4b O 138/08 – Leitfähige Tinte

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1223

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. September 2009, Az. 4b O 138/08

I. Die Beklagten werden – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Dispersionen oder Lösungen enthaltend Ionenkomplexe Polythiophen+An-, in organischen Lösungsmitteln in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die mittels eines Verfahrens hergestellt worden sind, bei dem

a) ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittel oder ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittelgemisch einer wässrigen Dispersion oder Lösung von Ionenkomplexen Polythiophen+An- zugegeben wird,

wobei Polythiophen+ für Polymere steht, welche wenigstens zum Teil positiv geladene wiederkehrende Einheiten der Formel (I) enthalten,

in der

Y -(CH2)m-CR1R2(CH2)n- oder einen gegebenenfalls substituierten 1,2-C3-C8-Cycloalkylenrest bedeutet und

R1 und R2 unabhängig voneinander für Wasserstoff, Hydroxymethyl, einen gegebenenfalls substituierten C1-C20-Alkylrest oder einen gegebenenfalls substituierten C6-C14-Arylrest stehen und

m, n gleich oder verschieden eine ganze Zahl von 0 bis 3 sind und wobei
An- für ein Anion einer organischen Polysäure steht, und

b) Wasser aus den resultierenden Mischungen entfernt wird;

2. der Klägerin in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 2. Februar 2004 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und/oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen, den Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen, den Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschließlich der Bezugspreise) und des erzielten Gewinns,

wobei

 von dem Beklagten zu 3) sämtliche Angaben und von sämtlichen Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 4. Juni 2005 zu machen sind,
 die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die Rechnungen und Lieferscheine in Kopie vorzulegen haben,
 es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

3. der Klägerin in einem geordneten Verzeichnis und unter Angabe der zu Ziffer I.2. b) bis e) aufgeführten Angaben darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 2. Februar 2004

(i) Haftverstärker für die in Ziffer I.1. beschriebenen Dispersionen oder Lösungen, insbesondere das Produkt A

an Abnehmer geliefert haben, die vorher und/oder innerhalb eines Zeitraums von einem Monat nach der Lieferung Dispersionen oder Lösungen nach Ziffer I.1. erhalten haben,

wobei

– von dem Beklagten zu 3) sämtliche Angaben und von sämtlichen Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 4. Juni 2005 zu machen sind,

– die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu b) die Rechnungen und Lieferscheine in Kopie vorzulegen haben,

– es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist .

4. Die Beklagten werden verurteilt, die zu Ziffer I.1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass das Landgericht Düsseldorf mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 373 XXX B1 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesichert wird.

II.1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 4. Juni 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird,

wobei die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 3) erst ab dem 29. November 2007 besteht;

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 2. Februar 2004 bis 3. Juni 2005 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

V. Dieses Urteil ist wegen des Ausspruches zu I.1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600.000,00 Euro, wegen des Ausspruches zu I.2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 Euro, wegen des Ausspruchs zu I.4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 Euro und wegen des Ausspruches zu II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 1 373 XXX (Anlage L 7, nachfolgend Klagepatent), dessen Verfahrenssprache deutsch ist. Das Klagepatent wurde am 27. Februar 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 101 11 XXX vom 12. März 2001 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 2. Januar 2004 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 4. Mai 2005. Das Klagepatent steht in Kraft. Das Klagepatent betrifft die Herstellung und Verwendung von Dispersionen oder Lösungen, enthaltend gegebenenfalls substitutierte Polythiophene in wasserfreien oder wasserarmen organischen Lösungsmitteln. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Wegen des Wortlauts der lediglich insbesondere geltend gemachten Patentansprüche 2, 3, 5 und 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen. Die Beklagte zu 2) hat gegen den Rechtsbestand des Klagepatentes Nichtigkeitsklage bei dem Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Beklagten zu 1) und 2) bieten an und vertreiben in Deutschland unter der Handelsbezeichnung „B“ unter anderem die Produkte der C und D Serien. Der Beklagte zu 3) ist seit dem 29. November 2007 Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 2). Bei den angegriffenen Produkten handelt es sich um lösungsmittelbasierte, transparente leitfähige Tinte. Die Beklagte zu 1) bietet die Produkte auf ihren unter der Internet-Adresse www.E.de zugänglichen Internetseiten an. Einen Überblick über die Produktpalette gibt zudem die Broschüre „F“, welche im Internet bereitgehalten wird und von welcher die Klägerin als Anlage L 12 Auszüge vorgelegt hat, worauf Bezug genommen wird. Die Zusammensetzung der Produktserien C und G lässt sich den jeweiligen Produktdatenblättern und Sicherheitsdatenblättern entnehmen (Anlage L 13, L 14, L 15). Aus diesen ergibt sich die Zusammensetzung, jedenfalls die deklarationspflichtigen Bestandteile betreffend, wie folgt:

“Ink, mainly consisting of:
 Diethylene glycol 5.0 – 10.0%
 Ethanol 1.0 – 5.0 %
 Water 5.0 – 10.0 %
 Polymer 1.0 – 5.0 %
 Organic additives 60.0 – 80.0 %.

sowie Polyethylendioxythiophen (PEDOT).“

Das von den Beklagten praktizierte Herstellungsverfahren ergibt sich anhand der als Anlage L 16 (deutsche Übersetzung Anlage L 16a) vorgelegten Präsentation, insbesondere der Folie 12. Dort wird der Herstellungsprozess der angegriffenen H-Tinten unter dem Titel „H“ beschrieben, wie nachfolgend wiedergegeben.

