4a O 64/02 – Künstliche Hüftknochengelenke

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  201

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Februar 2003, Az. 4a O 64/02

Rechtsmittelinstanz: 2 U 35/03

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,- EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 0 091 315 (Anlage L 1, deutsche Übersetzung Anlage L 2; nachfolgend: Klagepatent), aus dessen deutschem Teil sie die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch nimmt.

Das Klagepatent wurde zunächst der N1 erteilt, welche ohne Wechsel der Rechtspersönlichkeit zur N2 Plc. umgewandelt wurde. Diese wurde zunächst in N2 Ltd. umfirmiert und führt nunmehr die im Aktivrubrum angegebene Firma.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 6. April 1983 beim Europäischen Patentamt eingereicht. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 12. Oktober 1983 und die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 30. Juli 1986. Nach Eingabe vom 13. Februar 1996 durch die Patentinhaberin beschränkte das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA, vormals Deutsches Patentamt) mit Beschluss vom 14. März 1996 das Klagepatent durch Zusammenfassung der bisherigen Patentansprüche 1 und 4 (Anlage L 4). Das Klagepatent betrifft endoprothetische Knochengelenke.

Patentanspruch 1 des Klagepatentes lautet in der Fassung durch Beschluss des DPMA vom 14. März 1996 wie folgt:

„Endoprothetischer Hüftgelenkpfannen-Bestandteil in Form einer Gesamt-Tasse mit einem äußeren Teil, das zur Befestigung im Knochen angepasst ist und einem inneren Teil, das mit dem äußeren Teil verbindbar ist und eine konkav gewölbte Gelenkfläche ausbildet, wobei eine Vielzahl innerer Teile (200; 400; 600) vorgesehen wird, die individuell ausgewählt und mit dem äußeren Teil (100; 300; 500) in gleicher Weise verbindbar sind, jedoch jeweils eine konkav ausgebildete Gelenkfläche (203; 403; 603) ausbilden, die eine entsprechend unterschiedliche vorbestimmte Stellung relativ zum äußeren Teil besitzen, wenn sie damit verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die inneren Teile (200; 400; 600) einen Bereich an Gelenkflächenstellungen ermöglichen, die sich in der Neigung verändern.“

Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klage­patentschrift zeigen in Vollschnitt bzw. in Querschnitt eine erfindungsgemäße Ausführung eines acetabularen Tassenbestandteils.

Unter verschiedenen Bezeichnungen – „Allofit“, „Fitmore-Pfannen“ Alpha-Einsätze, „Fitek“, „Armor“ „CLW“-Einsatz, „Zweymüller SL“. „Variall“, „ACA Shell“, „Allocor Shell“ und „Lamella Shell“ – stellt die Beklagte zu 2. Hüftpfannengelenkprothesen her und bietet diese über die Beklagte zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland an. Die Beklagte zu 3. ist die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1. und 2. Nachstehend wiedergegeben ist die von den Beklagten als Anlage B 9 überreichte Konstruktionszeichnung der Ausbildung einer angegriffenen Ausführungsform, die – zwischen den Parteien unstreitig – insgesamt identisch ausgebildet sind.

Die weitere nähere Ausgestaltung ergibt sich aus den zur Gerichtsakte gereichten Prospektablichtungen, auf welche Bezug genommen wird.

Die Beklagte zu 3. erhob mit Schriftsatz vom 4. Juli 2002 Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent vor dem Bundespatentgericht, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Beklagten mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungs­formen das Klagepatent mit wortsinngemäßen Mitteln verletzen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

I.1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

endoprothetische Hüftgelenkpfannen-Bestandteile in Form einer Gesamt-Tasse mit einem äußeren Teil, das zur Befestigung im Knochen angepasst ist und einem inneren Teil, das mit dem äußeren Teil verbindbar ist und eine konkav gewölbte Gelenkfläche ausbildet, wobei eine Vielzahl innerer Teile (200; 400; 600) vorgesehen wird, die individuell ausgewählt und mit dem äußeren Teil (100; 300; 500) in gleicher Weise verbindbar sind, jedoch jeweils eine konkav ausgebildete Gelenkfläche (203; 403; 603) ausbilden, die eine entsprechend unterschiedliche vorbestimmte Stellung relativ zum äußeren Teil besitzen, wenn sie damit verbunden sind,

