4b O 104/09 – Clopidogrel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1210

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. August 2009, Az. 4b O 104/09

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Zwangsvollstreckung der Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patentes 0 466 XXX (Anlage Ast 1, deutsche Übersetzung Anlage Ast 1 a, nachfolgend Verfügungspatent), welches beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 691 18 XXX geführt wird. Die Anmeldung des Verfügungspatentes erfolgte am 8. Juli 1991 unter Inanspruchnahme der französischen Patentanmeldung FR 9008XXX vom 10. Juli 1990. Die Patentanmeldung wurde am 15. Januar 1992 offen gelegt, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 17. April 1996 veröffentlicht. Das Verfügungspatent steht in Deutschland in Kraft. Gegen die Patenterteilung wurde kein Einspruch eingelegt, und es ist auch keine Nichtigkeitsklage erhoben worden.

Das Verfügungspatent betrifft ein stereoselektives Verfahren für die Herstellung des Wirkstoffes Clopidogrel, welcher einen Thrombozytenaggregationshemmer darstellt. Bei Clopidogrel handelt es sich um das rechtsdrehende Isomer von α-(4, 5, 6, 7-Tetrahydro-thieno-[3, 2-c]pyrid-5-yl)-(2-chlorphenyl)-essigsäuremethylester, entsprechend nachfolgender Strukturformel, wie sie im Verfügungspatent als „Formel I“ wiedergegeben wird.

Die für das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren maßgeblichen Patentansprüche 1 und 8 haben in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

Die Verfügungsklägerin vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1998 durch ein Schwesterunternehmen in der A-Gruppe (die B GmbH) das Arzneimittel C. C enthält als arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrel. C dient der Prävention artherothrombotischer Ereignisse, beispielsweise bei Patienten nach einem Herzinfarkt, mit einem weltweiten Umsatz allein im Jahr 2008 von 2,6 Milliarden Euro. In der Bundesrepublik Deutschland beträgt der Umsatz ungefähr 120 Millionen Euro.

Die Verfügungsbeklagten vertreiben unter der Bezeichnung D (nachfolgend D) ein unmittelbares Konkurrenzprodukt zu C auf dem deutschen Markt. Dieses Arzneimittel enthält ebenso den Wirkstoff Clopidogrel. Der Verkaufspreis von D liegt bei einer N2-Packung mit 28 Filmtabletten bei 59,35 Euro, während der Vergleichspreis für C bei 82 Euro liegt (vgl. Rote Liste Anlage Ast 7). Ausweislich der Information zur Marktzulassung für D wird das Arzneimittel von der Verfügungsbeklagte zu 2. hergestellt (vgl. AMIS Anlage Ast 8). Die Verfügungsbeklagte zu 2. ist eine Schwestergesellschaft der Verfügungsbeklagten zu 1. in der A-Gruppe. Die Verfügungsbeklagte zu 1. listete das Arzneimittel D erstmals am 15. August 2008 in der Lauer-Taxe. Seit diesem Zeitpunkt wurde das Arzneimittel in Deutschland vertrieben.

Im Zusammenhang mit der geplanten Markteinführung ihres Produktes „D“ in Finnland machte die Verfügungsbeklagte zu 1. gegenüber der Verfügungsklägerin Angaben über das in Finnland verwendete Herstellungsverfahren. Hintergrund der Angaben war das Begehren der Verfügungsbeklagten zu 1. mit Schreiben vom 24. April 2009 (Anlage Ast 9, deutsche Übersetzung Anlage Ast 9a), von der Verfügungsklägerin für ein bestimmtes finnisches Verfahrenspatent FI 87XXX bzw. das darauf basierende Schutzzertifikat eine Bestätigung der Nichtverletzung zu erhalten. Als Appendix A zu diesem Brief überreichte die Verfügungsbeklagte zu 1. das nachfolgend wiedergegebene Syntheseschema mit deutscher Übersetzung mit der Bezeichnung „Route of synthesis showing the process to manufacture the clopidogrel contained in A’s Clopidogrel product“ bzw. in deutscher Übersetzung „Syntheseverlauf, welcher das Herstellungsverfahren für das Clopidogrel in As Clopidogrelprodukt zeigt“.