Zwischen den Parteien unstreitig erfolgt die Herstellung in der Weise, dass bereits während der Zugabe eines mit Wasser mischbaren, organischen Lösungsmittels zu einer wässrigen Dispersion oder Lösung gegebenenfalls substituierter Polythiophene die Entfernung des Wassers aus dem Gemisch erfolgt, entsprechend der auf Seite 7 der Klageerwiderung (Bl. 91 GA) wiedergegebenen und nachfolgend gezeigten graphischen Darstellung.

Die aus diesem Herstellungsprozess resultierenden Produkte werden weiter umgesetzt entsprechend der Herstellungsvorschriften gemäß Anlage B 3, um die notwendigen Eigenschaften – Vernetzung, Haftvermittlung u.ä. – zu erhalten.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das von den Beklagten angewandte Verfahren das Klagepatent, insbesondere den Patentanspruch 1, wortsinngemäß, jedenfalls aber äquivalent verletze. Es sei für die Frage der Verletzung nicht von Relevanz, dass bei dem praktizierten Herstellungsverfahren das Wasser bereits während der Zugabe des mit Wasser mischbaren Lösungsmittels entfernt werde. Der Patentanspruch sehe keine separaten Schritte vor. Die Klägerin könne für sich die Beweislastumkehr des § 139 Abs. 3 PatG in Anspruch nehmen, da die aus dem patentgemäßen Herstellungsverfahren resultierenden Dispersionen oder Lösungen eine bislang unbekannte Eignung aufweisen würden, nämlich leitfähig und gleichzeitig transparent und klar seien (Bl. 23 f. GA). Sie könne auch Auskunft und Rechnungslegung über Produkte, deren Absatz vom Absatz der angegriffenen Tinten abhänge, verlangen. Hierzu würden beispielsweise Produkte gehören, wie der Haftverstärker „A“ sowie Polymerfolien bzw. Substrate.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen wie geschehen, nachdem sie im frühen ersten Termin am 5. August 2008 in Ziffer I.2.e) im 2. Spiegelstrich die Worte „die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege“ und in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2009 in Ziffer I.2.e) die Worte „der nicht durch… zugeordnet“ sowie gestrichen hat, sowie

unter Ziffer I.2. zusätzlich

– die Beklagten nach ihrer Wahl zur Vorlage oder Verschaffung von Zugang zu sämtlichen Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen zu verpflichten, die Angaben zu b) bis e) betreffen,

sowie unter Ziffer I.3., nachdem im 2. Spiegelstrich die Worte „entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege“ gestrichen wurden,

die Beklagten zu verurteilen,

der Klägerin in einem geordneten Verzeichnis und unter Angabe der zu Ziffer I.2. b) bis e) aufgeführten Angaben darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 2. Februar 2004

(ii) Polymerfolien und andere Substrate für die in Ziffer I.1. beschriebenen Dispersionen oder Lösungen

an Abnehmer geliefert haben, die vorher und/oder innerhalb eines Zeitraums von einem Monat nach der Lieferung Dispersionen oder Lösungen nach Ziffer I.1. erhalten haben, wobei

– von dem Beklagten zu 3) sämtliche Angaben und von sämtlichen Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 4. Juni 2005 zu machen sind,

– die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu b) die Rechnungen und Lieferscheine in Kopie vorzulegen haben,

– die Beklagten nach ihrer Wahl zur Vorlage oder Verschaffung von Zugang zu sämtlichen Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen verpflichtet sind, die Angaben zu b) bis e) betreffen,

– es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger sowie die Bank-. Finanz- und Handelsunterlagen statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist (und inwieweit die von den Beklagten zu a) bis e) gemachten Angaben mit den Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen übereinstimmen,

sowie hilfsweise im Hinblick auf eine äquivalente Patentverletzung,

indem im Antragswortlaut in Ziffer I.1. bei Schritt b) nach den Worten „Wasser aus den resultierenden Mischungen entfernt wird“ die Worte „wobei das Zugeben von Lösungsmittel bzw. Lösungsmittelgemisch nach Schritt a) fortgesetzt wird“ eingefügt werden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit bis zur rechtkräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie stellen eine Patentverletzung in Abrede. Das Klagepatent sehe eine bestimmte Reihenfolge der Verfahrensschritte vor, nämlich dahingehend, dass die Zugabe des mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittels erst abgeschlossen sein müsse, bevor das Wasser entfernt werde. Bei dem angegriffenen Verfahren werde das Wasser im Übrigen nicht vollständig entfernt. Die Beklagten ziehen zudem das Vorhandensein eines unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG mit der Begründung in Zweifel, bei dem erhaltenen Produkt handele es sich lediglich um ein Zwischenprodukt, das unstreitig noch weiteren Verfahrensschritten unterzogen werden muss, um über gute Benetzungs- und Hafteigenschaften zu verfügen. Bei dem Zwischenprodukt, als Ergebnis des Verfahrens handelt es sich um das Zwischenprodukt, welches intern als „I“ bezeichnet wird. Durch die weitere Umsetzung werden physikalische Eigenschaften verändert, nämlich die Textur, die Oberflächenspannung (Benetzungsfähigkeit) und die Haftung, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Durch die Vermischung mit Additiven habe sich daher nicht nur die chemische Zusammensetzung des Endprodukts im Verhältnis zum Zwischenprodukt geändert, sondern auch entscheidende physikalische Eigenschaften würden erst durch Anwendung des Verfahrens nach Anlage B 3 erreicht.