im deutschen Geltungsgebiet des EP 0 091 315B1/P 33 64 860 anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

die inneren Teile (200; 400; 600) einen Bereich an Gelenkflächenstellungen ermöglichen, die sich in der Neigung verändern;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.11.1983 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses sowie unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie ferner der Namen und Anschriften der Hersteller, Liefe­ran­ten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer­mengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Anschriften der Ab­nehmer,

c) der einzelnen Angebote unter Einschluss von Typen­be­zeich­nungen) sowie der Namen und Anschriften der Ange­bots­empfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe­trä­gern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver­breitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist (es sei denn, diese könnten den unter I.1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden);

3.

die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten;

II. festzustellen,

1. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 12. November 1983 bis zum 30. August 1986 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten, seit dem 30. August 1986 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

Die Beklagten beantragen,

zu erkennen, wie geschehen;

hilfsweise den Beklagten nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirt­schafts­prüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten diesen ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen das Klagepatent erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagten bestreiten zunächst die Passivlegitimation der Beklagten zu 3. Es bestehe weder eine Wiederholungs- noch eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich einer Verletzung des Klagepatentes durch die Beklagte zu 3.. Bei ihr handle es sich lediglich um die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1. und 2.

Sie stellen weiterhin eine Verletzung des Klagepatentes durch die elf angegriffenen Ausführungsformen in Abrede. Die inneren Teile der angegriffenen Ausführungsformen besäßen keine entsprechend unter­schiedlich vorbestimmte Stellung relativ zum äußeren Teil, wenn sie damit verbunden seien. Die inneren Teile ermöglichten des weiteren keinen Bereich an Gelenkflächen­stellungen, die sich in der Neigung veränderten. Die bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene zylindrische Überhöhung wirke lediglich einer Luxation entgegen.

Hilfsweise berufen sie sich auf eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die von der Beklagten zu 3. erhobene Nichtigkeitsklage. Es läge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Klagepatentes vor, da dieses weder neu sei, noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würde.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen der behaupteten Verletzung ihres Klagepatentes nicht zu. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Klagepatent nicht.

I.

Unbegründet ist die Klage bereits im Hinblick auf die fehlende Passivlegitimation der Beklagten zu 3., der Muttergesellschaft der beiden weiteren Beklagten. Denn verpflichtet ist nur derjenige, der die Erfindung unberechtigt benutzt. Als Störer haftet entsprechend jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt (Vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 5. Aufl., § 139 Rdnr. 27 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Eine solche Mitwirkung durch die Beklagte zu 3. ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Beklagten haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beklagten zu 3. um die 100%-ige Muttergesellschaft der Beklagten zu 1. und 2. handelt. Eine bloße gesellschaftsrechtliche Beteiligung reicht nicht aus, um eine patentrechtliche Verantwortung für die behaupteten Ver­letzungen zu begründen. Anhaltspunkte für ein eigenes Handeln der Beklagten zu 3. oder zumindest ein Dulden sind nicht ersichtlich. Anhand der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen – Anlage 27 sowie 28 und 28 a – ist dies auch nicht zu erkennen. Die Kapitalumschichtung führte lediglich zu einer Änderung von Beteiligungsverhältnissen. Des weiteren ergibt sich aus den Unterlagen nicht, dass die Beklagte zu 3. die streitgegenständlichen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland patentverletzend hergestellt, angeboten oder vertrieben oder an solchen Handlungen der beklagten zu 1. und 2. mitgewirkt hat.

II.

Das Klagepatent betrifft endoprothetische, künstliche Knochengelenke, die einen Bestandteil einer Gesamt-Tasse bilden, durch die das Acetabulum (= Oberschenkelgelenkpfanne im Hüftgelenk) ersetzt wird.