Der dargestellte Syntheseverlauf nennt die Herstellung des Clopidogrelhydrochlorids. Bei dem von der Verfügungsbeklagten zu 1. in Deutschland vertriebenen Clopidogrel-Arzneimittel handelt es sich um das Salz der Benzolsulfonsäure, das Clopidogrelbesilat. Auch in Finnland beantragte die Verfügungsbeklagte zu 1. bei der finnischen Zulassungsbehörde die Marktzulassung für das Clopidogrelbesilat (Anlage Ast 10 und 10a). Die Verfügungsbeklagte zu 1. beantragte zudem für Frankreich im Wege der dezentralisierten Zulassung die Marktzulassung für D mit dem Wirkstoff Clopidogrelbesilat. Als Herstellerin wurde dort die Verfügungsbeklagte zu 2. benannt (vgl. Annexe 2.1 zum Annexe 1 zur Anlage Ast 23).

Die Verfügungsklägerin meint, durch die Herstellung und den Vertrieb des angegriffenen Arzneimittels D würden die Verfügungsbeklagten von einem unmittelbaren patentgeschützten Verfahrensprodukt Gebrauch machen, was zu unterlassen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. Herstellerin für das angegriffene Arzneimittel in ganz Europa sei, so dass der mit Schreiben vom 24. April 2009 überreichte Syntheseverlauf auch in Deutschland angewandt werde. Sowohl die Anwendung des genannten Verfahrens als auch des Zwischenproduktes würden jedoch von dem Verfügungspatent Gebrauch machen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

I. den Verfügungsbeklagten zu 1. und 2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu untersagen,

in der Bundesrepublik Deutschland

ein pharmazeutisches Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

erzeugt durch ein Verfahren zur Herstellung des rechtsdrehenden Isomeren der Verbindung der Formel

wobei man Formaldehyd mit dem rechtsdrehenden Isomeren der Verbindung der Formel

umsetzt und die gebildeten Verbindungen in Gegenwart einer Säure cyclisiert;

II. der Verfügungsbeklagten zu 2. wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, untersagt,

in der Bundesrepublik Deutschland

rechtsdrehende α-(2-Thienyl-ethylamino)-(2-chlor-phenyl)-essigsäure-methylester bzw. dessen Salze

herzustellen und/oder zu gebrauchen;

III. der Verfügungsbeklagten zu 2. wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, untersagt,

in der Bundesrepublik Deutschland

ein Verfahren zur Herstellung des rechtsdrehenden Isomeren der Verbindung der Formel

anzuwenden,

wobei man Formaldehyd mit dem rechtsdrehenden Isomeren der Verbindung der Formel

umsetzt und die gebildeten Verbindungen in Gegenwart einer Säure cyclisiert;

IV. den Verfügungsbeklagten wird aufgegeben,

die im Besitz der jeweiligen Verfügungsbeklagten befindlichen, unter den Ziffern I. und II. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden, örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der vorläufigen Verwahrung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den hierdurch gesicherten Vernichtungsanspruch der Verfügungsklägerin herauszugeben;

V. den Verfügungsbeklagten wird aufgegeben,

der Verfügungsklägerin Auskunft über den Vertriebsweg der Erzeugnisse gemäß Ziffer I. und II. zu erteilen durch Angabe der Namen und Anschriften aller gewerblichen Abnehmer sowie über die Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Sie bestreiten die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens sowie die Verwendung des Zwischenproduktes bei der Herstellung des angegriffenen Arzneimittels in Deutschland. Nach dem mit Schreiben vom 24. April 2009 übermittelten Syntheseschemas werde nur das für Finnland bestimmte Arzneimittel hergestellt. Im Übrigen bestehe kein Verfügungsgrund, da die Verfügungsklägerin seit Juli 2008 Kenntnis von dem Vertrieb des angegriffenen Arzneimittels in Deutschland habe. Auch sei ihr das Syntheseschema für die Herstellung in Finnland bereits am 24. April 2009 mitgeteilt worden.

Die Verfügungsklägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Antrag vom 18. Juni 2009 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.

Die darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Verfügungsklägerin vermochte im Ergebnis keinen Verfügungsanspruch glaubhaft zu machen. Im Einzelnen:

I.

Die Erfindung nach dem Verfügungspatent betrifft ein Verfahren zur stereospezifischen Synthese von α-(4, 5, 6, 7-Tetrahydrothieno[3, 2)pyrid-5-yl)-(2-chlor-phenyl)-essigsäuremethylester, dessen rechtsdrehendes Isomeres, Clopidogrel, wegen seines therapeutischen Interesses, insbesondere seiner gegen die Plättchenaggregation gerichteten Wirkung und seiner antithrombotischen Wirkung bekannt ist.

