4a O 513/03 – Tief- und Siebdruckanlage

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  263

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Dezember 2004, Az. 4a O 513/03

Die Klage wird abgewiesen

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem europäischen Patent 0 757 xxx (nachfolgend: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer dänischen Priorität vom 28.4.1994 am 26.4.1995 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 9.11.1995, die der Patenterteilung am 8.7.1998. Zu den benannten Vertragsstaaten gehört die Bundesrepublik Deutschland.

Patentanspruch 1 des Klagepatents hat – in der veröffentlichten deutschen Übersetzung aus der englischen Verfahrenssprache – folgenden Wortlaut:

Druckvorrichtung mit einer Mehrzahl von Druckeinheiten und verschiedenen, austauschbaren Kassetten für verschiedene Drucktechnologien,

bei der jede Druckeinheit einen Hauptrahmen mit einem Druckzylinder, Führungswalzen zum Führen einer Aufzeichnungsbahn entlang eines Aufzeichnungspfades und eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette aufweist, und bei der jede kassette eine Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn und eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem Druckzylinder einer entsprechenden Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht ist,
so daß eine Bedienperson der Druckvorrichtung diese auf die gewünschte Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie einstellen kann, die für die Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen das Beispiel einer erfindungsgemäßen Druckvorrichtung:

Die Beklagte stellt unter anderem Druckanlagen her und vertreibt diese. Dazu gehören auch Anlagen und Maschinen für die Bearbeitung und Veredelung von Bahnenware, wobei es sich beispielsweise um Tapeten handelt. Im Internet bewirbt die Beklagte eine kombinierte Tief- und Siebdruckanlage, von der die Klägerin ein Prospektblatt in Ablichtung als Anlage K 7, eine CD mit einem von der Beklagten stammenden Werbefilm als Anlage K 10, Fotografien aus dem Werbefilm als Anlage K 11 sowie eine schematische Darstellung als Anlage K 12 vorgelegt hat. Die Beklagte hat ein Foto ihrer kombinierten Tief- und Siebdruckanlage als Anlage B 3 sowie eine zeichnerische Darstellung als Anlage B 4 vorgelegt. Letztere wird nachfolgend zur Veranschaulichung verkleinert wieder gegeben:

Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb der genannten Tief- und Siebdruckanlage durch die Beklagte eine Verletzung des Klagepatents.

Sie beantragt,

I.
Die Beklagte zu verurteilen,

1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Druckvorrichtungen mit einer Mehrzahl von Druckeinheiten und verschiedenen austauschbaren kassetten für verschiedene Drucktechnologien, bei denen jede Druckeinheit einen Hauptrahmen mit einem Druckzylinder, Führungswalzen zum Führen einer Aufzeichnungsbahn entlang eines Aufzeichnungspfades und eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette aufweist, und bei denen jede Kassette eine Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn und eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem Druckzylinder einer entsprechenden Druckeinheit aufweist, wenn die Kassette mit der Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht wird, so dass eine Bedienperson der Druckvorrichtung diese mit den gewünschten Bearbeitungstechnologien für die Aufzeichnungsbahn konfigurieren kann, die für die herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich sind,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;

insbesondere wenn

die Druckeinheit ferner Zuführwalzen zum Zuführen der Aufzeichnungsbahn aufweist

und/oder

eine Kassette mit Mitteln zum Siebdruck vorgesehen ist

und/oder

die Druckeinheit einen Bahneinlass und einen Bahnauslass auf etwa der gleichen Höhe oberhalb des Fußbodens aufweist, um somit den Transport der Aufzeichnungsbahn von einer Druckeinheit zur nächsten Druckeinheiten zu erleichtern;

2.
der Klägerin Rechnung über den Umfang der vorstehend zu I. 1. bezeichneten und seit dem 12. März 1997 begangenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt, nach Liefermengen,
-zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen
und Anschriften der Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen
und Anschriften der Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern,
deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der einzelnen Kostenfaktoren, aufgeschlüsselt nach Gestehungs-
kosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 8. August 1998 zu
machen sind;

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der
Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber
zur Verschwiegenheit verfpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer
mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn
ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzu-
teilen, ob ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder Angebots-
empfänger in der Aufstellung enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1.
der Klägerin für die vorstehend zu I. 1. bezeichneten und vom 12. März 1997 bis zum 7. August 1998 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 8. August 1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatents in Abrede.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen die gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz nicht zu, weil die angegriffenen Ausführungsformen nicht Anspruch 1 des Klagepatents verwirklichen, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9, 139, 140b PatG (1981), 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft Druckvorrichtungen mit mindestens einer Druckeinheit.