Im Übrigen sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig. Insbesondere die im Nichtigkeitsverfahren als Anlage B 4-D 7 vorgelegte EP-A-1360XXX = WO02/067XXX A1 stehe der Erfindung nach dem Klagepatent neuheitsschädlich entgegen, wie auch das Landgericht Antwerpen (Commercial Court of Antwerp) mit Urteil vom 19. Juni 2009 (Anlage L 23, deutsche Teilübersetzung L 23a) festgestellt habe.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen vollumfänglich entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Das angegriffene Herstellungsverfahren macht von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch, so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im tenorierten Umfang zustehen. Im Einzelnen:

I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft die Herstellung und Verwendung von Dispersionen oder Lösungen, enthaltend gegebenenfalls substituierte Polythiophene in wasserfreien oder wasserarmen organischen Lösungsmitteln.

Zum Hintergrund der Erfindung führt die Klagepatentschrift aus, dass leitfähige Polymere auf der Basis von substituierten Thiophenen in der Technik zunehmend Verwendung finden, beispielsweise bei der Durchkontaktierung von Leiterplatten, der Antistatikausrüstung fotographischer Filme und Kunststoff-Formteilen oder für Elektroden in Feststoffelektrolyt-Kondensatoren. Für derartige Verwendungen werden dabei bevorzugt Dispersionen solcher π-konjugierten, polymeren Verbindungen eingesetzt.

Wässrige Dispersionen oder Lösungen von Ionenkomplexen Polythiophen+An- haben sich für solche Zwecke als besonderes geeignet erwiesen, weil sie sowohl eine hohe Stabilität besitzen als auch zu Beschichtungen mit einer ausgezeichneten Leitfähigkeit führen. Diese Ionenkomplexe Polythiophen+An- können bestehen aus π-konjugierten Polythiophenen, deren positive Ladungen über das gesamte Molekül delokalisiert sind und Anionen von zum Beispiel organischen Polysäuren, die die positiven Ladungen ausgleichen.

Bei der oxidativen Polymerisation von substituierten 3,4–Alkylendioxy-thiophenen mit Kaliumperoxodisulfat als Oxidationsmittel in Gegenwart von Polystyrolsulfonsäuren fallen gemäß EP-A 440 957 Ionenkomplexe Polythiophen+An- als wässrige Dispersionen an, die aus 3,4-Poly-alkylendioxy-thiophenen und Anionen der Polystyrolsulfonsäure bestehen. Diese Dispersionen können direkt für oben genannte Zwecke eingesetzt werden. Auch bei der oxidativen Polymerisation von substituierten 3,4-Alkylendioxy-thiophenen, die in der Alkyleneinheit durch Säuregruppen tragende Reste substituiert sind, entstehen Dispersionen oder Lösungen von Ionenkomplexen Polythiophen+An-, in denen jedoch die positiven Ladungen des konjugierten π-Systems durch die ebenfalls im Molekül selbst vorhandenen Säureanionen ausgeglichen werden.

Eine verbesserte Variante für die Herstellung solcher wässriger Dispersionen oder Lösungen stellt der Einsatz von Ionenaustauschern zur Entfernung des anorganischen Salzgehaltes oder eines Teils davon, der überwiegend aus der chemischen Oxidation stammt, dar. Durch diesen Entsalzungsschritt wird die Bildung von Trübungen und Inhomogenitäten beispielsweise bei der Herstellung von dünnen Antistatikschichten vermieden und es entstehen hochtransparente, klare Schichten. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass trotz der guten Eigenschaften wässriger Dispersionen oder Lösungen für einige Anwendungen die im Vergleich zu Wasser unterschiedliche Benetzungsfähigkeit und das differenzierte Trocknungsverhalten organischer Lösungsmittel von Vorteil beispielsweise für das Aufbringen leitfähiger Schichten auf das Trägermaterial ist. Die einfache Trocknung oder destillative Entfernung des Wassers aus oben genannten Dispersionen oder Lösungen führt zu Pulvern, die durch Zusatz organischer Lösungsmittel nicht auf einfache Weise redispergiert werden können.

