4a O 411/03 – Stoffbahnspannmaschine

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  253

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. September 2004, Az. 4a O 411/03

Rechtsmittelinstanz: 2 U 101/04

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Rollenketten zum kontinuierlichen Führen und/oder Breitstrecken einer textilen Stoffbahn in einer Stoffbahnspannmaschine mit verbunden über Kettengelenke abwechselnd aufeinanderfolgenden Innen- und Außengliedern, wobei jedes Innenglied aus zwei Innenlaschen sowie zwei die Laschen miteinander verbindenden Hülsen und jedes Außenglied aus zwei Außenlaschen sowie zwei die Außenlaschen miteinander verbindenden Bolzen besteht, wobei jede Hülse drehbar auf dem zugehörigen Bolzen gelagert ist und wobei außen auf der Hülse eine Laufrolle in einem über einen Schmierkanal von außen zu schmierenden Kugellager drehbar gelagert ist,
einzeln oder gemeinsam mit einer Stoffbahnspannmaschine anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der Schmierkanal unmittelbar von außen durch eine der beiden Laschen des Innenglieds und durch einen an die Lasche angrenzenden, in Bezug auf die Innenlasche stillstehenden Dichtungsring des Kugellagers in das letztere führt;

2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 5.1.1991 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den zu Ziffer I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei die Beklagte die Richtigkeit ihrer Angaben durch Übermittlung entsprechender Belege nachzuweisen hat;

3.
die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II.
Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 5.1.1991 bis zum 3.4.1993 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 3.4.1993 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen Sicherheitsleistung auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Textilmaschinenbaus, insbesondere auf dem Gebiet der Stoffbahnspannmaschinen. Bei Stoffbahnspannmaschinen handelt es sich um Maschinen, die zur Veredelung von Textilien eingesetzt werden, indem der zu veredelnde Stoff in einem Spannrahmen gehalten und über eine Bearbeitungstrecke mit mehreren Bearbeitungsstationen geführt wird.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents 0 400 xxx (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Vernichtung sowie Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das unter Inanspruchnahme einer deutschen Prioritätsanmeldung vom 23.5.1989 am 11.5.1990 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 5.12.1990, die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 3.3.1993.

Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, hat folgenden Wortlaut:

„Rollenketten zum kontinuierlichen Führen und/oder Breitstrecken einer textilen Stoffbahn in einer Stoffbahnspannmaschine mit verbunden über Kettengelenke abwechselnd aufeinanderfolgenden Innen- und Außengliedern (3, 4), wobei jedes Innenglied (3) aus zwei Innenlaschen (5) sowie zwei die Laschen miteinander verbindenden Hülsen (6) und jedes Außenglied (4) aus zwei Außenlaschen (7) sowie zwei die Außenlaschen (7) miteinander verbindenden Bolzen (2) besteht, wobei jede Hülse (6) drehbar auf dem zugehörigen Bolzen (2) gelagert ist und wobei außen auf der Hülse (6) eine Laufrolle in einem über einen Schmierkanal von außen zu schmierenden Kugellager (10) drehbar gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Schmierkanal (13) unmittelbar von außen durch eine der beiden Laschen (5) des Innenglieds (3) und durch einen an die Lasche (5) angrenzenden, in Bezug auf die Innenlasche (5) stillstehenden Dichtungsring (16) des Kugellagers (10) in das letztere führt.“

Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel:

Die bundesweit und international tätige Beklagte bietet Spannmaschinen an und bringt diese in Verkehr, die mit einer Rollenkette ausgerüstet ist. Die Klägerin hat als Anlage K 7 eine Originalausgabe der Zeitschrift „International Dyer“ vom September 2003 vorgelegt, in der auf Seite 35 eine Ablichtung der von der Beklagten eingesetzten Rollenkette gezeigt wird. Die Klägerin hat ferner als Anlage K 8 vier Ablichtungen eines Kettengliedes der Rollenkette und als Anlage K 10 eine Zeichnung desselben eingereicht. Schließlich liegt dem Gericht als Anlage K 11 eine Ablichtung vor, die die Nachschmierung eines Kettengliedes zeigt. Die Beklagte hat als Anlage MBP 2 zwei weitere Ablichtungen der Rollenkette bzw. mehrerer Kettenglieder zur Gerichtsakte gegeben.