In der Klagepatentschrift wird einleitend ausgeführt, dass Kunden immer häufiger Drucksachen mit besonderen Effekten verlangten und es deshalb für Druckereien immer wichtiger sei, während der Herstellung von Drucksachen viele verschiedene Techniken anwenden zu können und dies für unterschiedliche Druckaufträge in unterschiedlicher Folge.

Im Stand der Technik seien Druckvorrichtungen bekannt, die nach dem Modulprinzip arbeiteten. Dabei enthalte ein Modul alle Mittel, die zur Anwendung einer besonderen Technik bei der Bearbeitung einer Aufzeichnungsbahn erforderlich seien. Eine Druckvorrichtung entstehe dadurch, dass ausgewählte Druckeinheiten in einer gewünschten Reihenfolge angrenzend aneinander angeordnet seien. Beispielsweise könnten bei einer Etikettdruckmaschinen auf zwei Siebdruckeinheiten zwei Buchdruckeinheiten, eine Einheit zum Heißfolienaufbringen, eine weitere Buchdruckeinheit, zwei Flexodruckeinheiten und eine Loch- oder Perforationseinheit folgen.

Sei jedoch eine solche Druckvorrichtung erst einmal mit den Druckeinheiten in einer bestimmten Reihenfolge aufgebaut, dann könne – so wird in der Klagepatentschrift kritisch angemerkt – diese Modulfolge nicht ohne qualifizierten technischen Umbau dieser Druckvorrichtung verändert werden. Unterschiedliche Arten von Druckmaterial erforderten jedoch oft eine unterschiedliche Reihenfolge der anzuwendenden Drucktechniken, so dass während des Herstellungsverfahrens Zwischenprodukte zu unterschiedlichen Produktionsmaschinen transportiert werden müssten.

Es sei bekannt, jede Druckeinheit so flexibel auszurüsten, dass es möglich sei, Druckerzeugnisse unterschiedlicher Formate herzustellen. Bisher sei das Problem durch Auswechseln der Druck- oder Perforationszylinder in der Weise gelöst worden, dass Druck- und/oder Perforationszylinder verwendet worden seien, deren Umfanglänge der Länge oder Längsabmessung des zu druckenden Formats entsprochen hätten. So sei beispielsweise aus der WO 87/04665 bekannt, den Plattenzylinder und den Gummizylinder einer Offset-Druckmaschine in einer Kassette anzuordnen, die auf einer Seite der Aufzeichnungsbahn angeordnet sei und die in axialer Richtung herausnehmbar sei, was das Auswechseln oder Reinigen von Platten- und Gummizylindern erleichtere.

Dem Klagepatent liegt das Problem zugrunde, die Flexibilität einer Druckvorrichtung der genannten Art weiter zu erhöhen.

Das soll durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:

1. Druckvorrichtung mit
1.1. einer Mehrzahl von Druckeinheiten und
1.2. verschiedenen austauschbaren Kassetten für verschiedene Drucktechnologien;

2. jede Druckeinheit weist
2.1. einen Hauptrahmen mit einem Druckzylinder,
2.2. Führungswalzen zum Führen einer Aufzeichnungsbahn entlang eines Aufzeichnungspfades und
2.3. eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette auf;

3. jede Kassette weist
3.1. eine Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn und
3.2. eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem Druckzylinder einer entsprechenden Druckeinheit auf, wenn die Kassette mit der Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht ist,

4. so dass die Druckvorrichtung von der Bedienperson auf die gewünschte Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie eingestellt werden kann, die für die Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist.

In der Klagepatentschrift wird zu den Vorteilen der patentgemäßen Vorrichtung ausgeführt, dass diese gegenüber den bekannten Druckvorrichtungen eine erhöhte Flexibilität aufweise, weil eine Druckerei Drucksachen in einem einzigen Arbeitsgang auf einer einzigen Druckvorrichtung herstellen könne, indem eine Bedienungsperson den Aufbau der Druckvorrichtung für die Arbeitsschritte zur Bearbeitung der Aufzeichnungsbahn in der für die Herstellung der jeweiligen Drucksachen erwünschten Reihenfolge frei wählen könne.