Zum Stand der Technik führt das Klagepatent weiter aus, dass aus der EP-A 203 438 in organischen Lösungsmitteln dispergierte Polymere aus substitutierten Thiophenen bekannt sind. Der Nachteil des dort beschriebenen Verfahrens ist jedoch die Herstellung der Polythiophene aus substituierten 2,5-Dihalogenthiophenen mit Hilfe von Magnesium in Gegenwart eines Nickelkatalysators. Eine solche Reaktionsführung ist in größerem Maßstab nicht praktikabel und der Gehalt an krebserzeugendem und allergenem Nickel verbietet die Verwendung der Lösung ohne vorherige aufwändige Aufarbeitungsschritte.

Auch in der EP-A 253 994 ist eine Herstellungsmethode für Lösungen oder Dispersionen von Ionenkomplexen Polythiophen+An-, bestehend aus Polythiophenen und Anionen der dort verwendeten Leitsalze, in organischen Lösungsmitteln beschrieben. In diesen Fällen findet die Polymerisation der monomeren Thiophene durch chemische Oxidation bereits im organischen Lösungsmittel statt. Bei diesem Verfahren fällt das gewünschte Produkt jedoch aus der Reaktionslösung aus und ist daher beispielsweise für die Herstellung transparenter Filme nicht mehr verwendbar.

3,4-Poly-alkylendioxy-thiophene enthaltende Dispersionen können gemäß EP-A 440 957 ebenfalls direkt in organischen Lösungsmitteln hergestellt werden, allerdings verbleibt in solchen Fällen der anorganische Salzgehalt, der überwiegend aus der chemischen Oxidation stammt, in Lösung, was zu oben genannten unerwünschten Effekten bei der Herstellung von Beschichtungen führen kann.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik bestand daher das Bedürfnis einen Weg zu finden, die hervorragenden Leitfähigkeits- und Beschichtungseigenschaften der ganz oder teilweise entsalzten, wässrigen Dispersionen oder Lösungen der Ionenkomplexe Polythiophen+An- mit den vielfältigen Benetzungs- und Trocknungseigenschaften organischer Lösungsmittel zu verknüpfen. Hierzu schlägt das Klagepatent in seinem Patentanspruch 1 folgendes Verfahren vor:

1. Verfahren zur Herstellung von Dispersionen oder Lösungen.

1.1 enthaltend Ionenkomplexe Polythiophen+An-

1.2 in organischen Lösungsmitteln

dadurch gekennzeichnet, dass

a) ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittel oder ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittelgemisch einer wässrigen Dispersion oder Lösung von Ionenkomplexen Polythiophen+An- zugegeben wird,

a.1 wobei Polythiophen+ für Polymere steht, welche wenigstens zum Teil positiv geladene wiederkehrende Einheiten der Formel (I) enthalten,

in der

Y -(CH2)m-CR1R2(CH2)n- oder einen gegebenenfalls substituierten 1,2-C3-C8-Cycloalkylenrest bedeutet und

R1 und R2 unabhängig voneinander für Wasserstoff, Hydroxymethyl, einen gegebenenfalls substituierten C1-C20-Alkylrest oder einen gegebenenfalls substituierten C6-C14-Arylrest stehen und

m, n gleich oder verschieden eine ganze Zahl von 0 bis 3 sind und wobei

An- für ein Anion einer organischen Polysäure steht, und

a.2 An- für ein Anion einer organischen Polysäure steht,

[oder wobei…..] und

b) Wasser aus den resultierenden Mischungen entfernt wird.

II.

Das angegriffene, von den Beklagten praktizierte Verfahren macht von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch. Denn der Patentanspruch 1 sieht keine Reihenfolge der Verfahrensschritte in dem Sinne vor, dass die Zugabe des mit Wasser mischbaren Lösungsmittels abgeschlossen sein muss bevor das Wasser aus der Mischung entfernt wird.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Wortlaut des Patentanspruchs, welcher die Kennzeichnung a) und b) für die einzelnen Verfahrensschritte verwendet, nicht als abschließende Reihenfolge der durchzuführenden Verfahrensschritte zu verstehen. Der mit a) bezeichnete Schritt muss nicht abgeschlossen sein, bevor mit dem mit b) gekennzeichneten Schritt begonnen werden kann. Generell gilt, dass Bezugszeichen im Patentanspruch kein Hinweis dafür sind, dass nur die konkreten, im gezeigten Ausführungsbeispiel beschriebenen Baumittel durch das Patent geschützt sind (vgl. BGH, GRUR 1963, 563, 564 – Aufhängevorrichtung). Sie dienen vielmehr der Verdeutlichung und sollen wie Beschreibung und Zeichnungen das Verständnis des Patentanspruchs erleichtern. Dem entspricht die vorliegende Situation. Denn dem Patentanspruch selbst kann eine solche zwingende und abschließende Reihenfolge nicht entnommen werden. Der Fachmann, beispielsweise ein Diplomchemiker mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Dispersionen oder Lösungen, die Polythiophene enthalten, erkennt, dass die Kennzeichnung der Verfahrensschritte im Patentanspruch 1 mit den Buchstaben a) und b) vielmehr der besseren Übersichtlichkeit und Unterscheidbarkeit der Schritte dient.