Nach dem Stand der Technik sind acetabulare Tassenbestandteile bekannt, bei denen die Schwierigkeit besteht, den Bestandteil in der Pelvis (= Becken) akkurat zu positionieren. Die Positionierung wird dadurch verhindert, dass der Gelenkbestandteil eine vorgegebene Gesamtgeometrie besitzen muss, während die Form der Pelvis bei den einzelnen Patienten verschieden ist, so dass jeweils eine individuelle Anpassung erforderlich ist. Die nach dem Stand der Technik bekannten Befestigungstechniken, bei denen schnellhärtender Acrylatzement verwendet wird, lassen wenig Spielraum für eine spätere Korrektur, nachdem der Bestandteil im Knochen befestigt wurde. Denn der Bestandteil wird mit einer einzigen Bewegung in die Hüftaushöhlung eingeführt, damit sich der Zement gleichmäßig zwischen dem Bestandteil und dem Knochen verteilen kann. Danach wird der Bestandteil festgehalten, damit keine Dreh- oder Querbewegung möglich ist, während die Aushärtung des Zements erfolgt. Die erste Positionierung ist daher endgültig und erfordert von dem Operateur dementsprechende Geschicklichkeit und Sorgfalt, da Ungenauigkeiten zu einem Teileverschleiß und/oder einem Verrutschen der Teile führen kann.

Nach der in der Klagepatentschrift als Stand der Technik angeführten DE-U 77 104 212 ist ein Bestandteil in Form einer Gesamt-Tasse mit einem äußeren Teil vorgesehen, das zur Befestigung im Knochen bestimmt ist und einem inneren Teil, das mit dem äußeren Teil verbindbar ist und eine konkave Gelenkfläche bildet. Dabei ist der innere Teil austauschbar, um dem Verschleiss Rechnung zu tragen. Hieran kritisiert das Klagepatent, dass diese Ausgestaltung ein geschicktes und sorgfältiges Arbeiten voraussetzt, da auch hier die Schwierigkeit besteht, die inneren und äußeren Flächen des Bestandteils optimal zu positionieren, was jeweils durch die Anforderungen an die Befestigung und Gelenkverbindung beschränkt ist. Da diese Anforderungen von Patient zu Patient sehr stark variieren, wird das Erreichen beider Optima durch einen Kompromiss ersetzt, bei dem ein Teil einer vorgegebenen allgemeinen Geometrie verwendet wird.

Die vorliegende Erfindung sucht nun dieses technische Problem („die Aufgabe“) zu lösen. Hiervon ausgehend schlägt das Klagepatent in dem geänderten Patentanspruch 1 eine Ausgestaltung mit folgenden Merkmalen gemäß der von der Klägerin vorgelegten Merkmalsanalyse (Anlage L 7) vor:

1. Endoprothetischer Hüftgelenkpfannen-Bestandteil

1.1 der Bestandteil hat die Form einer Gesamt-Tasse,

1.2 die Tasse weist ein äußeres Teil auf, das zur Befestigung im Knochen angepasst ist, sowie

1.3 ein inneres Teil, das mit dem äußeren verbindbar ist;

1.4 das innere Teil bildet eine konkav gewölbte Gelenkfläche aus,

1.5 wobei eine Vielzahl innerer Teile vorgesehen wird,

(i) die inneren Teile sind individuell ausgewählt,

(ii) und sind mit dem äußeren Teil in gleicher Weise verbindbar;

1.6 die inneren Teile bilden jeweils eine konkav ausgebildete Gelenkfläche aus,

(i) die inneren Teile besitzen eine entsprechend unterschiedliche vorbestimmte Stellung relativ zum äußeren Teil, wenn sie damit verbunden sind;

2. die inneren Teile ermöglichen einen Bereich an Gelenkflächen­stellungen, die sich in der Neigung verändern.

III.

Die elf streitgegenständlichen angegriffenen Ausführungsformen verletzen Merkmal 1.6 und 2. der obigen Merkmalsanalyse nicht. Da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sämtliche der angegriffenen Ausführungsform über eine identische Ausgestaltung verfügen, erübrigt sich eine getrennte Darstellung.