II.

Die angegriffene Druckvorrichtung der Beklagten verwirklicht den Gegenstand von Patentanspruch 1 des Klagepatent nicht, weil nicht festgestellt werden kann, dass verschiedene austauschbare Kassetten für verschiedene Drucktechnologien vorhanden sind.

Nach der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre gehören verschiedene austauschbare Kassetten für verschiedene Drucktechnologien – neben einer Mehrzahl von Druckeinheiten – zu den zwingend notwendigen Bestandteilen der erfindungsgemäßen Druckvorrichtung. Während die Druckeinheiten mit einem Hauptrahmen mit einem Druckzylinder und Führungswalzen zum Führen einer Aufzeichnungsbahn entlang eines Aufzeichnungspfades gleichsam die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung der verschiedenen Drucktechnologien schafft, werden mit den austauschbaren Kassette die besonderen Voraussetzungen für die Anwendung der jeweiligen Drucktechnologie zur Verfügung gestellt, indem jede der Kassetten eine Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn enthält. Dabei wird das Zusammenwirken zwischen der Druckeinheit und der jeweiligen Kassette auf Seiten der Druckeinheit durch eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette und auf Seiten einer jeden Kassette durch eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem Druckzylinder einer entsprechenden Druckeinheit sicher gestellt, wenn die Kassette mit der Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht ist. Durch den beschriebenen Aufbau soll erreicht werden, dass die Druckvorrichtung von der Bedienperson auf die gewünschte Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie eingestellt werden kann, die für die Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist.

Das Klagepatent baut damit auf dem bereits im Stand der Technik bekannten Modulprinzip auf, bei dem – wie in der Beschreibung des Klagepatents erläutert wird (Anlage K 1a, Seite 1, Abs. 3) – ein Modul alle Mittel enthält, die zur Anwendung einer besonderen Drucktechnik bei der Bearbeitung der Aufzeichnungsbahn erforderlich sind. Während es jedoch im Stand der Technik zwar aus der WO 87/04665 bekannt war, den Platten- und den Gummizylinder in einer Kassette anzuordnen, die auf einer Seite der Aufzeichnungsbahn angeordnet ist und die in axialer Richtung herausgenommen werden kann, um das Auswechseln oder Reinigen der Platten- und Gummizylinder zu erleichtern (a.a.O., S. 2, Abs. 2), konnte die sukzessive Anordnung der Module nicht ohne qualifizierten Umbau der Druckvorrichtung verändert werden (a.a.O., S. 1, Abs. 4). In Fortentwicklung dieses Standes der Technik sollen erfindungsgemäß nicht mehr nur ein oder mehrere Druckzylinder durch die Anordnung in einer Kassette problemlos austauschbar sein, sondern es ist beabsichtigt, das gesamte Modul – enthaltend alle Mittel, die für die Anwendung der jeweiligen Technik bei der Bearbeitung einer Aufzeichnungsbahn erforderlich sind (vgl. a.a.O., Seite 1 Abs. 3) – in einer Kassette anzuordnen. Mit anderen Worten sollen die für die Anwendung der jeweiligen Drucktechnologie erforderlichen Mittel in einer baulichen Einheit zusammengefasst sein, die dann nur noch als Ganzes in eine Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt muss (Merkmal 2.3.), um eine Wirkverbindung mit der Druckeinheit herzustellen (Merkmal 3.2.) bzw. aus der Aufnahme herausgenommen werden muss, um die Wirkverbindung mit der Druckeinheit zu beenden. Dadurch wird dann – entsprechend den Wirkungsangaben in Merkmal 4 – erreicht, dass die Druckvorrichtung von der Bedienperson auf die gewünschte Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie eingestellt werden kann, die für die Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist (vgl. auch Anlage K 1a, S. 2, Abs. 5 bis S. 3, Abs. 1). In der Beschreibung wird dies beispielsweise für zwei Aufträge betreffend die Herstellung von Etiketten in vier bzw. zwei verschiedenen Farben erläutert. Nach der Herstellung der Etiketten mit den vier Farben könne die Druckvorrichtung für die Herstellung von Etiketten mit zwei Farben und einer Folie mit Reliefdruck derart umgerüstet werden, dass zwei der Offsetkassetten aus den entsprechenden Druckeinheiten entfernt würden und eine Kassette mit Heißfolie und Mitteln zum Reliefdrucken befestigt würde und zwar in der Art, dass Offsetdruck und Aufbringen der Folie in der für die Herstellung der neuen Etiketten gewünschten Reihenfolge erfolge (a.a.O., S. 4, Abs. 4). Dabei wird offenkundig vorausgesetzt, dass bei der Umrüstung lediglich zwei Kassetten genannte Baueinheiten mit den für die Anwendung einer bestimmte Drucktechnologie erforderlichen Mitteln durch zwei Baueinheiten mit den für die Anwendung einer andere Drucktechnologie erforderlichen Mitteln ersetzt werden.