Auch die Verwendung des Wortes „zugegeben“ im Merkmal a) führt nicht zu einem anderen Verständnis, da der Begriff einer Zugabe keine vollständige Zugabe des im Merkmal a) näher beschriebenen Lösungsmittels beinhaltet, und von einer vollständigen Zugabe ist in dem Merkmal a) nicht die Rede.

Gegen die genannte Auffassung spricht auch nicht der Umstand, dass in dem mit b) gekennzeichneten Verfahrensschritt von resultierenden Mischungen die Rede ist, aus welchen das Wasser entfernt wird. Denn eine Mischung entsteht bereits bei einer erstmaligen Zugabe des in Merkmal a) näher beschriebenen, mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittels oder des mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittelgemisches. Zur Herstellung einer Mischung genügen bereits kleine Mengen des Lösungsmittels; eine vollständige Zugabe wird dadurch nicht vorausgesetzt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf Grund des Umstandes, dass in Merkmal b) von einer Entfernung des Wassers aus den resultierenden Mischungen die Rede ist. Der Formulierung kann der von den Beklagten gezogene Schluss, dass es sich hierbei um die im Merkmal a) beschriebenen und fertiggestellten Mischungen handelt, nicht entnommen werden. Die Verwendung des Plurals ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass nach Merkmal a) ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittel oder ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittelgemisch einer wässrigen Dispersion oder Lösung von Ionenkomplexen zugegeben wird. Merkmal a) setzt daher jedenfalls in der 2. Variante bereits eine Mischung voraus, was in der Verwendung des Plurals im Merkmal b) berücksichtigt wird.

In dieser Sichtweise wird der Fachmann bestätigt bei der maßgeblichen technisch-funktionalen Betrachtung des Anspruchs. Der Fachmann erkennt, dass mit dem erfindungsgemäßen Verfahren der aus dem Stand der Technik bekannte Nachteil bei der Herstellung von Dispersionen oder Lösungen von Ionenkomplexen Polythiophen+An- vermieden wird, dass die entstandenen Pulver nicht mehr redispergiert werden können oder es zu einer Ausfällung von Polythiophen+An- kommt. So beschreibt das Klagepatent in seiner einleitenden Darstellung des Standes der Technik, dass zwar die Herstellung von wässrigen Dispersionen oder Lösungen von Ionenkomplexen Polythiophen+An- bekannt sei. Es habe sich jedoch gezeigt, dass trotz der guten Eigenschaften wässriger Dispersionen oder Lösungen für einige Anwendungen die im Vergleich zu Wasser unterschiedliche Benetzungsfähigkeit und das differenzierte Trocknungsverhalten organischer Lösungsmittel von Vorteil ist beispielsweise für das Aufbringen leitfähiger Schichten auf das Trägermaterial. Die einfache Trocknung oder destillative Entfernung des Wassers aus den wässrige Dispersionen oder Lösungen führt jedoch zu Pulvern, die durch den Zusatz organischer Lösungsmittel nicht auf einfache Weise redispergiert werden können. Eine Herstellung von Ionenkomplexen Polythiophen+An- in einem organischen Lösungsmittel weist den Nachteil auf, dass die aus dem Stand der Technik – EP-A 203 438 – bekannte Reaktionsführung nicht in großem Maßstab praktikabel ist und zudem krebserzeugender und allergener Nickel als Katalysator verwendet werden muss. Andere in organischen Lösungsmitteln bekannte Herstellungsverfahren weisen den Nachteil auf, dass das gewünschte Reaktionsprodukt aus der Lösung ausfällt (EP-A 253 994) oder der organische Salzgehalt, der aus der chemischen Oxidation stammt, zu hoch ist, was zu unerwünschten Effekten bei der Herstellung von Beschichtungen führen kann.

Der Fachmann erkennt daher, dass das Klagepatent die Vorteile einer Herstellung von Ionenkomplexen Polythiophen+An- in wässrigen Lösungen oder Dispersionen mit den Vorteilen einer Dispersion oder Lösung von Polythiophen+An- in organischen Lösungsmitteln miteinander verbinden will. Vor dem Hintergrund des Standes der Technik, dass eine Redispersion von in wässriger Lösung oder Dispersionen hergestellten Ionenkomplexen Polythiophen+An- sich als nachteilig bzw. schwierig erwiesen hat, erkennt er, dass es dem erfindungsgemäßen Verfahren darauf ankommt, dass der in wässriger Lösung oder Dispersion hergestellte Ionenkomplex Polythiophen+An- „in Lösung gehalten wird“, d.h. das Wasser aus der Dispersion oder Lösung nicht entfernt werden darf bevor das mit Wasser mischbare organische Lösungsmittel oder ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittel zugegeben wird. Eine Entfernung des Wassers aus der Mischung bereits während der Zugabe des mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittels, ist nach dem Verständnis des Fachmanns ohne Relevanz, da er erkennt, dass es lediglich darauf ankommt den Ionenkomplex Polythiophen+An- in Lösung zu halten. Eine technische Notwendigkeit mit der Entfernung des Wassers zu warten bis die Zugabe vollständig abgeschlossen wird, ist weder zu erkennen noch von den Beklagten vorgetragen worden.