Nachfolgend werden zur weiteren Veranschaulichung der Rollenkette der Beklagten die Anlagen K 8, K 10 und MBP 2 wiedergegeben.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte das Klagepatent durch den Vertrieb der genannten Rollenkette verletzt.

Sie beantragt,

wie zuerkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatents durch die von der Klägerin beanstandete Rollenkette in Abrede.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin stehen die gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Entschädigung und Schadensersatz zu, weil die von der Beklagten vertriebene Rollenkette von dem Gegenstand des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch macht, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a und b PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, Art. II § 1 IntPatÜG, §§ 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft

eine Rollenkette zum kontinuierlichen Führen und/oder Breitstrecken einer textilen Stoffbahn in einer Stoffbahnbespannmaschine mit

1. abwechselnd aufeinanderfolgenden Innen- und Außengliedern (3, 4), die über Kettengelenke verbunden sind;

2. jedes Innenglied (3) besteht aus zwei Innenlaschen (5) sowie zwei die Laschen miteinander verbindenden Hülsen (6);

3. jedes Außenglied (4) besteht aus zwei Außenlaschen (7) sowie zwei die Außenlaschen (7) miteinander verbindenden Bolzen (2);

4. jede Hülse (6) ist drehbar auf dem zugehörigen Bolzen (2) gelagert;

5. außen auf der Hülse (6) eine Laufrolle in einem über einen Schmierkanal von außen zu schmierenden Kugellager (10) drehbar gelagert ist.

In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass eine solche Transportkette für eine Stoffbahnspannmaschine in dem DE-GM 17 09 404 und in der DE-OS 33 33 938 beschrieben wird. Die Kette läuft in Längsrichtung der Maschine durch verschiedene mehr oder weniger hoch aufgeheizte Behandlungsfelder, in denen Temperaturen bis um etwa 300° C herrschen können. An den Längsenden der Maschine wird die Kette über Kettenräder, mit vertikaler oder horizontaler Achse umgelenkt und endlos zurückgeführt. Die unmittelbar auf den Bolzen gelagerten Hülsen dienen dazu, die Kräfte in Laufrichtung (Bewegungsrichtung) der Kette zu übertragen. Bei Betrieb wirkt auf die Rollenkette innerhalb der Behandlungsfelder eine Kraft quer zur Bewegungsrichtung. In der Maschine wird die zu behandelnde Stoffbahn beiderseits an den Längsrändern mit Hilfe von an der Rollenkette befestigten Kluppen oder Nadeln gehalten. Zum Aufnehmen und Übertragen der entsprechenden horizontalen Spannkräfte – also zum Ausführen der eigentlichen Aufgabe der Rollenkette – wird auf der Hülse eine Laufrolle in je einem Kugellager drehbar gelagert.

Die Kugellager der Kettenglieder von Spannrahmenketten werden nach dem Stand der Technik vom Innern des jeweiligen Bolzens her geschmiert. Zu diesem Zweck ist in jedem Kettenbolzen eine axiale Längsbohrung mit einem radialen Abzweig zum Kugellager vorgesehen. Der Innenring des Kugellagers besitzt an einer Stelle eine Öffnung, die beim Schmieren mit dem genannten radialen Abzweig zur Deckung gebracht werden muss. Außerdem befindet sich zwischen Bolzen und Innenring des Kugellagers eine die Beweglichkeit der Kette an den Kettenrädern garantierende Gleitbuchse, z. B. aus Polytetrafluor-Ethylen, die ebenfalls eine mit dem radialen Durchgang zur Deckung zu bringende Bohrung besitzen muss.