Entsprechend sind die Kassetten auch in dem in den Zeichnungen des Klagepatents gezeigten Ausführungsbeispiel mit einem die Mittel der jeweiligen Drucktechnik umfassenden Rahmen dargestellt, was klar darauf hindeutet, dass es sich um eine bauliche Einheit handelt. Das gilt sowohl für die in Figur 1 a gezeigte Offsetdruck-Kassette 8, die einen Plattenzylinder 9 und einen Gummizylinder 10 aufnimmt, und die Siebdruck-Kassette 11, die eine Matrize 12, einen Abfallbehälter 13, einen Rakel 14 und ein Getriebe 15 aufnimmt, wie auch für die Figur 1 b gezeigte Flexografie-Kassette 16, die einen Plattenzylinder 17, eine Anilox-Walze 18 und einen Kammerrakel 19 enthält und die Folien-Reliefdruckkassette 20, die mit einem Gummidruckzylinder 21, einem beheizbaren Reliefdruckzylinder 22, einer Abwickelspule 23, einer Aufwickelspule, Führungsrollen 25 sowie einem Antriebszahnrad 26 für den beheizbaren Reliefdruckzylinder 22 ausgestattet ist (vgl. Anlage K 1a, S. 5 f.).

Dem vorstehend vertretenen Verständnis des erfindungsgemäßen Begriffs einer austauschbaren Kassette für verschiedene Drucktechniken steht auch nicht der Hinweis der Klägerin auf die englische Fassung des Klagepatents entgegen. Zwar führt die Klägerin in diesem Zusammenhang – zu Recht – aus, dass die englische Fassung die für die Bestimmung des Schutzbereichs maßgebliche Fassung des Klagepatents ist, weil dessen Verfahrenssprache Englisch ist, Art. 70 Abs. 1 EPÜ. Indes geben die in der englischen Fassung verwendeten Begrifflichkeiten keinen Anlass zu einer anderen Auslegung des Klagepatents als dies auf der Grundlage der deutschen Übersetzung des Klagepatents vorstehend geschehen ist. Die Beklagte nimmt insofern Bezug auf die Verwendung des Begriffs einer „cartridge“ in Zusammenhang mit der Beschreibung des aus der WO 87/04665 bekannten Standes der Technik, bei dem die Platten- und Gummizylinder in einer Offset-Druckmaschine in einer „cartridge“ angeordnet sind, während dieser Begriff in der deutschen Übersetzung genauso als Kassette übersetzt werde wie der im Patentanspruch verwendete Begriff einer „cassette“. Die Kammer vermag der Verwendung einerseits des Begriffs einer „cartridge“ und andererseits des Begriffs einer „cassette“ im Klagepatent keinen für das Verständnis der erfindungsgemäßen „cassette“ (Kassette) relevanten Unterschied zu entnehmen. Unter einer „cartridge“ wird allgemein eine Patrone oder Kartusche, aber auch eine Kassette verstanden (Ernst, Wörterbuch der industriellen Technik, Englisch-Deutsch, 5. Aufl. 1985, „cartridge“). In jedem Fall handelt es sich bei einer „cartridge“ wie bei einer „cassette“ (Kassette) um ein andere Gegenstände aufnehmendes Behältnis, so dass auch die Übersetzung des Begriffs „cartridge“ als Kassette in der deutschen Übersetzung des Klagepatents nicht zu beanstanden ist, jedenfalls aber keinen Anlass zu einer anderen Interpretation des Begriffs einer erfindungsgemäßen Kassette gibt, wie sie vorstehend von der Kammer vertreten wird. Gleiches gilt im Ergebnis auch für den in der Beschreibung der englischen Fassung des Klagepatents verwendeten Begriff eines „reengineering“ (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 29 ff.). Dieser Begriff ist in der deutschen Fassung zutreffend als „qualifizierter technischer Umbau“ übersetzt worden, so dass auch insoweit kein Grund für eine abweichende Auslegung besteht.

