstimmt, hat die Beklagte nicht schlüssig behauptet.

(3)
Dies vorausgeschickt weist die durch die Beklagte bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen verwendete Nucleotidsequenz unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten in dem Schriftsatz vom 18.05.2009, welches sich die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung zu Eigen gemacht haben, in ihrem für das Enzym A F codierenden Bereich eine mindestens 90%-prozentige Homologie zu dem in pGB29, ATCC 67xxx hinterlegten A-Gen auf.

Vergleicht man den durch die Beklagte in der Anlage B 15 als codierenden Bereich bezeichneten und violett gekennzeichneten Bereich mit der diesem Bereich entsprechenden Sequenz bei D, so ergibt sich eine Übereinstimmung von rund 99,7 Prozent. Der durch die Beklagte in der Anlage B 15 als codierender Bereich bezeichnete Teil der Nukleinsäuresequenz besteht aus 937 Nukleotiden, wobei 934 dieser Nukleotide jeweils mit dem entsprechenden Nukleotid bei Barsomian übereinstimmen. Legt man demgegenüber wie in der Anlage K 16 auf Seite 2, unten vorgegeben als codierenden Bereich die zwischen dem xxx. und dem 1203. angeordneten Nukleotide zugrunde, beträgt die Homologie gleichwohl 90,97 Prozent und damit mehr als die durch Merkmal 4 geforderten 90 Prozent. Während die für A F codierende Nucleotidsequenz in diesem Fall 1063 Nukleotide umfasst, stimmen 967 Nukleotide dieser Sequenz mit der bei Barsomian hinterlegten Nucleotidsequenz überein.

4.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stellt die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen in P. und damit in der Bundesrepublik Deutschland her, wobei sie hierzu gereinigte Nukleinsäuren im Sinne von Patentanspruch 1 im Geltungsbereich des Klagepatents und damit in der Bundesrepublik Deutschland herstellt und bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen gebraucht.

Wie der durch die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Auszug aus der Internetseite der Beklagten xxx zeigt, stellt die Beklagte in der Produktionsanlage in FP. (Deutschland) unter anderem Enzyme her. Diesen substantiierten Vortrag der Klägerinnen hat die Beklagte nicht qualifiziert bestritten. Angesichts des detaillierten Vorbringens der Klägerinnen genügt es nicht, wenn die Beklagte die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland lediglich pauschal bestreitet. Grundsätzlich ist die Erklärungslast des Gegners davon abhängig, wie detailliert die darlegungsbelastete Partei vorgetragen hat. Sind die Klägerinnen ihrer Substantiierungslast – wie hier – nachgekommen, ist es nunmehr Sache der Beklagten, sich ebenfalls substantiiert zu äußern (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage,
§ 138 Rz. 8f.).

Dem ist die Beklagte trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht nachgekommen. Die Beklagte hat sich vielmehr allein und damit unzureichend auf die Behauptung zurückgezogen, es sei ihr nicht bekannt, was in der Produktionsstätte in P. hergestellt werde. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, wo sie – wenn nicht in P. – die für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen erforderliche (gereinigte) Nukleinsäure herstellt. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2009 selbst eingeräumt, die von Lemp et al. erhaltene Sequenz (Anlage K 11) modifiziert zu haben, um gegenüber der Verwendung der natürlichen Signalsequenz und des natürlichen Promoters eine verbesserte Ausbeute an dem codierten Enzym in E. coli zu erhalten. Somit genügt es für ein hinreichendes Bestreiten der Verletzungshandlung nicht, wenn sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, die Darstellung der Benutzungshandlungen in dem Schriftsatz vom 18.05.2009 hätte sich allein auf Benutzungshandlungen im Jahr 1991 bezogen, während die Beklagte sich zu späteren Vorgängen nicht äußern könne. Vielmehr hätte die Beklagte im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast nunmehr substantiiert darlegen müssen, ob sie bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen entweder auf bestehende, vor der Veröffentlichung des Klagepatents hergestellte Vorräte gereinigter Nukleinsäuren zurückgreift oder aber diese gereinigten Nukleinsäuren nunmehr außerhalb des Geltungsbereichs des Klagepatents herstellt. Dies hat die Beklagte – trotz Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung – nicht getan.

IV.
Da die Beklagte bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen mithin von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, rechtfertigen sich die tenorierten Rechtsfolgen. Bereits der Gebrauch einer durch Patentanspruch 1 geschützten gereinigten Nukleinsäure in der Bundesrepublik Deutschland zur Herstellung eines Enzyms und damit auch zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen stellt eine Verletzung des als Erzeugnisanspruch formulierten Patentanspruchs 1 dar. Für eine Verletzung des Klagepatents unter dem Gesichtspunkt des „Gebrauchens“ genügt die bestimmungsgemäße Verwendung des patentierten Erzeugnisses (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 9 Rz. 63) und damit auch die Verwendung für die Herstellung des durch die Nucleotidsequenz codierten Enzyms.