In der Praxis werden die Buchse, die Hülse und der Bolzen so montiert, dass sie sich normalerweise nicht gegeneinander verdrehen und die radialen Schmierbohrungen von Bolzen, Buchse und Hülse zur Deckung gebracht bleiben, also miteinander fluchten. Die dazu erforderliche Konstruktion – an jedem Kettenglied – ist aufwendig. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass sich die Buchse wegen der hohen Längskräfte bei der Kettenumlenkung doch relativ zu Bolzen bzw. Hülse verdreht

Zudem setzt das Bemühen, die radialen Schmierbohrungen zur Deckung zu bringen und so gefluchtet zu halten, eine Arretierung zwischen Bolzen und Hülse liegender Buchse voraus. Eine solche Arretierung hat aber einen einseitigen Verschleiß der Buchse beim Drehen während der Kettenumlenkung zur Folge. Eine arretierte Buchse muss daher viel früher als eine nicht arretierte Buchse ausgetauscht werden.

Die hohe Temperaturen, die bei Betrieb in einem Spannrahmen herrschen, haben zur Folge, dass Fett – auch bei Verwendung von Spezialqualitäten – in den Lagern mit der Zeit verbraucht wird und deshalb ersetzt werden muss. Es ist sehr schwierig, beim Einpressen des neuen Fetts festzustellen, ob die drei zur Deckung zu bringenden Gänge noch nicht auf einer Linie liegen und das Fett deshalb nicht in das Lager eindringt. Um sicher zu sein, dass das neue Fett in das Lager eingedrungen ist, muss so lange neues Fett in die Nachfüllbuchse des Lagers eingepresst werden, bis das Fett auf der anderen Lagerseite – an sich sinnlos – hervortritt. Dadurch ergibt sich der weitere Nachteil, dass das wegen der hohen Betriebstemperaturen im Allgemeinen sehr teure Fett zum Teil verloren geht.

Der Erfindung liegt daher das Problem („die Aufgabe“) zugrunde, das Nachschmieren so zu vereinfachen, dass das aufwendige Fluchten („Zur-Deckung-Bringen“) mehrerer „Gänge“ oder „Schalen“ einschließlich des vorzeitigen Verschleißes der Buchsen entfällt und dass der Weg des Nachschmiermittels von der Einpress-Stelle bis zum eigentlichen Lager im Sinne eines Vereinfachens des Einbringens und im Sinne einer Verminderung der jeweils gebrauchten Menge verkleinert wird.

Das soll bei der eingangs beschriebenen Rollenkette durch folgende zusätzlichen Merkmale erreicht werden:

6. der Schmierkanal (13) führt unmittelbar von außen durch
a) eine der beiden Laschen (5) des Innenglieds (3) und
b) durch einen an die Lasche (5) angrenzenden Dichtungsring (16) des Kugellagers (10)

7. der Dichtungsring des Kugellagers (10) steht in Bezug auf die Innenlasche (5) still;

8. der Schmierkanal (13) führt in das Kugellager (10).

In der Klagepatentschrift heißt es zu den Vorteilen einer solchen Merkmalskombination, dass durch die Erfindung ein quasi einteiliger Schmierkanal geschaffen werde, weil der Dichtungsring der Kugellagers in Bezug auf die angrenzende Lasche bei Betrieb still steht. Ein Gegeneinanderverstellen verschiedener beweglicher Teile beim Schmieren wird dadurch entbehrlich. Zum Schmieren muss nur noch das neue Fett durch den Schmierkanal in Richtung auf das Kugellager gepresst werden und die Bedienperson kann sicher sein, dass das eingedrückte Fett nicht in ungewollte Räume eindringt.

II.

Die Rollenkette der Beklagten verwirklicht die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte technischen Lehre wortsinngemäß. Das ist hinsichtlich der Merkmale 1 bis 5 sowie 8 der vorstehenden Merkmalsanalyse zwischen den Parteien – zu Recht – unstreitig, so dass es insoweit keiner weiteren Begründung bedarf. Darüber hinaus liegt bei der angegriffenen Ausführungsform aber auch die in den Merkmalen 6, 6a, 6b und 7 beschriebene Ausgestaltung vor.