Nach dem vorgenannten Verständnis des erfindungsgemäßen Begriffs der verschiedenen austauschbaren Kassetten für verschiedene Drucktechnologien kann eine Verwirklichung des Merkmals 1.2. bei der angegriffenen Ausführungsform nicht feststellt werden. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, welcher Arbeitsschritte es bedarf, wenn bei der beanstandeten Druckvorrichtung eine an einer Anschlussstelle angeordnete eine Tiefdruck-Baugruppe durch eine Siebdruck-Baugruppe ausgetauscht werden soll. Wenn bereits beim Wechsel eines Musters oder bei einem Farbwechsel erforderliche Arbeitsschritte nicht berücksichtigt werden, bedarf es nach dem Vorbringen der Beklagten für das Entfernen der Tiefdruck-Baugruppe folgender Arbeitsschritte:

1. Der Rakelträger muss ausgebaut werden.
2. Die Tiefdruck-Farbwanne muss entfernt werden.
3. Die elektrischen Leitungen und die pneumatischen Verbindungen zwischen der Tiefdruck-Baugruppe und dem Hauptrahmen müssen abgeklemmt werden.
4. und 5. Die beidseitigen (links/rechtsseitigen) Pneumatikzylinder müssen jeweils von den Anschlussstellen am Hauptrahmen demontiert werden.
6. und 7. Die verfahrbaren beiden Seitenteile, die sich auf zwei zugehörigen beabstandeten Schienenträgern befinden, müssen demontiert werden.
8. und 9. Der linke und der rechte Schienenträger und die zugehörigen Stege müssen demontiert werden.
10. Die gummierte Gegendruckwalze muss ausgebaut werden.
11. Die Pneumatik-Bedientafel mit zugehörigen Funktionsbauteilen für den Tiefdruck muss ausgebaut werden.

Die Klägerin hält dem entgegen, dass es sich bei den Maßnahmen zu 1. und 2. um gewöhnliche Maßnahmen handele, die bei jedem Farbwechsel anfielen und mit dem Wechsel der Technologie nichts zu tun hätten. Zudem könnten ausweislich der Zeichnungen in Anlage K 12 die Schritte 4 bis 9 zusammengefasst werden. Eine isolierte Demontage der einzelnen Bestandteile sei nicht zwingend erforderlich, so wie dies die Beklagte ihren Kunden auch wiederholt mitgeteilt habe. Selbst wenn dem so sein sollte, ändere dies nichts daran, dass es sich bei der „Baugruppe“ um eine Kassette im Sinne des Klagepatents handele. Die Maßnahmen 10 bis 12 seien bei einem Technologiewechsel nicht erforderlich. Dabei müsse die Gegendruckwalze nicht ausgetauscht werden. Vielmehr sei es tatsächlich möglich, sowohl für Flexo- als auch für Siebdruck und Tiefdruck Gummiwalzen einzusetzen. Ebenso wenig müsse die Pneumatik-Bedientafel mit den Funktionsbauteilen für den Tiefdruck ausgebaut werden.

Nach den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislastverteilung obliegt es der Klägerin, den Patentverletzungstatbestand substantiiert vorzutragen. Insbesondere hat sie darzulegen, dass die Druckvorrichtung verschiedene austauschbare Kassetten für verschiedene Drucktechnologien aufweist. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich dass eine solche Kassette nur dann vorliegt, wenn mit ihr die für die Anwendung der jeweiligen Drucktechnologie erforderlichen Mittel in einer baulichen Einheit zusammengefasst sind, so dass diese als Ganzes in eine Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden kann. Dass diese Voraussetzungen bei der angegriffenen Ausführungsform erfüllt sind, kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden.