Diesem fachmännischen Verständnis steht auch nicht entgegen, dass im allgemeinen Beschreibungsteil in Absatz [0015] von „Schritt 1“ die Rede ist. bzw. in den Absätzen [0018] und [0020] sowie Absatz [0026] „Schritt 2“. Denn die Beschreibung der Verfahrensabfolge mit Schritten beinhaltet nicht notwendigerweise, dass die einzelnen Schritte abgeschlossen sein müssen, bevor der nächste begonnen wird. Denn der Fachmann sieht, wie ausgeführt, dass es lediglich darauf ankommt, den in wässriger Lösung hergestellten Ionenkomplex Polythiophen+An- in Lösung zu halten.

Soweit in den Ausführungsbeispielen die Verfahrensschritte a) und b) als zwei aufeinanderfolgende Verfahrensschritte dargestellt werden, wie dies in Absatz [0041] für das Beispiel 2 beschriebene Verfahren ausgeführt wird, handelt es sich lediglich um eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung, die den Schutzbereich des Klagepatentes nicht beschränken kann (vgl. nur BGH GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Entsprechendes gilt, soweit in den Unteransprüchen 2 und 8 stets von „Schritten“ die Rede ist.

Den „angeblichen“ Hinweis der Prüfstelle können die Beklagten nicht mit Erfolg für sich heranziehen. Ein solcher Hinweis ist unbeachtlich, da die Erteilungsakten nicht Gegenstand der Auslegung der Patentansprüche sind (Art. 69 EPÜ, st. Rspr. BGH GRUR 2002, 511, 513 f. – Kunststoffrohrteil). Ungeachtet dessen ist ein solcher Hinweis dem Prüfungsbescheid, welcher von der Klägerin als Anlage L 21 vorgelegt wurde, auch nicht zu entnehmen.

Das vorstehend beschriebene Verständnis des Patentanspruches 1 zugrundelegend macht das angegriffene Verfahren wie es auf Folie 12 der Anlage L 16, 16 a beschrieben wird und graphisch, wie im Tatbestand wiedergegeben, gezeigt wird, von dem patentgemäßen Verfahren wortsinngemäßen Gebrauch. Die Entfernung des Wassers bereits während der Zugabe des organischen Lösungsmittelgemisches hindert die Benutzung des Anspruches 1 nicht.

Die Beklagten können auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass nach dem erfindungsgemäßen Verfahren größere Behälter verwendet werden müssten als nach dem von ihnen verwendeten Verfahren. Zu der Frage der Behältergröße macht der Patentanspruch keinerlei Angaben; sie ist für die Verletzung daher ohne Relevanz.

Ohne Bedeutung für die Frage der Verletzung des Klagepatentes ist ferner der Umstand, dass mit dem angegriffenen Verfahren das Wasser nicht vollständig entfernt wird, sondern 4% bzw. 7,5% Wasser zurückbleiben. Denn die vollständige Entfernung des Wassers sieht das Klagepatent nicht vor. So ist bereits bei der Beschreibung des Gegenstandes der Erfindung in Absatz [0001] von wasserarmen Lösungsmitteln die Rede. Auch beschreibt Absatz [0014] eine lediglich teilweise Entfernung des Wassers. Darüber hinaus ist das Beispiel 1 vor Absatz [0039] überschrieben als „Herstellung einer wässrigen Suspension eines Ionenkomplexes…“. In Beispiel 2 wird zunächst das Abdestillieren von Wasser beschreiben und dann für das nach der Destillation erhaltene Produkt ein Wassergehalt von 3,9 % angegeben (vgl. Absatz [0042]).

Bei den angegriffenen Produkten der Linie H handelt es sich auch um unmittelbare Verfahrenserzeugnisse. Eine „Unmittelbarkeit“ zwischen Verfahren und Erzeugnis im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG ist zunächst und ohne weiteres dann zu bejahen, wenn es sich bei dem angegriffenen Produkt um einen Gegenstand handelt, der mit Abschluss des allerletzten Schritts des geschützten Verfahrens erhalten wird (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 9 Rdrn. 55; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 800 ff.; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 69). Losgelöst von dieser rein zeitlich-chronologischen Betrachtung ist eine „Unmittelbarkeit“ ferner dann gegeben, wenn sich das angegriffene Erzeugnis zwar nicht als Resultat des allerletzten Verfahrensschritts darstellt, sondern als ein Zwischenprodukt, das im Anschluss an das patentgeschützte Verfahren weiteren Behandlungsmaßnahmen unterzogen worden ist, sofern das patentierte Verfahren zur Hervorbringung des Erzeugnisses bestimmungsgemäß und nach der Verkehrsanschauung wesentlich beigetragen hat und das durch die Erfindung geschaffene Erzeugnis seine charakteristischen Eigenschaften und seine Selbständigkeit nicht durch die weiteren Behandlungsschritte eingebüßt hat. Entscheidend ist die Beibehaltung der dem Erzeugnis durch das patentgemäße Herstellungsverfahren aufgeprägten Identität (OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.04.2005 – U (Kart) 44/01; LG Düsseldorf, Urteil v. 30.11.2006 – 4b O 508/05 – Videosignal-Codierung I, InstGE 7, 70; Urteil v. 02.08.2002 – 4 O 63/00; Court of Appeal, GRUR Int 1998, 718 – Compact Disk ; Benkard, a.a.O., § 9 Rdnr. 55; Kraßer, a.a.O., S. 800 ff.; Schulte, a.a.O., § 9 Rdnr. 69).