Ein Verfahren zur Herstellung der racemischen Mischung durch Substitution von 4, 5, 6, 7-Tetrahydro-thieno[3, 2]pyridin ist in der europäischen Patentanmeldung 99 802 beschrieben, während die Isolierung jedes der Stereoisomeren durch Umkristallisation der Salze mit rechtsdrehender bzw. linksdrehender Camphersulfonsäure in der EP-A 0 281 459 beschrieben ist.

Als weiteren Stand der Technik nimmt das Verfügungspatent Bezug auf die EP 0 000 453, welche ein Verfahren zur Herstellung von gegebenenfalls mit einer Arylalkylgruppe N-substitutierten Tetrahydro-thieno-pyridinen offenbart. Nach diesem Verfahren reagiert ein N-substitutiertes 2-(2-Thienyl)-ethylamin mit einer Verbindung der Formel X-CH(R4)-Y; ein stereospezifisches Syntheseverfahren für die Herstellung von optisch aktiven Tetrahydro-thieno-pyridinen wird hierdurch nicht offenbart.

Dies gilt auch für die weiter angeführte EP-A 4 127 580, welche die Reaktion von Formaldehyd mit N-substitutierten 2-(2-Thienyl)-ethylaminen umfasst.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik hat es sich die Erfindung nach dem Verfügungspatent zur Aufgabe gemacht, ohne dies ausdrücklich zu formulieren, ein Verfahren zu entwickeln, welches es ermöglicht, lediglich eines der Enantiomeren mit ausgezeichneten Ausbeuten zu erhalten und zwar das rechtsdrehende Isomere der Formel I, welche nachfolgend wiedergegeben ist.

Hierzu schlägt das Verfügungspatent in seinem Patentanspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren zur Herstellung des rechtsdrehenden Isomeren der Verbindung der Formel

2. bei dem man

a) ein Formylierungsagens ausgewählt aus Formaldehyd, seinem Hydrat oder seinen Polymerisationsderivaten, Verbindungen der Formel X-CH2-Y, worin X ein Halogenatom, eine C1-C4-Alkoxygruppe, eine C1-C4-Alkylthiogruppe oder eine Aminogruppe und ein Formylierungsagens ausgewählt aus Formaldehyd, seinem Hydrat oder seinen Polymerisationsderivaten, Verbindung der Formel X-CH2-Y, worin X ein Halogenatom, eine C1-C4-Alkoxygruppe, eine C1-C4-Alkylthiogruppe oder eine Aminogruppe und Y eine C1-C4-Alkoxycarbonylgruppe oder eine Phenoxycarbonylgruppe bedeuten, oder heterocyclischen Verbindungen der Formel

in der Z O, NH oder S bedeutet, mit

b) dem rechtsdrehenden Isomeren der Verbindung der Formel

umsetzt, und

3. die gebildeten Verbindungen in Gegenwart einer Säure cyclisiert.

Patentanspruch 8 stellt entsprechend das Zwischenprodukt mit der Formel II, rechtdrehender α-(2-Thienyl-ethylamino)-)(2-chlor-phenyl)-essigsäuremethylester und dessen Salze unter Schutz.

II.

Die Verfügungsklägerin vermochte nicht glaubhaft zu machen, dass das von den Verfügungsbeklagten verwendete Verfahren zur Herstellung von D in Deutschland von der Lehre nach dem Verfügungspatent Gebrauch macht.

Zweifel bestehen allerdings nicht daran, ob das im Appendix A des Schreibens der Verfügungsbeklagten zu 1. vom 24. April 2009 beschriebene Verfahren, welches im Tatbestand wiedergegeben wurde, von der Lehre nach dem Verfügungspatent Gebrauch macht. Dass mit dem dort beschriebenen Verfahren Patentanspruch 1 und 8 des Verfügungspatentes verwirklicht werden, hat die Verfügungsklägerin hinreichend glaubhaft gemacht.

Die in dem Fließschema oben rechts gezeigte Formel entspricht der Formel II des Patentanspruches II und somit auch des Patentanspruches 8. Es ist unerheblich, dass in der Strukturformel des Appendix A der rechte Phenylring gegenüber dem Phenylring der Formel II in dem Patentanspruch 1 um 180° gedreht ist. Da es sich um eine C-C-Einfachbindung handelt, ist der Ring frei drehbar. Dies hat auch der mitwirkende Patentanwalt Dr. E in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24. Juni 2009 (Anlage Ast 12) beschrieben. Die im Appendix A oben rechts gezeigte Verbindung entspricht daher der Formel II. Dies wurde von den Verfügungsbeklagten auch nicht in Abrede gestellt.