Dabei mag dahin stehen, ob es sich bei den beiden erstgenannten Schritten um für die Demontage Tiefdruck-Baugruppe notwendige Maßnahmen handelt oder nicht. Denn jedenfalls ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht mit der erforderlichen Genauigkeit, dass es der Ausführung der weiteren Schritte 3 bis 9 nicht bedarf, weil die Tiefdruck-Baugruppe als Kassette in einer baulichen Einheit zusammengefasst ist, so dass diese dann nur noch als Ganzes in eine Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden muss. Dem Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, dass die Tiefdruck-Baugruppe nicht als eine solche bauliche Einheit besteht, weil sieben Arbeitsschritte ausgeführt werden müssen, um die elektrischen Leitungen und pneumatischen Verbindungen zwischen der Tiefdruck-Baugruppe und dem Hauptrahmen abzuklemmen, die beiden Pneumatikzylilnder zu demontieren, die beiden Seitenteile der Laufschienen abzubauen, die beiden Schienenträger und die dazugehörigen Stege zu entfernen. Dem ist die Klägerin lediglich mit der pauschalen Behauptung entgegen getreten, dass die Schritte 4 bis 9 zusammen gefasst werden könnten. Hingegen hat sie ihrerseits nicht dargetan, wie die Demontage der Tiefdruck-Baugruppe bei der angegriffenen Ausführungsform im Einzelnen zu erfolgen hat. Das kann auch weder dem pauschalen Verweis auf die Anlage K 12 noch der Behauptung der Klägerin entnommen werden, die Beklagte habe ihren Kunden wiederholt mitgeteilt, eine isolierte Demontage der einzelnen Bauteile sei nicht zwingend erforderlich. Vielmehr hätte im Hinblick auf das detaillierte Vorbringen der Beklagten im Einzelnen dargetan werden müssen, wie ein Zusammenbau der einzelnen Bestandteile der Tiefdrucktechnik zu einer Kassette und dann die Montage dieser Kassette am Hauptrahmen erfolgen kann.

Ob die Gegendruckwalze ebenfalls ausgetauscht werden muss, bedarf keiner abschließenden Feststellung, weil die Gegendruckwalze nicht Bestandteil der Kassette ist, sondern zur Druckeinheit gehört, Merkmal 2.1.

Auch bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob bei der angegriffenen Ausführungsform die Pneumatik-Bedientafeln mit den Funktionsbauteilen für den Tiefdruck ausgebaut werden müssen oder nicht, weil bereits die Anordnung der Funktionsbauteile für den Tiefdruck in einer Kassette nicht festgestellt werden kann.

Hinsichtlich des Einbaus der Siebdruck-Baugruppe trägt die Beklagte folgende Schritte vor:

12. Es muss eine für das Siebdruckverfahren erforderliche spezielle Gegendruckwalze mit verchromter Stahloberfläche im Hauptrahmen eingebaut werden.
13. Es muss die Pneumatik-Bedientafel mit den für das Siebdruckverfahren erforderlichen Funktionsbauteilen eingebaut werden.
14. und 15. Es müssen beidseitig der Anschlussstellen für die Siebdruckköpfe die beiden Rakel-Verstelleinrichtungen am Hauptrahmen befestigt werden.
16. und 17. Es müssen die pneumatischen Verbindungen und elektrischen Anschlüsse an die Rakel-Verstelleinrichtung angeschlossen werden.
18. Es muss ein Höhenversteller für eine der Anschlussstellen des Siebdruckkopfes montiert werden.
19. und 20. Es muss ein linker und ein rechter Wannenträger am Hauptrahmen befestigt werden.
21. Es muss die Siebdruck-Wanne eingesetzt werden.
22. und 23. Es müssen die Siebdruckköpfe an den beiden Anschlusstellen im Hauptrahmen montiert werden.
24. Es müssen die Programme für den Siebdruckbetrieb in dem Bedienerterminal eingegeben werden.
25. Es müssen die beiden Rakel-Verstelleinrichtungen ausgerichtet werden.
26. Die Einstellschablone, die für die Ausrichtung der beiden Rakel-Verstelleinrichtungen erforderlich war, muss wieder entfernt werden.

Dem hält die Beklagte entgegen, dass sich der Kassettenwechsel auf die Maßnahmen 22. und 23. sowie gegebenenfalls noch die Maßnahmen 14 und 15 beschränke. Alle anderen Maßnahmen hätten nichts mit dem Kassettenwechsel zu tun. Zudem existiere der bei der 18. Maßnahme genannte Höhenversteller bei der angegriffenen Ausführungsform gar nicht, wie sich aus den Fotografien nach Anlage K 11 ergebe. Die Maßnahmen 19 bis 21 beträfen die Wanne und damit die Farbzuführung, nicht aber den Kassettenwechsel.