Nicht verwirklicht sind die Merkmale 1.6 und 2. des Anspruchs 1. Beide Merkmale stehen zueinander in einem funktionellen Verhältnis. Merkmal 1.6. sieht vor, dass die inneren Teile jeweils eine konkav ausgebildete Gelenk­fläche ausbilden. Gemäß dem Merkmal 1.6 (i) besitzen die inneren Teile eine entsprechend unterschiedliche vorbestimmte Stellung relativ zum äußeren Teil, wenn sie damit verbunden sind. Merkmal 2. bestimmt, dass die inneren Teile einen Bereich an Gelenkflächenstellungen ermöglichen, die sich in der Neigung verändern. Der Fachmann versteht diese Merkmale dahingehend, dass nur solche inneren Teile zum Gegenstand der technischen Lehre des Klagepatentes gehören, deren konkave Gelenkfläche zu einer Neigung gegenüber dem äußeren Teil führt. Dies ergibt sich sowohl aus dem Patentanspruch unmittelbar als auch unter Heranziehung der Patent­beschreibung sowie der Zeichnungen.

Aus dem Wortlaut des Merkmals 1.6 in Verbindung mit der Funktionsangabe in Merkmal 2. ergibt sich unmittelbar, dass für die Bestimmung einer Neigung nur die konkaven Gelenkflächen von Relevanz sind. So ist in Merkmal 1.6. von „konkav ausgebildeten Gelenkflächen“ die Rede ist. Hierin wird der Fachmann bei Heranziehung des Standes der Technik und der Beschreibung bestätigt. Im Stand der Technik waren bereits zweiteilig ausgebildete endoprothetische Hüftgelenke bekannt. Bei diesen bestand jedoch die Schwierigkeit, die inneren und äußeren Flächen des inneren Bestandteils bei der Operation optimal an die individuellen Bedürfnisse des Patienten anzupassen. Zur Behebung dieser Schwierigkeit sieht Merkmal 1.6 vor, dass die inneren Teile, die eine konkav ausgebildete Gelenkfläche aufweisen, eine entsprechend unterschiedliche vorbestimmte Stellung relativ zum äußeren Teil besitzen, wenn sie damit verbunden werden. Merkmal 2. legt einen Parameter für die unterschiedliche vorbestimmte Stellung der Gelenkfläche des inneren Teils fest. Danach sollen sich die Gelenkflächen der inneren Teile in ihrer vorbestimmten Stellung in der Neigung relativ zum äußeren Teil unterscheiden, d.h. die Neigung der konkav ausgebildeten Gelenkflächen des inneren Teils, wie sich aus dem funktionellen Zusammenhang der Merkmale 1.6 und 2. ergibt.

Dies wird durch die Vorteilsangaben in der Beschreibung des Klagepatentes (Anlage L 2, Seite 2 Zeilen 14 ff.) bestätigt, wo ausgeführt wird, dass nach Befestigung des äußeren Teils separat am Knochen, ein geeignetes inneres Teil von dem Chirurgen ausgewählt und verbunden und mit dem äußeren Teil verbunden werden kann, „um die konkav ausgebildete Fläche in die Position zu bringen, die hinsichtlich des Zwecks der Gelenkverbindung als am besten betrachtet wird“. Es kommt demnach allein auf die Positionierung der konkav ausgebildeten Fläche des inneren Teils in unterschiedlichen Neigungswinkeln relativ zum äußeren Teil an. Weitere nicht konkav ausgestaltete Flächen werden weder in Anspruch 1 des Klagepatentes noch in der Beschreibung als für die Bestimmung der Neigungsvariation relevante Gelenkfläche erwähnt. Der Fachmann erkennt daher, dass für die Verwirklichung des Erfindungsgegenstandes nur die komple­mentären Flächen von Relevanz sind, d.h. die Flächen, die sich gegenseitig ergänzen, was bei Vorhandensein einer nichtkonkaven Fläche mit einer Kugelfläche nicht vorliegt.

Diese Sichtweise findet der Fachmann bestätigt durch die Beschreibung der in den Figuren 2 a) bis c) zeichnerisch dargestellten bevorzugten Ausführ­ungs­formen. So wird ausgeführt, dass sich der zweite Variationsfaktor auf die Neigung der Fläche 203 relativ zur Achse 106 bezieht (Anlage L 2, Seite 4 Zeilen 5 ff.), und, dass es normalerweise fünf verschiedene Winkel von 0° bis maximal 20° gibt. Dabei verdeutlicht gerade Figur 2 b), dass für die Bestimmung der Neigung allein die konkav ausgebildete Gelenkfläche relevant ist und nicht etwa die abgeschrägten Flächen des inneren Teils, die sich daran anschließen.