Die Verfügungsklägerin hat auch vorgetragen, dass im Anschluss hieran eine Cyclisierungsreaktion mit Säure stattfindet, auch wenn eine Säure in dem Reaktionsschema im Rahmen der Cyclisierung nicht genannt wird. Auch insoweit hat die Verfügungsklägerin durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Herrn F vom 22. Juni 2009 (Anlage Ast 13) vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Cyclisierungsreaktion ausschließlich durch Zugabe einer Säure erfolgen kann. Herr F hat insoweit auf die Pictet-Spengler-Reaktion verwiesen, eine chemische Reaktion zur Herstellung von Heterocyclen, welche säurekatalysiert erfolgt. Einwendungen hiergegen haben die Verfügungsbeklagten nicht erhoben.

Im Anschluss hieran erfolgt die Salzbildung durch Einsatz einer weiteren Säure, wobei die Art der Salzbildung für die Frage der Verletzung des Verfügungspatentes ohne Relevanz ist. Mithin wird durch das in dem Appendix A beschriebene Reaktionsschema von den Patentansprüchen 1 und 8 des Verfügungspatentes Gebrauch gemacht.

Die Verfügungsklägerin hatte zunächst auch schlüssig vorgetragen und durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen glaubhaft gemacht, dass maßgebliche Umstände dafür sprechen, dass die Verfügungsbeklagten auch in Deutschland das für Finnland vorgesehene Herstellungsverfahren von D anwenden. So sei es die übliche Vorgehensweise in der pharmazeutischen Industrie, nur ein Herstellungsverfahren für jeden Wirkstoff zu realisieren, da ansonsten mehrere Zulassungsverfahren mit erhöhtem Kostenaufwand betrieben werden müssten und auch die Herstellung selbst unwirtschaftlich sei, da getrennte Produktlinien eingerichtet werden müssten (vgl. eidesstattliche Versicherung des Dr. G vom 24. Juni 2009, Anlage Ast 19, 19a). Gerade da die Verfügungsbeklagte zu 2. auch als Herstellerin von D für den französischen Markt benannt sei, spreche viel dafür, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. auch Herstellerin des für Finnland bestimmten D sei, welche das Arzneimittel nach einem einheitlichen Verfahren, dem finnischen, herstelle.

Die Verfügungsbeklagten sind diesem Vorbringen jedoch in letztlich erheblicher Weise entgegen getreten und haben ihr Vorbringen ebenfalls ausreichend glaubhaft gemacht.

Bis zur mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2009 haben die Verfügungsbeklagten nicht hinreichend bestritten, dass von dem patentgemäßen Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland kein Gebrauch gemacht wird. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ((GRUR 2004, 268 – Blasenfreie Gummibahn II) und des Oberlandesgerichtes Düsseldorf (Urteil v. 04.08.2009, Az. I-2 U 87/08) genügt ein lediglich pauschales Bestreiten der Verletzung nicht, wenn der Kläger die angegriffene Ausführungsform hinreichend konkret beschreibt. Der Beklagte ist vielmehr gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen der klagenden Partei Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Der Beklagte kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmale beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss substantiiert sein. Kein erhebliches Bestreiten stellt es dar, wenn sich der Beklagte darauf beschränkt, am Sachvortrag des Klägers lediglich zu bemängeln, dessen Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstantiiert. Eine Erklärung mit Nichtwissen sieht § 138 Abs. 4 ZPO nur für solche Tatsachen vor, die nicht eigene Handlungen der Partei betreffen oder Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind.