1.
Die Beklagte macht bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber den Klägerinnen im tenorierten Umfang zur Unterlassung verpflichtet ist (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m.
§ xxx Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren hat die Beklagte den Klägerinnen Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § xxx Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können,
§ 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass den Klägerinnen durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von den Klägerinnen noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen sind, ist ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, §
256 ZPO. Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin zu 2) gemäß Art. II § 1 IntPatÜG im tenorierten Umfang eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

3.
Damit die Klägerinnen in die Lage versetzt werden, den ihnen zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerinnen sind auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügen. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4.
Schließlich haben die Klägerinnen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vernichtung der in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 1 S. 1 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass die Vernichtung ausnahmsweise im Sinne von § 140 a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig ist, sind weder aus dem Vortrag der Beklagten, noch aus den Umständen zu erkennen.

V.
Ohne Erfolg erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

1.
Gemäß § 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 141 PatG verjähren Ansprüche wegen Patentverletzung innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen sowie von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt, wobei die fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis gleich steht, §§ 195, 199 BGB. Unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers ist die absolute Verjährungsfrist, die jedoch für die verschiedenen Ansprüche unterschiedlich lang ist. So verjähren die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Auskunft nach § 140 b PatG nach zehn Jahren seit ihrer Entstehung (§ 199 Abs. 4 BGB). Für Schadenersatzansprüche und den deren Geltendmachung vorbereitenden Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch gilt § 199 Abs. 3 BGB und damit eine Verjährungsfrist von zehn Jahren von der Entstehung des Anspruchs an bzw., unabhängig von der Entstehung, von 30 Jahren von der Verletzungshandlung an.

2.
Ausgehend von diesen Überlegungen hat die Beklagte die Voraussetzungen einer Verjährung der durch die Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche nicht dargelegt. Auf die dreijährige Regelverjährungsfrist kann sich die Beklagte bereits deshalb nicht berufen, weil sie nicht vorgetragen hat, wann die Klägerinnen Kenntnis der konkreten Verletzungshandlung – der Herstellung und dem Gebrauch der durch Patentanspruch 1 beanspruchten gereinigten Nukleinsäure – hatten. Die bloße Kenntnis des durch Patentanspruch 1 nicht beanspruchten Endproduktes N-Glycosidase F, rekombinant, genügt dafür nicht.

Darüber hinaus sind die durch die Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche auch im Übrigen nicht verjährt. Da Unterlassungsansprüche gegen eine bestimmte Person mit jeder Verletzungshandlung neu entstehen, kann der ausschließlich in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch daher auf jede beliebige, also auch die letzte Verletzungshandlung gestützt werden. Des Weiteren führt die Verjährungseinrede bei Ansprüchen auf Entschädigung und Schadenersatz höchstens zu einer Beschränkung der Höhe der Ansprüche auf Geldleistung, da dem Verletzten gegen den Verletzer auch nach Verjährung der auf das Patentrecht gestützten Ansprüche ein Anspruch auf Herausgabe des durch die Verletzungshandlungen Erlangten nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 852 BGB i.V.m. §§ 812, 818 BGB) zuzubilligen ist (vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Auflage, Rz. 597 f.). Schließlich steht auch die absolute Verjährungsfrist den durch die Klägerinnen geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen. Die Beklagte trägt selbst vor, dass sich die Parteien bis zum Jahr 2004 in Vergleichsverhandlungen befanden, so dass die Verjährungsfrist gemäß § 203 BGB bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt war. Entsprechend war die mindestens zehnjährige absolute Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Zustellung der Klage an die Beklagte am 02.08.2008 noch nicht verstrichen.

VI.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht derzeit keine hinreichende Veranlassung, § 148 ZPO.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1xxx, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch auf eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

2.
Im Rahmen der somit vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung fällt zunächst ins Gewicht, dass das Patent bereits am 09.05.2010 abläuft, so dass sich eine Restlaufzeit von lediglich einem Jahr ergibt, weshalb die Klägerinnen im Falle einer Aussetzung der Verhandlung bis zum Ablauf des Klagepatents der Möglichkeit beraubt wären, ihre aus dem Klagepatent folgenden Ansprüche durchzusetzen. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass sich bereits die sachkundig besetzte Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 04.05.2006 ausführlich mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit auseinandergesetzt und die Erfindungshöhe bejaht hat. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat sich die Technische Beschwerdekammer dabei insbesondere auch mit den im Nichtigkeitsverfahren herangezogenen Dokumenten „Tarantino, A. L. u. a., Biochemistry, Vol. 24, Seiten 4665 – 4671, 1985“ (dort: Dokument (3), vgl. auch Anlagen B 5/B5a bzw. WW7 im Nichtigkeitsverfahren), welches auch in der Klagepatentschrift ausdrücklich als Stand der Technik angeführt ist (vgl. Anlage K 1b, Abschnitt [0004]) und „Tarantino, A.L. and Plummer, Jr. T. H., Methods in Enzymology, Vol. 138, Seiten 770 bis 778, 1xxx“ (dort: Dokument (1), vgl. auch Anlagen B6/B6a bzw. WW10 im Nichtigkeitsverfahren) auseinandergesetzt.

