4b O 298/04 – Unberechtigte Abmahnungen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  272

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. November 2004, Az. 4b O 298/04

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.402,15 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger sind Patent – und Rechtsanwälte der Kanzlei X & Y. Sie begehren in dem vorliegenden Rechtsstreit die Zahlung einer an sie von der Firma H GmbH & Co.KG aus Duisburg (nachfolgend nur mit H bezeichnet) abgetretenen Patentanwaltshonorarforderung.

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 202 12 630.7, welches Kaminofenhandschuhe betrifft.

Die Firma H stellt her und vertreibt Kaminöfen.

Die Beklagte übersandte der Firma H ein Schreiben, das auf den 30.10.2002 datiert und welches nachfolgend wiedergegeben ist (Anl. K 1):

Nachdem die Firma H auf dieses Schreiben nicht reagierte, sandte die Beklagte das nachfolgend abgelichtete Schreiben.

Dies nahm die Firma H zum Anlaß, die Kläger zu konsultieren. Diese teilten der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2002 mit, dass nach ihrer Auffassung das Gebrauchsmuster der Beklagten nicht schutzfähig sei und forderten die Beklagte auf, zu erklären, dass sie „die in Rede stehende Abmahnung„ zurücknehme und „aus diesem Gebrauchsmuster weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft irgendwelche Rechte„ herleite (vgl. Anlage K 3).

Nachdem die Beklagte ihrerseits patentanwaltlichen Rat einholte, teilte sie den Klägern mit Schreiben vom 20.11.2002 mit, dass sie „die Aufforderung zur Stellungnahme„ nicht weiter verfolgen und weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft irgendwelche Rechte gegen H herleiten wolle.

Die Kläger forderten die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.11.2002 (Anl. K 7) auf, die Kosten für deren (der Kläger) Inanspruchnahme in Höhe von 1.402,15 EUR zu erstatten.

Die Kläger sind der Ansicht, die beiden oben wiedergegebenen Schreiben der Beklagten stellten Schutzrechts-Abmahnungen dar, die unberechtigt gewesen seien, weswegen die Beklagte zum Ersatz der Kosten der anwaltlichen Inanspruchnahme verpflichtet sei.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 1.402,15 EUR zzgl. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2003 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klagen abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass es sich bei den beiden in Rede stehenden Schreiben nur um eine Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme handele, die eine Kostenerstattungspflicht nicht rechtfertige.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Kläger können die klageweise geltend gemachte –an sie abgetretene- Forderung wegen ungerechtfertigter Abmahnung ihrer Mandantin nicht verlangen, da die Schreiben der Beklagten vom 30.10.2002 und vom 11.11.2002 keine solche unberechtigte Abmahnung darstellen.

Voraussetzung für den seitens der Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist, dass es sich bei den in Rede stehenden Schreiben um unberechtigte Abmahnungen handelt. Für solche ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Abmahnende die Kosten zu erstatten hat, wenn sie rechtswidrig sind. Vorliegend kann aber schon nicht festgestellt werden, dass es sich bei den beiden Schreiben um eine Abmahnung handelt. Eine Abmahnung ist ein an eine bestimmte Person gerichtetes ernsthaftes Unterlassungsbegehren. Letzteres muß nicht ausdrücklich geäußert sein, es kann sich auch aus den Begleitumständen ergeben (vgl. Busse – Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 139 RN 231). Noch keine –ggf. eine Kostenerstattungspflicht auslösende- Abmahnung stellt jedoch ein bloßer Hinweis auf ein Schutzrecht dar, auch dann, wenn dieser mit einer nachdrücklichen Aufforderung zur Stellungnahme verbunden ist (vgl. Busse, a.a.O., RN 232). Ob eine Aufforderung zur Stellungnahme als Abmahnung zu qualifizieren ist, hängt vom Einzelfall ab.