Hiervon ausgehend sind die Antragsgegnerinnen zunächst ihrer Verpflichtung zu einem hinreichend konkreten Bestreiten, welcher Verfahrensschritt durch sie nicht verwirklicht wird und wie denn der entsprechende Verfahrensschritt bei dem von ihnen behaupteten Verfahren aussieht, nicht nachgekommen. Hierauf wurden sie von der Kammer in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Das tatsächlich benutzte Verfahren wurde von den Verfügungsbeklagten erst als letzter Schritt bekanntgemacht, nachdem sie sich zunächst auf ein einfaches Bestreiten des Vortrages der Verfügungsklägerin beschränkt haben, indem pauschal behauptet wurde, dass D in Deutschland von einem dritten Unternehmen hergestellt werde und mögliche Alternativverfahren zur Herstellung von Clopidogrel genannt wurden, ohne jedoch deutlich zumachen, dass das angegriffene Arzneimittel für den deutschen Markt tatsächlich nach einem dieser Alternativverfahren hergestellt wird. Es wurde vielmehr vorgetragen, dass keines der Alternativverfahren angewandt wird. In einem weiteren Schritt wurde dann mit einer weiteren eidesstattlichen Versicherung des Herrn H, Patentmanager der I AG, der von dem indischen Hersteller durchgeführte Cyclisierungsschritt offenbart. Nachdem auch dieses Vorbringen den oben dargestellten Grundsätzen zur sekundären Darlegungslast nicht entsprach, offenbarten die Verfügungsbeklagten, dass das angegriffene Arzneimittel, welches in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben wird, ausschließlich von einem dritten Unternehmen hergestellt wird. Der Patentmanager der Verfügungsbeklagten zu 1., Herr Dr. J, hat in einer in der mündlichen Verhandlung überreichten eidesstattlichen Versicherung, welche als Anlage zum Protokoll genommen wurde, ausgeführt, dass für Deutschland bestimmtes D ausschließlich von I AG, einem schweizerischen Unternehmen, bezogen wird. Die Belieferung der Verfügungsbeklagten zu 1. mit D bestätigte der Patentmanager der I AG, Herr H, in einer eidesstattlichen Versicherung vom 16. Juli 2009, welche die Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten. Als Herstellerin des Ds wurde in der gleichen eidesstattlichen Versicherung die K Limited, L, ein indisches Unternehmen, genannt. Diese stellt, wie die Verfügungsbeklagten vorgetragen haben, das angegriffene Arzneimittel entsprechend der nachfolgend gezeigten Auszüge aus dem Arzneimitteldossier her:

Bei diesem Verfahren wird von der Lehre nach dem Verfügungspatent keinen Gebrauch gemacht, was von den Parteien auch in keiner Weise diskutiert wurde.

Die Verfügungsbeklagten haben die Verwendung des obigen Verfahrens bei der Herstellung des für Deutschland bestimmten D glaubhaft gemacht durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen der Herren Dr. J und H, Patentmanager der Verfügungsbeklagten zu 1. und I AG. Die Verfügungsklägerin vermochte an diesen Darlegungen und Glaubhaftmachungen keine durchgreifenden Zweifel zu wecken. Zwar haben die Verfügungsbeklagten nicht das gesamte Arzneimitteldossier betreffend die Herstellung von D Deutschland vorgelegt. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass sich aus dem weiteren Inhalt des Arzneimitteldossiers ein anderes Verfahren ergeben könnte. Auch der Umstand, dass bei dem offenbarten Herstellungsverfahren eine Racemat-Trennung mit Hilfe von Campher-Sulfonsäure erfolgen muss (Stage III), was einen erhöhten Arbeits- und Kostenaufwand beinhaltet, vermag keine Zweifel an den Darlegungen zu begründen, da auch das Verfügungspatent Racemat-Trennungen mit Hilfe von Campher-Sulfonsäure bei der Herstellung des Zwischenproduktes mit der Formel II über die Verbindungen IV und V beschreibt (siehe nur Seite 5 Zeilen 15 ff., insbesondere ab Zeile 28; Seite 7 Zeilen 31 ff., Seite 8 Zeilen 29 ff.). Auch haben die Verfügungsbeklagten durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Patentmanagers der Verfügungsbeklagten zu 1., Herr Dr. J, glaubhaft gemacht, dass die Belieferung mit den deutschen Markt betreffendem D ausschließlich durch die I AG erfolgt, welcher wiederum das Arzneimittel in Indien durch K Limited herstellen lässt. Ein anderer Herstellungs- und Belieferungsweg als der durch die Verfügungsbeklagten genannte ist daher nicht zu erkennen.