Die Technische Beschwerdekammer kommt im Rahmen ihrer ausführlich begründeten Entscheidung zunächst zu dem Ergebnis, dass das als nächstliegender Stand der Technik identifizierte Dokument (3) bereits keinen Anreiz/Beweggrund beinhalte, die bisher verfügbare Reinigungsmethode für A F zu ändern. Darüber hinaus sei es auch nicht offensichtlich, das Problem der Bereitstellung von A DNA, ausgehend von den Lehren des nächsten Standes der Technik, zu formulieren. Zusätzlich zu der Tatsache, dass A F bereits zu diesem Zeitpunkt im Handel verfügbar gewesen sei, hätten die in dem Dokument (3) offenbarten Erkenntnisse keinen technischen oder geschäftlichen Anreiz gegeben, das Enzym auf einem anderen Weg zu produzieren (vgl. Anlage K 6b, S. 9 f.). Vielmehr werde dem Fachmann mitgeteilt, dass eine kleine Menge der Verunreinigung durch Endo F die Interpretation jeglicher Ergebnisse, die mit dem A F Enzympräparat gewonnen werden, nicht trübe (vgl. Anlage K 6b, S. 11 oben). Darüber hinaus werde auch in dem Dokument (1), welches die Beklagte zur Begründung ihrer Nichtigkeitsklage ebenfalls heranzieht, nicht offenbart, dass es vorteilhaft sei, den rekombinanten Weg für die Herstellung von A F zu gehen (vgl. Anlage K 6b, S. 11).

Auch das weitere Vorbringen der Beklagten in ihrer Nichtigkeitsklage vom 01.09.2008 einschließlich des an das Bundespatentgericht gerichteten Schriftsatzes vom 04.05.2009 rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Technische Beschwerdekammer hat sich in ihrer Entscheidung, welche in diesem Verfahren als sachverständige Äußerung Berücksichtigung findet, bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob es zum Prioritätszeitpunkt typisches Allgemeinwissen gewesen war, dass rekombinante Techniken die beste Lösung für die sichere Herstellung eines Proteins mit hoher Ausbeute und einem hohen Reinheitsgrad seien. Zwar hat die Technische Beschwerdekammer dies noch bejaht. Jedoch müsse man im Kopf behalten, dass der Fachmann auch immer mit der Ausweitung seines Wissens beschäftigt sei und dass er oder sie auch als Realist und Pragmatiker erachtet werde. Daher werde der Fachmann keine Zeit oder Mühen aufwenden, um die Produktionsmethode eines Enzyms in eine komplett neue Richtung zu lenken, es sei denn, es gäbe – besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass es bereits im Handel in hochreiner Form verfügbar war – gute Gründe, dies zu tun, was die Technische Beschwerdekammer verneint hat (vgl. Anlage K 6b, S. 12 f.).

Diese Ausführungen erscheinen zumindest nicht unvertretbar, so dass eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits nicht gerechtfertigt erscheint. Es trifft zu, dass das Klagepatent weder ein Verfahren zur Herstellung des Enzyms A F noch das Enzym selbst schützt. Den Gegenstand des Klagepatents bildet vielmehr eine in den Patentansprüchen näher beschriebene gereinigte Nukleinsäure, die eine Nucleotidsequenz umfasst, welche auf das Enzym A F codiert. Gleichwohl ist die durch die Technische Beschwerdekammer formulierte Aufgabe, die Entwicklung eines alternativen Ansatzes für die Produktion von A F, nicht unvertretbar. Dies gilt umso mehr, als dass sich in der Klagepatentbeschreibung keine Formulierung des zu lösenden Problems findet. Im Übrigen rechtfertigt auch der als Anlage WW8 zur Nichtigkeitsklage eingereichte Aufsatz von Davis „Isolation of the Yeast Calmodulian Gene Using Synthetic Oligonucleotide Probes“, Methods in Enzymology, Vol. xxx, keine andere Bewertung. Anhand des entgegen der Auflagen im frühen ersten Termin lediglich in englischer Sprache vorgelegten Aufsatzes ist – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten – nicht feststellbar, dass die durch das Klagepatent zu lösende Aufgabe dadurch derart naheliegend offenbart wird, dass die Ansicht der Technischen Beschwerdekammer als unvertretbar erscheint.

VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird unter Berücksichtigung der geringen Restlaufzeit des Klagepatents auf 500.000,- EUR festgesetzt.