Um ein solches unmittelbares Verfahrenserzeugnis handelt es sich vorliegend. Denn durch die Weiterbehandlung des „Zwischenproduktes“, welches intern als „I“ bezeichnet wird, werden den Erzeugnissen zwar weitere Eigenschaften verliehen, wie die Oberflächenspannung, Textur und Haftung. Die durch das patentgemäße Verfahren erzielten charakteristischen Eigenschaften, die hervorragenden Leitfähigkeits- und Beschichtungseigenschaften sowie Benetzungs- und Trocknungseigenschaften gehen durch die Weiterverarbeitung jedoch nicht verloren, sondern bleiben auch im Endprodukt enthalten, was von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde.

Der von den Beklagten vorgenommene Verweis auf die im Tatbestand wiedergegebene graphische Darstellung des angegriffenen Verfahrens und der Hinweis, dass zum Zeitpunkt „0“, d.h. dann, wenn mit dem Entzug des Wassers begonnen werde, noch kein unmittelbares Verfahrenserzeugnis vorliege, ist unbehelflich. Denn hinsichtlich der Beurteilung, ob ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis vorliegt, kommt es nicht auf den Zeitpunkt „0“ an, sondern auf das Erzeugnis nach Abschluss des Verfahrens und diesem haften die durch das patentgemäße Verfahren erzielten charakteristischen Eigenschaften an.

Hinzu kommt, dass das Klagepatent selbst die Umsetzung mit den von den Beklagten verwendeten Additiven Silan, Acrylpolymer und Ethanol beschreibt, vgl. Absatz [0037], die Zufügung dieser weiteren Eigenschaften zu den charakteristischen patentgemäßen Eigenschaften mithin selbst vorsieht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch die Zufügung der Additive die patentgemäßen Eigenschaften verloren gehen.

III.
Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 i.V.m. § 9 Satz 2 Nr. 2 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Beklagten trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätten sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schulden die Beklagten daher Ersatz des Schaden, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 Satz 1 PatG.

Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht haben die Beklagten außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg).

Die Klägerin hat jedoch in diesem Zusammenhang keinen Anspruch auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen gemäß § 140 d PatG. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass diese Unterlagen zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruches notwendig wären. Nach dem vorgetragenen Sach- und Streitstand erscheint die Erfüllung des Schadensersatzanspruches nicht fraglich.

Die Klägerin kann auch Rechnungslegung über den Vertrieb von Haftverstärkern, jedoch nicht Polymerfolien entsprechend des Antrages zu Ziffer I.3. verlangen. Es besteht nach der Entscheidung der erkennenden Kammer „Magnetspule“ (InstGE 6, 136, 140) grundsätzlich ein Anspruch auf Rechnungslegung über gelieferte Zusatzprodukte, wenn eine denkbare Kausalität zwischen den patentverletzenden Ausbildungen und dem Verkauf der Zusatzprodukte nicht ausgeschlossen werden kann. Vorliegend ist eine solche Kausalität lediglich im Hinblick auf Haftverstärker, nicht jedoch die Polymerfolien hinreichend dargetan. Anhand der von der Klägerin im Hinblick auf die Haftverstärker, insbesondere des Haftverstärker A vorgelegte Anlage L 18, welche in ihrem wesentlichen Absatz in die deutsche Sprache übersetzt wurde, ergibt sich, dass Haftverstärker, insbesondere A mit dem angegriffenen Verfahrensprodukt nach Anlage L 18 EL-P 3XXX vertrieben wird, um die Haftung der Tinte auf Polymerfilmen und anderen Substraten zu verbessern. Es besteht daher eine denkbare Kausalität zwischen den patentverletzenden Tinten und dem Verkauf der Haftverstärker.

Entsprechendes vermochte die Klägerin für die Polymerfolien nicht darzutun. Der als Anlage L 19 vorgelegten Produktliste, nach welcher sich ein Vertrieb von Polymerfolien zur Verwendung der mit dem angegriffenen Verfahren hergestellten Produkte ergeben soll, kann dies nicht entnommen werden. Es ist nicht zu erkennen, welche konkrete Polymerfolie mit dem unmittelbaren Verfahrensprodukt verwendet werden kann. Ob der Vertrieb patentverletzender Tinten für alle Folien gilt, wurde von der Klägerin nicht vorgetragen.