Soweit die Klägerin einwendet, dass sich aus der Klagepatentschrift ergebe, dass für die Bestimmung der Neigung nicht nur konkave Gelenkflächen heranzuziehen seien, da ausgeführt werde, dass die „verbleibenden Flächen des inneren Teil eine im Wesentlichen halbkugelförmige Innenfläche 203 und eine Randfläche 204“ umfasse (Anlage L 2, Seite 3 Zeile 29), kann sie mit diesem Einwand nicht durchdringen. Denn das Klagepatent will dabei ersichtlich darauf hinweisen, dass eine exakte halbkugelförmige Ausgestaltung der Innenfläche nicht notwendig ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass für die Herstellung einer geneigten Innenfläche im Verhältnis zu dem äußeren Teil lediglich die konkav ausgebildete Gelenkfläche maß­geblich ist.

Diese Auslegung der Merkmale 1.6 und 2. zugrundelegend verletzen die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent nicht. Die Klägerin vertritt hierzu die Ansicht, dass wegen des bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen überhöhten teilzylin­drischen Randes, diese Merkmale erfüllt wären. Die Beklagten hingegen vertreten die Ansicht, dass die Gelenkfläche des inneren Teils gegenüber dem äußeren Teil nicht geneigt sei. Der überhöhte Rand diene lediglich zur Sicherung des Gelenkes, wenn es zum einem Herausgleiten des Oberschen­kelknochens komme, sog. Luxation.

Die Ansicht der Klägerin ist unzutreffend. Denn eine solche Neigung weisen die angegriffenen Ausführungsformen nicht auf. Die Klägerin hat zwar dargelegt, dass alle angegriffenen Ausführungsformen über einen überhöhten Rand verfügen. Dieser überhöhte Rand führt jedoch nicht zu einer Veränderung der Neigung der Gelenkfläche des inneren Teils zu der Achse 106 des äußeren Teils. In Anlage B 3 wird veranschaulicht, dass unstreitig die konkav gewölbten Gelenkflächen beider Varianten des inneren Teils in der Neigung relativ zum äußeren Teil gleichermaßen ausgebildet sind, in der Terminologie des Klagepatentes eine neutrale Neigung (0°) aufweisen. Dass bei der einen Variante der Rand überhöht ist, hat keine Bedeutung, da die Gelenkfläche des inneren Teils in diesem Bereich nicht konkav ausgebildet ist und daher deren Neigung im Verhältnis zum äußeren Teil nicht beeinflussen kann. Vor diesem Hintergrund ist auch der Einwand der Klägerin unerheblich, dass der Oberschenkelknochen bestimmungsgemäß mit der zylindrischen Überhöhung in Kontakt gerät. Denn hierauf kommt es nicht an. Für die Verwirk­lichung der Lehre des Klagepatentes ist wesentlich, ob die konkav ausgebildeten Gelenkflächen der inneren Teile eine Veränderung der Gelenk­flächenstellungen in der Neigung ermöglichen.

Eine solche Neigung lässt sich auch nicht den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der Beklagten entnehmen (Anlagen L 8 bis L 26). Hierin ist von einer Neigung der Gelenkflächen zueinander nicht die Rede. Die Klägerin kann auch nicht anführen, dass sich aus der eigenen Prospektdarstellung der Beklagten (Anlage L 10, L 12, L 15 und L 16) durch die Angabe von „10°“, welche nach dem Vortrag der Beklagten lediglich die Angabe einer Höhendefinition des zylindrischen Überstandes darstellen soll, eine Neigung der Gelenkflächenstellung ergibt. Denn es ist ohne weiteres zu erkennen, dass es sich hierbei lediglich um eine Winkelangabe handelt, die definiert, um welche Höhe der randseitig erhöhte Rand gegenüber dem nicht erhöhten Rand übersteht. Die Beklagten haben insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass der Höhenüberstand unterschiedlich angegeben werden kann; einmal über eine Winkelangabe der zylindrischen Überhöhung, zum andern als Angabe einer Längendifferenz (vgl. Anlage B 9).