Auch hinsichtlich der Siebdruck-Baugruppe kann den Darlegungen der Klägerin nicht entnommen werden, dass die für die Anwendung dieser Drucktechnologie erforderlichen Mittel in einer baulichen Einheit zusammengefasst sind und diese lediglich noch als Ganzes in die dafür in der Druckeinheit vorgesehene Aufnahme eingesetzt werden muss. Zunächst bedarf es bei der angegriffenen Ausführungsform jeweils der Befestigung der beiden Rakel-Verstelleinrichtungen sowie der beiden Siebdruckköpfe an den beiden Anschlussstellen im Hauptrahmenm, wie auch der Darstellung auf Seite 6 der Anlage K 12 entnommen werden kann. Zudem müssen auch die pneumatischen Verbindungen und elektrischen Anschlüsse an die Rakel-Verstelleinrichtung angeschlossen werden. Die Klägerin ist auch nicht dem Vorbringen der Beklagten entgegen getreten, dass ein Höhenversteller für eine der Anschlussstellen des Siebdruckkopfes montiert werden muss, der sich an der rechten Seite befindet und deshalb auf den als Anlage K 11 vorgelegten Fotografien nicht zu sehen ist. Zudem kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass die Befestigung des linken und rechten Wanneträgers am Hauptrahmen sowie das Einsetzen der Siebdruckwanne nicht zu den für die Anwendung des Siebdrucks erforderlichen Mitteln zählt und deshalb nach Sinn und Zweck des Klagepatents Bestandteil der Kassette zu sein hat. Das ergibt sich schon deshalb, weil die Siebdruckwannenträger an der Stelle des Anschlussteils des Hauptrahmens zu befestigen sind, an dem zuvor – bei der Tiefdruck-Baugruppe – die Schienenträger montiert waren. Schließlich ist nach dem Vorbringen der Beklagten, dem die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten ist, die Ausrichtung der beiden Rakel-Verstelleinrichtungen immer dann auszuführen, wenn die Druckvorrichtung erstmalig auf einen Siebdruck eingerihtet wird, nicht aber beim späteren Wechsel der Siebdruck-Musterschablonen bei unterschiedlichen Mustern.

Für den Kassettenwechsel irrelevant ist hingegen das – von der Klägerin im Übrigen bestrittene – Vorbringen der Beklagten, dass eine für das Siebdruckverfahren erforderliche spezielle Gegendruckwalze mit verchromter Stahloberfläche im Hauptrahmen eingebaut werden müsse (Maßnahme 12). Selbst wenn dies als tatsächlich zutreffend zugunsten der Beklagten unterstellt wird, betrifft die Montage der Gegendruckwalze gleichwohl nicht die Kassette, weil der Druckzylinder zusammen mit dem Hauptrahmen erfindungsgemäß notwendiger Teil der Druckeinheit ist, wie sich aus Merkmal 2.1. ergibt. Ferner hat die Klägerin dargetan, dass das Einstellen der Programme für den Siebdruckbetrieb auch dann erforderlich ist, wenn innerhalb derselben Technolgie Musterwechsel oder Schablonenwechsel erfolgen. Demgegenüber hat die Beklagte lediglich pauschal eingewandt, dass dies nicht zutreffe, womit sie angesichts des nachvollziehbaren und schlüssigen Vorbringens der Klägerin ohne weitere Erläuterungen nicht gehört werden kann.

Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, dass bei der angegriffenen Ausführungsform auch die für die Anwendung der Siebdrucktechnik erforderlichen Mittel nicht als eine Baueinheit in einer Kassette zusammengefasst sind und nicht als solche in eine Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden können, damit eine Wirkverbindung zwischen der Kassette und der Druckeinheit entstehen kann.

Selbst wenn – entgegen den vorstehenden Ausführungen – die Tiefdruck-Baugruppe als Kassette im Sinne einer baulichen Einheit ausgestaltet sein sollte, die – wie in der schematischen Darstellung auf Seite 4 der Anlage K 12 gezeigt – nur noch als Ganzes in die Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden muss, fehlt es doch – nach der schematischen Darstellung auf Seite 6 der Anlage K 12 – jedenfalls hinsichtlich der Siebdruck-Baugruppe an einer Kassette im vorgenannten Sinne, so dass bei der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht verschiedene austauschbare Kassetten für verschiedene Drucktechnologien vorliegen.

Nach alledem ist eine Verletzung des Klagepatents nicht gegeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 2.000.000,– Euro.

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