Nach der Merkmalsgruppe 6 führt der Schmierkanal unmittelbar von außen durch eine der beiden Laschen des Innenglieds und durch einen an die Lasche angrenzenden Dichtungsring des Kugellagers und zwar – nach Merkmal 8 – in das Kugellager, wobei – nach Merkmal 7 – der Dichtungsring des Kugellagers in Bezug auf die Innenlasche still stehen soll. Damit grenzt sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 von dem in der Beschreibung mitgeteilten Stand der Technik ab, bei dem das Kugellager des Kettenglieds mittelbar vom Innern des jeweiligen Bolzens her geschmiert wurde. Dabei mussten die radialen Schmierbohrungen des Kettenbolzens, der drehbar auf dem Bolzen gelagerten Hülse sowie einer die relative Drehbeweglichkeit von Bolzen und Hülse garantierende zwischen diesen angeordnete Gleitbuchse in eine fluchtende Position gebracht werden, damit das Schmiermittel vollständig in das Kugellager eindringen konnte. In der Klagepatentschrift wird eine solche Ausgestaltung als konstruktiv aufwendig kritisiert. Zudem führte die Arretierung der zwischen Bolzen und Hülse liegenden Buchse zu einem einseitigen Verschleiß der Buchse beim Drehen während der Kettenumlenkung. Schließlich konnte nur dann zuverlässig festgestellt werden, ob das Fett in das Lager vollständig eingedrungen war, wenn es so lange in das Lager gepresst wurde, bis es auf der anderen Lagerseite wieder hervor trat und damit teilweise verloren war (vgl. Klagepatent, Anlage K 1 neu, Sp. 1, Z. 39 ff.).

Bei der angegriffenen Ausführungsform wird das Schmiermittel durch miteinander fluchtende Öffnungen der äußeren und der inneren Lasche sowie eine Bohrung der Hülse eingeführt. Während die Klägerin in dem in der Anlage K 8 mit dem Bezugszeichen 16 hervorgehobenen Teil der Hülse 6, durch den die Bohrung geführt ist, einen patentgemäßen Dichtring sieht, meint die Beklagte, dass dies kein Dichtring im Sinne der Erfindung sei. Zur Begründung ihrer Ansicht hebt die Beklagte darauf ab, dass die Hülse nicht zugleich auch als Dichtring gelten könne. Der Dichtungsring sei bei der angegriffenen Ausführungsform vielmehr ein separates Teil, welches das in den Bildern 3 und 4 der Anlage K 8 darstellende offene Kugellager 10 abschließe. Dabei handele es sich um das in der Anlage MBP 2 gezeigte Dichtungsblech 16, das in Bezug auf die Innenlasche jedoch nicht still stehe.

Der Ansicht der Beklagten kann nicht zugestimmt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Auslegung eines europäischen Patents nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bestimmung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns. Patentschriften stellen im Hinblick auf die dort verwendeten begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar. Weichen diese vom allgemeinen (technischen) Sprachverständnis ab, ist letztlich nur der sich aus der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgebend (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube).

Im Rahmen der Lehre des Klagepatents hat der Dichtungsring – wie bereits dem Begriff zu entnehmen ist – zunächst die Funktion, an der Abdichtung des Kugellagers mitzuwirken. Darüber hinaus soll er als Teil des Schmierkanals dienen, was zwingend erforderlich ist, weil der Schmierkanal die Versorgung des Kugellagers sicher stellen soll. Schließlich ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass der Dichtungsring des Kugellagers an einer der beiden Innenlaschen angrenzt und in Bezug auf diese Innenlasche still steht (Merkmal 7). Bei einer solchen Anordnung ist gewährleistet, dass der Teil des Schmierkanals, der nach Merkmal 6 a) von der Innenlasche gebildet wird, und der Teil des Schmierkanals, der nach Merkmal 6 b) von dem Dichtungsring gebildet wird, stets miteinander fluchten, weil sich die Innenlasche und der Dichtungsring nicht gegeneinander verschieben können. Dadurch wird vermieden, dass der Schmierkanal durch Bauteile geführt wird, die – wie noch im Stand der Technik – nur unter hohem konstruktiven Aufwand bei gleichzeitig einseitigem Verschleiß der Buchse und hohem Fettverbrauch beim Nachfüllen in eine verdrehsichere Position gebracht werden können (vgl. Anlage K 1 neu, Sp. 1, Z. 54 ff.).