Eine Neigung der Gelenkflächen bei den angegriffenen Ausführungsform ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin in Anlage L 32 vorgelegten Privatkurzgutachten von Professor Dr. I vom 4. Dezember 2002. Zum einen orientieren sich die Aussagen des von der Klägerin beauftragten Gutachters nicht am Gegenstand des Klagepatentes. Zum anderen trifft er keine Aussagen über die streitgegenständliche Frage der Neigung der Gelenkflächen bei der angegriffenen Ausführungsform. Dem Gutachten ist lediglich zu entnehmen, dass mit einem patentgemäßen Einsatz bei entsprechender Neigung der Gelenkflächenstellung und rückseitiger Anordnung des oberen Teils der Gelenkfläche auch das erreicht werden kann, was mit der aus der US-amerikanischen Patentschrift 3 722 002 (Anlage B 8) bekannten überhöhten Ausgestaltung zum Zwecke der Luxationsverhinderung schon immer erreicht worden ist. Im Gegensatz hierzu geschieht dies bei der patentgemäßen Lösung nicht mit einem zylindrischen Ansatz, sondern durch einen Teilbereich der halbkugelförmigen Lagerfläche, der durch eine Änderung der Neigung der Gelenk­flächenstellung unter gleichzeitiger Absenkung der gegenüberliegenden Seite hochgeschwenkt ist. So trifft der Privatgutachter auch lediglich Aussagen über die Anwendungsmöglichkeiten der unterschied­lichen Prothesen. Angaben hierüber, ob die Gelenkfläche 203 der angegriffenen Ausführungsformen gegenüber der Achse 106 des äußeren Teiles geneigt ist, trifft er jedoch nicht.

Die Klägerin kann für ihre Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen eine veränderte Neigung aufweisen, auch nicht Unterlagen der Beklagten welche die USA betreffen, heranziehen. Die Beklagten haben nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Tochterge­sellschaft der Beklagten in den USA gefertigten und in den USA vertriebenen Innenteile mit Gelenkflächen­stellungen, die sich in der Neigung verändern, nicht nach Europa bzw. Deutschland gelangen, wohingegen die ange­griffenen Ausführungsformen nach Zulassung in den USA von Europa in die USA exportiert wurden. Die Klägerin hat demgegenüber nicht nachge­wiesen, dass tatsächlich Ausbildungen mit geneigter Gelenkfläche nach Deutschland gelangt sind.

Die Beklagten haben demgegenüber nachvollziehbar dargelegt, dass die angegriffenen Ausführungsformen keine nach der patentgemäßen Lösung vorhandene Neigung aufweisen. So haben sie in Anlage B 7 einen Aufsatz „Variations in Design of Anteverted Acetabular Liners in THR“ aus der Veröffentlichung „A Scientific Exhibit at the 2000 AAOS Meeting, Orlando, Florida“ vorgelegt, aus welcher sich ergibt, dass Ausführungen der angegriffenen Art – dort in Design B beschrieben – keine Neigung aufweisen, es sich lediglich um Hochwand-Innenteile handelt (Seite 3, 2. Abs.), während hingegen das Design C – eine patentgemäße Ausgestaltung – eine Neigung aufweist (Seite 3, 3. Abs.). Was unter Neigung im Sinne dieser Veröffentlichung zu verstehen ist, erschließt sich aus der Abbildung auf Seite 5, wo mit Hinweis auf „shell anteversion“ ein Neigungswinkel von 20° eingetragen ist.

Anhaltspunkte für eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes durch die angegriffenen Ausführungsformen bestehen nicht. Die Klägerin hat nicht hinreichend konkret aufgezeigt und es ist auch nicht ersichtlich, wie ein Fachmann die bei der Aus­führungsform eingesetzten Mittel auf Grund von Überlegungen, die am Sinn­gehalt der in den Schutzansprüchen beschrie­benen Lehre ausgerichtet sind, mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 3. Februar 2003 gab keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 1.000.000,- EUR.

Dr. H
N
L