Soweit die Klägerin Auskunft über die Lieferung von Haftverstärkern lediglich innerhalb eines Monates nach der Lieferung von mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Produkten verlangt, stellt die Angabe dieses Zeitraums eine selbst vorgenommene Beschränkung dar, die gewährt werden konnte. Grundsätzlich wäre die Klägerin berechtigt eine Auskunft und Rechnungslegung ohne zeitliche Beschränkung zu verlangen.

VI.
Veranlassung zur Aussetzung im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage bestehen nicht.

Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn entweder das prozessuale Verhalten der Klägerin eindeutig ihre Interessen hinter die der Beklagten zurücktreten lässt und/oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Letzteres wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Nach diesem Maßstab ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Vernichtung des Klagepatents auf Grundlage der von der Beklagten zu 1) geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht erkennbar.

Die Parteien diskutieren im Rechtsstreit einzig die als Anlage B4-D7 vorgelegte WO 02/067XXX = EP 1 360 XXX (nachfolgend J), welche nach dem Prioritätstag des Klagepatentes (12. März 2001) am 29. August 2002 veröffentlicht wurde. Die Druckschrift ist daher lediglich im Rahmen der Neuheitsprüfung gemäß Art. 54 Abs. 3 EPÜ zu berücksichtigen.

Patentanspruch 1 der Druckschrift lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:

„Verfahren zum Austausch eines Lösungsmittels in einer Mischung umfassend Wasser und ein optional substitutiertes Polythiophen, wobei das Verfahren umfasst:

a) Erwärmen wenigstens eines Lösungsmittels in einem Behälter unter Bedingungen, die zum Verdampfen von Wasser geeignet sind,

b) Kontaktieren des erwärmten Lösungsmittels mit der Mischung, die Wasser und optional substituiertes Polythiophen umfasst, wobei der Kontakt ausreichend ist, um wenigstens einen Teil des Wassers aus der Mischung als Dampf zu entfernen; und

c) Austauschen des aus der Mischung entfernten Wassers gegen das Lösungsmittel.“

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dem Patentanspruch 1 der Druckschrift nicht ohne Weiteres entnommen werden, dass auch das Merkmal 1.2 a) des Klagepatentes offenbart wird, wonach ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittel oder ein mit Wasser mischbares organisches Lösungsmittelgemisch einer wässrigen Dispersion oder Lösung von Ionenkomplexen Polythiophen+An- zugegeben wird. Dies folgt, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht auf Grund des Umstandes, dass in der Entgegenhaltung (Seite 37, 38 der Anlage B 4 – D7 und Seite 41, 42 der Anlage B 12, deutsche Übersetzung) nur eine Zugabe des Ionenkomplex-Gemisches zu dem mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittel beschrieben ist. Denn hierbei handelt es sich lediglich um ein Ausführungsbeispiel, welches den Schutzgegenstand der Druckschrift und somit auch den Offenbarungsgehalt nicht beschränken kann.

Die Klägerin hat hingegen schlüssig vorgetragen, dass der Fachmann auf Grund technischer Erwägungen zur der Auffassung gelangt, dass durch die Entgegenhaltung lediglich eine Zugabe der Ionenkomplex-Mischung zu dem mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittel offenbart ist. Die Klägerin hat insoweit darauf verwiesen, dass es der in der Entgegenhaltung offenbarten Erfindung nach der Formulierung des Anspruchs auf die Entfernung des Wassers durch Verdampfung ankommt. Eine solche Verdampfung sei technisch jedoch lediglich möglich, wenn die Ionenkomplex-Mischung dem mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittel zugegeben wird, wie die Klägerin meint. Die Beklagten haben hiergegen keine erheblich Einwendungen erhoben, sondern lediglich darauf verwiesen, dass es dem Anspruch nicht auf ein schnelles Verdampfen ankomme. Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des Patentanspruches 1, der unter b) eine Entfernung wenigstens eines Teils des Wassers aus der Mischung als Dampf vorsieht. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Klagepatentes wegen der Entgegenhaltung „J“ ist daher nicht zu erkennen.

Dieser Auffassung stehen auch nicht die Ausführungen des Landgerichtes Antwerpen (Commercial Court of Antwerp) in seinem Urteil vom 23. Juni 2009 (Anlage L 23, deutsche Übersetzung L 23 a sowie B 11) entgegen, da diese zu dem von der Klägerin aufgeworfenen Gesichtspunkt, dass der Fachmann auf Grund technischer Erwägungen lediglich eine Zugabe der Ionenkomplex-Mischung zu dem mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittel als offenbart ansehe, keine Stellung genommen haben.

Die weiteren von den Parteien im Nichtigkeitsverfahren angeführten Entgegenhaltungen zum Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit sind von den Beklagten nicht zum Gegenstand der Klage gemacht worden, da sie auf die von der Klägerin gemachten Ausführungen nicht erwidert haben.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Soweit dem geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch über die Zusatzprodukte Polymerfolien und dem Anspruch auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen nicht stattgegeben wurde, ist die Zuvielforderung geringfügig und hat keinerlei zusätzliche Kosten verursacht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt. Davon entfallen auf den Unterlassungsanspruch 60 %, auf den Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch 20 %, den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung 10 % und auf den Anspruch auf Rückruf 10 % des Streitwerts.