Eine Abmahnung muß, um als solche qualifiziert werden zu können, ein eindeutiges Unterlassungsbegehren gegen eine bestimmte Person enthalten. Weiterhin muß eine solche Verwarnung die Androhung gerichtlicher Schritte enthalten für den Fall, dass der Abgemahnte der geforderten Unterlassung nicht Folge leisten wird. Schließlich enthält eine solche Abmahnung –üblicherweise- die Aufforderung, eine (strafbewehrte) Unterlassungserklärung abzugeben.
Abzugrenzen von einer solchen –eine Kostenerstattungspflicht auslösenden- Abmahnung ist eine bloße Aufforderung, sich zu einer von dem Absender gemutmaßten Schutzrechtsverletzung zu äußern. Soll mit einem solchen Anschreiben an einen Wettbewerber lediglich ein Austausch initiiert werden, ob es sich bei dem beanstandeten Produkt um ein solches handelt, welches von dem beanspruchten Schutzrecht Gebrauch macht, so liegt hierin ein zulässiges geschäftliches Gebaren, welches keine Kostentragungspflicht für eine Rechtsverteidigung des Empfängers auslöst, auch dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass eine Schutzrechtsverletzung nicht gegeben ist, sei es, weil die angebotenen Gegenstände dieses Schutzrecht nicht verletzen, sei es, wie vorliegend, dass sich herausstellt, dass Zweifel an dem Rechtsbestand des Schutzrechtes bestehen.

Unter Anwendung dieser Grundsätze gilt für die streitgegenständlichen Schreiben das folgende: Die Beklagte hat die Firma H mit Schreiben vom 30.10.2000 zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme bis zum 04.11.2002 aufgefordert, da die Firma H durch die Verteilung von Kaminofenhandschuhen das diesbezügliche Schutzrecht der Beklagten verletze. Dieses Schreiben enthält schon nicht ein an die Firma H adressiertes eindeutiges Unterlassungsbegehren. Zwar ist die Ausdrucksweise und Wortwahl nicht unbedingt so, wie man es bei einer Berechtigungsanfrage erwarten würde, da hier vielmehr eine Verletzungshandlung als klar gegeben dargestellt wird. Das alleine könnte es rechtfertigen, das Schreiben als eine Abmahnung zu bewerten. Dieser Inhalt wird aber durch die letzte Zeile des Schreibens gerade entkräftet, als dort eine schriftliche Stellungnahme „gefordert„ wird. Es handelt sich hierbei nicht um die Abgabe einer Unterlassungserklärung o.ä.. Welchen Inhalt diese Stellungnahme haben kann – oder soll- ist völlig offen gelassen. Schließlich ist auch nicht die Androhung gerichtlicher Schritte enthalten für den Fall, dass die Firma H der „Forderung„ nicht Folge leistet.

Auch in Zusammenschau mit dem weiteren Schreiben der Beklagten vom 11.11.2002 ergibt sich nicht die Notwendigkeit, zur Rechtsverteidigung einen Rechts- oder Patentanwalt aufzusuchen, mit der Folge, dass die Beklagte dessen Kostennote zu ersetzen hätte. Denn auch in diesem Schreiben wird von der Firma H keine Unterlassung der Verteilung von Kaminofenhandschuhen verlangt. Die gesetzte „letzte Frist bis zum 15.11.2002„ bezieht sich eindeutig auf die Abgabe einer Stellungnahme (und nicht einer Unterlassungsverpflichtungserklärung). Zwar ist in diesem Schreiben nunmehr die Rede davon, dass ab diesem Zeitpunkt (15.11.2002) weitere Schritte gegen die Firma H vorgenommen werden sollen. Es ist aber für diese in keiner Weise erkennbar gewesen, welche Art von Schritten dies sein sollten. Keinesfalls musste es sich um die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe handeln. Mit den „weiteren Schritten“ konnte – was sogar noch näher lag – auch die Einschaltung eines Rechts- oder Patentanwalts gemeint sein, den die Beklagte bisher noch nicht hinzugezogen hatte. Es war von der Firma H in dieser Situation zu erwarten, dass sie einfach zuwartete, welche Schritte denn nun von der Beklagten ergriffen würden. Selbstverständlich stand es ihr auch frei, die Kläger aufzusuchen und diese um Rat zu fragen. Erforderlich ist dies für eine vernünftige und im Geschäftsleben erfahrene Person aber nicht gewesen, so dass hierfür ein Kostenersatz nicht verlangt werden kann.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.

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