Das von den Verfügungsbeklagten praktizierte Verhalten einer „stückchenweisen Preisgabe“ von Informationen ist im einstweiligen Verfügungsverfahren zulässig. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind in den durch Rechtsmissbrauch gezogenen Grenzen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig; § 296 ZPO ist nicht anwendbar. Danach können Sachvortrag und Glaubhaftmachungsmittel, die unschwer bereits vorher in das Verfahren einzubringen gewesen wären und nur bis zur mündlichen Verhandlung zurückgehalten werden, um dem gegen durch Überrumpelung die Verteidigungsmöglichkeit zu nehmen, ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben (Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. Kap. 55 Rdnr. 19 m.w.N.). Ein solcher Fall der rechtsmissbräuchlichen Überrumpelung der Verfügungsklägerin durch die Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung mit der Folge der Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeit liegt jedoch nicht vor. Die Verfügungsbeklagten konnten sich hinsichtlich der zurückgehaltenen Informationen über den Hersteller und das Herstellungsverfahren jedenfalls zunächst auf den Schutz von Betriebsinterna berufen, auch wenn sie diese im Verlauf der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf ihre Verpflichtung zu einer ausreichenden Verteidigung offenbarten. Hinzu kommt, dass die Verfügungsklägerin vor Antragseinreichung nicht an die Verfügungsbeklagten herangetreten ist und sich daher nicht um eine außerprozessuale Regelung bemüht hat, bei welcher dem Interesse der Verfügungsbeklagten an einer Wahrung ihrer Betriebsinterne unter Ausschluss des Gerichtes und der Öffentlichkeit möglicherweise stärker hätte genügt werden können.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin kann ein Verfügungsanspruch nicht mit einer allgemeinen Erstbegehungsgefahr für die Anwendung des in Finnland praktizierten Verfahrens, welches – wie ausgeführt – von der Lehre nach dem Verfügungspatent in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen würde, begründet werden. Eine Erstbegehungsgefahr besteht, wenn Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis künftiger Verletzungshandlungen rechtfertigen (vgl. BGHZ 2, 394). Die bloß theoretische Möglichkeit, dass sich die Gefahr eines Eingriffs ergeben könnte, genügt nicht. Es müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der potentielle Verletzer den Entschluss bereits gefasst hat (BGHZ 117, 264, 272 – Nicola). Solche Umstände sind vorliegend weder zu erkennen noch wurden sie von der Verfügungsklägerin vorgetragen und glaubhaft gemacht. Mehr als eine theoretische Möglichkeit der Herstellung des Arzneimittels D in der Bundesrepublik Deutschland nach dem in Finnland praktizierten Verfahren besteht nicht. Die Verfügungsbeklagten haben in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung des Patentmanagers Herr Dr. J, welche als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen wurde, glaubhaft gemacht, dass M, N, O, ein slowenisches Unternehmen, das für Finnland bestimmte D ausschließlich herstellen und die Zulassung betreiben wird. Diese soll, entsprechend des „Agreement on dossier purchase and registration transfer“ vom 6. November 2008 Clopidogrel Hydrochloridsalz herstellen und die Marktzulassung betreiben. Das Zulassungsverfahren selbst soll im Auftrag von M durch die P betrieben werden, was durch Herrn Dr. J in seiner eidesstattlichen Versicherung bestätigt wurde. Die P wird in der von der Verfügungsklägerin als Anlage Ast 10 genannten Auflistung, der die Zulassung von verschiedenen Clopidogrelsalzen in Finnland betreibenden Unternehmen unter B01AXXX „Q“ mit dem Wirkstoff „Clopidogreli hydrochloridum“ auch genannt. Zweifel an diesem Vorbringen können lediglich darin begründet sein, dass als Einreichungsdatum der Zulassungsanmeldung bei der Nationalen Behörde für Arzneimittel in Finnland der 30. Oktober 2008 angegeben ist, das genannte „Agreement“ zwischen der Verfügungsbeklagte zu 1. und M jedoch erst am 6. November 2008 getroffen wurde. Diese Diskrepanzen in den Datumsangaben können jedoch die konkrete Gefahr der Herstellung von D durch die Verfügungsbeklagte zu 2. für Finnland entsprechend des mit Schreiben vom 24. April 2009 im Appendix A übermittelten Verfahrens nicht begründen. Denn hieraus kann nicht gefolgert werden, dass beabsichtigt ist, das Arzneimittel durch die Verfügungsbeklagte zu 2. entsprechend des im Appendix A genannten Verfahrens herzustellen. Auch bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsbeklagten das in Finnland verwendete Herstellungsverfahren auch für die für die Bundesrepublik Deutschland bestimmten Arzneimittel anwenden und das von ihnen beschriebene Verfahren tatsächlich nicht verwenden oder verwenden werden. Ebenso wenig sind Tatsachen erkennbar, dass die Produkte, die in Finnland vertrieben und nach dem im Appendix A beschriebenen Verfahren hergestellt wurden, in Deutschland hergestellt worden sind und von hier aus in das Ausland geliefert werden.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war daher mangels Vorliegens eines Verfügungsanspruches zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 5.000.000,- EUR.