Der Dichtungsring 16, den das einzige Ausführungsbeispiel der Klagepatentschrift aufweist, erfüllt alle vier genannten Funktionen. Er dichtet den freien Raum um das Kugellager nach außen ab, weist eine Öffnung auf, die als Führung des Schmierkanals dient, grenzt an eine der beiden Innenlaschen an und steht in Bezug auf die Innenlasche still, weil er – wie diese – an der Hülse angeformt ist (vgl. Anlage K 1 neu, Sp. 3, Z. 25 ff.; Z. 55 ff.).

In dem Ausführungsbeispiel ist der Dichtungsring 16 als ein einteiliger Ring ausgebildet. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass es für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatents zwingend erforderlich ist, dass die Abdichtung durch einen einteiligen Dichtungsring erfolgt. Vielmehr kann auch bereits ein durch einen Teil der Hülse gebildeter Ring, der im Zusammenwirken mit anderen Dichtungsmitteln die Abdichtung des Kugellagers nach außen bewirkt, den Teil des Schmierkanals bilden, der in das Kugellager mündet, und so angeordnet sein, dass er an eine der beiden Innenlaschen angrenzt und in Bezug auf die Innenlasche still steht. Für den Fachmann gibt es daher keinen Grund, nicht auch in einer solchen Anordnung einen Dichtungsring im Sinne der Lehre des Klagepatents zu sehen, zumal sich in der gesamten Klagepatentschrift kein Anhalt dafür findet, dass die Abdichtung des Kugellagers zwingend nur durch einen einteiligen Dichtungsring bewirkt werden soll. Vielmehr erkennt der Fachmann, dass er in der konkreten Ausgestaltung des Dichtungsringes keinen weiteren Vorgaben unterliegt, wenn der Schmierkanal durch einen Ring geführt wird, der zur äußeren Abdichtung des Schmierkanals beiträgt, an eine Innenlasche angrenzt und in Bezug auf diese Innenlasche still steht.

Bei der angegriffenen Ausführungsform wird das Kugellager durch drei Bauteile nach außen abgedichtet. Wie insbesondere der als Anlage K 10 vorgelegten Zeichnung entnommen werden kann, sind dies Teile des äußeren Bereichs der Hülse, Teile des Außenrings sowie ein an dem Außenring angeordnetes Dichtungsblech, das – wie der Außenring – gegenüber der Hülse und damit gegenüber der Innenlasche nicht still steht. Dabei sind die das Kugellager abdichtenden Teile des äußeren Bereichs der Hülse ringförmig ausgebildet. Durch diese mündet in einer Öffnung der Schmierkanal in den Raum des Kugellagers. Als Teil der Hülse grenzt der das Kugellager mit nach außen abdichtende Ring auch an einer der beiden Innenlaschen an und steht – wie in Merkmal 7 vorgesehen – in Bezug auf die Innenlasche still, weil diese – mit der Hülse verbunden ist, Merkmal 7.

Bei der angegriffenen Ausführungsform führt der Schmierkanal überdies unmittelbar von außen durch eine der beiden Laschen und den an die Lasche angrenzenden Dichtungsring des Kugellagers, so wie dies in der Merkmalsgruppe 6 weiterhin vorgesehen ist.

Mit der genannten Anordnung hebt sich das Klagepatent vom Stand der Technik ab, bei dem der Schmierkanal durch den Bolzen, die Hülse und die Buchse über axial und radial verlaufende Bohrungen verlaufen ist (vgl. Klagepatent, Anlage K 1 neu, Sp. 39 ff.; DE-PS 33 33 938, Anlage K 4, Sp. 3, Z. 37 ff., Figur). Demgegenüber soll nach der Lehre des Klagepatents der Schmierkanal den direkten Weg von außen durch die dazwischen liegenden Bauteile zum Kugellager nehmen. Das schließt nicht aus, dass vor der den Schmierkanal bildenden Innenlasche die mit einer Bohrung versehene Außenlasche angeordnet ist. Auch dann führt der Schmierkanal unmittelbar von außen durch eine der beiden Innenlaschen und den Dichtungsring zum Kugellager, weil kein „Umweg“ über andere Bauteile genommen wird. Die Bohrung in der Außenlasche kann im Übrigen auch nicht als Teil des Schmierkanals angesehen werden, weil Schmierfett, das unmittelbar in die Bohrung der Außenlasche gegeben würde, auch bei fluchtender Anordnung der Bohrungen von Außen- und Innenlasche zumindest teilweise durch einen zwischen den Laschen befindlichen Spalt entweichen könnte, weshalb man sich in der Praxis bei der Nachschmierung des Kugellagers der angegriffenen Ausführungsform der in der Anlage K 11 gezeigten rüsselartigen Anordnung bedient.

Dass nach Lehre des Klagepatents die Anordnung eines Bauteils vor der Öffnung des Schmierkanals nach außen nicht ausgeschlossen ist, solange der Schmierkanal weiter zugänglich bleibt, wird im Übrigen auch durch die Beschreibung des Klagepatents bestätigt, wenn darauf hingewiesen wird, dass es zum Schutz gegen ein Eindringen von Schmutz oder gegen ein Ausfließen des Fetts von Vorteil sein kann, ein sich zwischen der Innen- und der Außenlasche um den Bolzen herum erstreckendes Federblatt vorzusehen, das dichtend über der Außenöffnung des Schmierkanals der Innenlasche zu arretieren ist (Klagepatent, Anlage K 1 neu, Sp. 3, Z. 1 ff.).

III.

1. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten den zuerkannten Anspruch auf Unterlassung, weil sie die der Lehre des Klagepatents unterliegende Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und vertrieben hat, § 139 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ.

2. Die Beklagte ist zudem gegenüber der Klägerin zur Leistung von Entschädigung und Schadensersatz verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, Art. II § 1 IntPatÜG. In der Zeit nach Erteilung des Klagepatents zuzüglich eines Monats Karenz hat sie die Verletzungshandlungen zumindest fahrlässig und damit schuldhaft begangen, weil sie als ein auf dem Gebiet des Textilmaschinenbaus tätiges Unternehmen ohne Schwierigkeiten hätte erkennen können, dass sie mit den von der Klägerin beanstandeten Handlungen in den Schutzbereich des Klagepatents eingreift. Die Klägerin hat zudem ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Entschädigung und Schadensersatz, weil es hinreichend wahrscheinlich ist, dass entschädigungsrelevante Handlungen vorliegen bzw. der Klägerin ein Schaden entstanden ist, § 256 ZPO.

3. Dem Rechnungslegungsbegehren der Klägerin ist ebenfalls zu entsprechen, weil die Klägerin die ihr zustehende Entschädigung bzw. den ihr zustehenden Schadensersatz in anderer Weise nicht feststellen kann, § 242, 259 BGB. Zudem ist die Beklagte hinsichtlich der Verletzungshandlungen zur Auskunftserteilung verpflichtet, § 140b PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ.

4. Schließlich steht der Klägerin der geltend gemachte Vernichtungsanspruch zu, § 140a PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten sowie über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 709, 108 ZPO.

Der Streitwert der Klage beträgt 1.000.000,– Euro.

Dr. R1 R2